Protocol of the Session on January 18, 2007

Besondere Ignoranz hat der Senat jedoch aktuell in Sachen Tempelhof mit dem Angebot Langhammer/Lauder und Mehdorn/Deutsche Bahn an den Tag gelegt. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der amerikanische Unternehmer Fred Langhammer möchte in die überwiegend leerstehenden Gebäude von Tempelhof, die ungenutzt lediglich Kosten verursachen und damit wesentlich für die Verluste von Tempelhof zuständig sind, 350 Millionen € investieren, um ein Gesundheitszentrum zu errichten. Herr Langhammer ist kein Unternehmer, den der Regierende Bürgermeister als unseriös abqualifizieren könnte, was er gelegentlich gern mit nach Berlin kommenden Investoren tut.

Voraussetzung für den Flugbetrieb – das ist die einzige Voraussetzung, die Herr Langhammer für seine Investition fordert – ist die Aufrechterhaltung des Flugbetriebes. Für den Betrieb des Flughafens hat er gleich noch die Deutsche Bahn und Herrn Mehdorn gewonnen. Es geht um eine Investition von 350 Millionen €. Das ist eine Chance, die jeder Bürgermeister der Welt zur Chefsache mit höchster Priorität erklären würde. Aber was setzt man in Berlin den Investoren entgegen? – Bedenkenträgerei und Ignoranz.

[Beifall bei der FDP]

BBI sei damit gefährdet, heißt es. Die Stilllegung von Tegel spätestens ein halbes Jahr nach Eröffnung von BBI ist rechtskräftig bestätigt. Aber, so räumt selbst Gerichtspräsident Jürgen Kipp ein, die Schließung von Tempelhof sei viel schwieriger zu beurteilen. Der Präsident des Verbandes der allgemeinen Luftfahrt, der Luftverkehrsrechtler Professor Elmar Giemulla erklärt in der „Berliner Morgenpost“, die Schließung von Tempelhof sei für die Rechtfertigung von BBI nicht zwingend. Wenn man den Geschäftsreiseflugverkehr in Tempelhof belasse, stelle dies nicht das Planfeststellungsverfahren für BBI infrage. Die gleichen Bedenken gibt es übrigens bei Eberwalde/Finow nicht. Darauf kommen wir aber bei Gelegenheit noch zurück. Das ist eine ganz interessante Sache. Dort wird plötzlich von einem Regionalflughafen gesprochen, den Brandenburg erweitern will. Das diskutieren wir später. Die Gefahr der Schließung von Tempelhof ist groß. Die Folgekosten aus Leerständen und Sicherung des Geländes tragen die Steuerzahler. Wir laufen also wieder

einmal Gefahr, die Chancen Berlins zu vertun. Es ist ein mehr als aktuelles Thema. Deshalb bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag für die Aktuelle Stunde. – Besten Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke. – Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Aktualität begründet werden muss und nichts Sonstiges.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, zuerst über das Thema der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Berliner Universitäten –. Wer diesem Thema seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90, die Linkspartei und die SPD. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind CDU und FDP. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Ich mache Sie wieder auf die vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Für die Abwesenheit an unserer heutigen Sitzung lagen dem Ältestenrat folgende Entschuldigungen vor: Frau Senatorin Dr. Knake-Werner ist für die Sitzung aus familiären Gründen entschuldigt. Frau Senatorin Junge-Reyer wird gegen von 17.00 Uhr bis 18.30 Uhr abwesend sein, um den Vorempfang der Internationalen Grüne Woche von seiten des Senats zu bestreiten. Senator Dr. Körting wird ab ca. 18.45 Uhr abwesend sein, um dem Festakt anlässlich der Eröffnung der Handball Weltmeisterschaft beizuwohnen. Der Regierende Bürgermeister wird ab ca. 17.30 Uhr abwesend sein, um die Internationale Grüne Woche zu eröffnen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, kann ich noch den neuen Direktor des Abgeordnetenhauses, Herrn Peter Blum, vorstellen. Ich wünsche uns gute Zusammenarbeit im Namen aller Abgeordneten.

[Beifall]

Die Abgeordneten haben ihn in Augenschein genommen. Er steht natürlich für alle Fragen, Hilfen und Sonstiges dem einzelnen Abgeordneten, aber auch den Fraktionen gern zu Verfügung.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat der Kollege Sven Kohlmeier von der Fraktion der SPD zu dem Thema

Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz

Bitte schön, Herr Kohlmeier. Sie haben das Wort. Eilen Sie herbei!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welches sind die Kernpunkte des Entwurfs für ein Jugendstrafvollzugsgesetz, den der Berliner Senat gemeinsam mit acht weiteren Bundesländern erarbeitet hat?

2. Wann wird das Parlament eingehend über den Entwurf informiert und das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet?

Danke schön, Herr Kollege Kohlmeier! – Die Senatorin für Justiz beantwortet die Frage. – Bitte schön, Frau von der Aue, Sie haben das Wort!

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kohlmeier! Bevor ich Ihre Frage 1 beantworte, möchte ich betonen, dass der vorgelegte Entwurf noch kein Entwurf des Senats, sondern der Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe ist. Der Entwurf legt als Vollzugsziel fest, dass die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen sind.

Die gesamte Vollzugsgestaltung hat sich an diesem Vollzugsziel auszurichten. Gleichermaßen hat der Vollzug die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Den Anforderungen an einen humanen, zeitgemäßen und konsequent am Erziehungsgedanken ausgerichteten Jugendstrafvollzug trägt das Gesetz insbesondere durch folgende Vorgaben Rechnung, mit denen auch die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai des letzten Jahres umgesetzt werden:

Die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs ist wesentliches Element des Gesetzentwurfs. Die Gefangenen sollen in der Entwicklung und Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung unterstützt werden. Sie haben aktiv an der Erfüllung ihrer Pflichten mitzuwirken und Verantwortung insbesondere auch für die begangenen Taten zu übernehmen. Die Jugendstrafanstalten unterstützen sie in der Entwicklung und Stärkung dieser Fähigkeiten. Ein reibungsloser Übergang vom Gefängnisalltag in ein freies Leben außerhalb des Vollzugs soll sichergestellt werden.

Der Entwurf enthält daher das Gebot der Zusammenarbeit zwischen Anstalt und Stellen außerhalb des Vollzugs einschließlich freier Träger. Durch diese Zusammenarbeit soll ein effektives Netzwerk aufgebaut werden. Das hat den großen Vorteil, dass Erfahrungswissen ausgetauscht und Hilfen gemeinsam organisiert und koordiniert werden können. Bereits so frühzeitig wie möglich müssen im Vollzug Entlassungsvorbereitungen einsetzen, damit die Nachbetreuung sichergestellt ist. Dieses sogenannte Übergangsmanagement verbessert die Eingliederungschancen der Entlassenen entscheidend.

Der Gesetzentwurf sieht die Einrichtung sozialtherapeutischer Abteilungen vor. Dort können Gefangene untergebracht werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Abteilung zum Erreichen des Vollzugsziels angezeigt sind.

Eine weitere Regelung ist der Grundsatz der Einzelunterbringung während der Ruhezeit. Die Gefangenen werden über Nacht in den Hafträumen allein untergebracht. Dieser Grundsatz ist außerordentlich wichtig, weil er Gewalt in der Anstalt einzudämmen hilft. Resozialisierung kann nur gelingen, wenn die Gefangenen möglichst umfassend vor wechselseitigen Übergriffen geschützt sind. Diese geschehen zumeist dann, wenn sich die Angreifer – etwa bei gemeinsamer Unterbringung in der Nacht – unbeobachtet fühlen. Auch bedürfen die Gefangenen einer angemessenen Rückzugsmöglichkeit.

Während die Gefangenen in der Nacht einzeln unterzubringen sind, steht in der übrigen Zeit die gemeinschaftliche Unterbringung im Vordergrund. Geeignete Gefangene werden laut dem gemeinsamen Gesetzentwurf in Wohngruppen untergebracht. Wohngruppen sind ein wichtiges Instrument des Erziehungsvollzugs. Ebenso wie die Einzelunterbringung zur Ruhezeit trägt der Wohngruppenvollzug dazu bei, dass subkulturelle Strukturen zurückgedrängt werden und die Wiedereingliederung der Gefangenen gelingt. Wohngruppen gewährleisten eine persönliche Betreuung und auf die Gefangenen zugeschnittene Erziehungs- und Fördermaßnahmen. Sie unterstützen den Aufbau von Kontakten und dienen der Einübung sozial adäquaten Verhaltens.

Ein Schwerpunkt des Jugendstrafvollzugs, wie ihn der gemeinsame Gesetzentwurf konzipiert, liegt in der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung der Gefangenen. Der Entwurf legt fest, dass Aus- und Weiterbildung Vorrang vor Arbeit haben. Ein solcher Vorrang ist altersangemessen.

[Mario Czaja (CDU): Wir sind hier in der Mündlichen Fragestunde!]

Die Chancen einer erfolgreichen Resozialisierung werden erheblich verbessert, wenn die Gefangenen in der Anstalt einen bisher fehlenden Schulabschluss nachholen und eine berufliche Ausbildung absolvieren können. Dies ist grundlegend für ihren weiteren beruflichen Werdegang.

[Frank Henkel (CDU): Ist das ein juristisches Seminar oder eine Fragestunde?]

Dies, Herr Abgeordneter, ist kein Seminar. Ich wurde nach den wesentlichen Eckpunkten des Entwurfs für ein Jugendstrafvollzugsgesetz gefragt. Deswegen gedenke ich auch, dem Abgeordnetenhaus diese Informationen zu geben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion Frank Henkel (CDU): Das können Sie doch zu Protokoll geben!]

Der Gesetzentwurf beachtet außerdem den besonderen Bedarf an Außenkontakten, insbesondere durch Verlängerung der regulären Besuchszeiten auf monatlich vier Stunden. Hierdurch wird eine weitere Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.

Schließlich schreibt der Gesetzentwurf die Evaluation und kriminologische Forschung verbindlich vor. Behandlungsprogramme für die Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Der Vollzug soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch andere Stellen wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. Dadurch werden aussagefähige und auf Vergleichbarkeit angelegte Daten gewonnen, anhand derer der Jugendstrafvollzug sachgerecht ausgestaltet werden kann. Außerdem wird dadurch die Grundlage für eine Wirksamkeitskontrolle des Jugendstrafvollzugs und seiner Maßnahmen und Programme geschaffen. Damit ist gewährleistet, dass der Jugendstrafvollzug auch in Zukunft einem stetigen Prozess der Überprüfung und Verbesserung unterliegt.

Zu Ihrer Frage 2, Herr Abgeordneter:

[Gelächter bei der CDU]

Es ist beabsichtigt, den Gesetzentwurf in den nächsten Tagen den nachgeordneten Behörden der Justizverwaltung zuzuleiten, die betroffenen Senatsverwaltungen in Vorbereitung auf das Mitzeichnungsverfahren zu beteiligen und solche Fachkreise und Verbände anzuhören, bei denen dies angezeigt erscheint. Gleichzeitig mit der Anhörung der beteiligten Fachkreise und Verbände wird der Entwurf den Fraktionen des Abgeordnetenhauses zugeleitet und auch ins Netz gestellt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage des Kollegen Kohlmeier? – Wünschen Sie eine oder nicht? – Ja! Dann müssen Sie sich melden, sonst kann ich das nicht sehen! Jetzt nicht mehr drücken! Das Mikrofon hochrichten und sprechen!

Danke, Herr Präsident! Wir sind lernfähig. – Ich bedanke mich bei der Senatorin für die Beantwortung. – Die Kernpunkte, die Sie gerade genannt haben, werden auch finanzielle Auswirkungen für das Land haben. Wie will der Senat die von Ihnen genannten pädagogischen Standards finanzieren?

Danke schön! – Frau Senatorin von der Aue!

[Frank Henkel (CDU): Jetzt dauert das noch mal so lange!]

Vielen Dank! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kohlmeier! Dieser Gesetzentwurf wird auch finanzielle Mehraufwendungen nach sich ziehen. Wir sind in Berlin aber in der günstigen Situation, dass wir bereits eine Vielzahl der Vorgaben dieses neuen Gesetzes umgesetzt haben – sie sind bei uns Standard –, sodass nur in Teilen nachgerüstet werden muss. Wir sind derzeit dabei, Berechnungen anzustellen, können diese aber noch nicht abschließend vorlegen. Für zwei Bereiche kann ich Ihnen schon Zahlen nennen. Die Erweiterung der Besuchszeiten auf vier Stunden wird in der Jugendstrafanstalt einen Mehrbedarf von etwa vier Stellen der Besoldungsgruppe A7/A8 nach sich ziehen. Ein weiterer Bereich ist die Erhöhung der Beschäftigung der Strafgefangenen, die auch das Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben hat. Weil Berlin schon eine sehr hohe Beschäftigungsquote von über 70 % hat, wird sich hier ein Mehrbedarf von etwa 900 000 € ergeben. Alle weiteren Berechnungen müssen wir erst noch anstellen. – Vielen Dank!

Danke schön, Frau Senatorin! – Dann ist der Kollege Ratzmann an der Reihe. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Frau Senatorin! Das war schon der entscheidende Punkt bei diesem neuen Gesetzentwurf. Sind Sie bereit, in dem Gesetzentwurf auch festzuschreiben, mit welchem Personalschlüssel die verbesserten pädagogischen Maßnahmen umgesetzt werden können?

Danke! – Frau Senatorin! Bitte schön!