Protocol of the Session on May 28, 2009

Die Sicherung von Mobilität für alle ist eine Voraussetzung für die Teilhabe am öffentlichen Leben. Der Nahverkehr ist Standortfaktor und Grundlage weiterer wirtschaftlicher Entwicklung. Im Mittelpunkt der Verkehrspolitik steht die fortgesetzte Förderung des Umweltverbundes aus öffentlichem Personennahverkehr, Fahrrad- und Fußgängerverkehr. Grundlage der Verkehrspolitik in der nächsten Legislaturperiode ist der Stadtentwicklungsplan Verkehr... mit dem Maßnahmenkatalog. Dabei wird eine Verknüpfung mit dem Prozess der Lokalen Agenda 21 angestrebt. Mit den Partnern in der Wirtschaft wird die Koalition das integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept umsetzen.

Das zeigt, dass es hier um etwas mehr als um einzelne Absätze, Abschnitte und einzelne Bauvorhaben geht. Es geht um ein gesamtes Verkehrskonzept und auch um ein Herangehen an das Verkehrskonzept und die Erarbeitung. Das ist der Mentalitätswechsel, wie wir ihn verstehen, nicht das Kleinklein, das einzelne Fraktionen in diesem Haus machen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Ist doch Rumgesülze, was Sie hier machen!]

Dass die Umsetzung dieser Planung von der Koalition und vom Senat Schritt für Schritt vorangetrieben wird, hat auch Anerkennung zum Beispiel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in der Anhörung am Montag im Verkehrsausschuss bekommen. Er hat deutlich gesagt, dass es hier erhebliche Fortschritte in der Verkehrspolitik gibt, und zwar sowohl was die Maßnahmen angeht als auch was die Kommunikation über Maßnahmen und die Einbindung der verschiedenen Beteiligten angeht. Darauf sind wir stolz, und das wollen wir fortführen.

[Ramona Pop (Grüne): Die A 100 ist der Rückschritt! – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Jetzt, liebe Frau Pop, genau, weil Sie das sagen, wie ich Ihnen gerade vorgelesen habe: Der Stadtentwicklungsplan Verkehr ist ein umfangreiches Konzept, die Grundlage unserer Verkehrspolitik. Er ist dem Parlament vorgelegt worden, er ist vorher umfangreich mit gesellschaftlichen Gruppen, mit Umweltverbänden, auch mit dem ADAC und anderen diskutiert worden. Es hat dort ein gemeinsames Leitbild und eine Menge an Maßnahmen gegeben.

Es hat auch eine Abwägung zur A 100 hinsichtlich alternativer Straßenverbindungen wie der Süd-Ost-Verbindung von der Späthstraße über Schöneweide und Karlshorst nach Biesdorf oder der Tangentialverbindung Ost von Köpenick nach Marzahn gegeben.

[Claudia Hämmerling (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Präsident Walter Momper

Das Ergebnis dieser Abwägung war die Beibehaltung der FNP-Darstellung der A 100 und stattdessen die Aufgabe der TVO zwischen An der Wuhlheide und B 1, B 5.

Im Rahmen des Innenstadtkonzeptes ist auch die Frage ein wichtiges Element: Wie leite ich die Verkehre vor dem S-Bahn-Ring ab, um sie gar nicht erst in die Innenstadt hereinzuführen?

Entschuldigung, Herr Gaebler! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hämmerling?

Schönen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Gaebler! Meine Frage ist: Warum treiben Sie ausgerechnet die Projekte aus dem Stadtentwicklungsplan Verkehr voran, die Autobahnprojekte sind, und lassen die Straßenbahnprojekte hinten wegfallen?

Liebe Frau Hämmerling! Diese Frage könnten Sie sich selbst beantworten. Es findet sowohl für ein uns sehr wichtiges Straßenbahnvorhaben ein Planfeststellungsverfahren statt als auch für dieses Autobahnprojekt A 100.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Seit acht Jahren, Herr Gaebler!]

Liebe Frau Hämmerling! Es sind doch Ihre Leute, die Sie sonst immer haben wollen, die Klagen angedroht haben und die das ganze Verfahren zur Straßenbahn, das schon fertig war, mit der Straßenentwicklung in der Invalidenstraße gekippt haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wenn Sie jetzt „Haltet den Dieb!“ rufen, dann ist das lächerlich, Frau Hämmerling! Sie haben die Planfeststellung für die Straßenbahn zum Hauptbahnhof gekippt. Deshalb muss sie jetzt neu gemacht werden, und sie wird auch mit aller Ernsthaftigkeit gemacht. Aber das jetzt hier der Koalition vorzuwerfen, ist ziemlich albern.

[Beifall bei der SPD]

So viel zum Sachstand der Beschlusslage vor dem Beschluss des Landesparteitages der SPD.

Nun ist immer die Frage möglich und auch legitim: Ist Autobahnbau zeitgemäß? – Ich glaube, die Anforderungen an die Begründungsnotwendigkeit steigen, aber wir sehen, dass auch grüne Senatoren in Bremen Planfeststellungsverfahren für Autobahnen einleiten, auch gegen die Proteste von Umweltverbänden. Insofern scheint es doch auch Begründungen zu geben, die Autobahnen an bestimmten Stellen zulassen.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Ganz unzeitgemäß können sie nicht sein, wenn sogar Ihre Parteifreunde manchmal die Notwendigkeit sehen, solche Projekte voranzutreiben.

[Beifall bei der SPD und der FDP]

Es stellt sich vielmehr die fundamentalere Frage: Ist Autofahren zeitgemäß? – Ich glaube, da wird es ganz interessant. In der heutigen Form ist Autofahren eigentlich nicht zeitgemäß.

[Beifall bei den Grünen]

Klatschen Sie, Frau Eichstädt-Bohlig! Fragen Sie aber anschließend einmal in Ihrer Fraktion herum, wie viele Leute von Ihren Abgeordneten noch Auto fahren! – Das trifft hier alle Fraktionen, und genau das ist doch das Problem, nämlich dass man hier mit einfachen Wahrheiten und der moralischen grünen Keule nicht weiterkommt, sondern man muss es differenziert betrachten. Man muss das abwägen, und man muss das in stadtverträgliche Politik einbinden. Alles andere ist Hokuspokus und Effekthascherei.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP – Zuruf von den Grünen]

Insofern haben wir gerade gesehen: Das Mobilitätsbedürfnis, das durch individuelle Pkws befriedigt wird, scheint auch in den Reihen der Grünen-Fraktion vorhanden zu sein. Deshalb ist das Vorgehen von Bündnis 90/Die Grünen auch nicht angemessen, und wenn Sie hier Biogartenkresse als Alternative zur A 100 verteilen, dann ist das, liebe Grüne, das Ende von Politik. Das ist keine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem ernsthaften Problem.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Jetzt – weil Sie schon so heiß darauf warten – –

[Zurufe von den Grünen]

Entschuldigung, aber ich glaube, Sie, Herr Ratzmann, streben eine Jamaika-Koalition mit der FDP an, nicht wir! Wenn Sie sagen, das seien unsere Bündnispartner: Das sind Ihre Bündnispartner! Vielleicht nicht die von Herrn Behrendt, aber die von Ihnen, Herr Ratzmann. Ganz eindeutig!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Jetzt würde ich gern zur Sache zurückkommen, wenn Sie sich etwas beruhigen können. Wir als SPD haben auf dem letzten Parteitag einen Beschluss gefasst, der – –

[Zurufe von den Grünen und von der FDP]

Wollen Sie mir jetzt zuhören, oder wollen Sie selbst reden? Dann mache ich gern eine Pause.

Meine Damen und Herren! Jetzt hat Herr Gaebler das Wort und nur Herr Gaebler.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Christian Gaebler

Herr Mutlu! Herr Gaebler hat jetzt das Wort. – Bitte fahren Sie fort!

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Herr Esser! Ich glaube, ich fahre mehr Fahrrad als Sie. Insofern müssen Sie mir nichts darüber erzählen.

[Zurufe von den Grünen]

Wir als SPD haben einen Parteitagsbeschluss,

[Bravo! und Beifall von den Grünen]

der wegen erheblicher Bedenken gegen die Folgen des Autobahnbaus einen Ausstieg aus dem Projekt fordert. Das kann aber nur im Rahmen eines Gesamtkonzepts erfolgen.

[Och! von den Grünen]

Das Planfeststellungsverfahren muss ordentlich zu Ende geführt werden, weil es die objektivste Form der Zusammenstellung aller Auswirkungen des Autobahnprojektes ist und eine sachgerechte Abwägung aller Argumente ermöglicht. Ein abgeschlossenes Planfeststellungsverfahren gibt Baurecht, aber keine Baupflicht.

[Zurufe von den Grünen]