1. Wie bewertet der Senat den Vorschlag der Berliner CDU zur Reform der Jobcenter, den sogenannten „Berliner Weg zu verfassungsgemäßen Jobcentern“?
Danke schön, Frau Grosse! – Für den Senat antwortet die Sozialsenatorin, Frau Knake-Werner. – Bitte!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Grosse! Ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt: Seit vielen Monaten befassen sich Bund und Länder mit der Neuorganisation der Jobcenter. Wir haben hier bereits mehrfach darüber diskutiert. Ideen und Wege zu einer besseren Arbeit waren dabei immer willkommen. Der Vorstoß der CDU nun kommt leider viel zu spät, um den Bürgerinnen und Bürgern und auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter mehr Sicherheit über ihre Zukunft zu vermitteln.
Ehrlich gesagt finde ich es einigermaßen mutig, wenn die CDU jetzt einen Berliner Weg zu verfassungsmäßigen Jobcentern vorschlägt, nachdem über ein Jahr Expertinnen und Experten, Fachministerinnen und Fachminister der Länder intensiv an einer Lösung gearbeitet haben, übrigens – das will ich hier betonen – ausgesprochen konstruktiv über alle Parteigrenzen hinweg.
Auch deshalb ist es schließlich zu einem einstimmig beschlossenen Konsens über die Neuorganisation gekommen, ein Vorschlag, der den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts standhält und – das betone ich auch hier ausdrücklich – im Interesse der betroffenen Menschen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter ist. Umso unverständlicher ist es deshalb aus meiner Sicht, dass die CDU-Bundestagsfraktion diesen Lösungsweg im letzten Moment blockiert hat.
Jeder Vorschlag zur Neuorganisation der Jobcenter muss sich am Urteil des Bundesverfassungsgerichts messen lassen. Beim Anlegen dieser Messlatte fällt der Vorschlag der CDU aus dieser Sicht durch. Nach diesem Vorschlag sollen künftig die Länder bzw. auch die Kommunen bestimmen, wer die Jobcenter führt. Ein Flickenteppich aus verschiedenen Organisationsformen wäre die Folge, von den Verantwortlichkeiten her für die Bürgerinnen und
Bürger kaum mehr zu durchschauen. Das ist, glaube ich, eine Lösung, die nicht besonders bürgerfreundlich ist. Die verfassungsrechtlich gebotene Herstellung gleicher Lebensverhältnisse wäre auf diese Weise nur schwer zu erreichen. Die einheitliche Arbeitsmarktpolitik, zu der wir uns alle verpflichtet haben, würde auf diese Weise zerschlagen.
Was sind jetzt die Konsequenzen für die Erwerbslosen? Danach hatten Sie gefragt, Frau Grosse! Ich will einige wenige Anmerkungen machen. – Je nach gewählter Organisationsform, für die sehr viele Varianten in dem Vorschlag der CDU aufgeführt sind, müssen die Erwerbslosen mit einer Verschlechterung des Zugangs entweder zu den Leistungen der Arbeitsförderung oder zu den kommunalen sozialen integrativen Leistungen rechnen. Bei Jobcentern in der Regie der Bundesagentur würde die Möglichkeit des Landes, auf regionale Besonderheiten der Arbeitsmarktpolitik Einfluss zu nehmen, gänzlich entfallen. Bei den Jobcentern in Landes- und kommunaler Zuständigkeit würde die Gefahr, dass die Arbeitsmarktpolitik kommunalisiert würde und damit vor allen Dingen auch die Kosten kommunalisiert würden, steigen, was für strukturschwache Regionen wie Berlin wirklich alles andere als attraktiv sein kann. Und schließlich ist bei der getrennten Aufgabenwahrnehmung natürlich das Postulat, den Erwerbslosen Leistungen aus einer Hand zu vermitteln, überhaupt nicht mehr möglich. – Kurz gesagt: Aus meiner Sicht ist der Berliner Weg nicht geeignet, die Probleme unter Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger angemessen zu lösen.
Danke schön, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Wie beurteilen Sie die Verweigerungshaltung der Bundestagsfraktion der CDU, die jetzige Form der Jobcenter verfassungsrechtlich abzusichern, und was bedeutet das vor dem Hintergrund, dass die Verträge der Jobcenter 2010 auslaufen?
Ich finde jede zeitliche Verzögerung bedauerlich. Wir alle hatten uns ja große Mühe gegeben und sehr engagiert dafür auch miteinander gestritten, dass wir möglichst frühzeitig zu einer Lösung kommen, weil das erstens ein Stück mehr Sicherheit für die Beschäftigten, die natürlich
um die Zukunft ihrer Arbeitssituation bangen, aber natürlich auch mehr Sicherheit für Erwerbslosen ist, die wissen müssen, wo eigentlich künftig ihre Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind und wie sie Leistungen möglichst auch aus einer Hand bekommen. Insofern, glaube ich, brauchen wir eine schnelle Lösung, auch angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise, weil auch hier natürlich funktionierende Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung unabdingbar notwendig sind.
Frau Senatorin! Trifft es zu, dass Sie in der Vergangenheit auch immer darüber geklagt haben, dass das Land Berlin zu wenig Einfluss auf die Arbeit der Jobcenter nehmen kann, und müssten Sie vor diesem Hintergrund nicht eigentlich unserem Vorschlag zustimmen?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Abgeordneter Henkel! Sie haben völlig recht, ich habe das immer sehr beklagt, und deshalb war ich auch sehr froh, dass wir mit der Lösung, die wir gefunden hatten, einerseits eine Verfassungsänderung hinbekommen hätten, andererseits aber ein Gesetz zum SGB II zu reformieren, das die Möglichkeiten des regionalen Einflusses für die Länder absichert – das war genau eine unserer ganz zentralen Bedingungen bei einer Reform, die auch verfassungsgemäß und verfassungsfest ist. Insofern, muss ich leider feststellen, hätte eine Zustimmung der CDU-Bundestagsfraktion unser beider Anliegen durchaus realisieren lassen.
Jetzt geht es weiter mit einer Mündlichen Anfrage des Kollegen Sascha Steuer von der Fraktion der CDU zum Thema
1. Wie will der Senat auf die erschreckend hohen Zahlen von Wiederholern in der flexiblen Schulanfangsphase reagieren?
2. War es richtig, Rückstellungen von der Einschulung und die ersten beiden Sonderschulklassen abzuschaffen, das Einschulungsalter abzusenken und gleichzeitig allen Grundschulen das jahrgangsübergreifende Lernen abzuverlangen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Steuer! Zunächst einmal ist klarzustellen: Ein Wiederholen gibt es in der flexiblen Schulanfangsphase nicht.
Das flexible Verweilen zwischen ein und drei Jahren ist vielmehr zentraler Bestandteil der Schulanfangsphase und so ausdrücklich auch in § 20 Abs. 3 des Schulgesetzes vorgesehen. Ich darf zitieren:
Die Schulanfangsphase ist eine pädagogische Einheit; ein Aufrücken von der ersten in die zweite Jahrgangsstufe entfällt. Schülerinnen und Schüler, die die Lern- und Entwicklungsziele der Schulanfangsphase erreicht haben, können auf Antrag der Erziehungsberechtigten vorzeitig in die Jahrgangsstufe 3 aufrücken.
Schülerinnen und Schüler, die am Ende der Schulanfangsphase die Lern- und Entwicklungsziele noch nicht erreicht haben, können auf Beschluss der Klassenkonferenz … oder auf Antrag der Erziehungsberechtigten … ein zusätzliches Schuljahr in der Schulanfangsphase verbleiben, ohne dass dieses Schuljahr auf die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht angerechnet wird.
Es ist erklärtes Ziel der Schulanfangsphase, jedem Kind die Zeit einzuräumen, die es braucht, um solide Grundlagen für sein weiteres Lernen zu erwerben. Dafür brauchen
Kinder je nach Erfahrung und dem Wissen, das sie in der vorschulischen Zeit erworben haben, unterschiedliche Lernangebote und unterschiedlich viel Zeit. Bereits um 1800 sah Friedrich Herbart, ein Mitbegründer der modernen Pädagogik, in der Verschiedenheit der Köpfe das zentrale Problem des Unterrichts.
Im 21. Jahrhundert sollten wir gelernt haben, diese Verschiedenheiten nicht länger als Problem zu betrachten. Schulen stellen sich heute der Herausforderung, die Verschiedenheit der Kinder anzuerkennen und professionell damit umzugehen.
Dafür ist Schule da. Von dem neuen Instrument, Kinder, die für ihr Lernen mehr Zeit benötigen, ein drittes Jahr in der Schulanfangsphase zu fördern, haben Lehrerinnen und Lehrer erst seit zwei Jahren Gebrauch gemacht. Ich meine, wir müssen den Lehrerinnen und Lehrern Zeit geben, Erfahrungen mit diesem Instrument der individuellen Förderung zu machen. Wir müssen ihnen Gelegenheit geben, sich über diese Erfahrungen auszutauschen, sie sorgfältig auszuwerten und daraus auch zu lernen. Auch Eltern mussten und müssen erfahren, dass ein weiteres Schuljahr in der Schulanfangsphase mehr und bessere Förderung für ihre Kinder bedeutet und eben kein zwangsweises Sitzenbleiben ist. Und soweit ich höre, haben viele Eltern dieses inzwischen erkannt und sind zum Teil sogar sehr interessiert daran, dass ihr Kind die Chance hat, länger in dieser Schulanfangsphase zu verweilen. In dieser Woche gab es dazu einen sehr interessanten Beitrag in der „Berliner Morgenpost“. Dort wurde sehr eindringlich, meine ich, geschildert, wie das für eine Schülerin, wie das für die Eltern, für die Lehrer wirkte, dass dieses Kind eben ein Jahr länger verbleiben konnte und danach individuell sehr gestärkt aus dieser Schulanfangsphase herausging.
Natürlich können wir uns mit der hohen Zahl länger verweilender und mit der geringen Anzahl schneller aufrückender Kinder nicht auf Dauer zufriedengeben. Aber jetzt eine pauschale Betrachtung anzustellen, würde viel zu kurz greifen. Wir müssen genauer begreifen und auswerten, was an den Schulen passiert. Und schließlich ist aus der Schulentwicklungsforschung bekannt, dass Qualitätsverbesserungen auch ein langfristiger Prozess sind. Die Erfahrung zeigt, dass zeitgemäße Unterrichtskonzepte von Lehrkräften gelernt werden wollen. Dazu bedarf es praxisnaher Beratung, Fortbildungen und Hospitationen an anderen Schulen sowie Erfahrungsräume, um das Ganze zu praktizieren.
Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Steuer: Das flexible Verweilen ist also integraler Bestandteil der Schulanfangsphase, und in diesem Zusammenhang sind drei Punkte zu sehen. Es werden alle Kinder und jüngerer Kinder aufgenommen, auf Zurückstellungen vor Schulbeginn und im Laufe der ersten Schulmonate wird verzichtet. Schließlich