Das sagte Sascha Steuer im „Tagesspiegel“, gemeint waren, glaube ich, Migranten. Ich frage mich, ob Herr Steuer einmal überlegt hat, wer dann alles gehen müsste. Wohin mit den fast 50 Prozent der in der Simon-Studie befragten männlichen deutschen Jugendlichen, die es abstoßend finden, wenn sich Männer auf der Straße küssen? Wohin sollen die Unternehmer gehen, die die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen nicht akzeptieren und Frauen immer noch deutlich weniger Gehalt zahlen? Wohin mit den Schulleitern, die Aufklärungsprojekten die Arbeit an ihren Schulen nicht gestatten, und das mit dem Hinweis: Ihr wollt doch nur für Homosexualität werben! Oder wohin mit der älteren Dame, die mir ihre Sorge geschrieben hat, dass künftig die Kinder und Jugendlichen in Berlins Kindergärten und Schulen manipuliert werden und aus einer Minderheitsmeinung eine Mehrheitsmeinung gemacht werden soll? Wenn Herr Steuer alle ausweisen wollte, die sich nicht
damit anfreunden können, dass Homosexualität und Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in Berlin selbstverständlich sind, dann müssten nicht wenige Menschen Berlin verlassen.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]
Ich halte es für äußerst fahrlässig, dass Herr Steuer das Thema Homophobie nutzt, um Ressentiments gegen Migranten zu schüren.
Wir wollen einen anderen Weg gehen und haben deshalb einen sehr weitgehenden und differenzierten Änderungsantrag eingebracht. In der Diskussion in den Ausschüssen wurde uns immer wieder vorgeworfen, wir würden Homophobie bei Migranten nicht klar benennen und vernachlässigen. Dazu zwei Hinweise. Erstens verweise ich auf das Plenarprotokoll der letzten Sitzung vor Weihnachten, als wir über den Antrag der Grünen an dieser Stelle debattiert haben.
Und zweitens: Wer unseren Antrag aufmerksam liest, findet an mehreren Stellen auch einen Bezug zu Migranten. So wird im Kapitel „Bildung und Aufklärung stärken“ der Senat aufgefordert, niedrigschwelliges, zielgruppenspezifisches Material und Unterrichtsmethoden zu entwickeln. Im Kapitel „Den Dialog fördern“ ist auch vom Dialog mit Religionsverbänden die Rede, aber eben nicht nur.
Wir haben in unserem Änderungsantrag bewusst einen breiten Ansatz gewählt, der in der gesamten Gesellschaft für die Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen wirbt. Deshalb geht es uns nicht nur um den Austausch mit Migrantenverbänden, sondern auch um den mit Vertretern aus dem Sport und aus der Musikszene.
Dieser Dialog bedarf einer gewissen Sensibilität und nicht des Holzhammers oder des erhobenen Zeigefingers, wie er sich auch im Ursprungsantrag der Grünen findet.
Es geht um ein friedliches und tolerantes Miteinander in der gesamten Gesellschaft. Bis sich Einstellungen ändern, braucht es viel Zeit und einen langen Atem. Für uns stehen Aufklärung und Bildung deshalb im Mittelpunkt des Antrags.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch kurz ein paar Worte zur aktuellen Kampagne des LSVD „Zeig Respekt“ sagen, die der Regierende Bürgermeister kürzlich vorgestellt hat. Die Plakatkampagne wird durch eine recht informative deutsch-türkische Homepage begleitet. Etwas Ähnliches schwebte uns vor, als wir den Antrag geschrieben haben. Was auf der Seite aber nicht zu finden ist, sind Links zu anderen Projekten. Gerade für Jugendliche ist es wichtig, dass sie eine Übersicht bekommen,
wohin sie sich wenden können, wenn sie z. B. Hilfe beim Coming-out suchen. Wenn aber jedes Projekt seins macht, müssen sich die Jugendlichen die nötigen Informationen überall erst zusammensuchen. Das aber widerspricht dem Ansatz der Niedrigschwelligkeit. Deshalb ist uns die Kooperation der Projekte sehr wichtig.
Mit unserem Änderungsantrag setzen wir ein starkes Signal gegen homophobe Gewalt. Wir belassen es aber nicht beim Signal, sondern schieben eine Vielzahl von Maßnahmen an, die dieses gesamtgesellschaftliche Problem an seiner Wurzel bekämpfen. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam und fraktionsübergreifend gehen, aber leider jetzt ohne die CDU! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich erinnere mich an einen Redebeitrag des Kollegen Birk anlässlich der Einbringung des ursprünglichen Antrags im Dezember letzten Jahres. Darin hat er sehr authentisch die Angst geschildert, die er und sein Mann bei der nächtlichen S-Bahnfahrt hatten. Ich glaube, diese Angst können alle Lesben, Schwule und Transgender nachvollziehen, denn die meisten hatten ähnliche Erlebnisse und können davon berichten. Dass es ein solches Maß an Intoleranz und Menschenfeindlichkeit in Berlin gibt, ist schlimm genug.
Das Ausmaß an Gewalt, die im letzten Jahr Schwulen, Lesben und Transgendern angetan worden ist, ist ein Skandal – ein Skandal, den sich diese Stadt nicht gefallen lassen darf. Ganz egal, welcher sexuellen Neigung, hier gilt es, ein ganz klares Signal zu setzen, dass wir uns dieses Ausmaß an Intoleranz und Gewaltbereitschaft nicht gefallen lassen!
Jetzt sind es Schwule, Lesben und Transgender – wer wird das nächste Opfer dieser Gewaltbereitschaft sein? Hoffen lässt mich die Reaktion auf die Übergriffe des letzten Jahres. Diesmal sind die Opfer nicht in der Anonymität verschwunden. Diesmal hat sich lautstarker Protest geäußert und seine Wut herausgeschrien über so viel menschenverachtendes Verhalten.
Wir alle wissen, dass es immer noch viele Vorbehalte gegen und Vorurteile über Schwulen und Lesben gibt. Wir müssen auch gar nicht so tun. als ob unsere Parteien davon frei wären. Das bunte schwule Leben – Stichwort CSD und die Nischen, die sich in Berlin in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben – können nicht darüber
hinwegtäuschen, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Der Antrag in der vorliegenden Form nimmt viele Dinge auf, die notwendig sind. Trotz aller äußeren Toleranz und Aufklärung in dieser Gesellschaft ist das Bewusstsein für sexuelle Vielfalt immer noch in vielen Köpfen unterentwickelt. Hier sind Schulen und Bildungseinrichtungen gefragt, aber auch alle Familien, um möglichst früh bei den Kindern anzusetzen. Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher müssen ermuntert werden, den Kindern und Jugendlichen dieses Bewusstsein zu vermitteln.
Projekte und Maßnahmen, die dazu fähig sind, müssen gefördert werden. Der Berliner Senat hat hier viel eingerissen in den letzten Jahren. Es gab ein hervorragendes Projekt, ich erinnere daran, nämlich „Kommunikation und Bildung“, kurz KomBi, das sich sehr verdient gemacht hat in der Fortbildung für Lehrer/innen und Erzieher/innen. Dem wurden vom Senat die Mittel gekürzt. Hier muss der Senat zukünftig Sensibilität zeigen.
Die Maßnahmen müssen gezielt auf die unterschiedlichen Tätergruppen angesetzt werden. Wir wollen nicht die Debatte wiederholen, ob die Taten ethnisiert werden oder bestimmte Gruppen benannt werden dürfen. Prävention ist das Eine. Wo Taten geschehen sind, müssen diese zügig aufgeklärt und die Täter schnellstmöglich bestraft werden.
Wir brauchen keine härteren Strafen. Dafür benötigen wir zügige Strafen. Dabei müssen selbstverständlich auch die Polizei und die Justiz für die Belange der Opfer sensibilisiert werden.
Selbstverständlich wird meine Fraktion diesem Antrag zustimmen, denn ich sehe darin auch ein Zeichen an die betroffenen Opfer, dass wir ihr Anliegen ernst nehmen und wir uns Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft nicht gefallen lassen.
So ein Antrag ist das Eine und um so schöner, wenn er im Konsens verabschiedet wird. Letztendlich ist es nur eine Willensbekundung, etwas zu tun. Wir werden künftig genau beobachten, wie der Senat diesen Antrag umsetzt, welche Projekte er fördert und welche nicht, oder ob der Integrationsbeauftragte noch einmal zu einem Runden Tisch Homophobie einlädt oder nicht. Wir müssen Homophobie genauso streng bekämpfen wie Rassismus und Antisemitismus, denn sie ist ebenfalls Ausdruck überkommener Wertevorstellungen, die zu Intoleranz und Gewalt führen. Ich habe den Traum, dass Lesben, Schwule und Transgender zukünftig ohne Angst S-Bahn fahren und bestimmte Teile dieser Stadt betreten können, ohne ihre sexuelle Orientierung zu verleugnen. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Der Integrationsausschuss empfiehlt einstimmig mit den Stimmen aller Fraktionen die Annahme des Antrags Drucksache 16/1966 mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem ersetzenden Antrag im Wortlaut der Drucksache 16/2291 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? – Damit ist einstimmig so beschlossen.
Bundesgelder stadtverträglich und klimagerecht einsetzen – schnelle Schienenanbindung zum Flughafen Schönefeld – BBI – statt Verlängerung der Autobahn A 100
Schönen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ob und wann BBI an die Dresdner Bahn angebunden werden kann und damit zum Hauptbahnhof eine Bahnverbindung vorhanden ist, steht völlig in den Sternen. Es gibt eine Pattsituation. Die Planungsbehörde hat Probleme mit einer wasserdichten Planung. Die soll ja auch vor Gericht standhalten. Und die Bürgerinitiative Lichtenrade will den maximalen Lärmschutz, also die Bahn in Tunnellage. Sie klagt sowieso und wird damit die BBI-Anbindung weiter verschleppen. Wenn Sie unserem Antrag folgen, dann kann dieser Konflikt gelöst werden. – Schade, dass die Senatorin nicht da ist. Ich habe ja Verständnis, weil sich alles heute ein bisschen verschiebt, aber schade ist es trotzdem. Vielleicht kann sie hereinkommen, wenn sie irgendwann in der Nähe ist.
Von Vorteil ist, dass auch die Bundesregierung Interesse an einer schnellen und guten Schienenanbindung zum BBI hat. Wenn Berlin also eine Lösung dafür hat, den Tunnelbau in Lichtenrade kostenneutral für Berlin und den Bund zu gestalten, dann kann der Bund eigentlich gar nicht ablehnen.
Unser Vorschlag ist folgender: Wir stellen die A 100 zur Disposition, 3 000 Meter Beton, jeder Meter kostet 140 000 Euro, brauchen wir nicht. Der 16. Bauabschnitt ist überflüssig, und die Bahnanbindung des BBI ist aber wichtig. Wenn die A 100 nicht weitergebaut wird, dann bleiben ein paar Hundert Millionen übrig. Die kann man natürlich gleich mitverhandeln. Die sollten klimafreund
lich zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur eingesetzt werden. Man könnte mit dem Geld alle S- und UBahnhöfe in Berlin behindertengerecht ausstatten.
Das danken nicht nur wir Grünen Ihnen, sondern das danken Ihnen auch die Lichtenrader, das danken Ihnen aber auch alle anderen Berlinerinnen und Berliner, viel mehr Leute als die, die sich von der A 100 Vorteile erhoffen. Sie lösen damit zwei Probleme: Erstens kriegen Sie die BBI-Anbindung zum schnellstmöglichen Termin, und die Bundesmittel verfallen nicht, obwohl die A 100 nicht gebaut wird. Das ist ja ein wesentlicher Punkt. Wir sind ziemlich sicher, dass die A 100 nicht gebaut werden kann.