Protocol of the Session on March 5, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Juhnke! Ich möchte Ihre Fragen gern gemeinsam beantworten. Doch zunächst: Der Gesetzentwurf zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten wurde von der Bundesregierung am 23. Januar 2009 gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes dem Präsidenten des Bundesrats zur Stellungnahme übermittelt. Eine Abstimmung über den Gesetzentwurf findet in diesem Stadium nicht statt.

Der Berliner Senat hat sich darauf verständigt, sich kritisch zu diesem Gesetzentwurf zu äußern. Dazu kann ich Ihnen Folgendes sagen: Die Bildung terroristischer Vereinigungen und die Verabredung zu einem Verbrechen sind bereits heute strafbar. Im Gesetzentwurf soll es allein darum gehen, einen Einzeltäter zu bestrafen, der zwar noch keine konkrete Tat geplant hat, aber Kenntnisse erwirbt, die für eine mögliche Straftat gegen den Bestand des Staats genutzt werden könnten.

Dieser Gesetzentwurf geht davon aus, dass eine Strafverfolgungsbehörde im Stadium der noch nicht konkreten Vorbereitung einer noch nicht konkreten Tat in den Kopf des Täters hineinschauen kann. Die Strafverfolgungsbehörde soll also aufgrund bestimmter zunächst sozial adäquater Handlungen wie z. B. Besuch einer Flugschule oder Kauf eines Buchs über Chemikalien erkennen können, dass irgendwann einmal eine schwere, sogar staatsgefährdende Straftat begangen werden soll. Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Dr. Juhnke: Ist das möglich? – Nach meiner Überzeugung ganz sicher nicht.

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Straftatbestände sind völlig unbestimmt und konturlos. Ich glaube, dass kein deutsches Gericht aufgrund der jetzt vorgesehenen Straftatbestände jemals einen Angeklagten verurteilen wird. Diese Auffassung teilt übrigens weitgehend auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Siegfried Kauder, der dazu in der „Zeitschrift für Rechtspolitik“ ausgeführt hat: Dabei werden die geplanten Vorschriften nicht allzu häufig einschlägig sein. – Mehr Sicherheit wird dieses Gesetz also nicht schaffen. Aber es schränkt in gravierender Weise die Freiheitsrechte der Bürger ein. Das Gesetz schafft schon im Stadium einer vermeintlichen Vorbereitung einer noch nicht konkretisierten Tat die Basis für schwerste Grundrechtseingriffe wie Lauschangriffe, Wohnungs- oder Computerdurchsuchungen. Die in der Ver

Vergangenheit aufgeklärten Fälle haben aber gezeigt, dass unsere Polizei, die Nachrichtendienste und auch die Strafverfolgungsbehörden über ein ausreichendes Instrumentarium verfügen, um Täter, die schwere Gewalttaten planen, vorbereiten oder ausführen, namhaft zu machen und strafrechtlich zu verfolgen. Ich erinnere insoweit an die Kofferbomber von Koblenz und Dortmund und an die sogenannte Sauerland-Gruppe. Die vorhandenen behördlichen Strukturen und das materielle und prozessuale Recht haben für die Ermittlung der Täter ausgereicht. Ein dringender Verdacht der Begehung schwerer Straftaten kann schon nach derzeitiger Gesetzeslage festgestellt werden.

Mit dieser Meinung stehe ich im Übrigen nicht allein da. Ich verweise auf die Anhörung im Rechtsausschuss am 25. Februar 2009, in der die eingeladenen Experten ganz überwiegend und auch die Fraktionen – mit Ausnahme der Fraktion der CDU – diesen Gesetzentwurf sehr kritisch betrachtet haben. Im Übrigen kann ich Ihnen zur Lektüre den bereits am 29. Januar 2009 in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Kommentar von Heribert Prantl empfehlen, der bekanntermaßen in seinem vorjournalistischen Leben als Staatsanwalt gearbeitet hat. Unter dem Titel „Per Mausklick zum Terrorist – Das sogenannte Terrorcamp-Gesetz verfolgt angebliche Täter, ohne dass es eine Straftat gibt“ finden Sie eine kurze und prägnante Einschätzung dieses Gesetzentwurfs, die ich mir anschaulicher nicht vorstellen kann. Ich würde Ihnen den gerne zur Verfügung stellen.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt gibt es bestimmt eine Nachfrage des Kollegen Juhnke. Dazu hat er das Wort.

Frau Senatorin! Da wir in einem Rechtsstaat leben, gehe ich nicht davon aus, dass irgendjemand, der ohne konkreten Anhaltspunkt über dieses Gesetz verfolgt wird, verurteilt werden kann, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt. So viel zu Ihrer Frage, die Sie indirekt an mich gestellt haben! Aber Sie wissen sicher auch, dass es in diesem Gesetz darum geht, präventiv den Besuch von Terrorcamps zu verhindern. Wieso wollen Sie das potenziellen Besuchern von Terrorcamps erleichtern?

Frau Senatorin von der Aue – bitte schön!

Herr Abgeordneter! In dem Gesetz ist vorgesehen, dass jemand bestraft werden soll, der sich in der Absicht Kenntnisse verschafft, die er nutzen will, um eine schwere staatsgefährdende Straftat zu begehen. Jetzt frage ich Sie,

wie Sie bei einem Einzeltäter, der beispielsweise in eine Flugschule geht, feststellen wollen, ob er das tut, weil er irgendwo reich genug ist, sich ein eigenes Flugzeug zu leisten, oder ob er damit eine Straftat begehen will. Es wird sicherlich nicht so sein, dass er dann nur die Starts übt und die Landungen auslässt, um einen Anhaltspunkt für die Strafverfolgungsbehörden zu geben. Ich will auch gleich einen anderen Punkt aufgreifen, den Sie vielleicht damit auch meinen. Selbst wenn man den Besuch eines Terrorcamps unter Strafe stellt, wie stellen Sie sich das vor? Es könnte z. B. sein, dass ein Journalist eine sehr interessante Berichterstattung darüber liefern möchte, wie es in einem solchen Terrorcamp zugeht. Der wird sich dann dahin begeben, um eine Grundlage für seine Geschichte zu haben, die er schreiben will. Ist so jemand zu bestrafen? Oder meinen Sie, dass es den rechtsstaatlichen Möglichkeiten entsprechen muss, sich auch auf diese Art und Weise Informationen zu verschaffen?

Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Kohlmeier von der Fraktion der SPD. – Bitte schön!

Ich danke Ihnen! – Ich frage die Senatorin, wie sie denn diese Frage vor dem Hintergrund der letzten Ausschusssitzung des Rechtsausschusses bewertet, wo sich vier von fünf Fraktionen dieses Hauses gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben. Das heißt also mit anderen Worten: Nicht nur der Berliner Senat nimmt das Gesetz zu Terrorcamps auf die leichte Schulter, sondern vielleicht auch vier von fünf Fraktionen in diesem Haus.

Frau Senatorin von der Aue!

Herr Abgeordneter Kohlmeier! Ich bin sehr froh, dass dieser Gesetzentwurf im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses sehr sorgfältig beraten worden ist. Ich würde mir sehr wünschen, wenn auch die zukünftigen Beratungen sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag dazu führen könnten, dass die Einsicht reift, dass mit einem solchen Gesetz nicht mehr an Sicherheit geschaffen werden kann, sondern allenfalls die Illusion darüber.

Danke schön, Frau Senatorin!

Dann geht es weiter mit einer Mündlichen Anfrage der Kollegin Mari Weiß von der Linksfraktion zum Thema

Meister-BAföG für Erzieherinnen und Erzieher

Frau Weiß, Sie haben das Wort!

Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat, dass nach Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes künftig auch Fortbildungen von Erzieherinnen und Erziehern mit Meister-BAföG gefördert werden können, wer kann dies unter welchen Voraussetzungen in Anspruch nehmen, und welche Angebote und anerkannten Qualifizierungsziele gibt es für die entsprechenden Berufsgruppen in Berlin?

2. Wie wird der Senat über die neuen Fördermöglichkeiten informieren, und wie wird er diese gezielt nutzen, um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel in den pädagogischen Berufen entgegenzuwirken?

Für den Senat antwortet Frau Staatssekretärin Zinke. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Weiß! Der Senat begrüßt grundsätzlich die mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes – kurz AFBG – vorgesehene bundesweite Erweiterung des Kreises der förderfähigen Fortbildungen. Hierzu gehören neben den Erzieherinnen und Erziehern vor allem auch die Fortbildungen in den Bereichen Gesundheits- und Altenpflege. Für die Erweiterung des Kreises der zu Fördernden hat sich das Land Berlin im Rahmen seiner länderseitigen Beteiligung in den Fachausschüssen des Bundesrats eingesetzt, und das mit großem Erfolg, denn es ist eindeutig die Möglichkeit des Bezugs von MeisterBAföG für Erzieherinnen und Erzieher gegeben. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: So könnte dieses MeisterBAföG von einer Erzieherin in Anspruch genommen werden, die sich an einer Fachschule zur Heilpädagogin weiterbilden möchte, um dann in der Kita für die Förderung von Kindern mit Behinderung eingesetzt zu werden. Für die Berufsgruppe der Erzieherinnen und Erzieher mit einem überwiegenden Anteil von Frauen stellt insbesondere der mit der Novellierung des Gesetzes vorgesehene Zuschlag für Alleinerziehende aus Sicht des Senats eine große Verbesserung dar.

Zu Ihrer zweiten Frage: Sobald die Gesetzesänderung den Bundesrat passiert hat, wird der Senat die Fachöffentlichkeit in geeigneter Form informieren. Bislang ist vorgesehen, dass das 2. AFBG-Änderungsgesetz am 1. Juli 2009 in Kraft treten wird.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Kollegin Weiß. – Bitte!

Eine Nachfrage zu den Qualifizierungszielen: Ist es denn auch möglich, den jetzt geplanten akademischen Abschluss bei Erzieherinnen und Erziehern auch als Qualifizierungsziel anzuerkennen und damit auch ein BAföG für Erzieherinnen und Erzieher zu erreichen, die von der Fachschule den akademischen Abschluss erhalten?

Frau Staatssekretärin Zinke – bitte schön!

Grundsätzlich gelten für alle, die dann eine akademische Ausbildung anstreben und an dieser teilnehmen, beispielsweise an Fachhochschulen, und dort eine entsprechende Bachelorerziehung machen, die Voraussetzungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, des BAföG. Wenn die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dann können diese Personen natürlich BAföG beantragen.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Zillich – bitte!

Vielen Dank! – Ich habe eine Nachfrage, Frau Staatssekretärin, angesichts der bundesweit zu geringen Ausbildungszahlen für Lehrerinnen und Lehrer. – Sieht der Senat auch eine Möglichkeit, über die Regelungen des Meister-BAföG Seiteneinsteiger zu gewinnen? Ich weiß, dass es nach der derzeitigen Rechtslage nicht möglich ist. Aber sieht der Senat eine Möglichkeit, sich für eine Änderung der Regelung auf Bundesebene einzusetzen?

Frau Staatssekretärin – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Zillich! Grundsätzlich wird der Senat alle Möglichkeiten prüfen, die dazu führen können, auch mehr Personen den Einstieg in den Lehrerberuf zu ermöglichen.

Danke schön, Frau Staatssekretärin!

Die Fragestunde hat wegen Zeitablaufs ihre Erledigung gefunden. Wie üblich werden die nicht beantworteten Fragen mit der von der Geschäftsordnung abweichenden Frist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einem Mitglied. Es beginnt die SPDFraktion in Person von Frau Bayram. Frau Bayram hat das Wort zur Frage. – Bitte!

Ich habe eine Frage an den Innensenator, und zwar möchte ich wissen, wie die Gefährdung für die Menschen in Friedrichshain eingeschätzt wird, die von der Eröffnung eines Thor-Steinar-Outlets in der Petersburger Straße 94 ausgeht, und möchte weiter wissen, ob es zutrifft, dass dort von der Polizei eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung angeordnet wurde und dass täglich ca. vier Polizeibeamte mit dem Schutz des regulären Betriebs des Ladens beschäftigt sind.

Der Innensenator Herr Dr. Körting – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Frau Kollegin Bayram! Wir haben einen Thor-Steinar-Laden in der Petersburger Straße. Die Eröffnung dieses Ladens hat zu Demonstrationen geführt. Es hat außerdem im Zusammenhang mit dem Laden inzwischen eine ganze Reihe von Vorgängen gegeben – am 28. Februar, am 1. März und dem Folgetag –, sei es, dass es Beschmierungen oder aber Steinwürfe auf den Laden gegeben hat. Das heißt, offensichtlich ist der Laden auch eine Quelle möglicher Straftaten, die gegen ihn gerichtet sind.

Für die Bewohner des Bezirks geht von einem solchen Laden selbstverständlich keine Gefährdung aus. Aber die Tatsache, dass dieser Laden zu Straftaten Anlass gegeben hat, ist für die Polizei Anlass, zur friedlichen Situation beizutragen. Die Polizei hat am 28. Februar mit einem erheblichen Kräfteeinsatz vor Ort bei einer gegen den Laden gerichteten Demonstration versucht, die Situation im Griff zu behalten. Und die Polizei wird aufgrund einer Zahl von Straftaten, von denen ich einige genannt habe, für die jetzige und die kommende Zeit eine Bestreifung des dortigen Gebiets vornehmen, um Straftaten zu verhindern.

Dies erfolgt lageabhängig und nicht nach einem Raster, jetzt seien dort für vier Wochen etwa vier Mitarbeiter abgestellt. Die Lageabhängigkeit bedeutet nicht, dass dort einmal am Tag einer vorbeikommt, sondern das häufiger, um nach dem Rechten zu sehen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Schön ausgedrückt!]

Eine Nachfrage von Kollegin Bayram gibt es nicht.

Dann geht es weiter mit dem Kollegen Graf von der Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Graf, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Weil der Schulsenator entschuldigt ist, richte ich meine Frage an den Finanzsenator: Herr Senator Sarrazin! Trifft es zu, dass die vom Senat vor zwei Wochen beschlossene und verkündete Gehaltserhöhung für angestellte Lehrerinnen und Lehrer nur auf ein Jahr befristet ist, und falls ja, warum?

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte schön!