Protocol of the Session on March 5, 2009

Sie haben sich zwar durchgerungen, die falsche Zweiteilung der Ausbildungen „kleiner Master für kleine Kinder“ und „großer Master für große Kinder“ endlich zu beenden. Alle Lehrerinnen und Lehrer müssen auch aus unserer Sicht auf dem gleich hohen berufs- und fachwissenschaftlichen Niveau ausgebildet werden. Unsere Fraktion fordert dies schon lange. Dieser Forderung kommen Sie jetzt nach – endlich!, kann man dazu nur sagen.

[Beifall bei den Grünen]

In der Frage der Praxisnähe bleiben Sie auf halbem Wege stecken. Zwar fordern Sie ein verpflichtendes Praktikum vor Aufnahme eines Lehramtsstudiums. Wie das funktionieren soll, welche Rolle diese Praktikanten und Praktikantinnen dann in den Schulen spielen sollen, wie das mit den Hochschulen verzahnt werden soll – ist das ein zusätzlicher Numerus clausus? –, das bleibt alles im Nebel. Die bekannten Probleme in der Verknüpfung von Studium und Referendariat, die es heute schon gibt, Referendariat als Praxisphase, bleiben bei Ihnen völlig ungelöst. Bis heute krankt es doch daran, dass es für den einzelnen angehenden Lehrer keinerlei Kooperation zwischen seiner Hochschule und der Schule, in der er Referendar ist, gibt. Von den langen Wartezeiten, die man in Berlin braucht, um überhaupt Referendar zu werden, will ich gar nicht sprechen.

Wir haben in der Frage „mehr und frühere Praxis“ im Studium, die wir hoffentlich alle wollen, eine echte grüne Alternative zu den halbherzigen Vorschlägen. Wir schlagen vor, das klassische Referendariat ganz abzuschaffen und durch mehr Praxisanteile bereits im Masterabschnitt zu ersetzen. Denn bereits heute müssen wir Praxisanteile im Masterstudiengang integrieren, um den Anforderungen gerecht zu werden. Wenn man dann noch eine echte Ausbildungspartnerschaft von Hochschulen mit den ausbildenden Schulen anstrebt und eine berufsbegleitende Einstiegsphase macht, dann hat man ein vernünftiges Konzept zum Praxisbezug und nicht so ein Rumgestoppel, wie Sie das hier machen.

[Beifall bei den Grünen]

Sie waren – mein letzter Punkt – leider auch nicht mutig genug, anstatt der klassischen fachbezogenen Masterstudiengänge, in denen die pädagogischen und berufsunterrichtswissenschaftlichen Anteile nur als Randerscheinung auftauchen, ein echtes Lehramtsstudium mit einer deutlichen Stärkung der berufswissenschaftlichen Anteile endlich auf den Weg zu bringen. Dass Sie es aber auch nicht so richtig ernst meinen mit Ihrem Antrag, sieht man allein daran, dass Sie den Senat nicht auffordern, das Lehrerbildungsgesetz konkret zu ändern, das gibt es ja, sondern zunächst nur ein Konzept anfordern. Dieser Antrag ist deswegen leider nur weiße Salbe, und die Berliner Schulen haben definitiv mehr verdient.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pop! – Das Wort für eine Kurzintervention hat Herr Oberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Frau Pop! Ich muss Ihnen entschieden widersprechen. Sie haben mich persönlich angesprochen, das rechtfertigt eine Kurzintervention. Sie haben behauptet, ich hätte das Programm der SPD oder der Koalition vorgetragen. Das ist falsch. Ich empfehle Ihnen dringend, einmal Ihren Blick für die Realitäten zu schärfen. Das, was ich Ihnen genannt habe, ist kein Programm, das ist die blanke Realität in Berlin. Wir haben den Unterrichtsausfall selbstverständlich bekämpft. Wir haben zu diesem Schuljahr ein neues Lehrerzuweisungsmodell eingeführt. Wir haben zusätzliche Lehrer eingestellt – mit dem Ergebnis, dass in diesem Jahr die Unterrichtsversorgung deutlich besser ist als in den Vorjahren. Das ist kein Programm, das ist Realität.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zweitens: Wir haben Ende letzten Jahres 50 Millionen Euro zusätzlich für dieses Jahr zur Verfügung gestellt, um gröbste Mängel an den Schulgebäuden zu beseitigen. Das ist kein Programm, das ist Realität. Ebenso ist es Realität, dass wir jetzt die Bundesmittel dafür nutzen, um weitere Sanierungsmaßnahmen durchzusetzen. Auch das ist kein Programm, das ist Realität. Dann haben wir die Bezahlung für Lehrer nicht in einem Programm verbessert, sondern in der Realität, und zwar ganz massiv, in einem Umfang, wie es noch nicht einmal die angestellten Lehrer selbst für möglich gehalten hätten. Das finden Sie in keinem Programm, das finden Sie nur in der Realität.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dann haben wir uns auch keine endlosen Parteitagsschlachten darüber geliefert, ob wir die Hauptschule nun abschaffen wollen oder ob wir die Gemeinschaftsschule wollen oder wie wir das mittelfristig wollen oder langfristig oder ob wir überhaupt etwas wollen, sondern der Senat hat ein Konzept beschlossen, das wir als Koalition jetzt anfangen werden umzusetzen, nämlich die Schulstrukturreform in Berlin. Auch das ist kein Programm, das ist

Realität. Also, Frau Pop, machen Sie mal die Augen auf! Lesen Sie weniger Programme, und schauen Sie sich an, wie es in Berlin wirklich aussieht!

Und jetzt noch etwas zu dem Thema Referendariats- und Studienplätze. Sie weisen auf den Umstand hin, dass wir aktuell die Hochschulverträge behandeln. – Ja, das ist richtig, da wird sicherlich das eine oder andere vereinbart werden, was die Lehrer betrifft. Aber wir haben schon vorher gehandelt, auch wiederum in der Realität und nicht im Programm. Wir haben nämlich im gleichen Maß, wie wir die Gehälter erhöht haben, zusätzliche Referendariatsplätze geschaffen und haben zusätzliche Studienplätze geschaffen. Auch das ist Realität und kein Programm. Also, Frau Pop, Sie sind vielleicht schon zu lange in der Opposition, als dass Sie noch den Blick für die Realität hätten. Sie bekämpfen Papier mit Papier. Wir machen Politik für die Realität.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Frau Pop möchte antworten. Dann hat sie das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Herr Kollege Oberg! Ich freue mich darüber, dass Sie endlich erkannt haben, dass die Grünen mitregieren müssen. Herzlichen Glückwunsch! Wir sehen das genauso.

[Beifall bei den Grünen – Gelächter bei der SPD]

Zu Ihren einzelnen Punkten, dem Unterrichtsausfall, den Sie bekämpft haben wollen: Das Vertretungsbudget, das Sie mit großem Pomp eingeführt haben, ist im ersten Jahr zu zwei Dritteln verfallen und in diesem Jahr, wenn Sie Glück haben, nur zu 70 Prozent. Vielleicht sollten Sie mal in die Finanzen gucken, dann wissen Sie auch, was in den Schulen passiert. Und die Schulen schreien täglich danach, dass sie eigentlich noch mehr Lehrer bräuchten. Kriegen Sie Ihre Dinge hin, dann reden wir noch mal darüber!

Die Neueinstellungen waren längst überfällig. Wir wissen alle – das habe ich gerade vorgetragen –, dass wir seit 2008 jedes Jahr rund 1 000 Lehrer neu einstellen müssen, um das auszugleichen, was an Lehrern in Pension geht. Keine Großtat, schlichte Notwendigkeit. Die Schulsanierung – da haben Sie 50 Millionen oben draufgelegt, sehr löblich. Aber wer hat denn die letzten Jahre auf Kosten der Schulinfrastruktur in Berlin diesen Haushalt saniert? – Das war doch wohl Rot-Rot und nicht wir!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von der Linksfraktion: Hätten wir ihn nicht sanieren sollen?]

Und der letzte Punkt: Die Schulreform bleibt ein leeres Versprechen, wenn Sie die Rahmenbedingungen dafür in den Schulen nicht schaffen. Und das ist mehr als eine

Mensa anzubauen. Wenn Sie nicht dafür sorgen, dass diese neue Schulform, die Sie schaffen, mit vernünftigem Personal, mit kleinen Klassen, mit ordentlich Sozialarbeitern als Ganztagsschule ausgestaltet wird, die ihren Namen wirklich verdient hat, dann droht sie zu einer Restschule zu verkommen. Und das haben Sie dann in Ihrer Verantwortung zu tragen.

[Beifall bei den Grünen]

Letzter Punkt, zu den Referendariatsplätzen: Es ist genau so, wie ich es gesagt habe. Sie haben bis ins Jahr 2007 die Anzahl der Plätze stetig abgesenkt, bis auf 700, obwohl wir wussten, dass wir ab dem Jahr 2008 1 000 Lehrer neu einstellen müssen; denen stehen 700 Referendare gegenüber. Herr Böger sagte früher immer: Nach Berlin kommen die Leute ja immer. – Das hatte etwas von dem adenauerschen „Kinder kriegen die Leute immer“. Es stimmt aber schlichtweg nicht. Da müssen Sie noch etwas tun!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Pop! – Für die FDP-Fraktion hat Frau Senftleben das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Herr Oberg, tun Sie mir einen Gefallen! Bildungsmetropole Nummer 1 möchte Berlin werden. – Lassen Sie die Superlative! Wir hatten hier mal einen Senator, der hieß Klaus Böger. Der sagte immer: Berlin ist das erste Bundesland mit einem Bildungsprogramm. Berlin ist das erste Bundesland mit einem jahrgangsübergreifenden Unterricht. – Ich sage nur: Berlin ist das Bundesland mit den höchsten Schülerkosten. Und was kommt dabei heraus? – Wenig bis nichts. – Lassen Sie die Superlative!

[Christian Gaebler (SPD): Deshalb wollen Sie mehr Geld ausgeben!]

Dieser Antrag sieht eine einheitliche Lehrerausbildung mit einem zweijährigen Masterstudiengang vor, und zwar für alle Lehramtsstudiengänge. Zugleich soll die Anzahl der Lehramtsstudiengänge reduziert werden. – Dass es hier ein bisschen leer ist, kann ich verstehen, denn eigentlich ist es eine Debatte, die ausschließlich in den Ausschuss gehört. Aber offensichtlich müssen die Linken zeigen, dass sie auch mal einen Antrag schreiben können.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Zu diesen Vorschlägen sage ich: Vorsicht! Augenblicklich gibt es eine unterschiedliche Lehrerausbildung, das haben Herr Oberg und Herr Zillich erwähnt, mit unterschiedlichen Stufen. Die Dauer ist variabel, sie geht über ein, anderthalb bis zu zwei Jahren Ausbildung im Masterstudiengang im Anschluss an den Bachelor. Diese Differenzierung des Studiums nach Lehrämtern – lieber Herr Oberg, jetzt passen Sie mal auf! – ist im Rahmen der KMK Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung des Lehrerberufs in den jeweiligen Bundesländern. Wenn

nun in Berlin eine einheitliche Lehrerausbildung festgeschrieben werden soll, dann, kann ich nur sagen, bleiben die Berliner Lehrer künftig außen vor. Denn der Abschluss wird woanders nicht anerkannt. Kann es sein – Nachtigall, ick hör dir trapsen –, dass Sie auch auf diese Weise die Lehrer in Berlin halten wollen nach dem Motto: Einmal Berlin, immer Berlin? – Das entspricht nicht unserer Auffassung von freier Berufsausübung.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ich glaub’ es nicht!]

Zweitens, zu der einheitlichen Lehrerausbildung: Da müssen wir wirklich mal überlegen: Gibt es nicht in der Tat gravierende Unterschiede im Umgang mit unter 12Jährigen und den Schülern im Sekundarbereich? Ist es nicht gerade zwingend, im Hinblick auf die stärkere Verzahnung von vorschulischer Bildung mit der Primärbildung, die wir alle wollen, diesen Unterschieden bereits im Studium Rechnung zu tragen? – Ich glaube ja. Auch als ehemalige Lehrerin, die in beiden Bereichen tätig war, kann ich das durchaus sagen.

Ich sage, von vier Stufen auf eine, das halte ich für nicht möglich, von vier Stufen auf zwei, da sage ich Ja, und ich sage auch ein klares Ja zu einem viersemestrigen Masterstudiengang für alle zwei Stufen. Das ist richtig so, dass jetzt die Stufe von ein, anderthalb und zwei wegfällt. Das haben wir im Übrigen immer gesagt, auch bei der Sonderpädagogik.

Fazit: Ihr Plädoyer für eine einheitliche Lehrerausbildung müssen wir hinterfragen. Ich habe da in der Tat meine Zweifel. Wo ich überhaupt keine Zweifel habe, ist Ihr Vorschlag, ein berufsvorbereitendes Jahr nach der zweiten Prüfung einzurichten. Das finde ich richtig, denn so haben die angehenden Lehrer schon die Gelegenheit, weitere Angebote, weiter Lernen, Beratung und Unterstützung durchaus wahrzunehmen. Sie werden da nicht einfach so nach dem Motto „Friss oder stirb!“ vor die Klasse gestellt. Qualifizierungseffekte der zweiten Phase werden dauerhaft gesichert und ausgebaut. Das ist letztendlich auch ein Schritt in die Richtung „lebenslanges Lernen“. Ich kann nur sagen: Bravo! Meine Herren von Rot-Rot, da haben Sie was gelernt!

[Zurufe von der SPD]

Auch wenn ich für dieses Jahr bin, so glaube ich, müssen wir – und da sind wir uns, glaube ich, auch alle einig – vor der Aufnahme des Studiums bzw. innerhalb der Ausbildung verstärkt die Möglichkeit nutzen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das geht erstens über Praktika vor Studienbeginn, zweitens über Eignungsverfahren, die die Universitäten eigenverantwortlich mit den Anwärtern durchführen, und zwar vor der Immatrikulation. Drittens funktioniert es über Patenschaften, die die Studierenden verbindlich im ersten Semester mit einer Schule eingehen sollen. Und viertens funktioniert es auch über die Einrichtung von Laborschulen. Aber alle diese hehren Vorschläge genügen nicht, wenn wir uns nicht vorher Gedanken darüber machen, was ein Lehrer mitbringen muss, wenn er die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen soll. Was

muss der eigentlich darstellen? Dieses neue Lehrerbild ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir hier gemeinsam entwickeln müssen, wo sich der Senat und die Hochschulen hinsetzen und sagen müssen, wie eigentlich unser Lehrerbild aussieht. Ich sage ganz klar, ich will die besten Köpfe für diesen Beruf, die die Köpfe von morgen erziehen und unterrichten.

Frau Senftleben! Ihre Redezeit ist beendet.

Das bedarf anderer, neuer Voraussetzungen. Und jetzt tun Sie mir einen Gefallen, es kommt natürlich auch in diesem Antrag wieder mehrfach das Wort „Steuerung“ vor. Ich kann nur sagen, nehmen Sie Abschied von dem Gedanken, etwas steuern zu können!

Frau Senftleben, bitte kommen Sie zum Schluss!

Sie müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dann wird es auch funktionieren. – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie – federführend – sowie mitberatend an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Bevor wir den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen, möchte ich gerne das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu

lfd. Nr. 5 c:

Vorlage – zur Kenntnisnahme –

Festsetzung des Abstimmungstages für den Volksentscheid „Wir wollen Wahlfreiheit! Für die Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion!“