Protocol of the Session on February 19, 2009

Das Bewirtschaftungsdefizit für das flächengrößte Gebäude der Welt wird deutlich geringer werden. 120 Millionen Euro Umsatz pro Jahr bringen wirtschaftliche Effekte, die Berlin gut tun. Für zehn Jahre ist die Nutzung gebucht. Auch das ist kein Drama, denn die Erfindung des Neuen braucht Zeit, und ein Gelände wie Tempelhof wird nicht am grünen Tisch entwickelt. Das ist „Work in Progress“. Was in zehn Jahren in Sachen Event passiert, wissen wir noch nicht. Wir stehen gerade am Beginn einer Weltwirtschaftskrise. Tempelhof ist und bleibt eine große Chance, und zwar ohne Flugbetrieb, Herr Henkel. Zwischen Trend und Event auf der einen und Alliiertenmuseum auf der anderen Seite ist viel Raum, der eigentliche Raum der Stadtentwicklung und der öffentlichen Nutzung. – Es gilt, die Zeit, die wir haben, zu nutzen. „Kommt Zeit, kommt Rat“ ist manchmal gar keine schlechte Parole.

Eines würde mich abschließend dennoch interessieren: Was hätten CDU, Grüne, FDP, IHK und Handwerkskammer – letztere im Übrigen mit einer für Zwangskörperschaften ziemlich kecken Parteilichkeit, aber das kennen wir schon aus der Tempelhof-Kampagne –

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

gesagt, wenn „Bread and Butter“ zu Jahresbeginn verlautbart hätte: Wir wären sehr gerne nach Berlin gekommen. Der Senat habe sich aber mit Verweis auf ein erst noch zu fertigendes Gesamtkonzept und die noch nicht endgültig beschiedenen Interessen anderer Bewerber nicht in der Lage gesehen, rechtzeitig zur ersten Messe im Juli 2009 einen Mietvertrag abzuschließen. „Bread and Butter“ hätte daraufhin das großzügige Angebot der Stadt Mailand zur Ausrichtung ihrer Messe angenommen.

Da wäre etwas losgewesen in der Stadt, in diesem Fall übrigens zu Recht, und die Opposition hier im Hause wäre über Tische und Bänke gehüpft. Soweit zu Ihrem wirtschaftlichen Sachverstand, soweit zu Ihrer Redlichkeit. Das, was Sie hier treiben, ist Theaterdonner. Die Opposition ist hier nicht in der Offensive, Herr Henkel.

Sie sind so was von in der Defensive, wie Sie es in dieser Frage immer schon waren.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Da gab es auch einen Volksentscheid, Herr Henkel. Der hatte auch ein Ergebnis. Sorry, dumm gelaufen damals! Das Einzige, was Sie machen, ist Theaterdonner, und das ist, um mit der Kollegin Künast zu sprechen, die unser Haus inzwischen verlassen hat, nichts weiter als ein Stück aus dem Tollhaus.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Fraktion der Grünen hat Frau Eichstädt-Bohlig das Wort. – Bitte sehr!

[Christian Gaebler (SPD): Immunitätsprüferin!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst das Positive: Wir freuen uns, dass für die Hangars und Hallen in Tempelhof die Nachfrage tatsächlich deutlich größer ist als das Angebot. Das hat bei der Schließung des Flughafens niemand geglaubt, schon gar nicht die, die damals das Volksbegehren mit unterstützt haben, aber wir sehen, Tempelhof hat durchaus Potenzial, ein interessanter und starker Standort für Berlin zu werden. Es muss nur von der öffentlichen Hand, vom Senat aktiv genutzt werden, und darin liegt das Problem, um das wir heute ringen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich meine, dass für den Standort die „Bread and Butter“ ebenso interessant ist, wie die Babelsberger Filmstudios, das Luftfahrtmuseum, das Event-Center in Hangar 2. Wenn wir schon keine öffentliche Nutzung hinbekommen, wozu es offenbar sowohl beim Bund als auch beim Land von den Kräften und vom Willen her nicht reicht, dann ist ein Kreativ- und Medienzentrum, das man mit interessanter Mischung dort ansiedelt, durchaus eine großartige Chance, aber diese ist bis zur Stunde nicht genutzt worden. Darin liegt der Fehler, dass Sie da so plötzlich hineingegrätscht sind, Herr Regierender Bürgermeister.

Das ist das Schlechte: Sie haben quasi wie ein Alleinbestimmer alle Vorabsprachen,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Der Herr Bestimmer!]

die es gegeben hat, nicht eingehalten und nicht seriös in einem Verfahren zuende geführt, sondern haben mit dieser plötzlichen Entscheidung ausschließlich für „Bread and Butter“ für zwei Monate Nutzung im Jahr und weiteren zehn Jahren Option und jedes Jahr zehn Monate keine Nutzung, einen Vertrag geschlossen. Das ist ein absurder Kurzfristvertrag gleichzeitig für lange Fristen. Es ist der entscheidende Fehler, dass Sie das gemacht haben. Alle

anderen Interessenten, die wunderbar damit hätten kooperieren und das hätten ergänzen können, haben Sie aus dem Verfahren hinausgekickt. Darüber müssen wir hier diskutieren.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): In welcher Welt leben Sie?]

Insofern ist es nicht so, dass die Opposition dem Verfahren und der „Bread and Butter“ schadet, wenn sie hinterfragt: Ist das wirtschaftlich? Gibt es ein Finanzierungs- und Wirtschaftskonzept? – Das sind Fragen, die ein solider Hauswirt, wenn er solche großen Immobilien vermietet oder verpachtet, bei jedem Bewerber stellen und auch seriös beantwortet bekommen muss. Wenn es hier um eine öffentliche Einrichtung oder Immobilie geht, dann ist es erstens bei dieser Größenordnung nötig, dass es einen Senatsbeschluss dazu gibt und zweitens, dass das Parlament rechtzeitig darüber informiert wird und sich mit dieser Entscheidung auseinandersetzen kann.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Rainer-Michael Lehmann (FDP)]

Ich hätte auch nichts dagegen, dass solche Entscheidungen im vertraulichen Kreise im Vermögensausschuss oder sonst wie im geschlossenen Raum diskutiert werden, aber so zu tun, als könne das allein per Telefonentscheidung Wowereit geschehen, so kann hier doch nicht Politik gemacht werden. Das ist skandalös!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich muss schon sagen, ich habe ein Stück weit Zweifel daran, dass die BIM erstens rechtlich befugt und zweitens sachlich die richtige Institution ist. Notwendig wäre hier ein erfahrener Projektentwickler, der für die gesamte Anlage ein Gesamtkonzept entwickelt. Das war richtigerweise im „Call for Ideas“ auch als Zielsetzung angelegt und ausgesprochen, aber es ist nie weiter verfolgt und weiter diskutiert worden.

Stattdessen ist die BIM sogar beauftragt worden, eine strategische Partnerschaft mit der „Bread and Butter“ einzugehen. Seit wann ist es die Aufgabe der BIM, die eigentlich öffentliche Gebäude verwalten soll, eine strategische Partnerschaft mit einem speziell und persönlich erwählten Einzelprivatinvestor einzugehen? – Das halte ich für nicht angemessen. Da ärgere ich mich besonders, dass Sie den Babelsbergern vorwerfen, sie hätten über die ganze Immobilie verfügen wollen, dass Sie aber jetzt quasi die BIM zu einem Spezialdienstleister machen, damit die „Bread and Butter“ ihrerseits monopolartig die ganze Immobilie letztlich zur „Marke Tempelhof“, zur „hochwertigen Event-Location“ ausbauen kann.

Entschuldigung, Frau Eichstädt-Bohlig! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gaebler?

Nein, Herr Kollege Gaebler! Das machen wir irgendwann einmal im kleinen Kreise.

[Mario Czaja (CDU): Wer will das schon?]

Herr Regierender Bürgermeister! Das ist eine so einseitige, willkürliche Entscheidung, das kann ich nicht Richtlinienkompetenz nennen. Das nenne ich auch nicht Chefsache, weil ein guter Chef das Verfahren in abwägender Form sehr solide zum Abschluss gebracht hätte. Auch so etwas kann zügig gehen, schon gar nach den langen Vorverhandlungen. Was Sie gemacht haben, ist absolut unseriös und schadet dem Standort Berlin, denn so darf man mit Investoren, die sich hier bewerben, nicht umgehen, wer auch immer das im Einzelnen ist.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Das Zweite ist das inhaltliche Problem. Wir haben die Situation, dass ad hoc eine Vorentscheidung gefällt worden ist, die heißt: Dieser Standort kann kein Standort für dauerhafte Kreativ- und Mediennutzung sein, sondern ist festgelegt als Standort für Event-Nutzung, ob das Messe oder Event heißt, und zwar muss jetzt Jahr für Jahr die verbleibende Zeit von zehn Monaten mit Events gefüllt werden, weil eine Dauernutzung nicht möglich ist, so wie jetzt die Hangars, die Hallen, das Flugsteigfeld vergeben worden sind. Darin liegt ein großes inhaltliches Problem, sowohl für den Standort Tempelhof als auch für den Messestandort unter dem Funkturm und als Drittes auch für das Olympia-Stadion. Wir sehen es jetzt schon mit der Vergabe der „Pyro Musicale“ in Richtung Tempelhof. So entsteht Konkurrenz zwischen den öffentlichen Standorten, und über kurz oder lang werden wir das Problem haben, dass bei allen die Defizite steigen, weil sie nicht maximal ausgelastet und aktiv genutzt werden. Das ist kein verantwortlicher Umgang mit Stadtentwicklung und so zentralen Potenzialen, wie sie Berlin hat. Da hätte die Einbeziehung von Studio Babelsberg und die Stärkung des Filmstandorts hier in Berlin ein wesentlicher Faktor sein können und müssen.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das ist absurde Logik!]

Zum Wirtschaftlichen: Aus meiner Sicht ist die Frage nach einem Wirtschafts- und Finanzierungskonzept nicht nur gerechtfertigt, sondern grundlegend notwendig, wenn man für zehn Jahre – mit einer Option für weitere zehn Jahre – solch eine große Immobilie, beziehungsweise wesentliche Teile davon, vergibt. Eine weitere Frage ist die nach der wirtschaftlichen Stabilität des Nutzers. Sie wollen selbst Sicherheiten für die Investitionen haben, die von der öffentlichen Hand finanziert werden sollen. Sie haben drittens die Entscheidung gefällt, dass Berlin die Verantwortung für die Erneuerungs- und Anpassungsinvestitionen leistet, die Sie „Bread and Butter“ zugesagt haben. Und Sie werden weitere Investitionen in den kommenden zehn Jahren tätigen müssen, denn wenn dort lauter Event-Nutzer sind, können Sie von denen nicht verlangen, dass sie die Immobilie unterhalten, baulich

erhalten, modernisieren und das dann auch noch alles denkmalschutzgerecht. Deshalb haben wir jetzt das gesamte Projekt finanziell am Hals, so, wie es sich niemand gewünscht hat. Wirtschaftlich ist es deshalb eine ganz problematische Entscheidung, die Sie getroffen haben.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Gleichwohl, Kollege Lederer, sind wir so konstruktiv, dass wir uns Gedanken darüber machen, was man jetzt noch tun kann. Ich befürchte, dass die jetzt gefällte Entscheidung auch für „Bread and Butter“ ein Stück weit überzogen ist. Wenn Sie sich die Immobilie ansehen, dann handelt es sich um 1,2 Kilometer im Halbrund, die bei den Modemessen bespielt werden müssen. Das ist nicht kompakt und klein, sondern eine riesige Entfernung. Da müssen die Menschen weite Wege zurücklegen, brauchen womöglich Roller oder anderes, um das überhaupt bespielen zu können. Deshalb glaube ich, dass sich „Bread and Butter“ ein Stück weit übernommen hat. Ich habe Zweifel, ob man das Halbjahr für Halbjahr so bespielen kann, wie „Bread and Butter“ sich das wünscht. Wir wären nicht dagegen, wenn ihnen das gelingt, im Gegenteil, das hätte unsere Zustimmung, aber es muss sich auch wirtschaftlich tragen.

Deshalb unsere Bitte, Herr Regierender Bürgermeister, die ich ernsthaft ausspreche, weil wir kein Interesse daran haben, Pingpong zu spielen, denn das führt nicht weiter: Wäre es nicht sinnvoll, dass Sie mit „Bread and Butter“ vereinbaren, diesen offenbar abgeschlossenen Mietvertrag beiseite zu legen und sich mit den wichtigen Beteiligten – Studio Babelsberg, Event-Center vom Hangar 2, Alliiertenmuseum und selbstverständlich „Bread and Butter“ – zusammenzusetzen und zu prüfen, ob die Interessenten für eine Dauernutzung und die für –

Frau Eichstädt-Bohlig!

Ich bin sofort fertig, das ist mein Schluss – eine EventNutzung, zusammenkommen können und es Möglichkeiten gibt, dass es letztlich doch ein Kreativ- und Medienzentrum wird oder zumindest in diese Richtung geht. Ich werbe dafür, dieses Prüfverfahren zu initiieren. Wenn es schiefgehen sollte, wären wir an dem Punkt, an dem wir heute sind. Einen Versuch ist es jedoch allemal wert, um eine optimale Nutzung für das Gelände zu bekommen.

Frau Eichstädt-Bohlig! Kommen Sie jetzt wirklich zum Schluss!

Mein letzter Satz: Ich sehe mit großer Sorge, dass wir über kurz oder lang bei diesem Thema ähnlich wie beim

Spreedreieck einen Untersuchungsausschuss haben werden. Denn so, wie es aus der Hüfte geschossen gehandhabt wird, kann es nicht gut gehen, sondern wird böse Folgen für Berlin haben.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! – Für den Senat hat jetzt der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren seit Jahren über Tempelhof. Seit Jahren ignorieren CDU und FDP den Mehrheitswillen des Parlaments und der Regierung, Tempelhof zu schließen. Ich sage es an dieser Stelle nochmals: Es ist vernünftig gewesen, Tempelhof zu schließen – aus ökologischen Gründen, wegen der Sicherheit und aus Zukunftsgründen. Das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dass Sie immer wieder versuchen, Ihre Trauerarbeit neu zu verrichten, das ist Ihr Problem, Ihr Trauma. Dass Sie den Volksentscheid nicht gewonnen haben, ist auch Ihr Trauma. Aber bitte, nutzen Sie nicht bei wichtigen Entscheidungen für diese Stadt ihre Trauer, um sich an der Regierung abzuarbeiten. Dafür gibt es andere Punkte.

[Michael Schäfer (Grüne): Welche denn?]

Die werde ich Ihnen nicht verraten, Herr Schäfer. Sie haben da noch so einige Energiethemen. – Die Entscheidung „Bread and Butter“ nach Berlin zu holen, vor allem die Bereitschaft, nicht nach Mailand, nicht nach Paris und nicht nach London zu gehen, ist ein riesiger Ansiedlungserfolg für Berlin. Das sollten wir nicht kleinreden,

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

sondern begrüßen – egal ob Opposition oder Regierung. Wir freuen uns darüber, dass der Mietvertrag eine zehnjährige Laufzeit hat mit weiteren Optionen. Wir bekennen uns dazu: Wir würden uns riesig freuen, wenn „Bread and Butter“ sich weiter so am Markt etabliert, wenn „Bread and Butter“ sogar noch wächst und 20 Jahre in Berlin erfolgreich arbeiten würde. Das schafft Tausende von Arbeitsplätzen, die wir dringend brauchen. Deshalb gehört es nicht kritisiert, dass man Verträge mit einer zehnjährigen Laufzeit abschließt, sondern es ist ein Plus, wenn „Bread and Butter“ selbst eine Perspektive in Berlin sieht.