Protocol of the Session on February 19, 2009

lfd. Nr. 26:

Beschlussempfehlung

Denkjahr 2009 (I): 90. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: Leben und Werk kritisch würdigen

Beschlussempfehlung Kult Drs 16/2115 Entschließungsantrag der Grünen Drs 16/2046

Die Reden werden zu Protokoll gegeben.

Im Januar vor 90 Jahren wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin ermordet. Diese beiden Namen stehen für die eine Seite der bewegten und politisch durchaus umkämpften ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts auf dem Weg zur Weimarer Republik. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit diesem Antrag ein Zeichen der Erinnerung gesetzt und wir freuen uns, dass er heute eine Mehrheit finden wird. Dies geschieht auch im Bewusstsein, dass die politischen Überzeugungen dieser beiden Politiker nach heutigen Maßstäben in weiten Teilen als undemokratisch zu werten sind.

Trotzdem finden wir es wichtig, eine kritische Würdigung dieser beiden historischen Persönlichkeiten durch das Berliner Abgeordnetenhaus vorzunehmen. Natürlich wissen wir, dass der kulthafte Umgang mit „Karl und Rosa“ zu einem Mythos geworden ist. Aber gerade weil das so ist, finden wir es richtig, dieser Glorifizierung eine kritische Würdigung entgegenzusetzen. Unser Anliegen ist es, sich diesen beiden historischen Persönlichkeiten, deren Wirken zu einem großen Teil in Berlin stattfand und mit

diesem Haus verbunden ist, ohne beschönigende Erinnerungsfolklore zu nähern. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht einte innerhalb der SPD zunächst ihre konsequente Kritik am deutschen Militarismus und Imperialismus. Es war ihre frühe, entschiedene und öffentliche Kriegsgegnerschaft, die beide mit mehreren Haftstrafen bezahlten und die sie schließlich zur Ablösung von der SPD führte. Die Kriegsfrage machte so die Spaltung der Arbeiterschaft und letztlich die Gründung der KPD erst möglich. Der Mut, gegen alle Widerstände auch aus den eigenen Reihen an ihrer Friedenspolitik festzuhalten, verdient Respekt und hat noch heute Beispielcharakter.

Rosa Luxemburg gehörte zweifelsohne zu den orthodoxen Marxisten, die für eine Räterepublik in den revolutionären Wochen im Jahre 1918/19 eintraten. Doch ihre Vorstellung vom Sozialismus waren deutlich unterschieden vom Bolschewismus sowjetischer Prägung. So war sie zeitlebens im Konflikt mit Lenin, dessen autokratisches Setzen auf eine Kaderparteistruktur ihr zuwider war, denn sie setzte auf die Selbstbestimmung der Arbeiterklasse und war von einem tiefen Humanismus geprägt. Rosa Luxemburg gehörte zu den bedeutendsten theoretischen sozialistischen Führungspersönlichkeiten, deren Wirken aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung nicht wegzudenken ist. Als historische Figur nimmt die Publizistin und führende Theoretikerin der Arbeiterbewegung Rosa Luxemburg auch eine wichtige Rolle innerhalb der europäischen Emanzipationsgeschichte ein. Als kluge, provokante, scharfzüngige und kritische Rednerin und Analytikerin der politischen und ökonomischen Verhältnisse hat sie ein neues öffentliches Frauenbild geprägt.

Die brutalen und feigen Morde im Januar 1919 in Berlin an den beiden Revolutionsführern waren tragischer Höhepunkt der gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen der Zeit, die viele Hundert Menschen das Leben kostete. Die Erinnerung anlässlich des Todestages der beiden muss auch heute einschließen, über die Umstände zu sprechen, die zur Ermordung durch Freikorps-Schergen führte. Es ist zumindest anzunehmen, dass Gustav Noske als verantwortlicher sozialdemokratischer Minister persönlich von dem Ermordungsbefehl wusste, wenn er ihn nicht sogar selbst ausgesprochen hat. Der Mord an Luxemburg und Liebknecht besiegelte die unversöhnliche Feindschaft zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten in der Weimarer Zeit, die den Aufstieg der NSDAP begünstigte und ist von daher politisch besonders folgenreich gewesen. Leben und Werk der beiden sind untrennbar mit einem bedeutsamen Kapitel deutscher und europäischer Zeitgeschichte verbunden und verdienen daher parteiübergreifende kritische Auseinandersetzung und Würdigung. Dieses historische Datum ist für uns der Anfang einer

Reihe wichtiger historischer Daten, die sich 2009 jähren. Für uns Grüne ist dies Anlass, an die Ereignisse zu erinnern, darüber zu sprechen und daraus zu lernen. Feiger Mord an politischen Widersachern ist kein Mittel der Politik. Daran gilt es zu erinnern.

Wir reden über den Antrag zum 90. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Ich will mich in meiner Begründung, weshalb wir dem Antrag der Grünen im Kulturausschuss zugestimmt haben, mit der Person Rosa Luxemburg beschäftigen.

Rosa Luxemburg ist eine Person der Zeitgeschichte, die immer noch polarisiert! Jeder und jede meint, aus der Person Rosa Luxemburg das herausholen zu können, was ihm grade passt. Aber sie war keine Matruschka-Puppe, aus der man nach Belieben ein Püppchen hervorholen kann.

Rosa Luxemburg war eine charismatische Frau, wenn auch eine widersprüchliche Person, eine Kriegsgegnerin! Sie war Begründerin der internationalen Frauenbewegung, eine jüdische Sozialdemokratin, der polnischen und deutschen Sozialdemokratie angehörend. Sie ist aus der SPD ausgetreten als die SPD 1914 die Kriegskredite mitgetragen hat. Ich wäre – hätte ich damals gelebt – ebenfalls in tiefe Verzweiflung über die Sozialdemokratie gefallen.

Sie wurde feige, hinterhältig und brutal von rechtsradikalen Militärs im Januar 1919 ermordet. Mit ihrer Ermordung hat eine lange währende Blutspur begonnen – verursacht durch rechte Gewalt –, an der unter anderem auch die Weimarer Republik zugrunde ging. Der Mord an Luxemburg und Liebknecht war der Start zur gewaltsamen Beseitigung politischer Gegner.

„Aber sie war keine Demokratin“, wird gerne polemisiert. Das stimmt, im bürgerlichen, parlamentarischen Sinne war sie keine Demokratin, sie strebte eine Rätedemokratie an. Sie kritisierte die leninsche Parteidiktatur frühzeitig. Sie wollte sich auch einem russischen Revolutionsmodell nicht unterwerfen. Sie war eben lieber Außenseiterin als Nachbeterin.

Im Zentrum ihrer Kritik stand für sie unbestreitbar, dass ohne freie Presse und ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben die Herrschaft breiter Volksmassen völlig undenkbar sei. Darin gipfelte der gerne zitierte Doppelsatz: „Freiheit nur für die Mitglieder einer Partei, mögen sie noch so zahlreich sein, ist keine Freiheit – Freiheit ist immer nur Freiheit der Andersdenkenden.“

Und wenn man über Rosa Luxemburg spricht, dann muss man auch über die Zeit sprechen in der sie gelebt hat. Dann gehören Hunger, Armut und vieles mehr dazu. Und der, für dessen Ehre der Erste Weltkrieg geführt wurde, Wilhelm der II., hat sich fahnenflüchtig ins Ausland abge

setzt. Zurück blieben Hunger, Not und Armut für die Bürgerinnen und Bürger!

Rosa Luxemburg hat für ihre Überzeugung ihr Leben geben müssen! – Wir haben aus all diesen Gründen dem Antrag von Bündnis 90/Grünen im Kulturausschuss zugestimmt.

Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU) [zu Protokoll gege- ben]:

Lassen Sie mich mit einem Zitat Eduard Sprangers beginnen. Geschichte, sagte er, ist Vergegenwärtigung. Sie bewahrt das Zeitüberlegene, das in unsere Wirklichkeit gehört.

Was nun ist das Zeitüberlegene an Luxemburg, Liebknecht, das in unsere Wirklichkeit gehört? In jedem Fall ist ihr Tod ein abscheuliches Verbrechen. Beide stehen, positiv gewendet, für die Freiheit des Wortes, der Rede, der politischen Auseinandersetzung. Ich füge hinzu: Egal wer die Täter sind, ob eine Soldateska, ob Todesschwadronen oder Auftragskiller einer Diktatur, Mord bleibt Mord.

Die Weimarer Zeit ist „reich“ an solchen Abscheulichkeiten. So fanden die auch als „Erfüllungspolitiker“ bezeichneten Walther Rathenau und Erzberger den Tod durch heimtückische Killer in einer Zeit, die zunehmend geprägt wurde durch Hetze von rechts- und linksradikalen Parteien gegen die erste deutsche Demokratie. Dem erlagen nicht nur Politiker durch Mord, sondern auch durch Erschöpfung, Krankheit wie Ebert, Scheidemann, Stresemann. Sie sahen sich eingeklemmt in zunehmend brutaler agierender Massenparteien von rechts und links und in einen die Republik strangulierenden sogenannten Friedensvertrag.

Liebknecht und Luxemburg stehen am Anfang der Weimarer Republik. Ende 1918, der Weltkrieg war eben zu Ende gegangen, gab es keine Verfassung, keine staatliche Ordnung, nur die Republik. Es begann ein Streit, bald ein Kampf um die Zukunft dieser Republik. Von Luxemburg ist bekannt, dass sie einzelnes zugunsten der Meinungsfreiheit gesagt, dass sie schon lange vor der russischen Oktoberrevolution Lenins Parteibegriff kritisiert hatte. Aber Ende 1918, als es in Deutschland darum ging, sich für die parlamentarische Demokratie zu entscheiden oder für die Räteherrschaft nach sowjetischem Vorbild, da nahm sie eindeutig für diese Form roter Diktatur Stellung. Es blieb nicht bei einer Stellungnahme. Beide zettelten, inzwischen nicht mehr Mitglieder der SPD, blutige Aufstände an, die in Berlin viele Opfer kosteten. Dies, obwohl die Arbeiter- und Soldatenräte 1918, hier im Preußischen Landtag, sich für die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung ausgesprochen hatten. Gar nicht auszudenken, was mit Deutschland geschehen wäre, wenn sich Luxemburg und Liebknecht durchgesetzt hätten. Uns hätte dasselbe Schicksal ereilt, das die Russen 75 Jahre lang als Sowjetmenschen erleiden mussten.

Dass es uns erspart blieb, verdanken wir diesen Arbeiter- und Soldatenräten, vor allem den Sozialdemokraten, den Ebert, Scheidemann, Noske, die sich dieser Revolution, übrigens auch dem Rechtsputsch von Kapp, entgegen stellten. Die SPD der Weimarer Zeit hat sich um die Nation und die Demokratie verdient gemacht. Das sollte ihr auch heute nicht vergessen sein! Dass sie und die Gewerkschaften sich dafür seitens der Kommunisten Diffamierungen anhören müssen – ich zitiere z. B. Honecker, der von einer „pathologisch antikommunistischen Haltung der SPD und der Gewerkschaften“ oder gar von „der Mitverantwortung der SPD an der Ermordung von Luxemburg, Liebknecht“ spricht, erscheint abenteuerlich. Die SPD sollte ihre große Geschichte nicht verleugnen zugunsten der damaligen Feinde der Demokratie.

Meine Fraktion kann sich nicht dazu verstehen, zwei Personen der Zeitgeschichte, die Rechtsstaat und Demokratie mit Gewalt verhindern und aus Deutschland einen Sowjetstaat machen wollten, auch nur kritisch zu würdigen. Die Sozialdemokraten sollten sich fragen, ob sie tatsächlich einem Antrag zustimmen wollen, der ihre Verächter würdigt und die eigene historische Leistung von damals desavouiert. Es gibt keinen Kompromiss zwischen Diktatur und Demokratie. Der vielleicht gut gemeinte Antrag enthält bestenfalls einen Spagat. Es besteht kein aktuelles Bedürfnis, Luxemburg und Liebknecht heute politisch zu heroisieren. Sie gehören nicht, um auf Eduard Spranger zurückzukommen, in unsere Wirklichkeit.

Wolfgang Brauer (Linksfraktion) [Zu Protokoll gege- ben]:

Wir sind froh über die heute vorliegende Entschließung: Sie beweist auf eindrucksvolle Weise, dass zumindest die an einer sachlichen Auseinandersetzung über die Geschichte des 20. Jahrhunderts interessierten Parteien zu einer gemeinsamen Standpunktfindung in der Lage sind. Das ist neu bei einem immer noch so umstrittenen Thema wie dem deutschen Bürgerkrieg der Jahre 1918 bis 1920.

Wir sind froh über diese Entschließung, weil sie sehr nachdrücklich darauf hinweist, dass es im Jahre 9 des 21. Jahrhunderts in dieser Stadt und diesem Lande noch andere Jubiläen zu würdigen gibt, die mindestens ebenso nachdrücklich die historische Identität unserer Gesellschaft prägten wie das überhaupt nicht klein zu redende Jahr 1989.

Im Gegenteil: Unbestritten stand die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, der Erste Weltkrieg mit seinem innerdeutschen blutigen Ende, eben diesem Bürgerkrieg der Jahre 1918 bis 1919, am Beginn eines blutigen Weges deutscher Geschichte, an dessen Ende die Gaskammern von Auschwitz, der Untergang des Reiches und letztendlich die Spaltung Deutschlands stehen sollten. Die deutschen Katastrophen waren ursächlich immer hausgemacht.

Die Massenmörder des Dritten Reiches legten ihre blutigen Gesellenstücke wenn nicht in den Schützengräben des Krieges, so doch bei der Niederschlagung einer revolutionären Bewegung ab, die nur Unwissende heute noch als „bolschewistisch“ darstellen.

Es waren nicht die von der FDP so gern beschworenen „roten Volksmilizen“, die nicht nur in Berlin eine Blutspur hinterließen – es waren Landsknechte des kaiserlichen Heeres, die sich mit dem Frieden nicht abfinden wollten, es waren vertierte Freikorps – die später ziemlich nahtlos in den Schwarzen Staffeln Himmlers aufgingen –, und es war zum Beispiel eine so genannte Bürgerwehr, die in Wilmersdorf Liebknecht und Luxemburg ihren Mördern ans Messer lieferte.

Ich finde, es wird nach 90 Jahren endlich Zeit, sich offen, sachlich und unvoreingenommen mit den damaligen Geschehnissen und ihren verhängnisvollen Folgen auseinanderzusetzen.

Über Rosa Luxemburg wurde und wird noch viel Richtiges gesagt werden. Ihre Gegner werden sich nie mit ihr versöhnen: Die verzeihen ihr nie, dass sie links, klug, radikal im Denken und ihren Kontrahenten zumeist haushoch intellektuell überlegen war – und dann auch noch Polin und Jüdin und Frau.

Ein Wort zu Liebknecht, er stand und steht zu Unrecht zu sehr im Schatten dieser außergewöhnlichen Frau: Karl Liebknecht, der übrigens lange Jahre Mitglied der Vorgängerinstitutionen dieses Hauses war, war den Rechtsextremen des Kaiserreiches aus guten Gründen verhasst:

Er zog den Rüstungsprofiteuren des Kaiserreiches die Maske des nationalen Biedermannes vom Gesicht und wies nach, dass es solchen Leuten egal war, ob auch deutsche Soldaten dank deutscher Granatzünder krepierten oder nicht – solange die Kasse stimmte. Eine Erkenntnis von durchaus aktueller Dimension, wie ich finde.

Er stellte als erster deutscher Parlamentsabgeordneter die nationalen Grenzen als einen der Hauptkriegsanlässe in Frage und forderte z.B. auf einer Friedenskundgebung am 14. Juli 1914 in Paris deren Beseitigung. Denken Sie darüber nach: Auch Karl Liebknecht gehört damit in die Ahnengalerie des europäischen Einigungsprozesses!

Als Abgeordneter – egal welcher Partei – kann man von Liebknecht manches über Zivilcourage lernen. Man kann von ihm lernen, wie man verantwortungsvoll mit dem Spagat zwischen weder damals noch heute in der Verfassung vorgesehener Fraktionsdisziplin, die dennoch durchaus ihre Berechtigung hat, und der verantwortungsbewussten Wahrnehmung des eigenen Mandates umgehen kann. Ich finde, Liebknechts arger Weg der Erkenntnis in Sachen Antikriegshaltung kann uns bis heute ein Lehrstück sein. Vielleicht ist es diese nicht korrumpierbare Ehrlichkeit, die ihn bei manchen Kleingeistern bis heute verhasst macht.

Die heutige Würdigung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs steht diesem Hause gut zu Gesicht.

Volker Thiel (FDP) [zu Protokoll gegeben):

Ich finde es bemerkenswert, dass eine basisdemokratische Partei wie Bündnis 90/Die Grünen sich dafür einsetzt, das Wirken von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im öffentlichen Raum und in den Bildungseinrichtungen wachhalten zu wollen und kritisch fortzuführen.

Ich frage mich, wie das konkret wohl aussehen soll. Wollen Sie zu den bereits bestehenden elf Gedenkstätten für Rosa Luxemburg allein in Berlin noch eine weitere hinzufügen, und was heißt das, wenn Sie das Vermächtnis in Bildungseinrichtungen kritisch fortführen wollen?

Ich glaube nicht, dass es gerade im Kontext der anhaltenden Diskussion über Gedenkstättenkonzepte sinnvoll ist, einen politischen Personenkult betreiben zu wollen. Ausgesprochen problematisch finde ich es, wenn Politiker Bildungseinrichtungen inhaltliche Vorgaben machen wollen. Das geht zu weit!

Ihre Einschätzung, dass das politische Engagement, gerade von Rosa Luxemburg, nicht auf Ihre Bedeutung als Mitbegründerin der KPD reduziert werden darf, teile ich. Aber warum erwähnen Sie in Ihrem Antrag nicht, dass ihre konsequente Ablehnung von Militarismus und Imperialismus auf ihrer sozialistischen Überzeugung fußte? Rosa Luxemburg war keine Pazifistin, sie war gegen Militarismus und für die Errichtung von Volksmilizen. Die arbeitende Bevölkerung sollte – ähnlich wie in der Schweiz – das Recht haben, Waffen zu tragen und diese auch einzusetzen. Aber immer im Interesse des Proletariats.

Es ist richtig und wichtig, die Publizistin Rosa Luxemburg in ihrer klugen, provokanten, scharfzüngigen Art als Rednerin und Autorin zu würdigen. Ihr Umgang mit der Sprache ist von literarischer Qualität, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ihr Talent immer zur politischen Agitation für den Klassenkampf verwandte. Auch ihre Bedeutung für ein öffentliches Frauenbild, das sie mitprägte, ist unbestritten. Aber auch hier ist anzumerken, dass sie die Emanzipation der Frau letztlich erst bei der Herrschaft der Arbeiterklasse verwirklicht sah. Deshalb lehnte sie jede Sonderbehandlung als Frau ab.

Es ist Zeit, mit der Mär ihres Freiheitsbegriffs aufzuräumen. Die Freiheit des Andersdenkenden bezog sie auf ihre sozialistischen und kommunistischen Mitstreiter, nicht auf die bürgerlichen Gegner.

Rosa Luxemburg war eine umfassend gebildete und konsequente Analytikerin auf Grundlage der marxistischen Theorien. Ziel ihres Handelns war es, durch Einsatz ihrer spezifischen Möglichkeiten ihren Beitrag zum Sieg der Revolution zu leisten. Rosa Luxemburg war eine erklärte Gegnerin des parlamentarischen Systems. Sie wollte eine andere Republik.

Bei allem Respekt vor der Lebensleistung von Rosa Luxemburg – und um sie geht es ja in diesem Antrag im Wesentlichen – können und werden wir Liberalen diesen Antrag nicht unterstützen. Antidemokratische Kräfte negieren abstrakte Freiheitsrechte, die Grundlage und Gegenstand sowohl der Weimarer Verfassung waren, als auch des Grundgesetzes sind.

Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen CDU und FDP die Annahme des Antrags, wobei in der Überschrift die Worte „Denkjahr 2009 (I)“ gestrichen werden sollen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Mehrheit. Die Gegenprobe! – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die lfd. Nr. 27 steht auf der Konsensliste.