Protocol of the Session on February 19, 2009

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! – Auch von mir im Namen der FDP-Fraktion herzlichen Dank für die geleistete Arbeit, Herr Senator Sarrazin! Sie haben zu Beginn der letzten Legislaturperiode einiges Gutes, Richtungsweisendes für das Land Berlin auf den Weg gebracht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der CDU]

Als ich vorhin hörte, dass Sie diesen Nachtragshaushalt mit ein paar einleitenden Sätzen ins Parlament einbringen wollten, hatte ich mich schon gefreut. Ich gebe ehrlich zu, ich bin ein wenig enttäuscht. Ich erinnere noch einmal daran, dass Sie der einzige der Regierungskoalition waren, der den Mut und den Anstand hatte, den Doppelhaushalt 2002/2003 als verfassungswidrig zu definieren. Ich erinnere daran, dass Sie beim Doppelhaushalt 2004/2005 gesagt haben, insgesamt hätten Sie ein Konsolidierungsvolumen von 2 Milliarden Euro im Haushalt definiert. Die Koalition habe nur 1 Milliarde Euro akzeptiert. Aber Sie hätten, wenn Sie sozusagen von der Kette gelassen worden wären, durchaus noch 1 Milliarde Euro mehr aus dem Haushalt herausgeschnitten.

[Beifall bei der FDP]

Als Sie uns zum aktuellen Doppelhaushalt auf den Hinweis, dass es keine vernünftige Personalstrukturplanung im Land Berlin gebe, sagten, dass das nicht anders gehe, denn wenn man Personal konsolidieren wolle, dann müsste man – O-Ton, wenn ich mich richtig erinnere – an allen Ecken ein wenig herumbröseln und letztlich die Widerstände gegen diese Bröseltaktik aushebeln, so käme man letztlich zu einem Personalkörper von ungefähr 100 000 Stellen – das waren mutige Ansagen.

Ich hätte mir eigentlich gewünscht, gerade jetzt zum Ende Ihrer Amtszeit hier, dass Sie diesen Mut auch noch einmal aufgebracht hätten und uns, aber vor allem auch Ihrer Koalition, wie Sie es in der Vergangenheit auch immer gemacht haben, ein paar wirklich deutliche Worte mitgeben.

Was wir von Ihnen gehört haben – Herr Esser, hat darauf hingewiesen –, ist ein Stück weit das Stricken an der Mär, dass Sie den Haushalt konsolidiert haben, dass wir ohne den Konjunktureinbruch, ohne die Finanz- und Wirtschaftskrise in sicherem Fahrwasser wären. Herr Esser hat bereits darauf hingewiesen, dass das mitnichten so ist. Sie haben am Anfang der letzten Legislaturperiode eine Reihe von sehr mutigen Entscheidungen getroffen, und danach hatten Sie sehr viel Glück.

Die gescheiterte Klage in Karlsruhe war der Punkt, wo Sie mit den Konsolidierungslinien, die Sie mit dem rotroten Senat vereinbart hatten, am Ende waren. Einen Monat nach der gescheiterten Klage in Karlsruhe hatten Sie dann die erste unverhoffte große Steuermehreinnahme in der Novembersteuerschätzung. Das war letztlich der Beginn vom Konsolidierungserfolg Ihrer Koalition und letztlich auch der Beginn von der schwarzen Null, die Sie im letzten Jahr erreicht haben.

Milliarden Steuermehreinnahmen, nicht verausgabte Investitionsmittel, Zinsminderausgaben, das waren die Punkte, die Sie in den letzten Jahren über Wasser gehalten haben. Deswegen ist man schon ein wenig verwundert –

Herr Zackenfels hatte auch darauf hingewiesen, dass noch eine ganze Reihe von Aufgaben in den nächsten Jahren vor uns allen liegen, um diesen Haushalt nachträglich zu gesunden –, dass Sie sich jetzt darauf versteifen, dass ohne die Konjunkturkrise alles im Lot wäre. Wenn ich Sie richtig verstehe, werden Sie Ihrem Nachfolger, Herrn Nußbaum, sogar empfehlen, dass Sie quasi zwei Haushalte fortschreiben, zum einen die Sarrazin-Linie – wir schreiben die zu optimistischen Einnahmeentwicklungen weiter in der Größenordnung, ich glaube, 500 Millionen Euro Steuermehreinnahmen pro Jahr fort und ziehen die Ausgabenlinie weiter bei 1,3 Prozent – und dann das andere, die Realität, das, was sich ansonsten so entwickelt. – Ich glaube nicht, dass Rot-Rot in den nächsten Jahren so weitermachen kann zu sagen: Wenn nicht die Konjunkturkrise gewesen wäre, wäre alles gut.

Ich hoffe, dass Ihr Nachfolger ein bisschen mehr Erfolg hat als in Bremen. Bremen hat in den letzten Jahren einen Negativrekord an Nettoneuverschuldung aufgestellt. Auch die anderen Rahmendaten, so wie man sie abgelesen hat, Personalkostenquote usw., lassen nichts Gutes ahnen.

Der Nachtragshaushalt – Herr Goetze hat darauf hingewiesen – ist so, wie er vorliegt, problematisch. Sie sagen es selbst, Herr Sarrazin, dass Sie letztlich das Konjunkturprogramm eingestellt haben, das ist Ihr gutes Recht, und ansonsten justieren Sie mit Ihrem flexiblen Haushalt nach. Auf der anderen Seite sind ein paar Seiten in dem spärlichen Werk, wo Sie uns gestern im Hauptausschuss gesagt haben, das hätte man auch herauslassen können. Ich glaube, es ging gestern um die Krankenhausinvestitionen, wo Sie gesagt haben, die hätten auch nichts darin zu suchen. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, und das macht die Beratung dieses Haushalts so schwer, was letztlich Ihre Veranschlagungsgrundsätze sind und was nicht.

Der Punkt, weswegen wir hier auch nicht in die Beratung einsteigen können, ist, dass wir – das mag sicherlich auch dem Umstand geschuldet sein, das haben alle Vorredner gesagt, dass es schnell gehen muss – außer den puren Zahlen, was wir an Investitionsmaßnahmen einstellen, zunächst erst einmal keinen Maßnahmenkatalog, keinerlei Umsetzungsentscheidungen haben. Genau deswegen haben wir Ihnen unseren Antrag vorgelegt, mit dem wir versuchen, Ihnen ein paar grundsätzliche Regeln an die Hand zu geben, das heißt, ganzheitliche Sanierungs- und Modernisierungskonzepte, verbindliche Kriterien zur Mittelvergabe, transparente Prioritätenlisten, anders als bei „Bread and Butter“, und eine zentrale Steuerung und ein zentrales Berichtswesen. Ich hoffe, dass wir mit einer konstruktiven Beratung, was diesen Antrag angeht, im Rahmen der Nachtragshaushaltsberatungen vielleicht dazu kommen, dass wir die Mittelverwendung gemeinsam ein Stück weit kontrollieren können.

[Beifall bei der FDP]

Der zweite Punkt, der meiner Meinung nach ein Problem darstellen wird, ist die Abgrenzung der unterschiedlichen Konjunkturmaßnahmen. Das gilt sowohl für K I als auch für K II, aber natürlich auch für das Umweltentlastungs-

und das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm. Auch da müssen wir gucken, wenn der Bericht mit den Prioritätenlisten zum 11. März 2009 – das hatten wir gestern beschlossen – vorliegt, wie wir dafür Sorge tragen können, dass diese Maßnahmen sinnvoll verknüpft sind. Letztlich können wir deswegen nur formal die Einbringung des Nachtragshaushalts miteinander beraten. Hinsichtlich der Umsetzung – da hat Herr Esser sicherlich recht – ist es sinnvoll, das in einem Kapitel zu veranschlagen. Wie es letztlich umgesetzt wird, müssen wir anhand des Berichtswesen überprüfen. Das scheint mir aber ein sinnvoller Weg zu sein.

Zum Abschluss von mir noch ein Hinweis, weil das in dieser Beratung etwas untergegangen ist: Wir haben eine Reihe von Anträgen zusammen mit dem Nachtragshaushalt vorliegen. Wir haben als Jamaica-Opposition bewusst noch einmal einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, zu einer jährlichen Haushaltsberatung zurückzukommen und wegzukommen von den Doppelhaushalten. Wir sehen an der Beratung gestern und auch heute, dass eines der Grundprobleme, die wir mittlerweile haben, ist, dass wir in dem zweiten Haushaltsjahr in der Regel gar nicht mehr in der Lage sind, als Haushaltsgesetzgeber eine Kontrollfunktion auszuüben. Wie Herr Esser bereits erwähnt hat, verschieben Sie die Titel nach Belieben. Das können Sie nach dem Haushaltsgesetz. Das Problem ist nur, für uns wird das nicht nachvollziehbar. Deswegen ist es folgerichtig, dass wir gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wieder dazu übergehen, dass wir jährliche Haushalte vorlegen und beraten, dann können wir zielgenauer steuern und als Haushaltsgesetzgeber eher als in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle tätig werden. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die I. Lesung abgeschlossen.

Zum Nachtragshaushaltsgesetz Drucksache 16/2100 beantragen die Oppositionsfraktionen die zusätzliche mitberatende Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft für Technologie und Frauen, an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, an den Ausschuss für Bauen und Wohnen und an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. Wer diesen Überweisungsanträgen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Opposition. Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit, dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Dann haben wir abzustimmen über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2035. Zu diesem Antrag empfiehlt der Hauptausschuss gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei Enthaltung der Fraktionen der Grünen

und der FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag über 100 Millionen Euro Infrastrukturprogramm jedoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit, dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Das ist die FDP-Fraktion und die Fraktion der Grünen.

Die Überweisungen zu den Drucksachen 16/2118 und 16/2120 hatten Sie bereits bestätigt bzw. beschlossen. Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2144 wurde die sofortige Abstimmung beantragt. Zuerst lasse ich jedoch über den Änderungsantrag der Fraktion der Grünen Drucksache 16/2144-1 abstimmen. Wer diesem Antrag der Fraktion der Grünen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit, dann ist der Antrag damit abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Wer nun dem Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2144 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit, dann ist der Antrag der CDU-Fraktion abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 8:

I. Lesung

Gesetz zu dem Vierten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2104

Eine Beratung ist inzwischen nicht mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Medienausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann ist das so beschlossen.

Die lfd. Nrn. 9 und 10 stehen auf der Konsensliste.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 10 A:

Dringlicher Antrag

Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin zur Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion

Antrag der CDU und der FDP Drs 16/2148

in Verbindung mit dem ursprünglich als Tagesordnungspunkt 47 A vorgesehenem

Dringlichen Antrag

Ablehnung der Zielsetzung des Volksbegehrens „Pro Reli“

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2137

Der Dringlichkeit wird ersichtlich nicht widersprochen.

Für die gemeinsame Beratung, auch in I. Lesung, steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der CDU in Person von Herrn Steuer. – Bitte schön, Herr Steuer, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Dienstag hat der Senat entschieden, den Volksentscheid am 26. April durchzuführen, gegen den Geist des Gesetzes, gegen den gesunden Menschenverstand, anstatt die Abstimmung zusammen mit der Europawahl durchzuführen. Dies wäre richtig, günstig und logisch gewesen.

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen – Martina Michels (Linksfraktion): Quatsch! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Angst vor der eigenen Courage? – Christoph Meyer (FDP): Wo ist der Trickser?]

Einmal jenseits von Tricksereivorwürfen: Souveränität und der Glaube an eine eigene Mehrheit sehen anders aus. Sie flüchten vor dem Volk, Sie haben Angst, eine Niederlage zu erleiden. Heute wollen Sie sich nun für Ihre politische Linie in einem Dringlichkeitsantrag die Rückendeckung des Abgeordnetenhauses holen. – Aber der Regierende Bürgermeister ist leider nicht da –

[Klaus Wowereit (SPD): Doch!]

das Parlament ist nicht für Sie da, nicht für die Rückendeckung der Regierung. Das Parlament ist die Vertretung des Volkes.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wir legen daher heute einen Gesetzesantrag vor, der dem Wortlaut des Volksbegehrens und damit der Meinung von bisher immerhin über 260 000 Berlinerinnen und Berlinern entspricht. Respektieren Sie doch endlich einmal die Meinung der Menschen in dieser Stadt!

[Beifall bei der CDU]

Wir bringen heute einen Gesetzesantrag ein, der den Inhalt des Volksbegehrens aufnimmt.