Protocol of the Session on January 15, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit werden die nächsten Hochschulverträge verhandelt. Die Bedeutung dieser Verhandlungen für die Berliner Wissenschaftslandschaft ist kaum zu überschätzen. Alle vier Jahre werden die Höhe der Zuschüsse für die Hochschulen festgelegt, aber auch das, was die Hochschulen dafür zu leisten haben. Wir haben in Berlin eines der besten und modernsten Systeme der Hochschulsteuerung. Das wollen wir Grüne erhalten und weiterentwickeln.

[Beifall bei den Grünen]

Wie sieht es aber derzeit aus? – Die Verhandlungen unter der Ägide von Herrn Wissenschaftssenator Zöllner scheinen nicht so recht voranzukommen. Dennoch wird allerorten vorsichtiger Zweckoptimismus verbreitet. Etwas anderes bleibt den Hochschulen auch nicht übrig. Woran hakt es? – Zum einen – das ist nicht verwunderlich – am Geld. Es ist zu hören, dass Sie, Herr Senator Zöllner, den Hochschulen erklärt haben, dass Sie deren Forderungen „berechtigt“ finden. Auch bei der Koalition scheint endlich angekommen zu sein, dass eine Fortschreibung der jetzigen Summen schlichtweg nicht ausreicht – Gratulation zu dieser Einsicht! Wir sagen Ihnen das bereits seit 2001. Eine Bemühenszusage ist aber noch kein Geld. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sich auch in den Hochschulen niemand irgendwelche Illusionen machen soll. Das Good-Cop-bad-Cop-Spiel zwischen den Fachsenatoren und Herrn Sarrazin kennen wir schon.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zimmer, Frau Schillhaneck?

Aber sicher – bitte!

Sehr geehrte Frau Kollegin Schillhaneck! Finden Sie nicht, dass bei der Bedeutung dieses Themas die Anwesenheit des Senator angebracht wäre?

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Und die der CDU-Fraktion!]

Ich sehe gerade, dass Herr Zöllner den Raum betritt. – Danke, Herr Zöllner, dass Sie die Zeit gefunden haben!

Zweitens geht es um das Modell der Verträge an sich. Senator Dr. Zöllner zieht seit einiger Zeit mit einer Idee durch die Lande, die er schmissig „Geld folgt Studierenden“ getauft hat. Das will er jetzt auch in Berlin umsetzen – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne die Folgen zu bedenken. Dem erteilen wir eine deutliche Absage. Es ist richtig, dass Studienplätze ausfinanziert werden müssen, und zwar realistisch anhand der tatsächlich Studierenden und nicht anhand der viel zu niedrigen Planzahlen. Was Sie aber wollen, Herr Senator, und was die Koalition offenbar mitträgt, ist eine Orientierung an Auslastungs- und Absolventenquoten. Dazu sage ich: Hochschulen sind keine Fabriken, die das Produkt Absolvent auf den Markt werfen. Weder die Öffentlichkeit noch wir Grüne werden uns von Ihnen für dumm verkaufen lassen.

[Beifall bei den Grünen]

Denn nicht nur Quantität zählt, auch Qualität brauchen unsere Hochschulen. In Zeiten der anhaltenden Unterfinanzierung ist Lehre dabei kein Selbstläufer. Die immanenten Belohnungssysteme der Wissenschaft fördern vor allem Publikationen und Drittmittel. In der Tat sind unsere Berliner Hochschulen im Bereich der Forschungsleistung ziemlich gut – noch. Denn das Modell gefährdet auch forschungsstarke Bereiche, die aber möglicherweise für einige Jahre nicht so stark von Studierenden nachgefragt werden. Das werden Sie dann sicher mit Ihrer Einstein-Stiftung und anderen Sondertöpfen abfedern wollen. Dabei sind wir dann aber bei Hochschulsteuerungsansätzen von denen wir uns aus guten Gründen 1996 bei der Einführung des Vertragssystems getrennt haben, nämlich den intransparenten und direkten Eingriffen nach Gutsherrenart. Das wollen wir nicht.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Nicolas Zimmer (CDU)]

Deshalb: Keine Trennung von Forschung und Lehre im Hochschulvertragsmodell, kein Preismodell, das Schmalspurstudium belohnt und eine Trennung von Forschung und Lehre fördert, und auch keine Finanzierung, die nur auf den ersten Blick gerecht aussieht, aber neue Ungerechtigkeit und vor allem Intransparenz schafft. Sie wollen den Stellenwert von Lehre stärken? – Dann tun Sie genau das. Dafür haben Sie sofort unsere Unterstützung. Geben Sie mehr Geld für die Verbesserung der Lehrqualität aus – und zwar im Rahmen der Hochschulverträge, nicht als neuer Masterplan XY. Definieren Sie gemeinsam

mit den Hochschulen verbindliche Ziele, wo die Hochschulen in fünf bis zehn Jahren stehen sollen, definieren Sie, was die Mindeststandards beispielsweise für eine Lehrveranstaltung sind. Das sind sinnvolle politische Vorgaben, aber nicht die, wie viel irgendein fiktiver Studierender der Hochschule an Geld bringt. Wenn Sie diese Rahmenbedingungen dann auch noch mit den richtigen Leistungsparametern verbinden, die tatsächlich das messen, was erreicht werden soll – wie sich die Lehre verbessert – kommen wir zu einer Diskussion über vernünftige Hochschulverträge.

Für die Verhandlungen wollen wir Ihnen drei zentrale Dinge mit auf den Weg geben. Erstens müssen die Hochschulverträge konsequent weiterentwickelt werden, auch durch die Integration der benannten mittelfristigen Entwicklungsperspektive. Zweitens muss das Berichtssystem angepasst werden, sodass der enorme bürokratische Unsinn, der derzeit jedes Jahr fabriziert wird, wegfällt und das Parlament stattdessen transparente und belastbare Berichte über die Umsetzung der vereinbarten Ziele erhält. Gern nehmen wir die nur jedes zweite Jahr in Empfang, wenn man dafür endlich über Meilensteine und Zielerreichung diskutieren kann und nicht nur über Durchschnittsbildungen. Drittens legen wir Ihnen konkrete Vorschläge dafür vor, welche Leistungsparameter angepasst werden müssen, um nicht wieder ungewollte Effekte wie den Leistungsanreiz nach unten zu fabrizieren.

Frau Kollegin!

Ich komme zum letzten Satz! – Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, Herr Senator und liebe Koalition. Machen Sie jetzt die Ihren, und sorgen Sie dafür, dass diese Vorschläge umgesetzt und die Hochschulen damit wieder auf eine zukunftsfähige politische und finanzielle Basis gestellt werden! – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD- Fraktion hat der Kollege Oberg – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eine Untersuchung der Technischen Universität hat unlängst aufgezeigt, welche wirtschaftliche Bedeutung die Hochschulen für Berlin haben.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach!]

Die wirtschaftliche Stärke und das wirtschaftliche Potenzial dieser Stadt hängen demnach wesentlich von den Hochschulen ab. Wenn das richtig ist, dann sind die

Hochschulen eine Art Goldesel für Berlin und die Politik – also wir alle – ist gut beraten, dieses Tier zu pflegen, zu füttern und nicht etwa auf Diät zu setzen oder verhungern zu lassen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die Hochschulverträge, über die wir heute sprechen, sind – um im Bild zu bleiben – gewissermaßen der Speiseplan für unseren Goldesel in den nächsten fünf Jahren. Die Hochschulen haben vor Beginn der laufenden Verhandlungen zu Recht auf die immensen zusätzlichen Belastungen hingewiesen, die in den nächsten Jahren auf sie zukommen. Vieles von dem, was dort angeführt worden ist, lässt sich nicht wegdiskutieren und muss berücksichtigt werden. Darauf haben sowohl der Senator als auch die Wissenschaftspolitiker der Koalition immer wieder hingewiesen und sich öffentlich völlig unzweideutig geäußert. Unser Ziel ist es, die Finanzausstattung der Hochschulen so anzupassen, dass ihre Leistungsfähigkeit erhalten und wo immer möglich, weiter verbessert wird. Jetzt wird die findige Opposition sicherlich auf die Festlegungen im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2006 hinweisen. Dort ist zu lesen, dass die zusätzlichen Belastungen der Hochschulen durch Mehrwertsteuer und steigende Personalkosten nicht ausgeglichen werden können. Ja, das ist richtig, das steht da! Hierzu kann ich nur Folgendes sagen: Erstens können sich Dinge und Einschätzungen ändern, Menschen werden klüger. Das gilt nicht zuletzt auch für die Sozialdemokraten, auch wir werden klüger.

[Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne) und Sebastian Czaja (FDP)]

Zweitens ist es ganz normal, dass die Positionen, mit denen man in Verhandlungen geht, niemals identisch sind mit dem Ergebnis von Verhandlungen, andernfalls brauchte man diese nicht zu führen. Ich denke mir, dass auch die Hochschulen wissen, dass die von ihnen formulierten Maximalforderungen am Ende nicht das Ergebnis der Verhandlungen sein werden. So wissen wir auch, dass die maximalen Sparvorstellungen des Finanzsenators – Erhöhungen zwischen 1,3 und 1,4 Prozent – auch nicht das Ergebnis der Verhandlungen sein werden.

[Sebastian Czaja (FDP): Sondern?]

Drittens: Es gibt viele gute Dinge, die nicht im Koalitionsvertrag stehen und trotzdem von der Koalition umgesetzt werden. Es handelt sich bei dem Koalitionsvertrag also nicht um eine Bibel, denn wäre es eine, hätte darin auch der Masterplan „Wissen schafft Berlins Zukunft!“ stehen müssen.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion):Nur im Notfall ist er eine Bibel!]

Der Masterplan ist zweifelsohne gut und wird umgesetzt, obwohl er nicht im Koalitionsvertrag steht. Die Hochschulverträge müssen aber auch eine Antwort auf die doppelten Abiturjahrgänge geben, die ungefähr im Jahr 2012 auf Berlin zukommen und eine zu erwartende Steigerung der Studienbewerber nach sich ziehen. Wir möchten, dass Berliner Abiturienten eine Chance haben, in

Berlin zu studieren, deshalb brauchen wir mehr Studienplätze. Es ist unser Ziel, gemeinsam mit den Hochschulen die Studienanfängerplätze weiter zu erhöhen, wie wir das bereits in den vergangenen beiden Jahren getan haben. Und der Hochschulpakt II, der zurzeit zwischen dem Bund und den Ländern verhandelt wird, bietet hierfür hervorragende Chancen, die wir nutzen wollen. Für die Hochschulen heißt das: Für zusätzliche Studienplätze gibt es auch zusätzliches Geld. Ich finde es richtig, auch in Berlin das Prinzip „Geld folgt Studierenden“ anzuwenden, denn es setzt hohe Anreize, dass die Hochschulen ihre Kapazitäten ausschöpfen und ausweiten.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach!]

Mit diesem Instrument verschaffen wir der Lehre eine größere Bedeutung. Das nutzt den Studierenden, der Berliner Wirtschaft, die dringend Fachkräfte braucht, dem Wissenschaftsstandort und am Ende allen Berlinerinnen und Berlinern.

Die Verhandlungen über die Hochschulverträge müssen aber nicht nur dafür genutzt werden, zu definieren, wie viel Geld die Hochschulen für welche Zwecke mehr bekommen, die Verhandlungen müssen auch genutzt werden, um die Leistungs- und Optimierungspotenziale der Hochschule auszuschöpfen. Die Hochschulen haben – das ist zweifellos so – in den letzten Jahren erhebliche Einsparungen erbracht und sind effizienter geworden. Aber es gibt nach wie vor Bereiche, bei denen sie noch besser werden können z. B. beim Facility-Management. Ich habe den Eindruck, dass die Verhandlungen – auch das, was wir den Zeitungen entnehmen können, spricht dafür – auf einem guten Weg sind. Die Hochschulen sind aufgerufen, diesen Weg partnerschaftlich weiterzugehen. Es freut mich, dass die Hochschulen die Vorschläge des Senators jüngst als positiven Impuls gewertet haben und daran weiterarbeiten wollen.

Abschließend möchte ich noch alle, die hier im Haus, aber auch gerne diejenigen aus den oberen Etagen der Hochschulen, die laut und oft wider besseres Wissen den Wissenschaftssenator und die Wissenschaftspolitik dieser Koalition kritisieren, auf eines hinweisen: Rot-Rot und Jürgen Zöllner tun dem Wissenschaftsstandort Berlin und den Hochschulen gut. Wir stecken mehr Geld in die Förderung exzellenter Forschung, wir haben zusätzliche Studienplätze geschaffen. Und auch eine Exzellenzuni in Berlin wäre ohne die entsprechenden wissenschaftlichen Voraussetzungen undenkbar.

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Ich denke, gerade an der FU ist das bekannt.

Herr Kollege!

Ich glaube, diese Bilanz kann sich sehen lassen. Ich freue mich darauf, dass wir die Hochschulvertragsverhandlun

gen konstruktiv weiterführen werden und am Ende für die Hochschulen ein gutes Ergebnis erzielen werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Zimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oberg! Das fand ich jetzt aber eine interessante Schlusswendung: anzunehmen, dass Rot-Rot dazu einen Beitrag geleistet habe, dass die FU Exzellenzuniversität geworden ist. Da sind Sie der einzige, der das glaubt, möglicherweise noch Ihre Fraktion.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das weiß sogar Herr Lenzen!]

Dass in der Berliner Wissenschaftslandschaft irgendjemand der Meinung ist, dass Sie mit Ihrer Wissenschaftspolitik und Herrn Zöllner einen positiven Beitrag geleistet hätten, das kann man getrost in das Reich der Fantasie verweisen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Tatsächlich ist es so: Man kann sagen, trotz Rot-Rot sind unsere Universitäten nach wie vor in der Lage, exzellente Leistungen zu erbringen. Und warum können sie das? – Weil sie tatsächlich nicht in jedem Detail von rot-roter Politik abhängig sind und es die Hochschulverträge gibt. Ohne die Hochschulverträge, die den Universitäten ein gehöriges Maß an Eigenverantwortung oder an eigener Steuerungskompetenz zubilligen, wären diese Einrichtungen nicht exzellent, sondern würden an der Kandare des Senats und insbesondere der des Finanzsenators durch die Stadt geführt werden.

[Senator Dr. Thilo Sarrazin: Richtig!]

Da sagt Herr Sarrazin: „Richtig!“. Darauf würde er sich richtiggehend freuen. Das ist ja ein großer Batzen. Herr Sarrazin, ich weiß, Sie sehen die großen Zahlen und sagen sich: Wo viel Geld drin ist, kann man auch viel Geld rausholen. – Nur ist das an dieser Stelle einfach eine Fehlvorstellung.

Herr Oberg hat zu Recht gesagt, dass die Universitäten und unsere Forschungslandschaft für Berlin eine der wesentlichen Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg, für Erfolg und Wohlstand in dieser Stadt seien. Jeder, der seine Hand daran legt, Herr Sarrazin, legt seine Hand auch an die Einnahmeseite des Berliner Landeshaushalts. Diese Diskussion führt man mit Ihnen schon sehr lange. Aber wer meint, dadurch, dass man Ausgaben auf ein Mindestmaß absenkt, nicht auch die Einnahmen und die Zukunftschancen zu beschädigen, der reagiert kurzsichtig.