Protocol of the Session on January 15, 2009

[Beifall bei der Linksfraktion]

In der Tat, Herr Wansner: Mit den Integrationskonzepten I und II haben die rot-rote Koalition und der Berliner Senat nicht nur den Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik Berlins vollzogen, sondern wir haben uns auch aufgemacht, die angehäuften Probleme von 40 Jahren Ignoranz und Borniertheit in diesem Themenfeld beharrlich anzugehen und zu bearbeiten. Die Geschichte dieser gefährlichen Borniertheit und der vertanen Chancen einer Politik, die die Einwanderungsrealität Berlins zu leugnen versuchte, liebe Kollegen von der CDU, können Sie jetzt in diesem kleinen Büchlein von Sanem Kleff und Eberhard Seidel: „Stadt der Vielfalt – das Entstehen des neuen Berlin durch Migration“ nachlesen. Da können Sie lernen, woher die Probleme kommen. Es lohnt sich zu wissen, woher die Probleme kommen und wer sie verschuldet hat, damit man auch weiß, wie man sie lösen kann. Sie können dann lesen, dass die Integrationsprobleme in den seltensten Fällen von den Menschen mit Migrationshintergrund selbst verschuldet wurden, sondern wesentlich von der verfehlten Politik der letzten 40 Jahre.

Deshalb ist das Integrationskonzept II ein Programm und Arbeitspapier der Landesregierung, das ganz wesentlich Projekte und Angebote formuliert, die die soziale und demokratische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten fördern sollen. Im Vergleich zum ersten ist das zweite Integrationskonzept um ein Vielfaches konkreter und um einiges ambitionierter geworden. Weil wir es beständig fortentwickeln und erkannte Defizite bearbeiten wollen, legen wir Ihnen heute zwei Anträge zu wichtigen Teilaspekten gelingender Integration in Berlin vor – ganz bestimmt nicht mit dem Anspruch, alle Integrationsprobleme in dieser Stadt mit diesen zwei kleinen, aber wichtigen Anträgen zu lösen. Es gibt sicher schönere Sprachen als die deutsche, aber ein wesentlicher Schlüssel zur gelingenden Integration in Deutschland ist die ausreichende Beherrschung derselben. Ein ebenso wichtiger Schlüssel ist die Integration durch Arbeit und Ausbildung.

Weil Herr Wansner nur die Hälfte des Antrags zitiert hat, muss ich jetzt im Einzelnen auch noch auf die Inhalte dieser Anträge eingehen. Um die Arbeitsmarktchancen von Migrantinnen und Migranten zu erhöhen, ist eine stärkere Verknüpfung von Sprachförderung und der beschäftigungspolitischen Maßnahmen erforderlich. Das ist übrigens auch das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, des IAB-Forschungsberichts. Den sollten Sie vielleicht auch einmal lesen, dann werden Sie feststellen, dass zwischen den Integrationskursen des BAMF und der konkreten Eingliederung in den Arbeitsmarkt einiges im Argen liegt. Da brauchen wir dringend Nachbesserung und Verbesserung. Deshalb fordern wir den Senat auf, hier seiner koordinierenden Funktion nachzukommen und zu einer besseren Verzahnung zu kommen. Der Antrag 16/2044 der Koalitionsfraktionen dient dazu, den Senat bei seinen notwendigen Verhandlungen zu unterstützen.

Im Antrag 16/2043, den Sie unvollständig zitiert haben, Herr Wansner, wünschen wir uns vom Senat, mit dem BAMF, den Volkshochschulen, der Liga der Wohlfahrtsverbände, den Migrantenorganisationen und ggf. auch anderen Gruppierungen und Organisationen zu prüfen, in welcher Form auf freiwilliger Basis zeitlich begrenzte Praktika im Rahmen der Integrationskurse für Neuzuwanderer und sogenannte „Bestandsausländer“ angeboten werden können. Das ist eine sinnvolle Innovation. Das gibt es nämlich bisher noch nicht, und das kann man auch nicht einfach dekretieren, denn wie Sie vielleicht wissen, muss man dann auch Träger gewinnen, die diese Praktika anbieten. Wir wollen dem Senat die Anregung geben, auf diesem Feld noch einmal tätig zu werden. Ich gehe davon aus, dass der Senat dies tun wird.

Dann kommt im Übrigen all das, was Sie zitiert haben. In der Tat ist es sinnvoll, theoretisch erworbene Kenntnisse in der Praxis zu überprüfen. Das ist eine sehr vernünftige Vorbereitung auf weitere Beschäftigungsfelder für die Betroffenen. Da wir diese Anträge in dieser Form sinnvoll finden, haben wir uns entschlossen, sie zu stellen. Wir gehen davon aus, dass es im Ausschuss eine größere

Mehrheit geben wird, auch wenn die CDU-Fraktion nur das gern hören möchte, was Frau Böhmer erzählt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Öney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wansner! Die Stunde Null der Integrationspolitik begann im Jahr 2005, als unter Rot-Grün verpflichtende Integrationskurse eingeführt wurden. Warum diese Kurse so wichtig sind, muss ich Ihnen nicht sagen. Dass diese Kurse nicht ganz optimal laufen, habe ich bereits gesagt. Ich erinnere an meine Kleine Anfrage vom März 2007. Damals redete der Senat sich heraus und sagte, dass die Zuständigkeit dafür nicht beim Senat, sondern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liege. Das stimmt zwar. Aber warum soll sich Berlin nicht einmischen, wenn es Fehler beim Bund entdeckt? – Die Einstellung, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, oder was nicht meine Aufgabe ist, geht mich nichts an, darf nicht das Motto der Berliner Integrationspolitik sein. Dafür ist das Thema für unsere Stadt einfach zu wichtig.

[Beifall bei den Grünen]

Darum hat unsere Fraktion bereits 2006 das Konzept „Integration konkret“ vorgelegt. Wenn Sie nun endlich bereit sind, den Schwachstellen der Integrationskurse nachzugehen, ist das ein überfälliger Schritt. Er ist vergleichsweise klein, aber er geht in die richtige Richtung.

Wir haben Ihre Anträge wohlwollend geprüft und Folgendes festgestellt: Beim ersten Antrag zur praktischen Integration handelt es sich um einen Prüfauftrag. Sie wollen prüfen lassen, ob man im Rahmen der Integrationskurse freiwillige Praktika anbieten kann. Prüfen kann man natürlich immer. Insofern ist der Antrag völlig unspektakulär. Das Kernproblem der Integrationskurse ist ein anderes. Die Evaluation hat gezeigt: Die Kurse sind unterfinanziert, und ihre Qualität ist unzureichend. Die Folge? – Bundesweit erreichen nur 46 Prozent der Kursteilnehmer das vorgesehene Sprachniveau B 1. Und wenn über die Hälfte der Teilnehmer das Sprachniveau nicht erreicht, muss man sich schon fragen, ob ein freiwilliges Praktikum die Probleme löst.

Auf jeden Fall darf das Praktikum nicht auf Kosten des knapp bemessenen Deutschunterrichts gehen. Realistischer erscheint daher ein Praktikumsangebot im Anschluss an den Sprachkurs oder begleitend zum Orientierungskurs. Und es spricht überhaupt nichts dagegen, mit den Trägern zu sprechen, ob Praktika im Verbund angeboten werden können. Es spricht auch nichts dagegen, insbesondere die Orientierungskurse mit lokalen Strukturen zu vernetzen und Begegnungsmöglichkeiten zu schaf

fen. Ziel der Integrationskurse und der Begleitmaßnahmen muss es sein, auch berufliche Perspektiven zu eröffnen.

Eine andere Frage ist, wie viele Migranten tatsächlich an einem Praktikum teilnehmen könnten. Nicht wenige müssen neben den Kursen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie haben bereits jetzt Schwierigkeiten, die Pflichtstunden zu erfüllen. Diesen Leuten fehlt keine Arbeitspraxis, sondern einfach nur die Zeit. Wichtig wäre daher ein zeitlich flexibles Kursangebot. Was wir brauchen, sind Abendkurse und bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Auch das ist seit Langem bekannt; auch diese Missstände muss Berlin angehen. Ein gutgemeinter Prüfauftrag wird dazu kaum ausreichen.

[Beifall bei den Grünen]

In Ihrem zweiten Antrag fordern Sie eine Verknüpfung von Sprachfördermaßnahmen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen. Da kann ich nur Ja sagen. Es kann doch nicht sein, dass die Leute an einem Integrationskurs teilnehmen, um anschließend ihrem Schicksal überlassen zu werden! Integrationsmaßnahmen müssen daher mit beruflichen Maßnahmen verzahnt werden. Das ist richtig und wird auch nicht dadurch falsch, dass Rot-Rot das nun auch fordert. Wir werden das auf jeden Fall unterstützen. Wie das praktisch aussehen soll, darüber wird im Ausschuss noch zu reden sein. Sie sehen: Wenn sich Rot-Rot integrationspolitisch endlich bewegt, findet das unsere Zustimmung, und wir könnten längst weiter sein, wenn die Regierungsfraktionen unsere Anträge nicht grundsätzlich ablehnten.

[Beifall bei den Grünen]

Lassen Sie uns im neuen Jahr konstruktiv zusammenarbeiten, damit die Integrationspolitik in dieser Stadt vorankommt! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Öney! – Das Wort für die FDPFraktion hat der Kollege Lehmann.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Inzwischen ist allen Akteuren hinlänglich bekannt, dass wir in der Integrationspolitik einen beträchtlichen Nachholbedarf haben und unsere Anstrengungen erheblich intensivieren müssen.

Wer auf Dauer hier leben möchte, muss die deutsche Sprache beherrschen und den hier geltenden Wertekanon kennen. Integration ist keine Einbahnstraße. Hier sind sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch die Zuwanderinnen und Zuwanderer gefordert.

[Beifall bei der FDP]

Dass auf Seiten der hier lebenden Migrantinnen und Migranten der Wunsch besteht, Deutsch und mehr über das Leben und den Alltag in Deutschland zu lernen, zeigt die große Annahme der Integrationskurse sowohl von neu Zugezogenen als auch von schon lange hier lebenden Ausländern oder Deutschen mit Migrationshintergrund. Das sehe ich als positives Zeichen, als Beleg dafür, dass viele ihren Parallelgesellschaften entkommen wollen. Zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind übrigens Frauen. Bei den Männern muss man vielleicht noch ein wenig die Motivation fördern oder auch fordern.

Ich begrüße es auch, wenn den Teilnehmern Möglichkeiten geboten werden, die deutsche Sprache zu praktizieren. Viele von uns wissen aus eigener Erfahrung, dass die Fremdsprachenkenntnisse, die man sich in der Schule angeeignet hat, aufgrund mangelnder Sprachpraxis schnell verflogen sind. Es hilft uns also nicht weiter, wenn die Frauen und Mütter die Integrationskurse mit Bravour absolvieren, danach aber wieder nur noch die Sprache ihres Herkunftslandes sprechen und Kontakt nur noch mit Mitgliedern ihrer eigenen Community haben.

Solche Sprachpraxismöglichkeiten könnten natürlich im Rahmen der Integrationskurse organisiert werden. Aber viele solcher Gelegenheiten bestehen doch schon. Sie verweisen in Ihrem Antrag selbst auf Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement. Ich bin mir sicher, dass kein gemeinnütziger Träger einen Interessenten oder eine Interessentin abweist, der oder die sich bürgerschaftlich engagieren und die Hilfe für bedürftige Menschen und die Praxis der deutschen Sprache verbinden möchte.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben inzwischen ein gut ausgebautes Netz von Freiwilligenagenturen, die bestimmt auch solche Angebote für Absolventen von Integrationskursen machen können. Mir fallen spontan viele konkrete Möglichkeiten ein, wie man im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements die deutsche Sprache üben kann.

Ich kann daher nicht verstehen, warum Sie von der Koalition prüfen lassen wollen, in welcher Form Praktika und Begegnungsmöglichkeiten angeboten werden können, wo es doch schon viele Möglichkeiten gibt, die deutsche Sprache zu praktizieren. Wer freiwillig einen Integrationskurs absolviert, der wird aus diesem so viel mitnehmen, dass er weiß, wo er sich engagieren und wo er sich um ein Praktikum bewerben kann. Wir haben in vielen Gebieten ein gut ausgebautes Quartiersmanagement, in denen es reichlich solcher Möglichkeiten gibt. Das gilt für die in Ihrem Antrag schon erwähnten Stadtteil- und Nachbarschaftszentren wie auch für die vielen anderen gemeinnützigen und kirchlichen Träger.

In Wahrheit soll geprüft werden, inwieweit es Bundes- oder EU-Mittel gibt, mit denen Ihre Klientel der Integrations- und Sozialindustrie bedient werden kann, deren Geschäftsgrundlage eben die schlechte soziale Lage dieser Stadt ist. Sie wollen prüfen, ob man das Heer des zweiten oder dritten Arbeitsmarktes weiter ausbauen

kann. Sie wollen noch mehr Ein-Euro-Jobs schaffen und suchen krampfhaft nach Möglichkeiten, das Projekt des staatlich kontrollierten ÖBS-Arbeitsmarktes weiter voranzutreiben. Ich weiß nicht, was das mit bürgerschaftlichem Engagement und Sprachförderung zu tun hat.

[Beifall bei der FDP]

Dem zweiten Antrag stimmen wir gern zu. In der Tat gibt es inzwischen ein unüberschaubares Angebot an sogenannten Maßnahmen, die der beruflichen Qualifizierung oder der Sprachförderung dienen sollen. Das Angebot ist noch größer geworden, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Programm zur berufsbezogenen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund aufgelegt hat. All diese Maßnahmen werden in Berlin unkoordiniert und ohne Plan angewendet. Sie haben natürlich recht, wenn Sie den Senat auffordern, hier endlich tätig zu werden und diese Programme besser zu koordinieren. Ich begrüße es auch sehr, dass Sie diese Aufforderung an den Senat, endlich seine Hausaufgaben zu machen, zu Ihrer Priorität erklärt haben.

Beide hier vorliegenden Anträge sind entweder Klientelpolitik oder Ausdruck eines integrationspolitischen Aktionismus, der uns angesichts der vorliegenden Probleme keinen Schritt weiterbringt. Wir brauchen keine neuen Maßnahmen oder sogenannte Koordinatoren, denn die gibt es bereits genug in dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP]

Sorgen Sie einfach dafür, dass diese ihre Arbeit machen. Manchmal, nicht immer, wären Sie gut beraten, Herrn Buschkowsky zuzuhören.

Herr Kollege!

Ich bin gleich fertig! – Sorgen Sie dafür, dass in den Kitas und Schulen gute Arbeit geleistet werden kann, dass allen Kindern und Jugendlichen die Grundlagen vermittelt werden können, damit sie später gerade nicht auf die ganzen Programme und Maßnahmen angewiesen sind. Tun Sie mehr für die Wirtschaft, die Industrie, das Handwerk und die Anbieter von Dienstleistungen, damit richtige Arbeitsplätze entstehen, an denen man die deutsche Sprache am besten praktizieren kann. Damit wäre allen Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt geholfen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Zu beiden Anträgen empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration,

Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 c:

Antrag

Für eine zukunftsfähige Wissenschaftslandschaft in Berlin – Vertragsverhandlungen nutzen, Hochschulverträge weiterentwickeln

Antrag der Grünen Drs 16/2045

Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem laufenden Tagesordnungspunkt 30.

Für die Beratung stehen pro Fraktion bis zu fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Es beginnt für die Fraktion der Grünen die Kollegin Schillhaneck. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit werden die nächsten Hochschulverträge verhandelt. Die Bedeutung dieser Verhandlungen für die Berliner Wissenschaftslandschaft ist kaum zu überschätzen. Alle vier Jahre werden die Höhe der Zuschüsse für die Hochschulen festgelegt, aber auch das, was die Hochschulen dafür zu leisten haben. Wir haben in Berlin eines der besten und modernsten Systeme der Hochschulsteuerung. Das wollen wir Grüne erhalten und weiterentwickeln.