Protocol of the Session on January 15, 2009

Der letzte Pflegeplan des Senats stammt aus dem Jahr 2006. Inwieweit die Bevölkerungsprognosen darin zutreffend sind, will ich hier nicht thematisieren. Bevölkerungsprognosen sind immer auch ein Stück Stochern im Nebel, das von unterschiedlichen Faktoren abhängig ist. Nein, mich stört, dass der vorliegende Pflegeplan viel zu sehr den Jetztzustand abbildet und sich zu wenig mit den

Auswirkungen des demografischen Wandels und möglichen Handlungsansätzen auseinandersetzt. Außerdem bemängele ich, dass der Pflegeplan des Senats den Zeithorizont 2020 im Blick hat. Hier greift auch der Antrag der Fraktion der Grünen zu kurz.

[Jasenka Villbrandt (Grüne): Mit Blick auf 2030!]

Denn inzwischen liegen Prognosen für 2030 vor. Das ist auch der Zeithorizont, den meine Fraktion bei der künftigen Pflegeplanung für sinnvoll erachtet.

Wenn es um Pflege geht, werden wir künftig nicht mehr zwischen ambulanter und stationärer Pflege unterscheiden, sondern es wird eine Bandbreite an unterschiedlichen Wohn- und Pflegeformen geben. Die ersten Ansätze in diese Richtung sehen wir heute bereits. Mehrgenerationenhäuser oder besondere Pflegeformen für Menschen mit Migrationshintergrund oder Pflegeheime und Altersruhesitze für homosexuelle Menschen zeugen bereits jetzt von dieser Vielfalt, die auf uns zukommen wird. Auch diese Entwicklung wird im Pflegeplan aus dem Jahr 2006 nur ungenügend berücksichtigt. Es wird ebenfalls nicht ausreichend hinterfragt, wer die ganzen Pflegeleistungen, die auf die Gesellschaft zukommen werden, überhaupt erbringen soll. Das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement werden ein Schlüssel bei der Pflege älterer und pflegebedürftiger Menschen sein. Darum ist es auch eine Selbstverständlichkeit, dass die Träger der Wohlfahrtspflege bei der Erarbeitung eines Zukunftsplans Pflege beteiligt werden, insbesondere wenn es um die im Antrag sogenannten informellen Helferinnenpotenziale geht.

Aber auch dem bürgerschaftlichen Engagement sind Grenzen gesetzt: Pflegebedarf professioneller Strukturen. Mit der Gestaltung dieser Strukturen müssen wir jetzt beginnen. Der Berliner Senat steht da zuvorderst in der Pflicht. Wir werden gut ausgebildete Pflegekräfte benötigen, die eine würdevolle und qualitativ hochwertige Pflege sicherstellen müssen. Wir müssen jetzt auch endlich mit der Analyse beginnen, welche genauen Qualifikationsbedarfe auf die verschiedenen Träger der Aus- und Fortbildung zukommen werden. Wir werden an vielen Schrauben drehen müssen, um die Ausbildung von Pflegekräften den künftigen Anforderungen anzupassen. Auch die Hochschulen, die Studiengänge im Pflegebereich anbieten, sind noch nicht genügend vorbereitet und haben dazu keine ausreichende Planungsgrundlage zur Hand. Ich wage auch zu bezweifeln, dass ein geriatrischer Lehrstuhl in dieser Stadt künftig ausreichen wird. Vom Senat erwarte ich, dass er sich endlich ernsthaft und grundlegend mit dieser Thematik befasst.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Jasenka Villbrandt (Grüne) – Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner: Die Abgeordneten aber auch!]

Darüber, dass die Zukunftsplanung wichtig ist, sind wir uns einig. Bei der Gestaltung der Zukunft dürfen wir aber eines nicht aus dem Blick verlieren: Auch heute schon müssen wir eine würdevolle und qualitativ hochwertige

Pflege sicherstellen. Wer heute pflegebedürftig ist, hat auch ein Anrecht auf gute Pflegeleistungen. Darum darf Zukunftsplanung der Pflege nicht zulasten derjenigen gehen, die heute schon auf Pflegeleistungen angewiesen sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Jasenka Villbrandt (Grüne)]

Danke schön, Herr Kollege! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Die lfd. Nr. 24 steht auf der Konsensliste.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 25:

Antrag

Eine echte Lehrerfeuerwehr für Berlin

Antrag der CDU Drs 16/2033

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU in Person des herbeieilenden Herrn Steuer. – Herr Steuer, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag berichtete mir ein Schüler, dass an seiner Schule in den letzten zehn Schultagen – also den ersten zehn Schultagen dieses Halbjahres – bereits an vier Schultagen vier Stunden Unterricht ersatzlos ausgefallen sind. Er habe Angst um seine Klausuren, sagte er mir. Das ist die traurige Realität an vielen Berliner Schulen.

[Beifall bei der CDU]

Dagegen sollte die sogenannte Lehrerfeuerwehr etwas tun. Viele hatten zu Beginn dieses Schuljahres Hoffnung geschöpft, und viele wurden enttäuscht. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als der Bildungssenator in der letzten Plenarsitzung vor Weihnachten zugeben musste, dass von den 140 Lehrerinnen und Lehrern in der sogenannten Lehrerfeuerwehr bis heute 134 Lehrer nach wie vor an der Schule eingesetzt sind, an die sie am ersten Tag geschickt wurden. Zum Löschen der Brände in Berlin stehen also ganze sechs Lehrer zur Verfügung. Mit Feuerwehr hat das nichts zu tun, rein gar nichts.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mieke Senftleben (FDP)]

Ich gehe davon aus, dass die 134 Lehrer noch an der ersten Schule sind, weil sie dort dringend gebraucht werden, weil sie unabkömmlich sind, weil sie im Grunde genommen zum Stammpersonal der Schule gehören. Es ist auch in Ordnung, diese Lehrer dort zu belassen, weil es für die

pädagogische Arbeit sinnvoll ist, Kontinuität zu gewährleisten. Aber es ist doch offensichtlich gewesen, dass an diesen Schulen von Anfang an Lehrer gefehlt haben. Hier wird eben offensichtlich in Berlin nur noch der Mangel verwaltet.

Zu Ihrer Idee der Lehrerfeuerwehr: Wir finden sie gut, aber dieses Modell kann nur dann funktionieren, wenn die festgebundenen Lehrer im Pool der sogenannten Lehrerfeuerwehr auch wieder ersetzt werden, also ihre Zahl wieder auf 140 aufgestockt wird. Dies hatten Sie, Senator Zöllner, übrigens bei der Einführung auch versprochen, wie das Protokoll des Bildungsausschusses ausweist. Jeder Lehrer, der länger als drei Monate an einer Schule ist, sollte dort fest eingestellt und dann logischerweise auch im Pool ersetzt werden. Das haben Sie öffentlich versprochen, aber Sie haben die Öffentlichkeit offenbar getäuscht. Kein Lehrer wurde ersetzt. Die sogenannte Lehrerfeuerwehr gibt es gar nicht.

[Beifall bei der CDU]

Wir fordern heute die Einführung einer echten Lehrerfeuerwehr. Wir wollen dafür 280 Lehrerinnen und Lehrer sofort einstellen, die bei Bedarf von den Schulen abgefordert werden können, aber wenn sie abgefordert werden, nach drei Monaten auch ersetzt werden müssen. Nur so kann die gute Idee von einer flexiblen Personalreserve tatsächlich funktionieren. Uns ist ganz klar, alle Schulen, Herr Zöllner, nicht nur 134, sondern alle 800 Schulen, haben ein Recht auf Unterstützung und müssen in die Lage versetzt werden, den Unterrichtsausfall zu minimieren.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Unsere Idee, 280 Lehrer in der Lehrerfeuerwehr einzustellen, kostet keinen einzigen Cent zusätzlich, denn in diesem Schuljahr werden 400 Lehrerinnen und Lehrer mehr in Pension gehen, als von Ihnen eingestellt worden sind. Es gibt also eine Lücke von 400 Stellen, die jederzeit besetzt werden können, ohne dass dafür mehr Geld im Landeshaushalt veranschlagt werden muss. Stimmen Sie unserem Antrag zu, und leisten wir damit gemeinsam einen echten Beitrag gegen den massiven Unterrichtsausfall in Berlin!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Tesch das Wort. – Bitte schön, Frau Tesch!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag, Herr Steuer, mutet irgendwie an wie ein Déjà-vu. Das haben Sie ziemlich wörtlich so als Mündliche Anfrage im letzten Plenum gestellt. Ich frage mich, warum Sie daraus so einen knappen Antrag gießen. Oder sind Sie beleidigt, weil Sie nicht zu Ihrer Aktuellen Stunde reden durften? – Was Sie wieder angeführt haben, sind Einzelbeispiele, die

es sicherlich geben mag. Ich frage mich nur, ob sie auch statistisch haltbar sind. Ich erinnere mich noch gut an den Beginn dieses Schuljahres, das – ich muss es sagen, ich mache das ja schon eine ganze Weile hier – noch nie so gut angelaufen ist wie dieses Jahr. Ich habe es noch nie erlebt, dass die GEW dem Schulsenator einen Blumenstrauß überreicht hat.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Mieke Senftleben (FDP): War völlig überflüssig! Dafür ist der Senator da!]

Ich habe bei Ihrer letzten Mündlichen Anfrage auch gesagt, dass ich es für sinnvoll halte, wenn die Kolleginnen und Kollegen, die ursprünglich als Lehrerfeuerwehr eingestellt wurden, dann auch an den jeweiligen Schulen verbleiben können, da das pädagogisch sinnvoll ist und eine Kontinuität darstellt. Ich komme selbst aus dem Bereich und kann mir vorstellen, wie anstrengend es ist, wenn man drei Wochen in der einen Schule und dann wieder drei Wochen in der anderen Schule unterrichten muss – für beide Seiten, für die Schülerinnen und Schüler und für die Lehrerinnen und Lehrer, schon allein wenn ich daran denke, wie viele Namen man lernen muss und wie man das jeweilige Lehrprogramm weiterführt.

[Mieke Senftleben (FDP): Oh!]

Wie kommen Sie nun bitte schön, lieber Herr Steuer, auf die Zahl 280? – Ich kann noch rechnen, Sie nehmen es einfach mal zwei. Aber wie kommen Sie darauf? – Diese Zahl ist völlig gegriffen und nicht nachzuvollziehen. Und warum ist das dann plötzlich eine echte Lehrerfeuerwehr? Es könnte sein, dass diese, auch wenn man mehr einstellen würde, auch an den Schulen verblieben. – Frau Senftleben stimmt mir zu, etwas ganz Seltenes. Das freut mich. – Schließlich – ich möchte die Zeit der Zuhörenden nicht weiter strapazieren für einen so unnützen Antrag – gibt es noch die Möglichkeit, dass alle Schulen über die PKBMittel, also die Personalkostenbudgetierung, Vertretungskräfte einstellen können. Also, dieser Antrag ist völlig sinnlos. Dennoch bitte ich um die Überweisung des Antrags in den Schulausschuss. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Tesch! – Der Kollege Mutlu von den Grünen hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Tesch! Wenn ich Sie mal wieder von hier vorne höre, habe ich auch immer ein Déjà-vu, weil Sie sich immer wieder hier hinstellen und sagen: Alles, was die Opposition erzählt, ist Nonsens; was die Eltern an Beschwerden vorbringen, ist sowieso nicht richtig; und was die Presse über die Bildungsmisere dieses Landes Berlin schreibt, ist nur erfunden und erlogen. – Das ist ein Déjà-vu, das ich bei Ihnen habe, immer wenn Sie hier reden, statt einmal

zuzuhören, was die Opposition manchmal auch Gescheites vorschlägt.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Aber das war das einzige Positive, was ich in Richtung der CDU sage. Dieser Antrag, Kollege Steuer, ist einfach keine Lösung für die Probleme, die wir in dieser Stadt haben. Am besten wäre es, wenn wir überhaupt gar keine Lehrerfeuerwehr bräuchten. Wenn Sie sagen, ich packe da noch 140 drauf – das nützt uns auch nichts. Viel besser wäre es, wenn die Berliner Schulen endlich eine echte hundertprozentige Lehrerversorgung vor Ort hätten. Es reicht nämlich nicht – das hat inzwischen der Senator auch begriffen, der muss nur seinen Kollegen Sarrazin überzeugen –, im Schnitt 100 Prozent Lehrerversorgung zu haben in dieser Stadt, sondern es muss mehr werden. Ich hoffe, dass bei den Haushaltsberatungen auch mehr herauskommt.

Aber wir haben auch bei dem Brandbrief Rütli oder dem jüngsten Brief der Schulleiterinnen und Schulleiter aus Mitte mitbekommen: Wir haben viel mehr Baustellen als nur ein Personalproblem. Wir haben einen immensen Bedarf an Sanierung in unseren Schulen, das haben wir des Öfteren gehört: 1 Milliarde, das ist eine Zahl, die muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben eine Menge Baustellen inhaltlicher pädagogischer Art in der Berliner Schule. Inhaltlich heißt: Die Pädagogik stimmt vorne und hinten nicht. Wenn Berlin bei irgendwelchen Studien mittelmäßig abschneidet und bei IGLU und PISA regelmäßig auf den hinteren Plätzen landet, heißt das: Man muss mehr investieren, man muss mehr tun. Man braucht ein ganzheitliches Konzept.

Dieser Antrag, diese Forderung nach 140 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern in der Lehrerfeuerwehr greift leider zu kurz. Wir haben kürzlich erfahren, dass eine Menge der PKB-Mittel, warum auch immer, nicht verausgabt worden ist. Lehrermangel und Unterrichtsausfall gibt es. Man muss sich einmal genauer angucken, warum diese Mittel nicht vor Ort verwendet werden. Ich fände es viel besser, wenn wir diese Mittel den Schulen nicht als PKB-Mittel zur Verfügung stellen würden, sondern als feste Personalstellen zusätzlich zu den 100 Prozent dazupacken und denen das tatsächlich geben – ohne Antragsverfahren, ohne Mitbestimmung. Wenn die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort sind, sind sie vor Ort und können viel besser auf die Missstände und auf den Unterrichtsausfall reagieren, als wenn die Schulen über PKB und sonstige Wege an Personal herankommen müssen. Das müsste das Ziel sein. Ich erhoffe mir, dass Sie sich in diese Richtung bewegen.

Ich erhoffe mir auch, dass sich im Rahmen der Strukturdebatte an der Stellschraube Personal etwas tut. Dieses neue Berliner Schulmodell, das kommen soll, wird es nicht zum Nulltarif geben, auch nicht, was das Personal betrifft. Ich hoffe, dass es keine Nivellierung nach unten gibt. Daran müssen wir arbeiten, alle gemeinsam, Opposition wie Regierung, dass die neue Berliner Schule oder die neue Berliner Schulform nicht zulasten der Schüle

rinnen und Schüler geht. Denn wenn wir es Herrn Sarrazin überlassen, wird der gucken, wo er noch mehr sparen kann. Ich kann nur hoffen, dass Herr Zöllner es nicht dem Finanzsenator überlässt, dass am Ende auch noch Geld eingespart wird.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Mutlu! – Für die Linksfraktion hat Herr Zillich das Wort. – Bitte schön, Herr Zillich!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will nicht über Déjà-vus reden und auch nicht über all die Dinge, die nicht in diesem Antrag stehen. Ich habe meiner Fraktion versprochen, nachdem ich mich nur mit Mühe und vielen Ellbogen durchsetzen konnte, zu diesem wichtigen Antrag zu Feuerwehrfragen reden zu dürfen, dass ich es kurz mache.

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]