Diese Koalition hat in schwierigen Zeiten den Wählerauftrag. Damit verbunden ist die Pflicht, zum Nutzen unserer Stadt zu handeln und Schaden von ihr abzuwenden. Sie muss die ganze Stadt im Auge haben, nicht nur einen Teil. Wir haben Verantwortung für Gut- und Schlechterverdienende, für wirtschaftliche Entscheider und Bedürftige, für Kinder und Senioren, für Männer und Frauen. Das macht die Politik so schwierig, aber so spannend. Wir stehen mit unserem Engagement für diese Aufgabe.
Vielen Dank, Frau Bluhm! – Das Wort für die FDPFraktion hat jetzt ihr Vorsitzender, Herr Dr. Lindner. – Bitte!
Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Fangen wir mit einem kleinen Rückblick an, was hier vor drei Wochen war. Da trat ein Abgeordneter Klaus Wowereit zur Wahl an, vor dem Hintergrund einer völlig verhunzten, allgemein kritisierten Neubildung einer rot-roten Ko
alition und nach einer absoluten Pleite beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und daraus resultierenden Pöbeleien auf Bundesebene, nach einem frostigen Empfang durch die Bundeskanzlerin und einem Abgekanzeltwerden durch den Staatssekretär Neumann und den stellvertretenden Regierungssprecher Steeg. Deswegen konnte es im Grunde niemanden, der sich mit den Dingen beschäftigt hatte, wundern, Herr Wowereit, dass Sie noch nicht einmal das Vertrauen Ihrer eigenen Leute haben. Das ist doch die ganze Wahrheit. Es ist eine morsche, kaputte Koalition, die nicht das Vertrauen der eigenen Leute hat, die Ihnen nur in einem zweiten Wahlgang, um das Schlimmste zu verhindern, mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme gerade so über die Hürde geholfen hat.
Ich finde es schon bemerkenswert, wenn man in dem Zusammenhang liest, was Herr Müller in der „BZ“ dazu geäußert hat.
Lieber Herr Müller! Sie hätten sich heute auch entschuldigen müssen, und zwar bei Ihrer eigenen Fraktion, für das, was Sie dort zum Besten gegeben haben. Ich zitiere aus der „BZ“ vom 11. Dezember. Da werden Sie gefragt:
Die Koalition ist schon mit einer Panne bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters gestartet. Suchen Sie nach den Übeltätern?
Es macht keinen Sinn, danach zu suchen. Es gibt leider zwei, die den Ernst der Lage und die Bedeutung der Abstimmung nicht begriffen haben,
sich auch nicht an Parteitagsbeschlüsse gebunden fühlen. Es ist schon erschreckend, welches Verständnis diese beiden von Demokratie haben.
Mein lieber Herr Müller, ich finde es erschreckend, was Sie für ein Verständnis von Demokratie zum Besten gegeben haben,
Wenn man Sie so hört, dann bekommt der Begriff „Hammelsprung“ eine ganz andere zusätzliche Bedeutung.
Ich glaube, Sie haben in den letzten fünf Jahren zu viel Nähe zu Ihrem Koalitionspartner genossen. Das ist eine Partei, die das so kennt. Dort war es so, dass die Volkskammer ein reines Vollzugsorgan der Parteitagsbeschlüsse der SED – oder wie auch immer Ihre Partei hieß – war. Das war der Zweck der Volkskammer. Aber ein frei ge
wähltes Parlament, lieber Herr Müller, hat andere Funktionen. Dies zu begreifen, muss man kein Verfassungsjurist sein, sondern da reicht es, ehrbarer Drucker zu sein: dass Abgeordnete ihrem Gewissen und der Verfassung unterworfen sind und nicht Parteitagsbeschlüssen! So weit sind wir noch nicht gekommen!
Lieber Kollege Müller! Wenn Ihre Leute gewusst hätten, was nach diesem Wahltag auf sie zukommt, dann wären es zwanzig geworden, die mit Nein gestimmt hätten, und nicht zwei. Sie haben schwach angefangen, Herr Wowereit, und dann noch stark nachgelassen.
Sie haben es gleich fortgesetzt mit Ihrer absurden Erklärung zu Kreuzberg. Es ist ja nicht verboten, diese Frage zu stellen, ob denn alle Schulen in Kreuzberg wirklich so sind, dass man als Vater – ich meine als echter und nicht als virtueller – seine Kinder dort hinschicken wollte. Man fragt sich jedoch, wer so etwas hinterfragen darf: vor allem die wirklich betroffenen Eltern und Schüler, Bildungsexperten, Politiker, die ständig angemahnt und aufgezeigt haben, was getan werden muss, aber doch nicht Sie, lieber Herr Wowereit!
Da Sie gern essen gehen: Stellen Sie sich doch einmal einen Koch vor, der Ihnen ein völlig verhunztes, versalzenes Menü vorsetzt.
Was halten Sie davon? Wer trägt denn die Verantwortung für die ganze Sauce – um im Bild zu bleiben? – Das sind doch Sie! Sie als Regierungschef, knapp sechs Jahre nun im Amt, tragen als Oberster die Verantwortung für die Zustände an den Berliner Schulen. Dazu – 1995 bis 1999 – lag die Ressortverantwortung bei Frau Ingrid Stahmer, SPD, und von 1999 bis 2006 bei Klaus Böger, SPD. In Kreuzberg ist die Bildungsstadträtin seit 2001 Sigrid Klebba, auch von der SPD. Sie haben also nicht nur den Chefkoch besetzt, sondern den Sous-Chef, den Kellner, den Saucier – alle haben Sie mit besetzt und sagen nun, das Essen schmeckt Ihnen nicht. Das ist Klaus Wowereit, wie er leibt und lebt.
Der Vater der Berliner Kinder! – Ich sage Ihnen, Herr Pflüger, ich bleibe lieber der Vater meiner Kinder.
Natürlich sind Sie auch nicht verantwortlich für die Gewalt an den Berliner Schulen, die wir in den letzten Tagen zur Kenntnis genommen haben. Dafür kann man sich dann auch entschuldigen. Das Erschreckende ist, dass noch nicht einmal eine Weitermeldung an die Eltern stattfindet.
Wenn Kinder und Jugendlich auffällig werden, muss die Schule an die Eltern herantreten und gemeinsame Lösungswege suchen.
In der Regierungserklärung steht zur Bildung: „Bildungspolitik hat Chancengerechtigkeit zum Ziel.“ Für die FDP, für Liberale, ist das nicht irgendein Ziel, sondern Chancengerechtigkeit ist die Voraussetzung, dass Menschen eine gerechte und faire Chance haben, ihren Weg gehen zu können, ihr Leben meistern zu können. Deswegen legen wir – das ist für uns von zentraler Bedeutung – extremen Wert darauf, dass dies funktioniert.
Wir sagen aber, das wird nicht funktionieren, wenn Sie populistische Versprechen geben wie die kostenlose Kita. Wenn Sie sich die Zustände an den Kitas anschauen – da erinnere ich mich als Vater noch an die Diskussion, die wir in der Kita meiner Kinder hatten, wie man den Ausfall der Bastelpauschale in den Griff zu bekommen versucht. Das sind die echten Probleme. Dies sage ich Ihnen als echter Vater. Wenn Sie sich das anschauen, müssen Sie zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht vernünftig ist, dort die Einnahmequelle zu schließen, sondern auch weiterhin eine Teilfinanzierung der Kitas über die Beiträge der Eltern zu erhalten.
Wichtig ist es jedoch, gerade um die Kinder von bildungsfernen Schichten – Migrantenkinder – in eine vernünftige vorschulische Bildung zu bekommen, eine kostenfreie Startklasse einzurichten. Da haben Sie den Vorteil, dass über die Schulpflicht alle herankommen, die üblicherweise ihre Kinder nicht in die Kindergärten schicken, seien sie kostenfrei oder nicht.
Am liebsten wäre mir der Start mit vier Jahren. Schulpflicht beginnt dann mit vier und mit fünf die erste Klasse. Dann haben wir eine Chance, sie bereits frühzeitig in eine Vorbildung zu bringen und zu ermöglichen, Defizite in der sprachlichen Bildung und in anderen kognitiven Fähigkeiten auszugleichen. Das ist sozial, das ist gerecht, und das schafft die Chancengleichheit am Start.
Eigenverantwortung der Schule ist ein weiterer wichtiger Aspekt, Eigenverantwortung, dass an den verschiedenen Schulen ein differenziertes Angebot für differenzierte Kinder gewährleistet ist. Differenzierung Schule: Verantwortung statt Gleichmacherei über rein ideologisch bedingte Einheitsschulen.
Es ist schon lustig, wenn immer wieder die Einheitsschule herausgezogen wird. Schauen Sie sich doch einmal die PISA-Ergebnisse an! Die sind genau in den Ländern Deutschlands am besten, die ein differenziertes Schulsystem und eigenverantwortliche Schulen haben. Das kann