Protocol of the Session on December 14, 2006

Da finde ich es besonders komisch, Herr Wowereit, wenn Sie an einem Tag wie heute betonen, dass Sie die Hochschulen mit Schulautonomie, also Eigenverantwortung, ausgestattet haben. Lesen Sie einmal die Presseerklärung der Ständigen Konferenz der Berliner Universitäten, die am heutigen Tag gegen Ihr hoch gepriesenes Hochschulgesetz Verfassungsklage eingereicht haben! Die begründen dies unter anderem so: „wegen des Verstoßes gegen ihre aus der Wissenschaftsfreiheit resultierenden akademischen Selbstverwaltungsrechte“. Das ist deren Begründung. Die sehen es überhaupt nicht wie Sie, dass sie so großzügig mit Eigenverantwortung ausgestattet sind. Sie klagen wegen einer zu geringen Eigenverantwortung. Sie schreiben ihnen irrsinnige Gremiengeschichten vor: Viertelparitäten. – Alles Blödsinn!

Wir verlangen echte Eigenverantwortlichkeit, eine solide Finanzierung auf drei Säulen: erstens ausreichende staatliche Zuschüsse, zweitens die Möglichkeit zur Drittmitteleinwerbung und drittens Studiengebühren. Das gehört mit dazu, dass eine Universität selber entscheiden kann, ob sie sich dieses zusätzlichen Finanzierungsinstruments bedienen will. Da ist Nordrhein-Westfalen ein Vorbild. Die haben gezeigt, wie dies geht, und klargemacht, dass es ein Recht der Hochschule wird, keine Pflicht, dass es nicht im Staatssäckel des Finanzministers landet – ein vernünftiges, sozial gerechtes Modell. Hiervon sind Sie weit entfernt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Lieber Herr Senator Zöllner! Sie bekommen Ihre 100 Tage. Wir sind eine faire Opposition, aber wir werden natürlich hinschauen, ob Sie genau so ein Feigenblatt werden und sich sukzessive die Schneidezähne ausschlagen lassen wie Ihr Pfälzer Ko-Import, Herr Sarrazin.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das ist doch ein Spruch vom letzten Mal!]

Ja, aber er ist deshalb nicht falsch geworden.

Herr Sarrazin war wieder ein Klassiker. Seine Vorschläge zur Reform der Bezirksverwaltung. Dies hatten wir bereits ein paar Mal. Kein Missverständnis: Ich finde die Richtung sehr vernünftig, und wir hatten in der letzten Wahlperiode auch reichlich Vorschläge hierzu gemacht – „Mehr Berlin, weniger Staat“, Aufgabenkritik, Verfahrensvereinfachungen, Abschaffung der Doppelzuständigkeiten, Privatisierung der Aufgaben

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Zurückgepfiffen wurden Sie!]

und im Gefolge den Abbau von Stellen, damit wir unter 100 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben. Das ist richtig, und es ist auch richtig, dass es in den Bezirken gemacht werden muss. Wir finden allerdings, dass auch die sehr viel besser ausgestatteten Senatsverwaltungen als

Erstes herankommen könnten, aber entscheidend ist, dass wir dabei sind.

Aber wir fragen Sie, lieber Herr Sarrazin: Wer ist denn aus Ihren eigenen Reihen dabei? – Das war doch wieder der typische zahnlose Tiger, der ab und zu noch ein bisschen schnurren und fauchen darf, aber mehr ist dann auch nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP und der CDU]

Wir haben vielmehr bei Ihnen mittlerweile ein Kette von Schlappen zu vermerken. Sie hatten Ihre anfänglichen Erfolge – das will Ihnen keiner abstreiten –, aber danach ging es bergab. Erste Pleite: Doppelhaushalt 2002/2003 – Niederlage vor dem Landesverfassungsgericht. – Dann kam die mittelfristige Finanzplanung. Nächste Niederlage vor dem Landesverfassungsgericht. – Dann kamen die Finanzhilfen in Karlsruhe. Die nächste Niederlage! Und die vierte Niederlage bahnt sich jetzt schon an: Nachtragshaushalt 2007 – da hat Ihnen gestern der Wissenschaftliche Parlamentsdienst in das Stammbuch geschrieben, dass auch dies gegen die Verfassung verstößt, wenn Sie glauben, ohne Nachtragshaushalt für 2007 auskommen zu können.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie haben keinen Blick für die Verfassung und keinen Blick für das Parlament, und vor allem haben Sie keine Durchsetzungskraft in diesem Senat. Nichts von dem, was auch Sie für vernünftig halten – Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften als Beispiel –, bringen Sie voran. Das scheitert alles an der ideologisch verbrämten LinksLinks-Politik, die hier getrieben wird.

An der Stelle möchte ich Ihnen eines zum Thema Mieterschutz bei den Wohnungsbaugesellschaften sagen: Wir haben in Deutschland einen Mieterschutz, der mehr und üppiger als in fast allen anderen europäischen Ländern ist, und der steht im Bürgerlichen Gesetzbuch.

[Heidi Kosche (Grüne): Gott sei Dank!]

Und das ist auch gut so, aber auch ich sage Ihnen, Frau Kollegin: Man kann den Mieterschutz auch so überspannen, dass am Ende kein Mensch mehr in den Neubau oder den Erhalt und die Sanierung von Wohnraum investiert. In dieser Frage ist das Maximum nicht unbedingt das Optimum. Das muss man wissen. Man muss das so ausgewogen tarieren, dass auch weiterhin in Wohnraum investiert wird. Wenn Mieterschutz so weit geht, dass das quasi einer Enteignung des Vermieters gleichkommt, brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass kein Mensch mehr in den Wohnraum investiert.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das war meine erste Bemerkung.

Zweite Bemerkung: Dieser Mieterschutz ist sichergestellt, und zwar unabhängig davon, ob der Eigentümer öffentlich oder privat ist. Aber ich wundere mich schon, dass diese

selbsterkorenen Mieterschützer verkennen, dass auch irgendwelche Investoren aus den USA selbstverständlich an den Mieterschutz gehalten sind, dann aber ohne Probleme den Mietern über die Erhöhung von Grundsteuern und Grunderwerbsteuern mehr Geld abknöpfen. Was ist dann dieser Mieterschutz noch wert, wenn man den Leuten so viel abknöpft, dass sie sich am Ende weder die Wohnung noch sonst etwas leisten können?

[Beifall bei der FDP]

Die Föderalismusreform ist eines der wichtigsten Themen für Berlin, aber offensichtlich nicht für Sie, denn außer dem üblichen Gemecker über Wettbewerbsföderalismus und Ähnliches kam von Ihnen dazu nichts. Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Wir haben in fast allen Ländern eine Diskussion über dieses wichtige Thema, und ich sage Ihnen aufgrund meiner Erfahrungen in der FDPFöderalismusgruppe, dass dort eine extreme Offenheit auch seitens der Geberländer vorhanden ist, was z. B. das Thema Entschuldung angeht. Ich war überrascht, dass die FDP in Baden-Württemberg sogar per Parteitagsbeschluss beschlossen hat, einer Entschuldung zumindest auf ein durchschnittliches Niveau zuzustimmen, wenn man bestimmte andere Fragen klärt – z. B. die Beschränkung auf vertikale Finanzausgleichung – und die Zuweisung an die Wirtschaftskraft anknüpft. Ich habe gleich nachgefragt: Wollt ihr euch als reiche Länder damit noch reicher machen? – „Nein, nein!“, hieß es aber dazu: nicht an die absolute Wirtschaftskraft, sondern an den Zuwachs an Wirtschaftskraft! – Es soll also Anreize geben, damit auch Länder, die im Moment noch ärmer sind, für eine eigene, solide Wirtschaftskraft sorgen. Das sind beachtliche und vernünftige Vorschläge, und ich gehe davon aus, dass es das nicht nur bei der FDP gibt, sondern dass es auch in anderen Parteien so läuft. Berlin ist gar nicht allein, wie Sie das in einer der letzten Sitzungen suggeriert haben. Berlin ist nicht allein, Herr Wowereit, Sie sind allein! Sie sind isoliert und allein – sowohl im Bund unter Ihren Kollegen wie auch in Ihrer Partei.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Da sind Sie spätestens seit der Wahl wieder auf Bezirksbürgermeisterniveau zusammengeschrumpft,

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

und das haben Sie dann mit weiteren Geschichten fortgesetzt – Bundesregierung verärgert mit diesem StaatsoperAlleingang, Schindhelm-Mobbing und anderes. Sie haben sich aufgeführt wie der Elefant im Porzellanladen. Wenn man die heutigen Grünen-Anträge zum Mobbing-Verbot vor Augen hat, muss man sagen: Sie wären der Erste, der ein solches Führungskräfteseminar zu besuchen hätte, lieber Regierender Bürgermeister!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Aber nur mit Ihnen gemeinsam!]

Ein Elefant im Porzellanladen sind Sie, und ich würde diesem Antrag der Grünen – „Elefantenhaltung ohne Ket

ten“ – an sich gern zustimmen, wenn man dabei von Ihnen absieht. Sie gehören an die Kette gelegt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Heiterkeit]

Allerdings muss man doch sagen, dass Sie nicht der größte Elefant sind. Der allergrößte Elefant Ihrer Partei ist Ihr Parteivorsitzender Kurt Beck. Der hat gestern gesagt, Arbeitslose sollten sich mal schön waschen und rasieren.

[Heiterkeit]

In dem einen oder anderen Fall wird er sogar recht haben, denn das fördert sicherlich eine Bewerbung. Aber diese Empfehlung wird nicht ausreichen, um die Probleme auf dem Arbeitsmarkt – und vor allem auf dem Berliner Arbeitsmarkt – zu lösen. Aber ich rufe Herrn Beck von hier aus zu: Man hört ja auch, dass er sich gern selbst einmal – spätestens 2009 – auf dem Berliner Arbeitsmarkt umtun will und sich für eine nicht ausgeschriebene Kanzlerstelle bewirbt. Wenn ich mir die Gesichter der bisherigen Kanzler – inklusive der Amtsinhaberin – anschaue, empfehle ich ihm, vielleicht selber einmal über eine Rasur nachzudenken. Das wird dann vielleicht auch seiner eigenen Bewerbung helfen. Wie hat er so schön gesagt: „Das Lebbe is’ doch, wie es is’.“

Das Entscheidende ist nicht, dass man sich rasiert und wäscht, sondern das Entscheidende ist, dass wir auf dem Arbeitsmarkt und in der Berliner Wirtschaft endlich das beseitigen, was die am meisten drückt. Wir müssen deregulieren und entbürokratisieren. Wenn man sich mit Unternehmen unterhält, wird das immer noch als das Größte und Schwierigste empfunden, nämlich sich durch den Bürokratiedschungel hindurchzukämpfen.

Frau Bluhm! Wenn Sie schon wieder mit Raucherschikanen und Ähnlichem daherkommen, so sage ich Ihnen dazu, ohne mit eigenen Aktien beteiligt zu sein, denn ich bin Nichtraucher, habe vor fünf Jahren mit dem Rauchen aufgehört und habe auch nicht vor, wieder damit anzufangen – es stört mich eher, als dass es einen Nutzen hätte –: Ich muss nicht immer aus meiner eigenen persönlichen Lebenshaltung einen Zwang für alle anderen Menschen machen. Davon können wir uns auch mal verabschieden. Man muss doch auch leben lassen können. Man muss doch auch gönnen können.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Ralf Hillenberg (SPD)]

Da gibt es doch vielleicht auch Lösungen, die vernünftig sind und die berechtigten Schutzinteressen der Nichtraucher berücksichtigen. Man muss nicht gleich wieder mit dirigistischen Regeln in jede kleine Kneipe hineinregieren wollen, wie Sie sich das vorstellen. Das ist das Typische: Sie reden von Entbürokratisierung, aber bei der erstbesten Gelegenheit rufen Sie wieder nach dem Staat. Sie sind Staatsapologeten und bleiben es auch.

[Beifall bei der FDP]

Das zweite Thema sind die Steuern und Abgaben. Es ist schon erstaunlich, wie langsam die Dinge im politischen Betrieb üblicherweise sind, aber beim Abkassieren sind Sie wahnsinnig schnell. Die neue Regierung war noch nicht im Amt, aber Sie haben schon im Senat neue Steuererhöhungen durchgepeitscht. Heute werden sie frisch dem Parlament vorgelegt, damit Sie frisch zum Jahresbeginn die Berliner zusätzlich abkassieren können. Da sind Sie fix. Das spürt der Bürger übrigens auch bei diesen Ordnungsämtern: Wenn es darum geht, sich um Graffiti und kleine Gangster am Breitscheidplatz zu kümmern, siehst du sie nie, aber wenn einer mal für zwei Minuten in der zweiten Reihe steht, um Brötchen zu holen, sind die Jungs in den blauen Uniformen ganz schnell da. Beim Abkassieren ist der Staat ruckzuck dabei.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Ich wünsche mir, dass Sie auch dann, wenn es um die Leistungsverwaltung geht, genauso schnell am Start sind.

Drittes Thema: Wettbewerb statt Monopole! BSR und andere Sachen, das können doch Private mindestens genauso gut erbringen. Das wissen Sie auch. Sie bringen im Wettbewerb wesentlich bessere Leistungen und günstigere Preise für die Bürger und für den Staat.

[Daniel Buchholz (SPD): Schön wäre es ja!]

Flexibilisierung beim Arbeitsrecht und selbstverständlich Investorenpflege statt Investorenschelte! Herr Wowereit! Sie sind von der „Financial Times Europa“ zum „notorious business basher“ gekürt worden.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Immerhin!]

Das ist eine wunderschöne Etikette. Wir freuen uns, in Berlin als Regierenden Bürgermeister einen „notorious business basher“ zu haben. Ich gratuliere zu diesem Titel.

Beim Flughafen Tempelhof führen Sie vor, dass Kollege Pflüger völlig recht hat. Es ist überhaupt nicht der Versuch unternommen worden, hierbei zu einer Lösung zu kommen. Es ist auch nicht richtig, dass man hier immer wieder den Konsensbeschluss heranzieht. Niemand Seriöses will, dass dort ein Verkehrsflughafen aufrechterhalten bleibt. Es geht darum, dass dort für Ansiedler dieses Projektes eine Landebahn existiert. Was wollen Sie denn mit dieser riesigen Immobilie machen?

Was will der Bund mit dieser riesigen Immobilie machen? Das ist doch eine verlängerte Hasenheide. Sie müssen Investoren für diesen riesigen Standort finden. Sie blocken aber alles ab, was zu einer vernünftigen Lösung für Tempelhof führen würde. Deswegen begrüßen wir als FDP die Investoren und unterstützen die derzeit laufende Initiative zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof.