schrift jetzt als Anspruchsgrundlage gegenüber dem Bund und den anderen Ländern missbraucht, der verspielt auch noch das letzte bisschen Kredit, das Berlin noch hat.
Jetzt muss es unsererseits erst einmal darum gehen klarzustellen, dass wir auch tatsächlich Hauptstadt sind, dass wir bereit sind, diese Rolle auszufüllen, dass wir die Debatte mit anderen Ländern über die Rolle und Funktion von Berlin im föderalen System suchen. Dazu gehört zu allererst, einmal klarzustellen, dass Berlin selbst vertragstreu ist, dass wir unseren Part an der Abmachung hinsichtlich des Humboldt-Forums einhalten, dass wir unsere Zusage bei der Sanierung der Staatsoper einhalten. – Herr Müller! Wir waren neulich auf einer Veranstaltung, auf der Sie sehr vollmundig behauptet haben, dass das so sein wird. Ich habe in den Richtlinien aber nichts dazu gelesen – im Gegenteil, das hört sich eher anders an. Ich kann Ihnen sagen: Wenn diese Vertragstreue von Berlin nicht unter Beweis gestellt wird, dann sehe ich schwarz für ein gutes Auskommen mit dem Bund.
Sie verlangen vom Bund die zeitliche Streckung der Verpflichtung Berlins beim Bau der U5. Was ist denn mit Ihrem Angebot an die Opernstiftung, die Einsparsumme zu strecken? – Das lehnen Sie kategorisch ab. Was wollen Sie überhaupt tun, um die Baustelle Opernstiftung weiter zu bearbeiten? Das war auch Teil des Hauptstadtvertrags, mit dem die Kultur in Berlin gefördert werden sollte. – Das wird zukünftig auch noch Ihr ureigenstes Ressort werden, Herr Regierender Bürgermeister! Wir hätten dazu ganz gern das eine oder andere in Ihren Richtlinien gehört, weil es eine Nahtstelle für das Verhältnis zum Bund ist und eine Nahtstelle, die wir dringend regeln müssen. Bevor wir etwas verlangen können, müssen wir erst einmal liefern. Sie täten tut daran, etwas anderes zu tun, als immer nur die Hand aufzuhalten, das Säcklein des Bundes anzuschneiden und etwas zu fordern. Damit werden Sie keinen Blumentopf gewinnen.
Die Herausforderungen für die Stadt liegen auf der Hand. Berlin hat sich – darauf wurde hingewiesen – zu einer der beliebtesten Städte Europas entwickelt. Die Tourismusbranche boomt, Studierende wollen hier ihren Start ins Leben wagen, junge, kreative Menschen zieht es hierher. Das ist die eine Seite von Berlin. Aber es gibt auch das andere Berlin, das der hohen Arbeitslosigkeit und der zunehmenden Armut gerade unter Kindern. Berlin hat Probleme, Berlin hat aber auch Chancen. Und beides erfordert eine klare Prioritätensetzung und ein klares Leitbild. Berlin kann und muss sich zu einer ökologisch, ökonomisch und finanzpolitisch nachhaltigen, sozialverantwortlichen Metropole entwickeln, einer Metropole der Vielfalt und der Transparenz mit einer Bürgergesellschaft, in der jeder und jede eine Chance bekommt – nicht mehr und nicht weniger. Wir Grüne wollen diese Zukunftschancen fordern. Wir wollen die Zukunftschancen der Menschen sichern und damit die Entwicklung in der Stadt voranbringen.
Es ist richtig, wenn vonseiten des Senats darauf hingewiesen wird, dass die Lösung der Integrationsprobleme eine der herausragenden Aufgaben ist, vor der Berlin steht. – Aber ich sage Ihnen auch, Herr Wowereit: Das Wörtchen Integration in den Namen einer Senatsverwaltung zu schreiben, das ist ein guter Ansatz, um die Bedeutung zu unterschreiben. Aber wenn man dann darunter alles gleichlässt, wenn man den Integrationsbeauftragten, den man vorher schon hat, genau bei dieser Stelle lässt und ihm alle Aufgaben weiter überlässt,
dann hat das nichts mit Mut zur Veränderung zu tun, sondern das ist die Feigheit vor der Struktur. Und das kennzeichnet Ihre Politik.
Wir haben ein anderes Bild von dieser Stadt. Wir wollen Berlin als Modell für soziale Gerechtigkeit, für Chancengerechtigkeit und für Generationengerechtigkeit. Vor diesen drei großen Herausforderungen stehen wir. Chancengerechtigkeit erfordert gute Bildung. Soziale Gerechtigkeit erfordert nachhaltiges qualitatives Wachstum, Arbeit und gerechte Verteilung. Generationengerechtigkeit erfordert kalkulierbare Haushaltsrisiken. Und diese vernachlässigen Sie in einem Maße, das kaum noch erträglich ist.
Wir wissen alle, dass die Zukunftschancen untrennbar mit der Bildung verbunden sind. Wer Chancen und soziale Gerechtigkeit herstellen will, muss die Bildungsqualität verbessern. – Herr Wowereit! Da reicht es nicht, aus einem Wahlversprecher ein Wahlversprechen zu machen, um dann die Eltern vollständig von den Kitagebühren zu befreien, die Sie ihnen in der Legislaturperiode davor „aufgebrummt“ haben.
Das ist die Wahrheit! Wahrscheinlich werden Sie demnächst – nachdem Sie sie vorher abgeschafft haben – die Lernmittelfreiheit wieder herstellen und das als die revolutionäre soziale Tat des rot-roten Senats verkaufen. Das ist kein Fortschritt, das ist eine Volksverdummung, die Sie betreiben.
Wir alle wissen, dass Bildung Priorität haben muss; das haben wir alle im Wahlkampf betont. 31 Zeilen von 27 Seiten sind davon in Ihren Richtlinien übriggeblieben – weniger als für den Sport. Jetzt kann man sagen, diese 31 Zeilen könnten es auch in sich haben. Man kann einiges dort hineinschreiben.
Wenn wir klare Ziele und klare Angebote formulieren, wie etwa die Absenkung der Schulabbrecherquote um
x %, die Halbierung des Unterrichtsausfalls, revolutionäre Arbeitszeitmodelle und eine Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern, Schule als Arbeitsplatz, eine vollständige Ganztagsbetreuung in den Schulen – das alles passt in 31 Zeilen hinein. Das steht aber alles nicht in den Richtlinien. Was gibt es bei Rot-Rot? – Ihr macht große, blumige Versprechungen,
und wenn es darum geht, irgendetwas umzusetzen, kommt überhaupt nichts unten heraus. Drei Projekte sind übrig geblieben: 22 Millionen € für das Modellprojekt der Linksfraktion, 400 neue Referendar- und Lehreranwärterstellen, die Sie in der Legislaturperiode davor gestrichen hatten, und 3 % Vertretungsreserve für die Schulen wegen des Unterrichtsausfalls.
Das ist das Angebot der Regierung. Wir bezweifeln ernsthaft, dass das die Antwort auf die Schulmisere in Berlin sein kann.
Aber das löst nicht, Herr Liebich, die aktuellen Berliner Schulprobleme. Herr Senator Zöllner hat vollkommen recht, Schulstrukturen zu ändern hilft in dieser Situation nicht. Wir bezweifeln im Übrigen auch, dass Sie das Geld, das Sie in die Hand nehmen wollen, richtig einsetzen. Das drängendste Problem ist – das sehen wir überall – die Bildungsqualität in den Hauptschulen.
Das ist ein Modell, das in anderen Ländern erprobt und erfolgreich ist – und zwar flächendeckend. Ab 2009 keine neuen Hauptschulklassen mehr einrichten, gleichzeitig die Unterrichtsqualität für alle verbessern, das ist unser Vorschlag. Mit den 22 Millionen €, die Sie in die Hand nehmen wollen, könnten wir aus allen Berliner Hauptschulen Ganztagsschulen machen. Das stärkt die soziale Kraft der Schulen, das bringt mehr als jetzt Kraft, Arbeit und Geld in ein Schulprojekt zu stecken, das flächendeckend gar
nichts bringt. Herr Zöllner hat recht: Berliner Schulen dürfen nicht zum Experimentierkasten gemacht werden.
Es ist nach wie vor richtig – auch trotz des Karlsruher Urteils –: Wenn sich eine Investition in dieser Stadt lohnt, dann ist es die in Bildung. Das muss konkret heißen: Verbesserungen für alle Hauptschulen und nicht nur für zwölf, so wie Sie es vorgeschlagen haben. Die jungen Menschen in der Stadt können wirklich nicht mehr länger warten.
Es wundert uns ein bisschen, dass die SPD trotz Ihres Wahlversprechens der PDS zuliebe den Kampf gegen die Gymnasien aufnimmt. Vermutlich vertraut sie, wie beim letzten Mal, darauf, dass ohnehin nicht alles umgesetzt wird, was im Koalitionsvertrag steht.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Kennzeichnung der Polizei. Wer den Koalitionsvertrag gelesen hat, hat dort eine Passage zur Rekommunalisierung der Wasserbetriebe gefunden.
[Stefan Liebich (Linksfraktion): Ist das nun schlecht? Ihr müsst Euch entscheiden! – Zuruf von Carola Bluhm (Linksfraktion)]
Daran kann doch ernsthaft keiner glauben. Diese Forderung hat es aber noch nicht einmal in die Richtlinien geschafft. Ich kann nur feststellen: Die Halbwertzeit von PDS-Versprechungen kürzt sich dramatisch ab. Sie sollten die Richtlinien vielleicht noch einmal genau lesen und dann überlegen, ob Sie ihnen wirklich zustimmen wollen. Sie haben gesehen, wie schnell 880 Wohnungen in Marzahn verkauft waren.
Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag war noch nicht einmal trocken, und nichts war es mit einem Verkauf an Genossenschaften oder Mieter, eine Heuschrecke ist es gewesen, wie sie im Buche steht. Ehrlich gesagt, ich kann mir auch vorstellen, dass sich bei Ihrem Tänzchen, das Sie gerade um den Personalabbau aufführen – Herr Wowereit sagt 93 000, Herr Wechselberg hat vollmundig versprochen unter 105 000 ginge gar nichts – die SPD durchsetzt
Es war schon recht großzügig von der SPD, dass Sie Ihnen einige ideologische Bolzplätze im Koalitionsvertrag eingeräumt hat, damit Sie vor Ihrer Basis so tun können,