Protocol of the Session on December 11, 2008

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Ratzmann das Wort. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rot-rote Regierung scheint sich verabredet zu haben, bei allen wichtigen und bundesweit bedeutsamen Themen im Bundesrat nur noch absurdes Polittheater zu spielen, etwa das missratene Staatsschauspiel von Herrn Wowereit beim Zuwanderungsgesetz – wir erinnern uns –, das erzwungene Nein zum EU-Vertrag, als die Linkspartei die Hauptstadt in eine Reihe mit allen zwielichtigen und nationalistischen EU-Verweigerern gepresst hat, und jetzt die jüngste Inszenierung, die Zustimmung Berlins zur Erbschaftssteuerreform, an Absurdität kaum noch zu überbieten, ein abgekartetes Spiel.

Ich hätte mir ja viel vorstellen können, aber dass diese rot-rote Regierung dieser Steuerreform zustimmt, ohne einmal zumindest im Vorfeld eine heftige Debatte und Auseinandersetzung zu führen, einer Steuerreform, die, wie Herr Lederer so schön gesagt hat, die soziale Spaltung in diesem Land wie kaum ein anderes Projekt vorantreibt, einer Reform, die so offensichtlich ungerecht ist und die einzig und allein dazu dient, die Villenbesitzer am Starnberger See – vielleicht sollte man besser sagen: am Scharmützelsee – zu schützen, das hätte ich mir wirklich nicht vorstellen können.

[Beifall bei den Grünen]

Und dazu noch diesen Parteitag der Linkspartei! Man muss sich das einmal vorstellen: Da muss ein Gysi verkünden, dass es dann aber beim nächsten Vertragsbruch wirklich ganz doll im Karton rappelt,

[Oh! von der CDU]

um dann hinterher von Herrn Bisky – und das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen – erklärt zu bekommen, wie toll doch diese Linkspartei in Berlin die SPD vor sich hertreibt. Sie nennen sich großspurig Linke und schaffen es nicht einmal, in so einer Frage eine Enthaltung zu erzwingen! Das ist peinlich.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Und jetzt dürfen Sie ruhig einmal „Hamburg!“ rufen, meine Damen und Herren von der Linkspartei. Hamburg und Bremen haben sich enthalten in dieser Frage.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Aber Sie haben gezeigt, dass Sie – jedenfalls gegenüber dieser SPD – kein Korrektiv sind, wenn es darauf ankommt, Ihre Legitimation, wie ich bereits das letzte Mal gesagt habe, besteht einzig und allein darin, der willfährige Befehlsempfänger der SPD zu sein.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Sie sind ja noch nicht einmal im Nachgang dieses peinlichen Schauspiels in der Lage, mit ein bisschen Selbstachtung auf diesen Vertragsbruch zu reagieren. Wo ist denn der Koalitionsausschuss, der sich mit der Aufarbeitung dieser Frage beschäftigt? – Das war eine abgekartete Sache. Sie spielen uns hier Regierungstheater vor, und es ist so, wie Herr Henkel gesagt hat: Ihnen ist Ihr roter Dienstwagen wichtiger als die Prinzipientreue in dieser Frage.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Die Aktualität dieses Themas, lieber Herr Liebich, ergibt sich daraus, dass die nächsten Knackpunkte schon auf dem Tisch liegen. Wir haben gehört, wie Sie sich beim letzten Mal zu der Frage des BKA-Gesetzes gewunden haben. Wir wissen auch, dass Herr Körting, der das Ganze verhandelt hat, dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zustimmen will, wenn es den Richtervorbehalt für die Onlinedurchsuchung gibt.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Ich sehe auch schon Frau Seelig hier am Rednerpult stehen, wie sich windet und zur Rechtfertigung auf die bösen Otto-Kataloge aus der Vergangenheit weist. Aber: Hic Rhodus, hic salta! Es geht um Ihr Handeln, und ich sage Ihnen: Wir trauen Ihnen in diesen Fragen überhaupt nichts mehr zu.

[Beifall bei den Grünen]

Wir werden uns auch angucken, was Sie bei der Föderalismusreform machen. Wir wissen, es kommt wieder Fahrt in die Diskussion. Die Schuldenbremse wird vorgeschlagen werden. Die Ergebnisse verdichten sich, und wir werden, so die Ankündigung, im Februar darüber zu befinden haben. Wir wissen, dass die Linkspartei dieses Konzept ablehnt, auch wenn es für das Land 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe gibt.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Dann können Sie sich nicht mehr verstecken. Dann wird es auch auf die Stimme Berlins ankommen. Dann geht es um Zweidrittelmehrheiten und nicht mehr um einfache Mehrheiten. Ich sage Ihnen: Wenn dieses Projekt an Berlin scheitert, dann hat nicht nur die Linkspartei ihre Legitimation verloren. Dann ist diese Regierung wirklich am Ende. Dann hätte sie wirklich endgültig versagt, und das zeichnet sich ab.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es gibt also nur zwei Möglichkeiten: Entweder macht sich die Linkspartei wieder zum Affen, weil sie umfällt, oder sie macht Berlin zum Affen, und das darf in dieser Frage in der Tat nicht passieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass die engstirnigen Machtspielchen einer rot-roten Regierung ein auch für Berlin so wichtiges Projekt im Bund gefährden. Und deshalb müssen wir heute hier darüber reden, weil es um die Zukunft der Republik und des Landes geht. Da müssen Sie endlich mal wirklich Staatsräson zeigen und nicht Ihre blinden Politspielchen ausfechten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Ratzmann! – Für die FDP-Fraktion hat der Vorsitzende, Dr. Lindner, das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Natürlich müssen wir uns über die Begebnisse wenige Meter von hier aktuell unterhalten. Als Erstes müssen wir uns darüber unterhalten, welche Rolle eigentlich der Herr Regierende Bürgermeister auf Bundesebene spielt. Er selbst hat nach dieser Abstimmung erklärt, die Dinge seien in Sachen Erbschaftsteuer quasi gelaufen gewesen, da habe Berlin nichts mehr machen können. Es sei nur noch übrig geblieben, entweder zuzustimmen und Geld zu kassieren oder abzulehnen bzw. sich zu enthalten und die Sache in Gefahr zu bringen.

Schauen Sie, diese Bemerkung allein zeigt, welch mickrige Rolle Sie auf Bundesebene spielen. Während andere Länder wie Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg in Fragen der Erbschaftsteuer mit der Bundesregierung verhandelt haben, waren Sie wie immer in solch wichtigen Fragen außen vor geblieben. Sie haben und machen hier Ihre kleinkarierten Mätzchen, aber auf Bundesebene spielen ganz andere Leute auch aus Ihrer Partei eine entscheidende Rolle.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie sollten sich mal überlegen, woran das liegt. Das liegt vielleicht an Ihrer eigenen Leichtgewichtigkeit. Es liegt aber auch vielleicht daran, dass Sie einen nicht satisfaktionsfähigen Koalitionspartner an der Seite haben,

[Beifall bei der FDP]

jemand, der auch in Ihrer eigenen Partei auf Bundesebene als nicht satisfaktionsfähig anerkannt wird, weil es eine Partei ist, die sich auf Bundesebene in Linksradikalismus und Linkspopulismus ergeht wie keine andere. Wir reden von einer Zeit, in der nicht nur Herr Lafontaine auf Traktoren fährt und der Welt erklärt, wie es zu laufen hat, sondern in der ein Linkspolitiker wie Herr Maurer – das ist, glaube ich, auch ein SPD-Renegat – sich hinstellt und

sagt, man müsse in diesen Zeiten bei Besserverdienenden Zwangsanleihen nehmen.

Während hier solche Sprüche gemacht werden, den Reichen mit Zwangsanleihen und Enteignung zu begegnen, schafft es diese Partei noch nicht einmal, auf Landesebene in dem einzigen Bundesland, wo sie mitregiert, in einer Frage, die für die Linkspartei nicht unerheblich ist, ihre Regierung auf Enthaltung zu drehen. Das ist eine lächerliche Geschichte gewesen. Das müssen Sie sich einmal sagen lassen! Die dicken Sprüche auf Bundesebene machen! Sie haben vier Stimmen im Bundesrat, das ist so schwach wie keine andere Partei. Die Grünen haben wenigstens sieben. Und wenn Sie, wie wir, 24 Stimmen im Bundesrat haben, dann werden Sie sehen, dass das etwas schwieriger ist, gerade ein Land wie Bayern, das maßgebend bei diesem Kompromiss mitgewirkt hat, auf Enthaltung zu drehen.

Was für ein kümmerlicher Club sind Sie, was für eine Versagertruppe, eine impotente, sind Sie, die es noch nicht einmal schafft, sich in dieser Frage in dieser Regierung durchzusetzen!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie sind und bleiben die Schlittenhunde der Macht. Das ist Ihr Doppelspiel. Auf Bundesebene wird der große Oskar gespielt, und hier sind es der kleine Lederer und der kleine Liebich und die unbekannte Frau Bluhm, die ihre lächerliche Posse abgibt. Das ist doch alles, was Sie hier können.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Frage, die sich uns aktuell stellt, ist doch, wer diesen Schlitten eigentlich fortan zieht. Da gibt es ganz unterschiedliche Kommentare. Da sagt der Regierende Bürgermeister:

Der Gysi soll lieber dafür sorgen, dass der Landesverband in Ruhe arbeiten kann.

dass sie dann weiterhin gefügig an Ihrer Seite laufen. –

Es liegt an der Linkspartei, ob es zu weiteren Verwerfungen kommt.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Genau!]

Dann sagt der Gysi: Wenn er jemals den Vertrag noch einmal bricht, dann sage ich euch deutlich, ist es zu Ende, es geht so nicht. – Was für eine Funktion hat der Gysi eigentlich in Ihrem Landesverband? Ich dachte, der ist Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, der hat überhaupt keine Funktion bei Ihnen. Der sagt Ihnen aber, wie es zu laufen hat. Das spielt nicht nur für Ihre kümmerliche Partei eine Rolle, sondern es spielt für dieses Land eine Rolle. Haben wir hier eine stabile, seriöse und kraftvolle Regierung der Mitte,

[Ja! von der SPD]

oder haben wir ein Bündnis mit unzuverlässigen, populistischen und ferngesteuerten Linken, bei denen traditionell die Partei über dem Wohl der Bürger steht? – Dies wollen wir aktuell mit Ihnen diskutieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, zuerst über das Thema der Koalitionsfraktionen. Wer dem Thema der Koalitionsfraktionen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Linke. Die Gegenprobe! – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das Thema so beschlossen.

Dann möchte ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Der Herr Regierende Bürgermeister hat geschrieben, dass er ab ca. 19.30 Uhr abwesend sein wird, um den LifetimeAward in der O2-Arena an Sir Elton John zu überreichen.

[Volker Ratzmann (Grüne): Oh! Wichtig! – Beifall bei der SPD]