Protocol of the Session on December 11, 2008

2. Wann und wie wird der Senat z. B. über eine schriftliche Mitteilung darüber die freien Träger offiziell informieren?

Für den Senat antwortet der Finanzsenator. – Bitte schön, Herr Dr. Sarrazin, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Erstens gilt, Herr Abgeordneter, dass Zusagen des Senats immer gelten, egal ob mündlich oder schriftlich, und dies ohne Ausnahme.

Zur Sache selber: Es ist Ihnen bekannt, dass gestern der Hauptausschuss entschieden hat, dass ab dem 1. Januar 2009 für den Bezirk vorläufige Haushaltswirtschaft gilt. Sie kennen die Gründe hierfür. Der Bezirk hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, seine Schulden abzubauen und auch nur bescheidene Beträge dazu zu leisten. In der Übergangszeit dürfen bei einer vorläufigen Haushaltsführung – das wurde auch bereits am 3. Dezember im Unterausschuss Bezirke dargestellt –unbedingt notwendige Ausgaben geleistet werden, um bestehende Einrichtungen zu erhalten, um gesetzliche Aufgaben zu erfüllen, um rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, um Bauvorhaben weiterzuführen und eine ordnungsgemäße Tätigkeit der Verwaltung aufrechtzuerhalten. Dazu wird der Bezirk in kurzer Zeit aus meinem Haus einen Brief mit verbindlichen Hinweisen erhalten.

Das bedeutet für die freien Träger in Pankow, institutionelle Förderungen können in der Regel fortgeführt werden, wenn bereits Zusagen bestehen. Die Anwendung des Artikels 89 verbietet aber die Förderung neuer Projekte oder die Aufstockung bestehender Projekte, und die geförderten Einrichtungen und Projekte unterliegen in ihrer eigenen Haushaltswirtschaft ebenfalls den genannten Einschränkungen aus der vorläufigen Haushaltsführung.

Im Übrigen ist zu sagen, dass die Umsetzung der vorläufigen Haushaltsführung in die Zuständigkeit des Bezirks fällt. Dazu gehört auch die Unterrichtung von freien Trägern. Auch hier gibt es keine ungeteilte Verantwortung. Es kann nicht sein, dass ein Bezirk die Zuständigkeiten dort, wo es ihm gefällt und es politisch angenehm ist, wahrnimmt, und dort, wo es unangenehm wird, auf den Senat verweist.

Im Übrigen muss der Bezirk unabhängig von der vorläufigen Haushaltswirtschaft in eigener Verantwortung prüfen, ob Ausgaben, die er tätigt, wirklich notwendig sind. Wenn ein Bezirk für einen freien Träger Mittel streicht oder einschränkt, weil er diese nach reiflicher Überlegung nicht mehr für geboten hält, so ist das für ihn möglich, er ist in dieser Entscheidung frei. – Danke!

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kollegen Hoffmann. – Bitte sehr!

Habe ich Sie also richtig verstanden, dass es so sein wird, dass nicht alle Zusagen eingehalten werden können und dass Sie auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Bezirk Pankow in der Vergangenheit darauf achten werden, dass die strengen Vorgaben, die die Verfassung von Berlin vorgibt, eingehalten werden?

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte!

Ich habe die Frage nicht richtig verstanden!

Herr Hoffmann! Vielleicht können Sie noch einmal ausführen? – Bitte!

Entschuldigung! Ich bin heute vielleicht etwas schwer zu verstehen. – Habe ich Sie also richtig verstanden, dass damit klar ist, dass nicht alle freien Träger weiter in gleicher Höhe gefördert werden können und dass Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Bezirk Pankow darauf achten werden, dass die strengen Vorgaben der Verfassung von Berlin eingehalten werden?

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte!

Die Vorgaben sind einzuhalten. Das löst – bezogen auf einzelne Maßnahmen – keinen Automatismus aus. Neue Maßnahmen dürfen nicht eingeleitet werden. Bestehende Maßnahmen dürfen nicht aufgestockt werden. Der Bezirk kann selbstverständlich – darin ist er frei – jederzeit entscheiden, ob er Maßnahmen beendet oder einschränkt.

Danke schön, Herr Senator Dr. Sarrazin! – Nun gibt es eine Nachfrage des Kollegen Schruoffeneger. – Bitte sehr!

Herr Sarrazin! Wie bewerten Sie die Tatsache, dass im Bezirksamt Pankow augenscheinlich politisch bewusst eine Stimmung und eine Verunsicherung bei den freien Trägern hergestellt und ihnen erzählt wurde, dass sie alle abgewickelt würden, weil das böse Land ihnen die Mittel streichen wolle, obwohl die Rechtslage – Weiterbetrieb bestehender Einrichtungen – klar war?

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte schön!

Ja, wissen Sie, Herr Abgeordneter, das liegt auf der Hand, was hier passiert! Diejenigen, die in den vergangenen Jahren in den politischen Ämtern ihre Verantwortung nicht angemessen wahrgenommen haben, suchen dafür jetzt bei anderen nach Schuldigen und zeigen deshalb gern auf den Senat, auch um den Preis der Verbreitung von Unwahrheiten. Das ist nicht in Ordnung!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Dr. Sarrazin!

Jetzt geht es weiter mit der Frage Nummer 8 der Frau Kollegin Baba von der Linksfraktion zum Thema

Polizeieinsatz bei Protest gegen NaziDemonstration

Bitte schön, Frau Baba!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Rolle misst der Senat dem Protest gegen Rechtsextremismus aus der Mitte der Bevölkerung zu, der sich am vergangenen Samstag in einem breiten Bürgerbündnis und in zahlreichen Aktionen gegen einen Neonaziaufmarsch im Bezirk Lichtenberg formierte, wenn gleichzeitig Behörden und Polizei im Vorfeld der Demonstrationen die demokratischen Akteure bewusst ausgrenzten?

2. Inwiefern hält der Senat den Einsatz der Polizei für angemessen, und war es nicht abseh- und damit vermeidbar, dass der Routenverlauf der Neonazi-Demonstration und der angekündigte zivilgesellschaftliche Protest dagegen zur Eskalation der Situation führen würden?

Danke schön, Frau Baba! – Der Innensenator, Herr Dr. Körting, hat das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat hält den friedlichen Protest und das friedliche Gesichtzeigen gegenüber Demonstrationen aus dem rechtsextremistischen Bereich für ein Zeichen unserer Demokratie und ein Zeichen unserer Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in unserem Land.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von René Stadtkewitz (CDU) und Dr. Martin Lindner (FDP)]

Der Senat hat übrigens nie einen Zweifel daran gelassen, was er von Rechtsextremen und Rechtsextremismus hält. Diese Haltung des Senats spiegelt sich in ungezählten politischen Meinungsäußerungen, in Informationsprogrammen, in Broschüren der Verfassungsschutzbehörde, in Vereinsverboten gegenüber Kameradschaften und ähnlichem wider. Natürlich wäre jeder – und ich sage: jeder der hier im Abgeordnetenhaus vertretenen Abgeordneten! – glücklich gewesen, wenn die Anmelder der hier behandelten Demonstration darauf verzichtet hätten, in der Stadt ihre wirren Thesen zu vertreten, obwohl fast alle Menschen in dieser Stadt diesen Thesen nicht zuhören wollen. – Das zur Einleitung.

Wir haben jedoch eine angemeldete Versammlung. Es ist ein großer Irrtum der Öffentlichkeit zu meinen, dass Versammlungen bei uns genehmigt werden müssten. Nach unserer Verfassung hat jeder das Recht zu demonstrieren. Dieses Recht wird nur von ganz bestimmten Dingen eingegrenzt, nämlich dann, wenn die Demonstration strafrechtlich relevante Vorgänge verletzt. Dann kann ich die Demonstration untersagen. Ansonsten kann ich sie nicht untersagen.

Die Aufgabe der Polizei ist es – das hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin zu der Demonstration vom 8. Mai 2005 sehr deutlich gemacht –, sowohl vorbeugend durch Freihaltung der Aufzugsstrecke als dann auch bei Durchführung des Aufzuges alles zu tun, um den Aufzug zu ermöglichen. Da geht es nicht um Ausgrenzung, da geht es darum, dass die Polizei die Pflicht hat, das Grundrecht derjenigen, die demonstrieren, zu sichern.

Zur zweiten Frage, inwiefern wir den Einsatz der Polizei für angemessen halten: Ich halte das, was die Polizei an diesem Tag gemacht hat, für eine sehr schwierige Arbeit. Ich habe Respekt vor den Beamtinnen und Beamten der Polizei, die an dem Tag auf der Straße waren und versucht haben, zwischen den unterschiedlichen Interessen einen Weg zu finden. Ich halte es für angemessen – das schließt übrigens nicht aus, dass irgendwo in einer Situation einmal eine falsche Entscheidung getroffen wird. Das

ist so bei Menschen! Im Großen und Ganzen halte ich den Einsatz für angemessen.

Was die Frage des Routenverlaufs betrifft, so bitte ich zu beachten: Es geht in dieser Stadt nicht nur um Demonstrationen von Rechtsextremisten. Wir haben Demonstrationen zum Al-Quds-Tag, wo sich Hisbollah-Angehörige einfinden. Wir haben Demonstrationen von Palästinensern, wo höchstwahrscheinlich auch Sympathisanten der Hamas mitdemonstrieren. Wir haben eine revolutionäre 1. Mai-Demonstration, wo auch die eine oder andere These vertreten wird, die ich auf den Tod nicht vertrage. Wir haben übrigens auch aus dem kurdischen Bereich Demonstrationen, bei denen die Nähe zu Kongra-Gel gegeben ist. Trotzdem lassen wir in bestimmtem Umfang auch das Zeigen von Öcalan-Bildern zu, wenn es um die Gesundheit von Herrn Öcalan geht. Es gehört zur Stärke unserer Demokratie, dass wir auch denjenigen erlauben, ihre Meinung kundzutun, die wir nicht mögen. Das gehört zur Stärke unserer Demokratie, und das müssen wir ertragen! Eine Kontrolle darf nicht stattfinden, auch nicht bezogen auf den Routenverlauf. Insofern sind wir darauf angewiesen, dass ein Anmelder eine Anmeldung mit einer Route vornimmt. Dann mag es im Einzelfall Gründe dafür geben, weil eine Baustelle da ist oder etwas in der Art, dass die Demonstration umgelenkt werden muss. In diesem Fall ist es so gewesen, dass der Anmelder dieser Demonstration mit Datum vom 4. August eine Anmeldung getätigt hat, die diesen Routenverlauf ungefähr beinhaltete. Er hat sie dann am 31. Oktober, nachdem er seine Lieblingsstrecke in Treptow-Köpenick nicht erhalten hat, um die Weitlingstraße erweitert. Es gab für die Polizei und die Versammlungsbehörde unter Verfassungsgesichtspunkten keine Handhabe – wie bei allen anderen Demonstrationen auch –, dem Anmelder diese Route zu versagen.

Ich komme zum tatsächlichen Ablauf der Demonstration, bei der erfreulich viele Bürger der Zivilgesellschaft Gesicht gezeigt haben. Man muss aber auch nüchtern feststellen, dass eine Minderheit anwesend war, die Steine und Ähnliches geworfen hat. – Die große Mehrheit bestand aus friedlichen Bürgern, die zeigen wollten: Wir wollen mit euch nichts zu tun haben. – Darauf muss die Polizei auch mit polizeilichen Mitteln reagieren. Das haben die Kolleginnen und Kollegen am 6. Dezember 2008 angemessen getan.

Danke schön! – Die Kollegin Baba hat eine Nachfrage. – Bitte, Sie haben das Wort!

Herr Senator! Inwieweit teilt der Senat den Eindruck von Teilen des Bündnisses gegen die Nazi-Demo vom 6. Dezember 2008, dass die Kooperationsgespräche, die im Vorfeld zwischen Polizei und Demonstrationsanmeldern stattfanden, offensichtlich lediglich dem Abschöpfen von Informationen durch die Polizei dienten, da diese

selbst Informationen ganz oder teilweise zurückhielt und teilweise Falschinformationen gab, nur Forderungen stellte, ohne selbst kompromissbereit gewesen zu sein, um dann zu behaupten, die Anmelder seien unkooperativ gewesen?

Frau Kollegin Baba! Der Fragecharakter war nur schwer zu erkennen, aber wir lassen das einmal durchgehen. – Herr Innensenator, fühlen Sie sich befragt? – Bitte!

Frau Kollegin Baba! Vor jeder Veranstaltung dieser Art – es gab viele Anmeldungen für Gegendemonstrationen – finden Kooperationsgespräche bei der Versammlungsbehörde bzw. der Polizei statt. Diese Gespräche – deren Protokolle ich gelesen habe – haben sich dadurch ausgezeichnet, dass offensichtlich auch die Anmelder nicht zur Verlegung ihrer Routen und Ähnlichem bereit waren. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Das heißt, dass es in der Tat Schwierigkeiten gegeben hat, die ich aber nicht meiner Versammlungsbehörde zurechne. Es gab Maximalforderungen der Gegendemonstranten. Ich erinnere nur daran, dass eine Gegendemonstration genau gegenläufig zur rechtsextremistischen Demonstration laufen sollte. Jeder kann sich ausrechnen, dass so etwas nicht funktionieren kann und die Polizei das unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht zulassen kann.

Welche Aufgabe haben meine Mitarbeiter und ich bei solchen Demonstrationen neben der Zulassung der Grundrechte der Beteiligten? – Wir haben die Aufgabe, Krawalle, wie es sie in Hamburg und anderswo gab, zu verhindern. Das ist uns gelungen, und zwar mit verhältnismäßigen Mitteln. Das ist für mich der entscheidende Punkt.

Danke schön, Herr Senator! – Der Kollege Hoffmann möchte eine Nachfrage stellen. – Bitte schön!

Herr Innensenator! Hat nicht der Aufruf der linken Bezirksbürgermeisterin zum zivilen Ungehorsam dazu beigetragen, dass linksextreme Gewalt provoziert wurde?

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Das ist eine Frechheit!]

Welche Schritte plant der Senat, um die Stigmatisierung des Bezirks Lichtenberg zu beseitigen?

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Schämen Sie sich! – Dr. Martin Lindner (FDP): Wo er recht hat, hat er recht!]

Bitte, Herr Senator!

Herr Kollege Hoffmann! Das Traurige ist, dass es sich kein Bezirk aussuchen kann, ob bei ihm die Demonstrationen stattfinden oder nicht. Wir hatten rechtsextreme Demonstrationen in Treptow-Köpenick, Lichtenberg, Neukölln und auch in Charlottenburg. Ich habe viel Verständnis für die Bürgermeisterin von Lichtenberg, wenn sie sagt: Wir wollen die Leute hier nicht haben.