Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Abgeordnete Otto hat das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Soziales Europa“ war gerade das Thema, und nun kommen wir zu dem hoffentlich sozialen Berlin. Berlin ist eine Mieterstadt, und das erfordert eine Politik, die die Mieterinnen und Mieter im Blick hat und die vor allem deutlich langfristig orientiert ist. Darum geht es uns heute mit dem vorliegenden Antrag.
Wenn wir die Entwicklungen der letzten Zeit anschauen, stellen wir fest, dass in vielen Bereichen der Stadt die Mieten gestiegen sind, und zwar stärker, als wir uns das wünschen. Sie sind so stark gestiegen, dass wir dringenden Handlungsbedarf sehen, und deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht. Wir sehen Handlungsbedarf aufseiten der Regierungsbank. Wir wollen Sie auffordern, sich aktiv im Bundesrat für eine Änderung der Mietgesetzgebung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verwenden.
Uns geht es um die soziale Entwicklung des Wohnens in Berlin. Die Mieten im Mietspiegel, der den Markt abbildet, werden wesentlich durch die abgeschlossenen Neuverträge bestimmt. Das Mietpreisniveau wird durch die neuen Verträge angehoben, und die Entwicklung in verschiedenen Teilen der Stadt geht dahin, dass bei Neuverträgen Steigerungen von 20, 30 oder 50 Prozent erhoben werden – ohne Gegenleistung. Das finden wir nicht in Ordnung. Dagegen muss man etwas tun.
Der BBU hat sich daraufhin gleich bei mir gemeldet, und Herr Dr. Lindner hat vorhin in der Fernsehkonferenz davon gesprochen, dass jetzt die energetische Sanierung nicht mehr möglich sei. Aber das sind Nebelkerzen. All das ist falsch. Uns geht es darum, die Mietsteigerungen bei Neuvermietungen zu begrenzen, wo überhaupt keine Verbesserung der Standards stattfindet und wo es lediglich darum geht, etwas mehr aus den Mietern herauszuholen. Dagegen richtet sich unser Antrag, und ich bitte darum, das zur Kenntnis zu nehmen.
Die Mieten für sich genommen geben kein vollständiges Bild der sozialen Wohnsituation in Berlin und des bestehenden Handlungsbedarfs. Dazu muss man auch die Höhe der Einkommen und die Relation zwischen Einkommen und Mieten berücksichtigen. Schauen Sie sich aktuelle Sozialstudien beispielsweise für einzelne Gebiete in Friedrichshain-Kreuzberg oder den Wohnungsmarktbericht der IBB 2007 an! Überall wird belegt, dass die Mieten stärker ansteigen als die Einkommen. Die betreffende Quote steigt, und wir haben teilweise Mietbelastungsquoten von über 30 Prozent, wo noch nicht einmal die Heizkosten berücksichtigt sind. Wir wollen dagegen etwas tun, und ich hoffe, Sie sind dabei an unserer Seite.
Ja, Sie können ruhig klatschen! – Es geht nicht nur um die Nettomieten, sondern wir haben zudem eine Diskussion über die Betriebskosten. Die Heizkosten steigen, die Energie wird teurer. Aber auch das Wasser und die Müllabfuhr sind teurer geworden. Daran ist der Senat nicht ganz unbeteiligt, wenn ich etwa an die Wasserbetriebe denke. Das können wir aber heute nicht im Detail besprehen. c Berlin ist eine mobile Stadt. Wir haben eine Wohnungsfluktuation von etwa 10 Prozent. Das sind nur die Umzüge innerhalb der Stadt. In den Innenstadtbereichen führt das zu den schon beschriebenen Mieterhöhungen, wenn
man einen neuen Mietvertrag abschließen will. Stellen Sie sich folgendes Beispiel vor: Jemand hat eine Drei- oder Vierzimmerwohnung und will vielleicht in eine kleinere Wohnung umziehen, weil die Familie kleiner geworden ist, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Dann stellt er aber fest, dass die Zweizimmerwohnung viel teurer als seine jetzige Wohnung ist. Sie ist u. a. deshalb teurer, weil eine bestimmte Enge im Markt herrscht und der Vermieter sagt: Ich haue noch 50 Prozent drauf, und du musst das jetzt bezahlen! – Das führt dazu, dass Menschen in einer solchen Situation nicht umziehen und große Wohnungen blockieren, in denen z. B. eher Familien mit Kindern sein sollten.
Jetzt kann man fragen, was der Senat unternimmt. Der Senat verweist in aller Regel auf den Mietspiegel und auf die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Ich habe die Stadtentwicklungssenatorin gefragt, wofür die städtischen Wohnungsbaugesellschaften da sind. Sind sie u. a. dafür da, dass man im preiswerten Segment Wohnungen anbietet? Wer wohnt eigentlich bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften? – Sie können die Antwort auf meine Kleine Anfrage gern nachlesen. Es ist keine Kenntnis vorhanden, wer dort wohnt. Man weiß nicht, welche Einkommensschichten und wie viele Transferleistungsempfänger beispielsweise bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften leben. All dies ist völlig unbekannt. Der Senat hat keine Übersicht und will auch gar nicht mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften steuernd eingreifen und beispielsweise für sozial bedürftige Schichten Wohnungen zur Verfügung stellen. Das ist dramatisch, und das ist ein Skandal.
Deshalb komme ich jetzt zum letzten Satz: Das Wohnungsmarktbarometer der IBB sieht im unteren Preissegment die Lage fast in der gesamten Stadt als sehr angespannt an. Auch andere Untersuchungen sagen uns, dass weitere Mietsteigerungen kommen werden – insbesondere im Bereich der preiswerten Wohnungen. Dagegen wollen wir etwas tun. Deshalb werbe ich um Zustimmung zu unseren Antrag. Lassen Sie sich nicht von der FDP einreden, wir seien gegen Modernisierung. Nein! Wir wollen, dass energetisch modernisiert wird.
Aber wir wollen nicht, dass es bei Neuvermietungen ohne Gegenleistungen zu Mieterhöhungen kommt. – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen liegt Ihnen vor. Die Mietsteigerungen bei Neuvermietungen sollen auf 15 Prozent begrenzt werden. Dieser Antrag wird in einer Stadt gestellt, wo der Wohnungsmarkt nach der wohnungswirtschaftlichen Statistik des Bundes insgesamt ein überdurchschnittlich gutes Wohnungsangebot in allen Preissegmenten aufweist. Keiner braucht in dieser Stadt Sorge um seine Wohnung zu haben. Die soziale Mieterstadt ist in Berlin nicht gefährdet, und das lässt sich auch nicht wegdiskutieren.
Allerdings haben die Preissteigerungen, von denen Herr Otto geredet hat, Preissteigerungen bei den Heizkosten, aber auch teilweise im Kaltmietenbereich nach Modernisierungsmaßnahmen in den letzten Monaten Befürchtungen ausgelöst. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich, ob sie ihre Wohnungen auch nach notwendigen Modernisierungen langfristig bezahlen können. Das gilt – und da stimme ich Ihnen zu – insbesondere in den Innenstadtbezirken, in denen eine hohe Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt existiert. Hier liegt die Intention Ihres Antrags: Er zielt auf eine sozialverträgliche Steuerung des Wohnungsangebotes in Ihrem Bezirk. Ich frage Sie: Brauchen wir dazu einen Regelung, die von Flensburg bis Freiburg oder von Aachen bis Frankfurt/Oder reicht? – Ich meine: Nein! – Aber das ist zu diskutieren. Oder benötigen Sie eine Regelung für das Schanzenviertel in Hamburg? – Dort sind die Verdrängungsprobleme weitaus größer, und dort sitzen Sie in der Regierung. Es wäre interessant, von dort zu erfahren, wie man dieses Problem lösen und eine soziale Miete erreichen will. Handeln Sie dort, und spielen Sie nicht über Bande!
Die Intention Ihres Antrags – eine sozial gerechte Steuerung in den Kiezen, den Innenstadtbezirken – nehmen wir ernst. Über dieses Anliegen ist zu diskutieren. Dazu bedarf es zusätzlicher Informationen seitens des Senats. Wie sind die Leerstandszahlen in dieser Stadt? – Liegt die Zahl der leeren Wohnungen bei 100 000, bei 70 000, bei 50 000 oder weit darunter? – Das sind wichtige Daten, die die Politik braucht – die Regierung, die Koalitionsfraktionen, aber auch die Opposition –, um eine behutsame und vernünftige Mietenpolitik anbieten zu können.
Wir setzen auf Stetigkeit. Wir haben deswegen den Mietspiegel, der erst im Jahr 2010 wirken wird, auf eine neue Grundlage gestellt. Ich meine, es ist hervorragend, dass die Mieterverbände und Vermieterverbände sich in dieses Verfahren eingepasst haben und zu einem konsensualen Abschluss gekommen sind. Er wird preisdämpfende Wirkung erzielen. Wir setzen ferner auf die Kappungsgrenze in den Großsiedlungen.
Herr Dr. Arndt! Ist Ihnen bekannt, dass bei einer Neuvermietung der Mietspiegel in aller Regel gar nicht zur Anwendung kommt, sondern dass das frei vereinbart wird – auf Grundlage dessen, was die Vermieter fordern – und die Rückwirkung auf den Mietspiegel erst viel später erfolgt? – Der neue Mietspiegel nützt Ihnen in diesem Zusammenhang überhaupt nichts. Ist Ihnen das bekannt?
Das ist mir bekannt. Trotzdem bietet der Mietspiegel eine Orientierung in diesem Punkt. Das können Sie nicht negieren, und das wird auch der Mieterverein nicht negieren wollen, denn er legt gerade in diesem Punkt ein besonderes Augenmerk auf eine Dämpfung der Spannen. Es geht nicht nur um die Mietentwicklung bei Bestandswohnungen.
Wir werden aber weiterhin die Kappungsgrenzen im sozialen Wohnungsbau auch über das Jahr 2009 weiterführen. Auch das ist eine preisdämpfende Wirkung. Das führt dazu, dass die unteren und mittleren Einkommensbezieher ein gutes Zuhause in dieser Stadt haben werden.
Auch die Grünen sollten sich vor Augen halten, dass wir die energetische Modernisierung der Altbauten vorantreiben müssen. Dem werden Sie zustimmen. Das kam auch in der heutigen Rede Ihrer Fraktionsvorsitzenden zum Ausdruck. Das ist aber ohne private Investoren nicht möglich. Wir müssen also ein Scharnier finden, in dem
beide Akteure, Mieter und Vermieter, in einem Boot sitzen, um sowohl die Modernisierung des Bestandes voranbringen als auch das Mietpreisniveau sozialverträglich gestalten zu können. Es geht jedenfalls nicht so, wie es gegenwärtig in Kreuzberg geschieht: Zwischen Montag und Freitag empfängt der Bezirksbürgermeister Investoren und zeigt denen die Verwertungsmöglichkeiten, und am Sonnabend und Sonntag schickt er die Autonomen auf die Straße, geht mit ihnen an der Spitze vorweg und schreitet gegen die Verdrängungsprozesse ein. Das ist eine inkonsistente Politik bei Ihnen, die wir Ihnen ankreiden.
Als wohnungspolitischer Sprecher der SPD im Berliner Abgeordneten auch im Namen der Fraktion sage ich, dass auch in Zukunft keiner in Berlin Sorge um seine Wohnung haben muss. Das wird auch so bleiben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Arndt! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Stadtkewitz das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Arndt! Es macht immer wieder Freude, Ihnen zuzuhören. Das muss ich ganz ehrlich sagen.
Ich komme zurück zum Antrag. Der Markt ist eine in der Regel funktionierende Waage, in der Angebot und Nachfrage letztlich den Preis bestimmen. Nun sagen Sie in der Begründung Ihres Antrages, dass der größte Teil der mehr als 100 000 Wohnungen in Berlin mangelbehaftet ist. Sie sollten sich aber auch die Frage stellen, warum diese Mängel nicht beseitigt werden. Wenn Sie diese Frage beantworten, werden Sie auch zu dem Ergebnis kommen, dass dies natürlich etwas damit zu tun hat, dass die eine oder andere Maßnahme aufgrund des niedrigen Mietniveaus über den Mietzins in Berlin nicht immer zu refinanzieren ist. Angebot und Nachfrage regeln eben auch dies.
Es geht in Ihrem Antrag zunächst nicht um Bestandswohnungen. Es geht nicht um die Mieter, die in ihren Wohnungen bleiben wollen, sondern es geht in erster Linie um Neuvermietungen. Aber auch hier regeln Angebot und Nachfrage letztlich den Preis. Eine Wohnung kann nur neben bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen zu einem Preis vermietet werden, den auch jemand bereit ist zu bezahlen. Auch wenn es in Einzelfällen – da muss man ehrlich sein, dass es in der Regel nur bei ausgewählten Top-Lagen zutrifft – bei Neuvermietung zu wesentlich höheren Mieten kommt, ist dies insgesamt kein Problem für Berlin.
Deshalb stellt sich die Frage, ob es tatsächlich notwendig ist, dass hier der Gesetzgeber eingreift. Um das zu belegen, sollten wir auf die Zahlen schauen. Sehen wir uns im Vergleich die durchschnittlichen Mieten verschiedener deutscher Städte an. München, das kennen wir und hätten es nicht anders vermutet, liegt auf Platz 1 mit einer Durchschnittsmiete von 11,61 Euro. Das ist eine für Berlin unvorstellbare Zahl. Danach kommen Städte wie Frankfurt, Heidelberg, Köln – auf Platz 9 –, dann kommt irgendwann Greifswald mit 6,04 Euro.
Die Metropole Greifswald, Herr Doering, werden auch Sie kennen; sie liegt auf Platz 43. Irgendwann später kommt Berlin mit einer Durchschnittsmiete von 5,61 Euro und liegt auf Platz 55 und damit noch hinter Bielefeld, Stralsund und Bremen. Das sind Zahlen, die muss man zur Kenntnis nehmen. Man kann sie nicht ignorieren.
Das sind die aktuellen Zahlen aus dem dritten Quartal 2008. Angesichts dieser Zahlen macht sich – das ist meine feste Auffassung – Berlin lächerlich, wenn es sich mit dieser Statistik im Bundesrat für eine solche Initiative stark zu machen versucht.