Protocol of the Session on December 11, 2008

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Seibeld! – Herr Dr. Lederer, Sie haben die Möglichkeit zu antworten. – Bitte sehr!

Liebe Frau Kollegin Seibeld! Eine Kurzintervention dient, glaube ich, dem Zweck, wenn man angesprochen wurde, Dinge richtigzustellen. Das Einzige, was Sie gemacht haben, ist, Ihren Diskussionsbeitrag in ganz kurzer Form zusammengefasst vorzutragen. Und ich kann sagen: Er

überzeugt immer noch nicht mehr, als er vorhin schon nicht überzeugt hat. Ich habe den Antrag wohl gelesen. Wir haben ihn im Ausschuss auch diskutiert. Was die strukturellen Probleme des Vollzugs angeht, empfehle ich Ihnen an dieser Stelle die Lektüre von Foucault und die Befassung mit struktureller Gewalt in Haftanstalten. Das ist gewiss kein Problem des rot-roten Senats und der Berliner Vollzugssituation, sondern ein generelles Problem des Vollzugs in modernen Gesellschaften. An der einen oder anderen Stelle kann das eine oder andere an Reflexion über das, was wir da tun, nicht schaden.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kluckert. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kohlmeier! Zu der deutlichen Mehrheit, mit der Sie den Jamaika-Antrag ablehnen wollen, kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben eine Zweistimmenmehrheit in diesem Parlament. Die ist nicht mal gut, um den Regierenden Bürgermeister im ersten Wahlgang zu wählen. Insofern können Sie gar keine Anträge der Jamaika-Opposition mit deutlicher Mehrheit ablehnen. Sie können sie vielleicht mit ganz knapper Mehrheit ablehnen.

[Beifall bei der FDP]

Ob das Priorität ist oder nicht, das kann jede Fraktion für sich entscheiden. Aber eines ist ganz klar: Auch dieser Antrag ist ein weiterer kleiner Sargnagel für die rot-rote Koalition.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Es ist wieder einmal schade, mit welcher bedenkenlosen Leichtigkeit in der Argumentation die rot-rote Koalition berechtigte Anliegen der Opposition meint ablehnen zu können. Als Ergebnis der Ausschussberatungen kann man festhalten: Die rot-rote Koalition möchte möglichst wenig Einflussnahme auf die Verhältnisse in den Berliner Vollzugsanstalten. Sie möchten lieber Strukturen erhalten, in denen man sich als Justizverwaltung mit den Problemen von Gefangenen und Justizvollzugsbediensteten möglichst wenig befassen muss. Die kleinen Probleme fallen Ihnen auch nicht auf die Füße, bei den großen wenden sich die Gefangenen und Justizvollzugsbediensteten ohnehin viel lieber vertrauensvoll an Presse, Funk und Fernsehen als an offizielle Stellen. Wie sonst kann man die Einlassungen der Kollegen Dr. Lederer und Dr. Felgentreu im Ausschuss verstehen, die sagten, es gebe bereits Kommunikationswege und diese reichten aus. Mit diesen bestehenden Wegen meinen sie den Berliner Vollzugsbeirat, die Vollzugsbeiräte der einzelnen Anstalten, Abgeordnete, den Petitionsausschuss und den Rechtsweg. Der Rechtsweg jedoch ist am wenigsten geeignet, ein gedeihliches Verhältnis zwischen den Beteiligten zu erreichen. Er trägt vielmehr dazu bei, die Konfrontation zu verstär

ken. Aber auch der Petitionsausschuss und die einzelnen Abgeordneten sind kaum in der Lage, regulärer und ständiger Ansprechpartner für Gefangene und Justizvollzugsbedienstete zu sein. Angesichts der von der Exekutive zu lösenden Probleme kann das Berliner Abgeordnetenhaus doch nicht der Reparaturbetrieb für den Strafvollzug sein.

[Beifall bei der FDP]

Allenfalls die Vollzugsbeiräte können als reguläre und ständige Ansprechpartner für die Gefangenen betrachtet werden. Gerade darum geht es uns. Wir wollen an diese bestehenden Strukturen anknüpfen und sie fortführen. Gerade deshalb haben wir im Ausschuss eine Anhörung beantragt, die die Koalition abgelehnt hat. Sie haben damit wiederum ihr Desinteresse an diesem Thema bewiesen.

[Beifall bei der FDP]

Ich halte es für sehr wichtig, mit einem Strafvollzugsbeauftragten eine Stelle zu schaffen, die aus Sicht der Anstalt und der Vollzugsbediensteten keine Gefangenenvertretung ist. Auf der anderen Seite wiederum darf der Vollzugsbeauftragte aus Sicht der Gefangenen kein Teil der Justizverwaltung sein. Diese neutrale Stellung ist wichtig, um auf allen Seiten Akzeptanz zu erreichen.

Unser Antrag beruht auf einem Modell aus NordrheinWestfalen. Es ist richtig, dass dieses Modell eingeführt worden ist, nachdem ein schrecklicher Mord in Siegburg geschehen ist. Es ist aber genauso falsch, meine Damen und Herren von der Koalition, unseren Antrag nur deshalb abzulehnen, weil es in Berlin solch einen Vorfall nicht gegeben hat. – Frau Präsidentin! Der Abgeordnete Lux möchte eine Zwischenfrage stellen.

Wenn Sie das erlauben, hat er dazu jetzt die Gelegenheit. – Bitte sehr!

Danke sehr, Frau Präsidentin! – Herr Dr. Kluckert! Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb die rot-rote Koalition unseren Antrag ablehnt, nachdem wir so lange im Rechtsausschuss die Probleme des Vollzugs diskutiert und gemerkt haben, dass eigentlich alle bestehenden Institutionen und Möglichkeiten nicht ausreichend geeignet sind, um sie zu lösen? Was ist aus Ihrer Sicht der wirkliche Grund der Koalition, diesen Antrag abzulehnen?

Der eigentliche Grund lautet, dass sich die Koalition wie im Kindergarten aufführt und – darauf ist bereits hingewiesen worden – die Koalition generell Anträge der Opposition ablehnt. Wahrscheinlich werden sie in einem halben Jahr mit Vorschlägen kommen und behaupten, die seien alle von ihnen.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das gibt es sonst ja in keinem anderen Parlament!]

Letztlich glaube ich, dass sich die Koalition diesem Problem nicht verschließen kann.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dirk Behrendt (Grüne) und Benedikt Lux (Grüne)]

Gerade weil Sie einen Beitrag dazu leisten müssen, Vorfälle in den Berliner Anstalten auf ein Minimum zu reduzieren, müssen Sie darauf setzen, dass Konflikte auf dem Weg der Vermittlung und der Mediation gelöst werden. Deshalb habe ich gute Hoffnung, dass sich die Koalition nach einigem Zeitablauf, lieber Herr Lux, unseren guten Vorschlägen anschließen wird.

[Beifall bei der FDP]

Meine Damen und Herren! Soeben hat uns als Präsidium seitens der SPD-Fraktion der Wunsch erreicht, dass es eine namentliche Abstimmung geben soll. Ich erteile zunächst Herrn Gaebler das Wort. – Bitte sehr!

Danke! – Wir beantragen namentliche Abstimmung, da Herr Kluckert uns eben mitgeteilt hat, wie viele Stimmen Mehrheit wer hier hat. Das werden wir bei der Abstimmung demonstrieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP]

Ich bitte zunächst darum, dass die Mitglieder des Präsidiums nach vorn kommen. Es ist alles etwas überraschend.

Vorlesen wird Frau Abgeordnete Müller. Wir sind dabei, die Tische aufzustellen. Ich bitte um etwas Geduld, aber höchste Konzentration. – Herr Abgeordneter Gaebler, kommen Sie bitte noch einmal zum Präsidium! – Meine Damen und Herren! Wir haben noch etwas mit den Vorbereitungen zu tun. Es gab auch einige Irritation, worüber abgestimmt wird. Wir stimmen über die Drucksache 16/1609 ab.

Ich verlese noch einmal die Regularien. Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen. – Das ist passiert. Die Beisitzerinnen und Beisitzer sind vorn. Den Namensaufruf wird Frau Abgeordnete Müller vornehmen. Die Stimmkarten werden Ihnen ausgegeben. Ich weise ausdrücklich noch einmal darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist. Sie finden vier Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind. Eine Urne für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen, eine Urne für die Enthaltungen und eine Urne für die beiden nicht benötigten restlichen Karten und die nicht mehr benötigten Umschläge, in denen die drei Stimmkarten ausgegeben werden.

Ich bitte Frau Müller, die Namen zu verlesen. Ich wiederhole, es geht um die Drucksache 16/1609 „Vollzugsbeauftragte für den Strafvollzug einsetzen“. – Bitte sehr Frau Müller!

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Nachdem nun jeder die Gelegenheit hatte abzustimmen, fahren wir in der Tagesordnung fort.

Ich rufe als Priorität der Linksfraktion unter dem Tagesordnungspunkt 14 auf:

lfd. Nr. 4 c:

Beschlussempfehlung

EU-Sozialpaket grundlegend überarbeiten

Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra Drs 16/1939 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1840

Für die Beratung steht jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die mitantragstellende Linksfraktion. Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Abgeordnete Michels. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Henkel hat heute Mittag in diesem Haus konstatieren wollen, dass sich Rot-Rot angeblich in der europapolitischen Isolation befinde.

[Zuruf von der CDU: So ist es!]

Mit diesem Antrag beteiligen wir uns aktiv an der öffentlichen Debatte um die Zukunft der Europäischen Union, wie wir das im Übrigen auch bisher getan haben.

[Mirco Dragowski (FDP): Wann und wo?]

Unter der französischen Ratspräsidentschaft wurde vor einigen Monaten der Anspruch formuliert, das Jahr 2008 zum „Jahr der Reaktivierung des sozialen Europas“ werden zu lassen. Das war ein längst überfälliger und wichtiger Anspruch.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Nunmehr hat die Europäische Kommission ein Sozialpaket vorgelegt, das dieses Ziel konkretisieren soll. Allerdings bleiben die Vorschläge weit hinter diesem Anspruch zurück. Das Paket besteht aus 18 Dossiers mit unkonkreten Zielstellungen und lediglich drei Gesetzesvorschlägen.

Mit unserem Antrag wollen wir uns in die öffentliche Debatte einbringen und verdeutlichen, welchen Handlungsbedarf wir zur Veränderung innerhalb der Europäischen Union sehen. Wir wollen ein Europa, dessen Ziel es ist, soziale Sicherheit für die Unionsbürgerinnen und -bürger zu garantieren, ein Europa, das klar und unmissverständlich soziale Mindeststandards vorgibt und sich dabei nicht nach unten orientiert. Die Linke im Europäischen Parlament und im Bundestag fordert deshalb die Einführung

einer sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Verträge. Mit unserem Antrag schlagen wir konkrete Veränderungen bei der weiteren Bearbeitung des Sozialpaketes der EUKommission vor:

Zum Ersten: Der europäische Binnenmarkt muss ein Mindestmaß an sozialem Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bieten.

[Beifall bei der Linksfraktion]