Protocol of the Session on November 27, 2008

[Beifall bei der CDU]

Das ist eine Posse. Jeder, der heute zum BKA-Gesetzentwurf spricht, muss darauf hinweisen, denn etwa zwei Jahre hat die große Koalition aus Union und SPD im Bund über diesen Gesetzentwurf beraten.

Ich will Ihnen noch ein paar andere Zahlen nennen: Bereits im Koalitionsvertrag von Union und SPD im Jahr 2005 stand geschrieben, dass man dem BKA präventive Befugnisse zur Terrorbekämpfung einräumen will. Dann wurden grundgesetzliche Kompetenzen durch die Föderalismuskommission I geschaffen, durch die klargelegt worden ist, dass das BKA in diesem Bereich tätig werden

soll. Jetzt fällt der SPD ein, dass dies doch nicht geht. Ich empfinde das als staatspolitisch unverantwortlich.

[Beifall bei der CDU]

Ohne auf aktuelle Ereignisse eingehen zu wollen, denke ich, dass wir nicht die Zeit haben, weitere Verzögerungen zu akzeptieren. Es ist aus meiner Sicht angesichts des allgegenwärtigen internationalen Terrorismus unverantwortlich, hier eine Verzögerung zu betreiben.

[Beifall bei der CDU]

Ein Gesetz, liebe Damen und Herren der SPD, an dem zwei Jahre gemeinsam gearbeitet wurde, jetzt zu blockieren, das bedeutet nicht nur, dass Sie Ihren eigenen Genossen in den Rücken fallen, sondern es stellt gerade angesichts der Vorgeschichte eine aus meiner Sicht kaum noch vertretbare Verzögerung dar.

[Beifall bei der CDU]

Wollen wir einmal betrachten, wie andere das beurteilen, nicht wie der Christdemokrat Sven Rissmann das sieht, sondern was zum Beispiel Ihr SPD-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, Herr Peter Struck, dazu sagt – er darf bald gehen, er will nicht mehr in den Bundestag und kann sich insofern vielleicht etwas offener äußern. Er sagt: Das Gesetz ist gut. Es trägt sozialdemokratische Handschrift. – Er sagt weiter, das Nein zu diesem Gesetzentwurf im Bundesrat ist ärgerlich und unbegründet. Die Kritik an den neuen Kompetenzen des BKA ist eher emotional als rational.

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege Rissmann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kohlmeier?

Heute nicht, lieber Herr Kohlmeier! Ich möchte diesmal gern im Zusammenhang sprechen.

[Lars Oberg (SPD): Das wäre das erste Mal!]

Dann fahren Sie bitte fort!

Das können Sie auch in der „Berliner Zeitung“ nachlesen. Lesen bildet bekanntermaßen.

Was sagt der Präsident des BKA, Herr Jörg Ziercke? – Er warnt: Weitere Kompromisse, gerade bei der Onlinedurchsuchung, würden das Instrument im Grunde unbrauchbar machen. – Was sagen Sie dazu, meine Damen und Herren von der SPD? Hat er unrecht? Was sagt Ihre Bundestagsfraktion in ihrer Gesamtheit dazu? Auf ihrer Homepage steht unter dem Datum vom 14. November 2008:

Die Entscheidung, dem BKA in bestimmten Fällen im Bereich des internationalen Terrorismus die Kompetenz zur Gefahrenabwehr einzuräumen, wurde im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes umgesetzt. Insgesamt sind wir auch beim BKA-Gesetz unserer Linie der Sicherheitspolitik mit Augenmaß treu geblieben. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit bleibt gewahrt.

Dem kann ich eigentlich kaum etwas hinzufügen!

[Beifall bei der CDU]

Irrt sich Ihre Bundestagsfraktion? Und was heißt dies eigentlich im Umkehrschluss, lieber Herr Kohlmeier, wenn Ihre Bundestagsfraktion sagt, diese Entscheidung sei im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes getroffen worden, für die Politik dieses Senats? Denken Sie einmal darüber nach!

[Beifall bei der CDU]

Ich kritisiere nicht, dass die SPD ein peinliches Schauspiel bietet. Ich habe ein wenig Mitleid, das Ihr Selbstzerlegungsprozess noch nicht aufgehört hat. Machen Sie ruhig weiter, das kritisiere ich nicht!

[Unruhe bei der SPD]

Ich kritisiere, dass Sie wertvolle Zeit verspielen, und ich erlaube mir, den Innensenator und die Kollegen der SPD daran zu erinnern, dass für den Fall der Verhinderung des BKA-Gesetzes durch die Länder diese für die Abwehr von Gefahren aus dem Bereich des internationalen Terrorismus zuständig bleiben. Ich frage Sie: Können Sie und wollen Sie diese Verantwortung tragen?

[Beifall bei der CDU]

Wollen Sie darauf beharren? Ist es nicht vielmehr so, dass § 4a des BKA-Gesetzentwurfes deutlich festlegt, dass das BKA lediglich – nur und von vornherein – auf die Fälle terroristischer Gefahrenabwehr beschränkt wird?

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege Rissmann!

Meine Damen und Herren von der SPD! Ich ermahne Sie, unsere Freiheitsrechte, die Freiheitsrechte unseres Rechtsstaates, brauchen den Schutz durch den Rechtsstaat, wenn sie dauerhaft Bestand haben sollen. Liebe Sozialdemokraten! Da ist ein solches Gesetz besser, als – wie der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily es tat – Onlinedurchsuchungen ohne jede gesetzliche Grundlage durchzuführen. Ich appelliere an alle: Es gibt eine gemeinsame Verantwortung –

Herr Kollege! Bitte kommen Sie zum Schluss!

des Bundes und der Länder für die Sicherheit in unserem Land. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie diese Verantwortung wahr!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion spricht jetzt Frau Seelig. – Bitte schön, Frau Seelig, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Rissmann! Die Länder haben die Gefahrenabwehr in den letzten Jahren sehr gut realisiert, auch da, wo es um Terrorismus ging. Da waren in der Bundesrepublik durchaus einige Erfolge zu verzeichnen. Soweit ich weiß – es ist nicht meine Aufgabe, für die SPD zu sprechen –, ist deutlich publiziert worden, was der Innensenator dazu gesagt hat. Auch er, der auf die klare Abgrenzung zum BKA-Gesetz dringt, hat diese Einschätzung geteilt.

Ich finde überhaupt, dass die Fraktion der FDP in etlichen Punkten mit ihrem Antrag offene Türen einrennt,

[Beifall bei der FDP]

denn sowohl Innensenator Körting als auch Justizsenatorin von der Aue haben erklärt, dass sie dem BKA-Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen werden. So steht es auch in unserem Antrag.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Der gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktionen unterstützt diese Position. Ich weiß nicht, was Sie mit dem erst von den Grünen dann von Grünen und FDP gemeinsam eingebrachten Antrag

[Mirco Dragowski (FDP): Sie sind entschieden unentschieden!]

wollen, ob Sie uns in eine Ecke drängen wollen. Ich sage Ihnen gleich, das wird Ihnen nicht gelingen. Die von der SPD-Seite genannten Gründe für die Ablehnung halten wir auch für sehr gravierend und teilen sie. Das ist die Forderung, dass bei der Durchsuchung privater Computer auch in Eilfällen grundsätzlich ein Richter die Durchsuchung anordnen muss, das ist die Ablehnung von FBIBefugnissen des BKA – darüber sprach ich gerade – und die Stärkung der dezentralen Länderkompetenzen bei der Gefahrenabwehr, und das ist die Korrektur der Einschränkung beim Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten. Das sind drei gewichtige Gründe, und es geht in die richtige Richtung, wenn die SPD aus dieser Position heraus dem BKA-Gesetz nicht zustimmen will.

Wenn solche Anträge von der Opposition kommen, fragt man sich stets, was sie bewirken sollen. Sie sollen vermutlich entlarven, dass die Koalitionspartner auch einmal unterschiedliche Positionen vertreten. Es gibt auch keinen Grund, das zu leugnen. In der Konsequenz lehnen wir als Linke das BKA-Gesetz ab, sollte der Vermittlungsausschuss auch den Bedenken der SPD Rechnung tragen – obwohl sie, wie gesagt, in die richtige Richtung gehen und eine Verbesserung aufweisen.

Wir halten die Änderung der Sicherheitsarchitektur zugunsten einer Zentralbehörde für Gefahrenabwehr für nicht akzeptabel. Das verwischt im Übrigen die Grenze zu den Geheimdiensten ein weiteres Mal und führt auch ganz praktisch nicht zu einem Mehr an Sicherheit, sondern begünstigt Kompetenzwirrwarr und damit Verzögerungen bei der Abwehr tatsächlicher Gefahren. Darüber muss man sich bei der immer größer werdenden Datensammelwut in diesem Land im Klaren sein. Es ist auch nicht so, wie immer suggeriert wird, dass das BKA vor Verabschiedung des Gesetzes nicht auch schon gefahrenabwehrende Befugnisse gehabt hätte. Sie sind regelmäßig bei den §§ 129a zum Tragen gekommen. Meines Erachtens sind sie sogar nur dafür geschaffen worden. Allerdings hat dabei bisher die Generalbundesstaatsanwaltschaft die Federführung inne gehabt. Welche Rolle soll sie eigentlich jetzt spielen? – Auch das ist nicht geklärt.

Nein, im Bereich der inneren Sicherheit ist uns in den letzten Jahren nichts erspart geblieben. Ich finde, die Onlinedurchsuchung ist dabei ein weiterer Höhepunkt, bei dem der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ad absurdum geführt wird und jedes Vertrauen in den Rechtsstaat unterminiert wird, wenn möglicherweise – und das ist das Szenario – über amtliche E-Mails – z. B. vom Finanzamt – Trojaner – das ist ja eigentlich ein kriminelles Mittel! – in die privaten Computer von Bürgerinnen und Bürger einschleust werden.

Meine Damen und Herren von der FDP! Die Begründung Ihres Ursprungantrags ist durchaus sachgerecht, und es würde Sie ehren, wenn Sie da, wo Sie Verantwortung tragen, auch dabei bleiben würden. Versuchen Sie es einmal in Bayern!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Allerdings waren Sie es, die trotz heftiger Bedenken während Ihrer Regierungsbeteiligung im Bund dem Großen Lauschangriff zugestimmt haben.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Meine Damen und Herren von den Grünen! An die sogenannten Otto-Pakete unter Ihrer Regierungsbeteiligung ist schon kurz erinnert worden. Ich weiß nicht, warum Sie sich in dieser Art und Weise gerieren! Wir können nur klar und deutlich feststellen: Wir haben mit dem Koalitionspartner SPD Gemeinsamkeiten, wie sie sich in unserem Antrag widerspiegeln. Wir haben Differenzen, wo wir als Linke das BKA-Gesetz grundsätzlich infrage stellen. Dafür gibt es Koalitionsregeln, an die man sich hält.

Wir sind – anders als die Opposition in anderen Zusammenhängen wie z. B. dem Europa-Vertrag – immer der Meinung, dass solche Absprachen Geltung haben. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion]