Protocol of the Session on November 27, 2008

Ehrenamt und keine ausreichende Förderung in Berlin

Bitte schön, Herr Statzkowski!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage den Berliner Senat:

1. Wie bewertet der Senat von Berlin die Ergebnisse der ersten bundesdeutschen Ehrenamtsstudie, nach der Berlin den 96. und somit vorletzten Platz im bundesdeutschen Vergleich belegt, im Kontext zu den vielfältigen und dringend benötigten Aufgaben, die in Berlin durch Ehrenamtliche wahrgenommen werden könnten?

2. Welche Ideen hat der Senat über die vorhandenen Angebote hinaus, um das Ehrenamt in Berlin attraktiver zu gestalten?

Danke schön, Herr Kollege! – Die Sozialsenatorin, Frau Dr. Knake-Werner, hat das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Statzkowski! Ihre Frage bezieht sich offensichtlich auf den Engagementatlas 2009, der gerade aufgelegt worden ist. Dieser hat das bürgerschaftliche Engagement zum Thema und geht damit weit über das traditionelle Ehrenamt hinaus. Es gibt eine Menge Inhalte in dieser Studie, über die es lohnte, miteinander zu diskutieren. Dem Ranking allerdings fehlt es an Plausibilität. Weil Sie aber genau danach gefragt haben, konzentriere ich mich in meiner Antwort auf diesen Aspekt. Nach den vorliegenden Daten liegt Berlin im Ranking der Regionen auf dem vorletzten Platz, wenn man den Anteil bürgerschaftlich engagierter Menschen zugrunde legt. Legt man jedoch die im Monat ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden zugrunde, dreht sich das Ergebnis um: Berlin liegt dann nach Bremen auf dem zweiten Platz. Es bietet sich an, manchmal ein bisschen genauer hinzusehen.

Der Engagementatlas ist keineswegs die erste Studie zu diesem Thema, vielmehr gibt es seit einigen Jahren einen Freiwilligensurvey. Danach hat sich die Beteiligung am ehrenamtlichen Engagement in den letzten Jahren um 6 auf 28 Prozent im Jahr 2004 in Berlin erhöht. Die von Ihnen zitierte Studie weist Berlin mit einem Prozentanteil von 18,6 aus. Das dritte Freiwilligensurvey wird gerade vorbereitet. Ich glaube nicht, dass der Anteil bürgerschaftlichen Engagements in Berlin seit 2004 um fast

10 Prozent gesunken ist. Alle mir zur Verfügung stehenden Zahlen besagen etwas anderes. Auch die Träger und Organisationen, die mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, haben einen anderen Eindruck. Allein die Zahlen des Paritätischen Wohlfahrtverbandes weisen aus, dass die Zahl der Ehrenamtlichen um knapp 25 Prozent gestiegen ist. Im Rahmen der Sozialprojekte des Ligavertrages sind allein in einem Jahr 700 Freiwillige zusätzlich gewonnen worden. Damit sind 2 700 Ehrenamtliche allein dort ausgewiesen, das haben die Ligaverbände gerade in ihrer Leistungsbilanz dargestellt.

Darüber hinaus habe ich begründete Zweifel an der Güte der Stichprobe. Wenn in Berlin 499 Bürger befragt worden sind, sind das genau so viele wie in Münster, Bochum oder Regensburg. In München hingegen waren es 1 059, in Hamburg 500, in Magdeburg 859. Ich weiß nicht, wie auf dieser Grundlage Vergleiche hergestellt werden können.

Besonders kritisch sind aus meiner Sicht die in der Studie aufgeführten zentralen Indikatoren zu bewerten, die die Grundlage für die Engagementquote sind. Die wichtigsten sind die folgenden:

1. Je höher die Zahl der Kirchenmitglieder ist, desto größer ist das Engagement. Dabei werden jedoch nur evangelische und katholische Kirchenmitglieder gezählt. Es kommen dabei weder Muslime noch Menschen jüdischen Glaubens vor.

2. Je kleiner die Gemeinde, desto größer das Engagement, weil Großstädte – hier zitiere ich die Studie – „umfassende urbane Infrastruktur, die zahlreiche Engagementangebote wie Theater, Sport, Musik, Bildung in professionalisierter und kommerzieller Form abdeckt“, anbieten.

3. Je schlechter die Betreuungsquote, desto größer das Engagement. Das bezieht sich auf Betreuungsangebote für unter Dreijährige und der Vier- bis Sechsjährigen.

4. Je wohlhabender eine Region, desto höher ist das Engagement.

Zusammenfassend: Die Stärken Berlins liegen weder bei der Zahl der Kirchenmitglieder noch bei wohlhabenden Regionen. Aber mit unseren Kitabetreuungsangeboten und der kulturellen Vielfalt sind wir zu gut für diese Studie.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Damit verliert die Studie ihren Wert, den sie möglicherweise für die inhaltliche Debatte haben könnte.

Weil Sie nach Ideen und Strategien zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements fragen, will ich Ihnen ein Beispiel nennen. In der Studie wird deutlich, dass gerade die neuen Formen des bürgerschaftlichen Engagements sich vor allem in Großstädten finden lassen. Innovative Projekte beispielsweise sind auch in Berlin ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Z. B. über freiwillige Dienste, Kom

petenz und Qualifizierung im bürgerschaftlichen Engagement zu befördern. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert Berlin seit August 2008 ein gemeinsames dreijähriges Projekt zur Qualifizierung von Migrantenorganisationen zu Trägern des Freiwilligen Sozialen Jahrs und des Freiwilligen Ökologischen Jahrs mit dem Ziel, Migrantenorganisationen selbst als Träger und Akteure der Freiwilligenarbeit zu etablieren. In ähnlichen Projekten wird es darum gehen, die Potenziale älterer Menschen für das bürgerschaftliche Engagement zu qualifizieren und Freiwilligendienste auch für die der anderen Generationen zu befördern. Dies eröffnet zusätzliche Möglichkeiten für die freiwillige Arbeit. Das alles neben einer guten Infrastruktur, die wir in Berlin selbstverständlich seit vielen Jahren vorhalten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Statzkowski. – Bitte schön!

Frau Senatorin! Wie können Sie erklären, dass eine mit Berlin zu vergleichende Stadt wie Hamburg in dieser Studie der Prognos AG in allen Feldern, die Sie beschrieben haben, deutlich besser abschneidet als das Land Berlin? Inwieweit sind die schwarz-grünen Maßnahmen des Hamburger Senats nicht doch für Sie ein Vorbild, an dem sich Berlin orientieren könnte?

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sonderwunsch eines einzelnen Herren!]

Frau Senatorin Knake-Werner – bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Herr Statzkowski! Ich empfehle Ihnen doch noch einmal zu gucken, von wann die erhobenen Daten sind.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Nach meiner Kenntnis gibt es den schwarz-grünen Senat noch nicht ganz so lange.

Es geht aber darum, was in Berlin passiert. Ich kann Ihnen noch einmal versichern: Der Anteil dessen, was von den Wohlfahrtsverbänden, dem Landessportbund und anderen Organisationen gemeldet wird, ist deutlich höher als das, was in der Studie ausgewiesen ist. Es wird bei uns inzwischen von einer Größenordnung zwischen 850 000 und 900 000 Menschen ausgegangen, die in Berlin freiwillig und ehrenamtlich arbeiten. Das hat viel damit zu

tun, dass wir in den letzten Jahren in der Tat eine gute Infrastruktur geschaffen haben. Dies ist geschehen mit den Stadtteilzentren, wo wir gerade mit der neuen Förderperiode des ESF noch einmal ausdrücklich die Arbeit für das bürgerschaftliche Engagement verstärkt haben.

Mit dem Treffpunkt Hilfsbereitschaft, mit den bezirklichen Freiwilligenagenturen gibt es kleinräumige Strukturen, um die ehrenamtliche Arbeit zu fördern. Sie ist auch uns wichtig, wegen des demografischen Wandels, der ebenfalls in der Studie erwähnt wird, und vieler anderer Erfordernisse. Diese sind aus unserer Sicht unverzichtbar für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft, insbesondere dann, wenn es darum geht, zusätzliches Engagement zu gewinnen und dies in Bereichen zu tun, wo es menschliche Nähe und Mitmenschlichkeit braucht. Genau das leisten die freiwillig Engagierten. Das ist auch für Berlin ein wichtiges Gut. Genau das fördern wir auch!

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Villbrandt – bitte schön, Frau Kollegin!

Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Wir wissen, dass sich heute vor allem erwerbtätige Menschen engagieren. Denken Sie nicht, dass es an der Zeit ist, sich zu überlegen, wie man auch erwerbslose Menschen unterstützt, sich ehrenamtlich zu engagieren – auch wenn Senator Sarrazin das nicht will?

Frau Senatorin Knake-Werner – bitte schön!

Es hat sich bereits bei der ersten Diskussion gezeigt, dass ich hierzu eine völlig andere Auffassung habe. Ich bin selbstverständlich der Meinung, dass sich auch nicht erwerbstätige Menschen in das Ehrenamt begeben sollten, dass sie freiwillig tätig sein sollten, was im übrigen auch sehr viele tun. Denn ihnen ist bewusst, dass dies für sie die Chance ist, am Ball zu bleiben, sich weiterzuqualifizieren, dazuzulernen, neue Kompetenzen zu erwerben. Das haben viele verstanden, und sie engagieren sich zum Beispiele häufig im Anschluss an eine Maßnahme. Sie bleiben dann häufig in dem Projekt, das sie zuvor hauptamtlich betreut haben, um die Arbeit weiterzumachen und die soziale Kompetenz, aber auch ihre Kenntnisse und Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Das unterstützen wir, weil wir es für gut und richtig halten.

Danke schön!

Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage des Kollegen Liebich von der Linksfraktion zu dem Thema

Rückforderung von Fördermitteln wegen des Wegzugs von SAT1

Bitte schön, Herr Liebich!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Trifft es zu, dass der Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Harald Wolf, in den Gesprächen mit ProSiebenSAT1 wegen der Verlagerung von SAT1 aus Berlin nach Bayern eine Rückforderung von Fördermitteln erwogen hat?

2. Wenn ja, welche Reaktionen vonseiten des Unternehmens mit Blick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen in Berlin zeichnen sich ab?

Das Wort zur Beantwortung hat der Senator für Wirtschaft, Herr Wolf. – Bitte schön, Herr Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zutreffend, dass ProSiebenSAT1 für den Ausbau des Standortes Oberwallstraße GA-Förderung erhalten hat. Die Bindungsfristen für diese GA-Förderungen laufen für eine Tranche bis Ende 2011, für die zweite Tranche bis Ende 2012. Einem Antrag des Unternehmens, diese Bindungsfristen auf die im Rahmenplan vorgeschriebene Mindestbindungsfrist von fünf Jahren zu reduzieren, haben wir im Jahr 2007 nicht stattgegeben, sodass diese Bindungsfristen unvermindert weiterlaufen.

Ich – genauso wie der Regierende Bürgermeister – habe in Gesprächen mit dem Unternehmen deutlich gemacht, dass es eine Rückforderung von unserer Seite geben wird, es sei denn, es gibt vonseiten des Unternehmens neue verbindliche Zusagen zum Erhalt und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Berlin.

Nach dem gegenwärtigen Diskussionsstand sollen in Berlin die Zentralredaktion mit 89 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbleiben. Sie produziert das Frühstücksfernsehen und die aktuellen Formate von SAT1. Des Weiteren soll die Produktionssparte PSP in Berlin bleiben. Das umfasst zurzeit 232 Stellen bzw. Vollzeitäquivalente. Wenn man die Teilzeitbeschäftigen hinzurechnet, reden wir gegenwärtig über 273 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wir haben gleichzeitig gesagt: Wenn die Präsenz von SAT1 am Standort Berlin reduziert ist, wollen wir gleichzeitig eine Verlängerung der Standortgarantie. Gegenwärtig ist eine Verlängerung bis 2015 im Gespräch, das heißt, dass wir uns um die Verlängerung der Garantie bemühen,

ohne dass wir – falls diese Frist nicht eingehalten wird – auf die Rückforderung verzichten.

In den Gesprächen geht es auch darum, dass die SAT1Gruppe ihre Produktion in Berlin aufrecht erhält. Das ist wichtig, da SAT1 ein wichtiger Auftraggeber zum Beispiel von Studio Berlin ist. Wir sprechen mit SAT1 gegenwärtig darüber, dass sie ihre Quote an Produktionen in Berlin aufrecht erhalten. Diese Gespräche sind bisher gut verlaufen. Sie sind noch nicht endgültig abgeschlossen, aber dies ist der Korridor, in dem wir uns gegenwärtig bewegen. Das würde bedeuten, dass ca. die Hälfte der Arbeitsplätze von SAT1 in Berlin erhalten bleiben.

Eine Nachfrage des Kollegen Liebich ist nicht gewünscht.

Damit kommen wir zur Frage der Kollegin Elfi Jantzen von der Fraktion der Grünen zum Thema