Nun zu unserem Finanzsenator! Hier, sagt er, komme alles zu spät. Konjunkturprogramme nützten nichts; sie griffen immer erst dann, wenn die Konjunktur wieder angesprungen sei. Gleichzeitig fordert er auf Bundesebene milliardenschwere Konjunkturprogramme für die Verkehrsinfrastruktur. Diese haben wirklich einen Vorlauf von fünf bis sieben Jahren, nicht aber die kleinteiligen Sanierungen, die hier in Berlin anstünden und die sowieso notwendig sind, wo wir also nicht um zusätzliche Maßnahmen, sondern um das Vorziehen von Maßnahmen diskutieren. Und Gebäude kann man sehr schnell anfangen zu sanieren.
Das Land Berlin wird voraussichtlich, wie gesagt, 600 Millionen Euro Jahresüberschuss haben. Davon sind 90 Millionen Euro aus nicht verausgabten Investitionsmitteln. Es ist angesichts der Wirtschaftslage ein Skandal, dass die Berliner Landesverwaltung seit Jahren nicht dazu in der Lage ist, die vorhandenen Investitionsmittel auch wirklich umzusetzen und auszugeben.
Unsere Infrastruktur verfällt, und die Verwaltungen sitzen auf dem Geld, weil die Bürokratie nicht funktioniert. Wer dieses Geld jetzt nicht für ein Klimaschutz- und ein kleines Landeskonjunkturprogramm nutzt, der gibt seinen Anspruch auf aktive Gestaltung in der Politik auf. Ein besinnungsloses, rein kameralistisches Abwickeln der Mittel in das Schuldenloch – das ist Buchhaltermentalität, aber keine Politik. Sowohl der Klimaschutz als auch die wirtschaftliche Krise brauchen aber ein beherztes politisches Gegensteuern, und deswegen müssen wir diese Mittel nutzen.
Danke schön, Herr Kollege Schruoffeneger! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Dr. Lindner, der Fraktionsvorsitzende, das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht erfahren, dass bei den Bussen der BVG brutale Angriffe insbesondere auf Busfahrer gestartet werden. Wir haben alleine von Januar bis September 91 Übergriffe auf die Kraftfahrer der BVG erlebt. Nicht unbedingt die Anzahl nimmt zu. Aber die Radikalität und Brutalität dieser Taten ist immer wieder erstaunlich und verabscheuenswürdig.
Heute lesen wir in der „Berliner Zeitung“: Die Sicherheitsleute fühlten sich unsicher. Securitas will von der BVG mehr Geld, weil es so viele Angriffe auf ihre Mitarbeiter gebe. Ich erinnere mich an die Sendung „Klipp und klar“ des RBB vom 4. März. Da hatten wir die Diskussion um das Thema „Die Angst fährt mit – brutale Gewalt in Bus und Bahn.“ Was sagten da meine ebenfalls eingeladenen Kollegen Müller und Bluhm zu dem Thema? – Kollege Müller, Sie sagten, das sei ein gemeinsames Problem der Politik und der BVG. Sie haben verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen: Passanten, die Hilfe holen, seien wichtig, ebenso ein zusätzlicher Schutz des Fahrers durch eine Glasscheibe im Kopfbereich. Mehr Personal und gemischte Streifen waren Ihre Vorschläge, und auch, ich zitiere: Menschen, die Arbeit suchen und die wir über Arbeitsamtmaßnahmen bezahlen. Also: Hartz-IV-Empfänger zum Schutz der Busfahrer.
Die Kollegin Bluhm hat Ihnen da leicht widersprochen und gesagt, es sei nicht Sache der BVG, sondern ausschließlich Sache des Landes Berlin, hier tätig zu werden. Verkehrsbegleiter aus dem öffentlichen Beschäftigungssektor – das haben Sie, Frau Kollegin Bluhm, vorgeschlagen – könnten von 500 auf 2 000 aufgestockt werden. Dann haben Sie noch die Zivilgesellschaft bemüht.
Was ist in der Zwischenzeit denn passiert? Was haben Sie, Kollege Müller, und Sie, Kollegin Bluhm, für ein Follow-up für Ihre Vorschläge gehabt, die eh schon naiv und dürftig genug waren? – Das sage ich Ihnen: Nichts ist passiert, und darüber wollen wir heute in der Aktuellen Stunde reden: über Ihr vollkommenes Versagen beim Schutz der Busfahrer und der Mitarbeiter der BVG und der Passanten.
Es wäre wirklich einmal interessant zu hören, was an Initiativen auf diese Klipp-und-klar-Sendung von Ihnen eingebracht wurde.
Das zweite Thema, das sich damit verbindet, ist das Thema Schwarzfahrer. 376 000 Fahrgäste wurden 2007 ohne gültigen Fahrschein erwischt. Das ist eine Gesamtforderung von über 15 Millionen Euro. Die Quote der nicht eintreibbaren Forderungen lag 2006 bei 67,7 Prozent, 2007 etwa gleich hoch. Die BVG hat damit bundesweit die niedrigsten Quote an eingetriebener sogenannter erhöhter Fahrgeldforderung. Wir sind extrem schwach, und was ist die Antwort des Senats darauf? – Statt hier dafür zu sorgen, dass das Geld eingetrieben wird, dass auch angemessen strafverfolgt wird, ist Ihre Antwort Fahrpreiserhöhung. Die BVG fährt bundesweit mit fast den höchsten Fahrpreisen. Nur in Hamburg sind sie noch höher. Aber es braucht nicht viel Zahlenmaterial, um einzusehen, dass die Leute dort auch reichlich mehr verdienen.
Sarrazin hat auch heute wieder in der „Morgenpost“ deutlich gemacht – nachdem gestern erst einmal behauptet wurde, es gebe 2009 keine Fahrpreiserhöhung –,
dass für ihn die Tarifdebatte längst nicht beendet ist. Seine Botschaft: Wird 2009 auf eine Anhebung der Ticketpreise verzichtet, fällt sie 2010 umso deftiger aus.
Wir möchten mit Ihnen andere Möglichkeiten diskutieren. Erstens wollen wir diskutieren, wie schnell wir es erreichen können, dass die Busfahrer mit Fahrerzellen effektiv geschützt werden. Diskutieren wollen wir, wie wir bis dahin durch mitfahrendes Sicherheitspersonal erreichen können, dass diese Übergriffe nicht mehr erfolgen. Und wir wollen vor allem diskutieren, wie wir das Problem Sicherheit auf Bahnhöfen und Schwarzfahrerei durch eine effektive Zugangskontrolle zu den Bahnhöfen und Bussen lösen können. Was in fast allen Metropolen der Welt möglich ist, die Bahnhöfe mit Drehkreuzen abzuschließen und sicherzustellen, dass nur Personen auf Bahnhöfe gelangen, die im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind, das kostet Geld. Aber wenn wir uns die Summen anschauen, die der BVG jährlich entgehen, wenn wir uns anschauen, wie viel zusätzliches Personal für Fahrgastkontrollen, Reinigungsmaßnahmen u. a. nötig ist, um dieses Problems Herr zu werden, sind das vernünftige Antworten. Die sollten wir diskutieren und nicht Ihre Zuschauerei, Ihre unsoziale Politik. Ich verstehe immer nicht, wie sich Sozialdemokraten so unsozial verhalten können, wie Sie das in punkto BVG machen.
Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über das Thema der heutigen
Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über das Thema der CDU-Fraktion, weil sich dazu in den Vorgesprächen eine Mehrheit abgezeichnet hat. Wer dem CDUVorschlag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD und Linke. Gegenprobe! – Ohne Gegenstimmen! Dann ist das einstimmig so beschlossen. Enthaltungen? – Grüne und FDP enthalten sich.
Ich weise auf die vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hin. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Für die heutige Sitzung lagen dem Ältestenrat folgende Entschuldigungen von Senatsmitgliedern vor: Senator Dr. Körting wird ganztägig abwesend sein, weil er mit dem Bundesminister des Innern an einer Sitzung des Rats für Justiz und Inneres in Brüssel teilnimmt. Der Herr Regierende Bürgermeister wird uns um ca. 19.45 Uhr verlassen, um an der A-Länder-Vorbesprechung in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz teilzunehmen.
Als Erste hat Frau Ülker Radziwill von der Fraktion der SPD das Wort zu einer Mündlichen Anfrage zum Thema
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wie ist die Kältehilfe auf den Herbst und Winter vorbereitet, und mit welchem Bedarf und welcher Nachfrage rechnet der Senat?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Abgeordnete Radziwill! Ich beantworte Ihre Mündliche Anfrage wie folgt: Auch in diesem Winter stehen die Angebote der Kältehilfe – Notübernachtungen und Tagesaufenthalte – für auf der Straße lebende Menschen zur Verfügung. Berlin führt die Kältehilfe bekanntlich in der sachlichen, aber auch in der finanziellen Zuständigkeit der Bezirke durch. Darüber hinaus wird die Kältehilfe zu einem beachtlichen Teil durch ehrenamtliche Arbeit unterstützt und aus Eigenmitteln der Kir
chengemeinden ergänzt. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen haben fast alle beteiligten Organisationen ihre Vorbereitungen für die Kältehilfe abgeschlossen. Die meisten Organisationen haben ihre Arbeit bereits im Lauf des Monats November begonnen. Die Letzten werden ihre Arbeit am 1. Dezember aufnehmen, wie das jedes Jahr ist. Beteiligt an der Kältehilfe sind auch in diesem Jahr wieder ca. 70 Organisationen. Meine Senatsverwaltung stellt zusätzlich die Informationsplattform in Form einer Website zur Verfügung. Darüber hinaus finanzieren wir das Kältehilfetelefon. Das ist nach wie vor ein wichtiges Instrument, um sich über die Angebote der Kältehilfe sofort und umfassend informieren zu können. In der Internetpräsentation wird die Angebotsübersicht über den gesamten Winter dargestellt. Das Kältehilfetelefon dient dazu, sehr aktuell, also an jedem Abend in der Zeit zwischen 19 und 23 Uhr, Nachfragen von auf der Straße lebenden Menschen und entsprechende Angebote der Kältehilfe zu koordinieren.
Die Angebote im Einzelnen nach den Angaben, die uns bisher vorliegen – es werden sicherlich noch einige nachgeliefert werden –: Es gibt 14 Notübernachtungseinrichtungen mit ca. 250 Plätzen – davon sind ca. 140 Plätze ganzjährig geöffnet –, elf Nachtcafés mit ungefähr 490 Plätzen, die aber nicht alle jeden Tag geöffnet sind, sondern es gibt wechselnde Angebote. Durchschnittlich stehen etwa 70 Plätze am Tag und in der Nacht zur Verfügung. Es gibt darüber hinaus elf Wohnungslosentagesstätten als Tagesaufenthalte. 17 Treffpunkte bieten auch die Möglichkeit, sich dort den Tag über aufzuhalten. Wir haben seit dem letzten Winter eine Neuregelung. Die Kapazität wird nicht mehr nach den vorhandenen Sitzplätzen ausgewiesen, sondern die Menschen, die kommen, werden in diesen Tageseinrichtungen auch versorgt. Ein ergänzendes Angebot sind die 13 Suppenküchen, die wir in Berlin haben.
Wie in jedem Jahr ist das Angebot erst Anfang Dezember komplett. Erst dann wird es in Zusammenarbeit der AG „Leben mit Obdachlosen“ und dem Diakonischen Werk den Kältewegweiser als Broschüre geben. Das war immer eine Forderung der Wohnungslosenhilfe.
Nach allen Einschätzungen, auch der Träger der Kältehilfe, ist das Angebot in etwa gleich geblieben, aber wir werden das verbindlich erst nach dem 1. Dezember feststellen können. Aber ich gehe davon aus, dass die Menschen, die auf der Straße leben, die Hilfe bekommen, die sie dringend nötig haben, wenn es im Winter kalt ist.
Ich möchte gerne noch wissen, ob aus Ihrer Sicht ausreichend Orte wie Tagesangebote oder Nachtcafés vorhanden sind, wo Obdach- und Wohnungslose die Informatio
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Abgeordnete! Das war in der Vergangenheit durchaus immer ein Problem. Deshalb brauchen wir zusätzlich etwas, das man an den entscheidenden Orten verteilen kann. Deshalb gibt es die Angebote auch in Broschürenform, um diejenigen ausreichend zu informieren, die keinen Internetzugang haben. Die Szene und diejenigen, die die Obdachlosen betreuen, kennen sich aus und wissen genau, wie die Materialien zu den betroffenen Menschen kommen.
Darüber hinaus ein weiterer Hinweis: Es gibt seit dem 1. November wieder den Kältebus. Der Kältebus ist neben seiner Funktion, die Menschen abzuholen und in Einrichtungen zu bringen, ein Vernetzungsbus. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kältebusses kennen die Menschen, wissen, wo sie sich aufhalten, und können ihnen Angebote machen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Knake-Werner! Eine besondere Problemgruppe sind die psychisch kranken Menschen und zunehmend junge Menschen, wie ältere Jugendliche. Gibt es für diese Personengruppen spezielle Angebote, und erachten Sie diese als ausreichend?
Den Angeboten, die jetzt bekannt gemacht worden sind, ist das nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Eine vernünftige Differenzierung haben wir endlich bei den Angeboten für Frauen. Den bisherigen Angeboten konnte ich keine Hinweise entnehmen, dass sie ansonsten spezieller Art sind. Ausnahme sind die Beratungseinrichtungen. Die Treberhilfe beispielsweise hat ein Angebot gerade für Jugendliche, die auf der Straße leben. Auch andere Projekte haben dies. Sie sind wichtige Anlaufpunkte für diese Klientel.
Es geht weiter mit einer Anfrage des Kollegen Andreas Statzkowski von der Fraktion der CDU zu dem Thema