Protocol of the Session on November 13, 2008

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Zweitens: Selbstverständlich entscheiden wir im Rundfunkrat über den Wirtschaftsplan des RBB. Ich werde im Finanzausschuss dazu beraten, und wir werden im Rundfunkrat vermutlich am 4. Dezember dazu eine Entscheidung haben. Deswegen wird man in diesen Sitzungen genau prüfen, ob der Wirtschaftsplan die richtigen Prioritäten setzt oder nicht. Das ist meine Aufgabe – unter anderem –, und die werde ich erfüllen. Aber nachdem in der letzten Sitzung des Rundfunkrats eine glasklare Mehrheit dokumentiert hat, dass sie hinter der Schließungsentscheidung der Intendantin steht, kann ich Ihnen jetzt schon sagen, wie die Abstimmung zu dem Wirtschaftsplan aussehen wird. Das wissen auch Sie. Nun kann man sagen: Wir versuchen es noch mit allen möglichen Initiativen. – Das machen wir. Wir appellieren hier. Da besteht auch kein Widerspruch. Wo ist da ein Widerspruch? – Wir wissen genau, dass wir im Abgeordnetenhaus die Sache nicht entscheiden können, und beschränken uns auf den Appell, den wir allein vornehmen können. Jetzt geht es darum, einen Versuch zu starten, bei den Wirtschaftsplanberatungen deutlich zu machen, dass es Alternativen gibt. Wir werden das prüfen und dann gegebenenfalls auch einbringen.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Ich warne aber davor, dass man sagt: „Da ist der Rundfunkrat, ihr könnt es doch anhalten“, wenn die Mehrheiten im Rundfunkrat so sind, wie sie sind. Ich sage Ihnen: Ich habe die Abstimmung herbeigeführt. Es besteht eine 16:6Mehrheit für die Schließung von Radio Multikulti im RBB-Rundfunkrat. Da können Sie sich auf den Kopf stellen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion Zurufe von den Grünen]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Goiny. – Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Thema Radio Multikulti mehrmals

diskutiert. Es gab auch fraktionsübergreifend eine Initiative, in der wir an die Mitglieder des Rundfunkrats geschrieben haben und vor dem Hintergrund der Vorlage eines Finanzgesamtkonzepts für den RBB uns auch für ein Moratorium stark gemacht haben. Wir müssen allerdings auch die Realitäten zur Kenntnis nehmen. Weder die Intendanz noch der Rundfunkrat – Herr Zimmermann hat gerade noch einmal darauf hingewiesen – hat diesen Vorschlag aufgegriffen. Insofern können wir momentan in der Tat nicht mehr viel politisch machen.

[Christian Gaebler (SPD): Sie haben auch einen Vertreter im Rundfunkrat!]

Es stellt sich daher die Frage, wie wir mit diesem Thema weiter politisch umgehen. Es wird uns weiter hier im Haus beschäftigen.

[Christian Gaebler (SPD): Was hat Herr Pflüger im Rundfunkrat gemacht?]

Herr Gaebler, ich weiß, Sie sind unglaublich engagiert, und ich hoffe, Ihr politisches Engagement drückt sich nicht nur in lautstarken Zwischenrufen, sondern auch in der Wahrnehmung Ihrer politischen Verantwortung bei diesem Thema aus.

[Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie ihm eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Nein, die gestatte ich nicht! – Ich möchte noch einmal erinnern, dass wir hier mit dem 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Gebührenerhöhung von um 95 Cent auf 17,98 Euro beschlossen haben. Das bedeutet für die Berliner Haushalte eine Mehrbelastung von 33,7 Millionen Euro. Die Intendantin des RBB weist jetzt darauf hin, dass trotz dieser Erhöhung dieses Betrages am Ende der Gebührenperiode bis 2012 der RBB weniger Geld in der Kasse haben wird. Das ist für uns ein Problem, bei dem wir auch Ihre politische Verantwortung, Herr Gaebler, einfordern, nicht nur in der Form von Rettungsversuchen für einen bestimmten Sender und der wortreichen Darstellung des Engagements hier im Parlament. Vielmehr erwarten wir von Ihnen auch, dass Sie die Finanzierung unserer Rundfunkanstalt RBB insgesamt auch thematisieren, übrigens auch vonseiten des Senats.

Wenn gesagt wird, dass am Ende der Gebührenperiode beim RBB noch eine Liquidität von 300 000 Euro vorhanden ist, ist das fast nichts. Das, was die Intendantin und der RBB an Sparmaßnahmen vorgelegt haben, ist nicht wirklich solide und umfassend. Wir haben mit Polylux und Radio Multikulti vielleicht 30 Millionen Euro. 20 Millionen Euro kommen als Darlehen von den anderen Rundfunkanstalten, die möglicherweise zurückgezahlt werden müssen. Deswegen verdeutlichen wir hier noch einmal unsere Forderung an den RBB, hier ein Gesamtkonzept vorzulegen, wie diese Beträge insgesamt erwirt

schaftet werden können, die hier in Höhe von 54 Millionen Euro eingespart werden müssen. Das liegt zur Stunde noch nicht vor. Damit hat sich auch der Rundfunkrat in seiner letzten Sitzung nicht auseinandergesetzt. Vielmehr war man froh, wenigstens 30 Millionen Euro zusammengekratzt zu haben. Wir erwarten. dass gerade auch vor dem Hintergrund der Frage des Profils und der Frage der Konzeption unseres Hauptstadtsenders RBB sich der RBB insgesamt mit dieser Frage beschäftigt. Wir wollen keine Einzelmaßnahme. Wir wollen wissen, welches Profil, welche Sendungen, welche Sparten, welche gesellschaftlichen Gruppen möchte der RBB mit welchem Profil und mit welchen Formaten erreichen. Dazu gehört auch die Aufgabe, für Migranten und in Berlin lebende Ausländer ein Angebot darzustellen. Dazu gehört aber auch, für alle anderen gesellschaftlichen Gruppen in dieser Stadt ein attraktives Radio- und Fernsehprogramm zu machen. Bei 54 Millionen Euro, die in der Kasse fehlen, bis dato 30 Millionen Euro erbrachte Einsparungen, davon 20 Millionen Euro Finanzierung über Kredit, ist das für uns nicht erkennbar. Deswegen besteht hier Handlungsbedarf.

Wenn der RBB das in dieser Situation nicht sieht und in der letzten Rundfunkratsitzung dieses Thema so nicht aufgegriffen hat, werden wir sehen, ob er das im Dezember tut. Ansonsten ist die politische Verantwortung des Senats und des Regierenden Bürgermeisters gefordert. Wir laufen sonst Gefahr, dass der RBB zum Ende der kommenden Gebührenperiode ein Defizit macht, das uns möglicherweise wieder im Parlament beschäftigen wird. Es ist höchste Zeit, dass wir den RBB und sein Konzept im Interesse der Hörer insgesamt auch unter der finanziellen Situation diskutieren. Radio Multikulti ist nur ein Teil von vielen. Weil das ein umfassendes Thema ist, haben wir mit unserem Antrag auch noch einmal verdeutlich, dass das Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk etwas ist, das wir umfassender diskutieren müssen. Wir brauchen Berlin als einen starken Medienstandort, Arbeitsplatzvernichtung bei Sat.1, Finanzloch beim RBB, das sind für den Medienstandort Berlin keine guten Nachrichten. Hier erwarten wir vom Regierenden Bürgermeister zur Abwechslung eine Stellungnahme. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Dr. Hiller.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die Gelegenheit, noch einmal ein paar Dinge gerade zu rücken. Das mache ich sehr gern. Der Standpunkt der Linken ist unverändert. Wir halten die Welle Radio Multikulti für notwendig in dieser Stadt. Sie bedeutet mehr als nur Hörfunk für Migranten, von Migranten für Migranten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Selbst wenn die ermittelte Hörerzahl um täglich 40 000 stimmen sollte – was ich anzweifle –, sind es in jedem Fall bekennende Multiplikatoren für gelingende Integrationsarbeit. Das sei ausdrücklich festgestellt.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Nicht zuletzt Proteste des engagierten Freundeskreises für Radio Multikulti belegen das. Ausgerechnet Radio Multikulti zerschlagen zu wollen, ist politisch dumm und gefährlich. Frau Ströver, wenn Sie hier darstellen, dass es möglich wäre, nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten Geld aus dem Hut zu zaubern, ist das wohl eine Illusion. Es handelt sich um ein Darlehen, das zurückgezahlt werden muss. Ein Moratorium für ein Jahr ist uns ehrlich gesagt auch zu wenig.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Sicher hören auch Sie ab und zu Inforadio, und sicher kennen Sie auch die Werbung in eigener Sache. „Verlangen Sie viel für Ihre Gebühren, verlangen Sie alles.“ Nein, diese Werbung ist daneben. Sie ist leider auch nicht abgeschaltet worden. Ich verlange eigentlich nicht viel, sondern nur ein gutes, informatives, unterhaltendes Radio für Berliner mit Migrationshintergrund und deren Freunde. Ich weiß, dass ist für den RBB viel zu viel.

Die preiswerteste Radiowelle des RBB, Radio Multikulti, wird zum Jahresende abgeschaltet, auch wenn wir uns heute noch einmal in einer Empfehlung, in einem Appell, dagegen aussprechen. Ich bin dafür dankbar, dass das Parlament dies noch einmal tut. Es ist ernüchternd, weil es das Ergebnis einer Ein-Frau-Entscheidung ist, die niemanden vorher groß konsultiert, geschweige denn befragt hat.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Herr Lindner, Sie kommen noch an die Reihe. Beißen Sie in den Teppich! Dann ist Ruhe. – Das ist nicht böse gemeint, aber dann ist wenigstens für einen Augenblick einmal Ruhe.

Ich denke, dass sich Frau Intendantin Reim hier als beratungs- und diskussionsresistent erwiesen hat. Sie zeigt kein Einlenken. Es könnte ja als Schwäche gewertet werden. Frau Ströver hat es bereits gesagt, wie viele Leute sich in dieser Stadt positioniert haben. Der Präsident unseres Hauses hat an sie appelliert. Wir als Parlament haben appelliert. Aber sie hat es ignoriert. Das ist schade. Ich bedauere es auch an dieser Stelle ausdrücklich, dass der Rundfunkrat nicht die Kraft gefunden hat, die Auseinandersetzung zu Alternativen des Streichens von Radio Multikulti zu führen und dass auch ein Mitglied dieses Hauses – Herr Pflüger, ich meine Sie – diese Debatte nicht führen will. Das ist kleinkariert. Sie wollen einem „linken Sender“ – so haben Sie es gesagt – keine Chance geben. Sie haben „Vertrauen in die Intendantin“. Ihre Aufgabe als Rundfunkratmitglied ist schon eine andere. Weltoffen und liberal sieht anders aus, auch wenn ich es nicht erwartet habe. Es soll wenigstens genannt sein. Zum

Glück gibt es in Ihrer Fraktion doch einige andere, die es anders sehen und die viel weiter blicken. Ich bin schon froh, dass Sie nicht das Sagen haben.

Es wird schwer mit einer weiteren Zusammenarbeit mit der Intendanz des RBB. Es sind viele Probleme zu klären, Probleme, bei deren Lösung auch das Parlament gefragt. Die teuerste Sache, die der RBB zu finanzieren hat, ist das Fernsehen für zwei Sendegebiete. Man muss diese Diskussion führen. Es gibt Einschnitte in der Programmge- staltung, die voraussehbar sind. Die ROC GmbH und das Filmorchester Babelsberg haben Erwartungen an den RBB. Nach wie vor sind viele Probleme zu klären. Ich würde mich freuen, wenn auch die Intendantin wieder den Weg zum Parlament finden und auf das Parlament hören würde und den Rundfunkrat stärker in ihre Entscheidungen einbezieht.

Herr Goiny! Sie regen hier mit dem Antrag der CDU eine Diskussion an, die wir auch schon länger führen. Das wird uns insgesamt helfen. Die Probleme gegenwärtig bezüglich Radio Multikulti wird sie leider nicht klären. Es wird Zeit, dass wir uns einem Plan B zuwenden, einem erneuerten, einem interkulturellen Radio von und für Berlinerinnen und Berliner aus dieser Region. Ich würde mich freuen, wenn es auch hier im Saal Unterstützung fände, dass dieses wieder neu angegangen wird – leider nicht im RBB, aber mit vereinten Kräften. Alle, die dazu etwas einzubringen haben, sollten sich daran beteiligen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall von der SPD]

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Lindner.

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Frau Kollegin Hiller! Wenn ich daran denke, wer in der Geschichte alles in Teppiche gebissen hat, überlege ich mir, aufgrund Ihrer Bemerkung eine Sondersitzung des Ältestenrates einzuberufen.

[Beifall bei der FDP – Gelächter bei der Linksfraktion]

Die FDP-Fraktion bedauert genauso außerordentlich die Schließung von Radio Multikulti. Wir sind davon überzeugt, dass es eine der Kernaufgaben des öffentlichen Rundfunks ist, einen seriösen Beitrag dazu zu leisten, dass Menschen mit Migrationshintergrund in diese Gesellschaft integriert werden. Neben allen kulturellen, wissenschaftlichen Aufgaben ist das eine der Kernaufgaben.

[Beifall bei der FDP]

Es muss dann allerdings so gemacht werden, dass Menschen mit Migrationshintergrund auch erreicht werden. Deswegen ist die Schließung von Radio Multikulti der

Schlusspunkt des Scheiterns eines Umsetzungskonzepts. Das Ziel war richtig, das Ziel ist richtig, aber man muss es auch richtig umsetzen können.

[Beifall bei der FDP]

Es macht keinen Sinn, einen Sender zu haben, der so angelegt ist, dass man sich alle zwei Wochen – meinetwegen als Inder – seinen Wecker auf 22.30 Uhr stellen muss, um dann eine halbe Stunde oder Stunde indisches Programm zu hören. Das geht glatt am üblichen Hörerverhalten aller Menschen vorbei, und zwar ganz unabhängig davon, ob sie einen schlesischen, bayrischen, brandenburgischen, indischen oder vietnamesischen Hintergrund haben.

[Beifall bei der FDP]

So verhält sich kein Konsument. Menschen mit Migrationshintergrund hören genauso wie alle anderen einen Radiosender – Musiksender oder Ähnliches. Wenn sie zusätzliche Informationen in ihrer ehemaligen Heimatsprache haben wollen, dann schalten sie zum Beispiel im Langwellenbereich die entsprechenden Sender an, oder sie verschaffen sich digital die richtigen Informationen. Wir müssen uns überlegen, ob nicht in dieser Richtung vernünftige Konzepte aufzustellen sind, damit der RBB auch zukünftig und noch viel besser seinem Auftrag zur Integration nachkommen kann.

[Beifall bei der FDP]

Herr Dr. Lindner! Frau Ströver möchte eine Zwischenfrage stellen.

Sehr gern! Dann sparen wir uns vielleicht die Kurzintervention.

Keine Sorge, Herr Dr. Lindner!