1. Welchen Stellenwert nehmen die Sonderschulen im Konzept der Berliner Schule ein, und wie viele Schülerinnen und Schüler nutzen im gegenwärtigen Schuljahr das Angebot der Sonderpädagogischen Förderzentren?
2. Wie bewertet der Senat bezirkliche Absichten zur Abschaffung von Sonderschulen, ohne dass die Voraussetzungen für eine spezielle sonderpädagogische Förderung der Schülerinnen und Schüler an anderen Schulen geschaffen und auf Dauer sichergestellt wurden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Sonderpädagogische Beratung, Diagnostik und Förderung haben im Konzept der Berliner Schule einen sehr hohen Stellenwert und werden diesen auch behalten. Die Sonderschulen – genauer: die Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt – sind in Berlin eine – ich betone „eine“ – Organisationsform sonderpädagogischer Förderung, die als sonderpädagogische Kompetenzzentren mit der Bezeichnung Förderzentrum ohne Zweifel eine hervorragende Arbeit leisten.
Im laufenden Schuljahr besuchen 11 630 Schülerinnen und Schüler öffentliche Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt. Hinzu kommen 667 Schülerinnen und Schüler an entsprechenden Schulen in freier Trägerschaft. Im gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf wurden im Schuljahr 2007/2008 7 031 Schülerinnen und Schüler integriert, unterrichtet und entsprechend gefördert.
Zur Frage 2: Dem Senat sind keine bezirklichen Absichten bekannt, Sonderschulen abzuschaffen, ohne dass die Voraussetzung für eine angemessenen sonderpädagogische Förderung der Schülerinnen und Schüler an anderen Schulen geschaffen und auf die Dauer sichergestellt werden. Ich bin mir aber darüber im Klaren, dass ein differenziertes und flexibles Förderangebot notwendig ist, um
allen Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen, hohen kognitiven Fähigkeiten oder mit erheblichen Lernschwierigkeiten die notwendige Unterstützung und Hilfe bieten zu können.
Nur ein Gedanke kann uns in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht leiten: Welche Organisationsform bietet für die Schülerinnen und Schüler die beste Möglichkeit zur individuellen Förderung? – Ich meine nicht, dass es hier nur einen Königsweg gibt. Die Förderbedarfe der Kinder sind sehr unterschiedlich und verlangen ein Angebot verschiedener Förderkontexte.
Übrigens fordern auch Eltern vehement ein Wahlrecht für alle Jahrgangsstufen ein, um ihr Kind in einem sonderpädagogischen Förderzentrum oder aber integrativ in Regelklassen fördern zu lassen. Diese Forderung teilt der Landesschulbeirat. Die sogenannte BELLA-Studie von Herrn Lehmann zur sonderpädagogischen Förderung bestätigte jüngst, dass der Fördererfolg grundsätzlich auf beiden Wegen gleichermaßen erzielt werden kann. Ich sehe daher keine Tendenz, dass sonderpädagogische Förderzentren abgeschafft werden sollen. Vielmehr beobachte ich einen Bedarf sonderpädagogischer Kompetenzen in allen Schularten und Jahrgangsstufen, dem ich Rechnung tragen muss und will.
Bundesweit vorbildlich setzen wir in Berlin neben den sehr guten sonderpädagogischen Förderzentren auch auf ein breites Angebot von gemeinsamem Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Zahl habe ich vorhin genannt. Für den weiteren Ausbau integrativer sonderpädagogischer Förderung ist das enorme Know-how der sonderpädagogischen Förderzentren sogar eine wichtige Rückbindung und aus meiner Sicht auch eine Qualifizierungsquelle.
Danke für die Antwort, Herr Senator! – Ich gehe aber davon aus – weil ich das ziemlich genau weiß –, dass es bereits Tendenzen gibt, Sonderschulen abzubauen. Deshalb frage ich Sie noch einmal, welche kurz-, mittel- und langfristige Perspektive die Berliner Sonderschule in der Berliner Schullandschaft hat.
Ich kann jetzt in freien Worten das wiederholen, was ich Ihnen wahrscheinlich sehr viel besser formuliert soeben
vorgetragen habe. Ich meine, dass wir den alternativen Ansatz brauchen, weil es keinen Königsweg gibt, und den werden wir ausbauen – das ist kein Widerspruch – nach den Bedürfnissen, aber auch den Wünschen der Betroffenen. Es gibt einige Dinge, die sicherlich in einer der beiden Alternativen besser zu fördern sind, und es gibt andere Fälle, wo der Wunsch der Betroffenen eine große Rolle spielt. Ich bin der festen Überzeugung, dass schon allein ein den Betroffenen adäquates Förderverfahren zu einer Verbesserung der Förderung beiträgt, und deshalb meine ich, dass wir in diesem Bereich weiterhin auf beiden Beinen stehen sollten.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Zöllner! Eine kleine Vorbemerkung: Ich gehe davon aus, dass wir den Vorrang der gemeinsamen Erziehung weiterhin aufrechterhalten und jetzt nicht eine Rolle rückwärts machen – auch im Hinblick auf Frau Barth. Deshalb frage ich Sie, was Sie unternehmen wollen, damit Eltern tatsächlich ein Wahlrecht haben, zu welcher Schule sie ihr Kind mit Behinderung schicken wollen, angesichts der Tatsache, dass es immer wieder Fälle gibt, wo Grundschulen oder andere Schulen es ablehnen, Kinder mit Behinderung aufzunehmen, weil sie nicht über die adäquaten Fördermöglichkeiten verfügen.
Im Gegensatz zu der vorherigen Frage muss ich Ihnen bei dieser Frage zustimmen: Sie gehen völlig richtig davon aus, dass auch ich ein Interesse habe, die integrative Erziehung, wo es nur geht, zu fördern – in den Fällen, wo es vernünftig ist und wo es letztlich dem Wunsch der Betroffenen entspricht. Machen wir uns in diesem Zusammenhang nichts vor! Hinsichtlich der von Ihnen als Notwendigkeit angesprochenen adäquaten Ausstattung mit entsprechenden Fördermöglichkeiten wird es – um ein großes Wort zu gebrauchen – entscheidend davon abhängen, ob das beim Bildungsgipfel vollmundig verkündete Ziel, 10 Prozent für Bildung und Forschung auszugeben, schrittweise realisiert wird. Das ist ein wichtiger Punkt, um zu dieser Verbesserung zu kommen.
Nun hat Kollege Schäfer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort zu seiner Mündlichen Anfrage über
1. Hat der Regierende Bürgermeister, als er Vattenfall Europe dazu eingeladen hat, Mitglied seines sogenannten Berliner Klimabündnisses zu werden, in diesem Zusammenhang den geplanten Bau eines neuen Steinkohlekraftwerks in Berlin angesprochen, und wie hat er sich dazu Vattenfall gegenüber positioniert?
2. Welche Mitglieder des Senats hatten seit Juni 2008 Gesprächstermine mit Vertretern des Vattenfall-Vorstands, wie haben sich die Senatsvertreter dabei im Einzelnen zum geplanten Kohlekraftwerk positioniert, und welche Ergebnisse konnten in dieser Frage erzielt werden?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schäfer! Im Zuge des klimapolitischen Arbeitsprogramms des Berliner Senats habe ich die größten Unternehmen der Stadt angeschrieben und sie zur Beteiligung an einem Berliner Klimabündnis motiviert. Bereits 13 große Berliner Unternehmen, darunter auch die Vattenfall AG, haben sich mit konkreten Projekten dazu verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß signifikant zu senken. Das ist ein wichtiger Beitrag der Privatwirtschaft für ein klimaschonendes Verhalten und Bewusstsein in Berlin, und ich bedanke mich ausdrücklich bei den Firmen, die sich beteiligt haben – inklusive Vattenfall –, dass sie dieser Initiative gefolgt sind.
Das Land Berlin, der Regierende Bürgermeister und auch die zuständigen Senatsmitglieder stehen im laufenden Austausch mit der Vattenfall AG über die Erneuerung des Kraftwerkparks in Berlin. Im Energiekonzept 2020, das derzeit erarbeitet wird, wird der Senat Handlungsstrategien für eine klimaverträgliche Energieversorgung Berlins darstellen. Dabei sollen auch die Erfahrungen und das Wissen des Klimaschutzrats einbezogen werden. Die Grundlage für die Erstellung des Energiekonzepts bildet eine wissenschaftliche Analyse über den künftigen Energiebedarf der Stadt, die Potenziale dezentraler Energieversorgung sowie die Chancen nachhaltiger Energieversorgung in der Stadt. Das Energiekonzept 2020 und im Zuge dessen die Bedarfs- und Potenzialanalyse zur künf
tigen Energieversorgung des Landes Berlin bilden die Grundlage für eine Entscheidung bezüglich möglicher Kraftwerkserneuerungen. Dies wird vonseiten des Berliner Senats auch gegenüber der Vattenfall AG so vertreten. Ich weiß, dass auch Vattenfall selbst ein Energiekonzept für das eigene Unternehmen erarbeitet, und es ist sicherlich gut, dass wir dann zwei Analysen haben. Auf der Grundlage kann man sachlich entscheiden.
Das heißt doch auf gut Deutsch, dass Ihr Senat nichts unternommen hat, um den Beschluss des Abgeordnetenhauses, der sich zumindest gegen die derzeitigen Planungen von Vattenfall wendet, umzusetzen, und dass Sie in dieser Frage gegenüber Vattenfall bisher noch keine Position bezogen haben, obwohl das Abgeordnetenhaus anders entschieden hat?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schäfer! Mich wundert, dass Sie die Position von Vattenfall schon kennen. Wir kennen keine Anträge.
Nein! Sie haben etwas unterstellt, was Sie als Schlussfolgerung für Ihre Argumentation genommen haben, nämlich dass Vattenfall eindeutig erklärt habe, wie sie mit ihren Kraftwerken umgehen wollen. Das haben sie aber bislang noch nicht getan. Ich glaube auch, es ist gut, dass sie noch einmal überlegen, welche Politik sie betreiben. Wir wissen, dass bei zwei Kraftwerken ein Erneuerungsbedarf besteht und dass die Situation insgesamt in Berlin ein Handeln erforderlich macht. Im Gegensatz zu Ihnen – und das habe ich Ihnen schon mehrfach an dieser Stelle gesagt – gehöre ich nicht zu denjenigen, die sofort Hurra schreien und immer alles wissen. In dieser sensiblen Frage, wo man von allen hört: „Atomkraft – nein danke!“, „Kohlekraft – nein danke!“, wo zu allem „Nein danke!“ gesagt wird und offenbar niemanden interessiert, woher der Strom kommt, muss man vielmehr nach einer seriösen Alternative für die wirtschaftliche Entwicklung und Zukunftsfähigkeit dieser Stadt suchen. Deswegen sagen wir: Weg von der reinen Emotion, hin zur Sachlichkeit und Analyse! – Danach können wir dann auch die politische Debatte miteinander führen. Dazu sind wir gern bereit. Aber erst dann, bitte schön!
[Beifall bei der SPD – Michael Schäfer (Grüne): Jetzt analysieren Sie schon zwei Jahre lang! – Dr. Martin Lindner (FDP): Deswegen sagen wir ja zur Kernkraft!]
Danke schön, Herr Präsident! – Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben das Energiekonzept 2020 angesprochen, das vom Senat erarbeitet wird und wo auch die Vattenfall-Vorlagen und -Planungen mit einbezogen oder auch kritisch beleuchtet werden sollen. Wann werden wir das im Parlament besprechen können? Ist das Mitte nächsten Jahres möglich? Gibt es hierzu eine Zeitplanung?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Das Gutachten wird jetzt in Auftrag gegeben. Ich gehe davon aus, dass die Erstellung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Ein genaues Datum kann ich daher nicht nennen.
Herr Esser, auf Ihre wunderbaren Zwischenrufe warte ich immer. Nach Ihrer These passiert auch gar nichts, weil Vattenfall gar keinen Antrag gestellt hat. Sie können beruhigt sein; dort brennt nichts an. Es ist ein gutes Zeichen, dass nicht mit einer Hauruck-Entscheidung von Vattenfall gearbeitet wird, sondern sie selbst nachdenken. Sie haben bestätigt, dass zunächst die Analyse vorgenommen wird. Lieber soll das gründlich vorbereitet werden, als spontan dem Gefühl freien Lauf zu lassen und das Risiko einzugehen, dass die Lichter in Berlin ausgehen.