Herr Kollege Gaebler! Können Sie sich angesichts der Wichtigkeit und Bedeutung, die Sie eben so herausgestellt haben, daran erinnern, dass Ihre Fraktion ca. 30 bis 40 Prozent der Prioritätenrunden gar nicht beantragt hat, sie demzufolge so nichtssagend sind wie nur irgendetwas in diesem Parlament?
Nein, Herr Kollege Goetze! Der Unterschied ist, dass wir das Parlament mit den wichtigen Dingen behelligen und deshalb nicht jedes Mal zehn Punkte auf die Tagesordnung setzen.
Ich habe deshalb ganz im Ernst gesagt, Herr Goetze: Was für Punkte hatten Sie zur Auswahl? – und habe nur darüber informiert, welches von den verschiedenen Themen Sie ausgewählt haben. Dann kann sich jeder selbst die Meinung bilden, was für Sie besonders wichtig ist und was nicht. Das hat weniger damit zu tun, ob wir überhaupt eine Priorität anmelden oder nicht. Vielleicht wäre es besser gewesen, Sie hätten keine angemeldet. Das stelle ich gern anheim.
Jetzt zu der Frage: Was soll denn da eigentlich gefeiert werden? – Hätte der Senat tatsächlich am 30. Oktober eine große Party angesetzt, dann hätten Sie doch gesagt: Skandal! Senat nimmt 530 000 Berlinerinnen und Berliner nicht ernst, macht sich über sie lustig – eine Siegesfeier!
Sehr richtig, genau! Sehen Sie mal! – Jetzt sagt der Senat: Wir machen da gar nichts. – Da sagen Sie: Skandal! Senat macht gar nichts! – Was soll denn der Senat da machen? Eine Abschiedsfeier vom Flugbetrieb?
Dafür jetzt eine große Feier zu machen, lieber Herr Goetze, das geht doch ein bisschen weit. Die Trauerfeierrede hat Herr Ueckert schon in unnachahmlicher Weise gehalten. Das werden Sie dann sicherlich am 30. Oktober auf
Jetzt mal etwas zur Veranstaltung der Flughafengesellschaft. Ich finde, Sie tun den Damen und Herren dort Unrecht. Die haben sich Gedanken gemacht, wie sie die Historie des Flughafens und anderes in geeigneter Weise an diesem Tag, an dem sie selbst das Gebäude an andere übergeben, würdigen. Es handelt sich dabei nicht um eine VIP-Veranstaltung, für die man 200 Euro zahlt, Herr Ueckert. Da müssen Sie sich einmal genau informieren. Es gibt eine Veranstaltung in der Haupthalle mit 600 Eingeladenen. Das sind die Leute, die auch normalerweise zu anderen Veranstaltungen der Flughafengesellschaft eingeladen werden. Dazu gehören Sie und ich, dazu gehören auch Vertreter der Fluggesellschaften, Presse, Funk und Fernsehen, Wirtschaftsvertreter, das Spektrum, das man bei vielen Veranstaltungen in der Stadt findet. Die Haupthalle ist nun mal nicht größer; man kann dort nur ein entsprechendes Programm machen. Auf dem Flugfeld selbst findet Flugbetrieb statt, wie Sie selbst wissen, und zwar in hohem Maße. Auch das kann man an diesem Tag nicht sperren.
Der VIP-Empfang, von dem Sie reden, ist eine private Veranstaltung des Betreibers des Airbase-Restaurants, der dort ein Galadiner mit Blick auf das Flugfeld veranstaltet und dafür 250 Euro pro Person nimmt. Das ist aber nicht die Veranstaltung der Flughafengesellschaft. Es ist hochgradig bösartig, dass Sie das in einen Topf werfen, Herr Ueckert.
Weil Sie nach den Sponsoren dieser Veranstaltung gefragt haben: Sie müssen einmal die Flughafengesellschaft danach fragen. Aber wenn ich in der „Morgenpost“ und in der „BZ“ lese, dass für die Veranstaltung in der Haupthalle Karten verlost werden, nehme ich einmal an, dass auch der Springer-Verlag zu den Sponsoren dieser Veranstaltung gehört. Den werden Sie ja nun nicht verdächtigen, dass er mit dem Senat und den Flughafenschließern unter einer Decke steckt.
Zu der Feier des VIV haben Sie selbst schon etwas gesagt. Der –von mir geschätzte, von Ihrer Partei wohl weniger geschätzte und deshalb abservierte – Kollege Kaczmarek ist der Vorsitzende dieses Vereins. Er hat mir von Anfang an die Einladung geschickt. Es ist seit Wochen klar, dass das in dem Gebäude stattfinden kann. Inzwischen ist es in einen größeren Raum verlegt worden. Ich weiß nicht, warum Sie sich darüber beschweren und Verschwörungstheorien aufstellen.
Außerdem gehen die Führungen weiter, das Gebäude steht der Bevölkerung offen. Mit dem Ende des Flugbetriebs wird der Flughafen endlich geöffnet. Das ist ein Anlass, dass der Senat so bald wie möglich, sobald das Gebäude nach dem Ende des Flugbetriebs frei zugänglich
Das wird am 30. Oktober nicht gehen. Deshalb, liebe CDU, stellen Sie Allerheiligen ein Kerzlein für Ihren Flughafenbetrieb auf! Der Flughafen selbst wird für die Berlinerinnen und Berliner nicht geschlossen, sondern geöffnet. Es endet der Flugbetrieb. Darüber können wir alle froh sein. Wenn Sie das auf dem Platz der Luftbrücke feiern wollen – viel Spaß dabei!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Zweifelsohne ist der Flughafen Tempelhof ein Standort von verkehrs-, bau- und stadtgeschichtlicher Bedeutung. Ich hoffe, darüber sind wir uns einig. Er war der wichtigste Flughafen in Westberlin, um zur Zeit der sowjetischen Blockade die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern für deren Überleben zu sichern. Fast 278 000 Flüge mit den danach benannten berühmten Rosinenbombern brachten 2,3 Millionen Tonnen Lebensmittel, Kohle und Baumaterialien aller Art in die Stadt. Der Flughafen Tempelhof steht für diese Hilfe der Westalliierten und für die Sicherung der Freiheit der Menschen in Westberlin. Ich finde, daran kann man an dieser Stelle einmal erinnern.
Wenn nun der Flugbetrieb am 30. Oktober eingestellt wird, wäre es richtig, wenn dieses mittels eines großen Volksfestes passieren würde, weil es diese Hilfe für die Bevölkerung und die Bedeutung als historischer Ort noch einmal zum Ausdruck bringen würde.
Es ist jedenfalls nicht angemessen, ein exklusives Fest für 600 oder 800 geladene Gäste zu machen. Dafür steht das Symbol Tempelhof als Flughafen definitiv nicht.
Die Geschichte des Areals ist weit umfassender – und historisch interessant – als nur bezogen auf die BerlinBlockade. Tempelhof steht für deutsche und internationale Luftfahrtgeschichte. Auf dem Tempelhofer Feld startete 1909 Orville Wright die ersten Flugvorführungen. 1923 eröffnete der Flughafen Berlin dort, wo er drei Jahre später der Heimatflughafen für die dann gegründete Firma Deutsche Lufthansa wurde.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten entstand bis 1938 der neue Flughafen als das flächengrößte Gebäude der Welt. Interessant an der Baugeschichte ist übrigens, dass der von den Nazis beauftragte Architekt Sagebiel dem monumentalen nationalsozialistischen Stilempfinden nicht in voller Form entsprach. Das ist deswegen ausgesprochen interessant, weil Sagebiel ein Mitarbeiter Erich Mendelssohns war, der wie kaum ein anderer Architekt für die Neue Sachlichkeit der Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre stand. Deshalb ist es nur gerecht, dass das Areal und die Gebäude des Flughafens Tempelhof heute unter Denkmalschutz stehen.
Nach der Blockade 1949 und erst recht mit dem Ausbau des Flughafens Tegel war der rege Flugbetrieb im Grunde schon vorbei. Wir, die das miterlebt haben, wissen das. Kaum jemandem ist übrigens die zehnjährige Schließzeit zwischen 1975 und 1985 als ein verkehrstechnisches Problem in Erinnerung.
Wir denken, dass nun der Flugbetrieb in Tempelhof sein verdientes Ende erfährt. Die Gebäude erhalten hoffentlich eine sinnvolle Zukunftsbestimmung. Schon im 19. Jahrhundert war das Tempelhofer Feld ein Ort der Freizeitgestaltung der rasch wachsenden Stadt. Knüpfen wir daran an! Machen wir das Gelände zu einem Ort der innerstädtischen Erholung, die Gebäude zu einem neuen Standort der kreativen Wirtschaftsentwicklung für diese Stadt! Als Flughafen hat das Tempelhofer Feld ausgedient und seine – und die der umliegenden Bewohner sowieso – Ruhe dringend verdient. Jetzt beginnt eine neue Ära. Aber um diese neue Zeit einzuläuten, wäre ein fröhliches Zusammentreffen, eine Begehungsmöglichkeit, ein Fest für alle Berlinerinnen und Berliner ein richtiger Schritt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Uecker! Zu Ihnen ein Satz vorweg! Sie haben vorhin von Frevel gesprochen, weil in Tempelhof Gewerbe und Wohnbebauung angesiedelt werden sollen. Ich darf daran erinnern, dass es Ihre Fraktion war, welche die Idee, die Fata Morgana einer Scheichklinik mit exklusiver Landbahn präferierte. Das nenne ich dann Frevel!
Am 30. Oktober wird der Flugbetrieb in Tempelhof eingestellt, nicht wegen ideologischer Verblendung eines Regierenden Bürgermeisters, wie Sie, werte Kollegen von der CDU und der FDP immer noch behaupten, sondern als Ergebnis einer langfristigen, klugen und von allen politischen Parteien mitgetragenen Strategie zur Neuordnung des Berlin-Brandenburger Flugbetriebs und der
Luftverkehrspolitik in dieser Region. Aus drei mach eins, aus nicht entwicklungsfähigen und unwirtschaftlichen Standorten Tempelhof, Tegel und Schönefeld-Alt mach BBI – das ist der Grund der Einstellung des Flugbetriebs in Tempelhof.
In der Sache ist der Abschied von Tempelhof längst entschieden. Am 30. Oktober wird er in der Form vollzogen werden. Im Antrag der CDU geht es um die Form, in der dieser Abschied vollzogen werden soll – großer oder kleiner Rahmen, offen für alle, ob mit Einladung oder ohne.
Nun sind Formfragen gewiss nicht unwichtig. Die CDU hat uns in den letzten Wochen etwas vorgemacht, was einen würdevollen Umgang mit Abschied angeht. Aber Formfragen sind nicht die allein entscheidenden Fragen. Sie sind, was vielleicht noch viel wichtiger ist, selten, eigentlich gar nicht eindeutig zu beantworten. Es gibt sicher Argumente für eine große Abschiedsparty. Es gibt allerdings auch sehr viele gute Argumente dagegen. Ich nenne nur das eine, nach meiner Meinung wichtigste: Es ist vorbei, meine Damen und Herren von der CDU.
Sie haben um den Erhalt von Tempelhof gekämpft – das ist Ihr gutes Recht –, und Sie haben verloren. Aber Sie wollen das bis heute nicht akzeptieren. Ihre Rede, Herr Ueckert, war wieder ein Beweis dafür, dass Sie es nicht akzeptieren wollen und wahrscheinlich auch gar nicht in der Lage dazu sind.
Das wird nicht nur durch die bizarre Umdeutung Ihrer Niederlage in einen tollen Sieg durch Ihren vormaligen Fraktionsvorsitzenden belegt, die man sich immer noch auf YouTube anschauen kann, sondern auch durch Ihren jetzigen Antrag, nach dessen Lektüre ich wirklich Zweifel an der Ehrenhaftigkeit Ihrer Motive habe. Ich will nur einen Satz aus Ihrem Antrag zitieren:
Wenn jedoch politisch-ideologische Entscheidungen über die Vernunft und den Sachverstand von Verkehrsexperten die Oberhand gewinnen, wird auch ein Flughafen Tempelhof geschlossen.