Protocol of the Session on October 16, 2008

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Finanzkrise kein Berliner Problem ist, und so ist auch der derzeitige Beratungsbedarf der Verbraucherinnen und Verbraucher kein hausgemachtes Berliner Problem. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und die Landesverbände haben in den letzten Wochen umfangreiche Informationen zur Auswirkung der Finanzkrise ins Internet gestellt. Diejenigen, die keinen Internetzugang haben, können sich kostenlos ein fünfseitiges Informationsblatt bei der Verbraucherzentrale abholen oder es sich gegen die Einsendung eines mit 90 Cent frankierten Rückumschlags per Post zusenden lassen.

[Heidi Kosche (Grüne): Das reicht aber nicht!]

Daneben gibt es persönliche und telefonische Beratungen und auch solche per Mail.

Es ist klar, dass nicht auf alle Nachfragen in kürzester Zeit geantwortet werden konnte. Deshalb gibt es Überlegungen, die Verbraucherzentralen über den nun vorliegenden Änderungsantrag zu unterstützen. Durch die unbürokratische und schnelle Vorberatung im Hauptausschuss sind schnelle Veränderungen möglich. Wir unterstützen diesen Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition und der Grünen. Die CDU hat sich enthalten. Der Antrag ermöglicht es – das hat mit der Finanzierungsstruktur der Verbraucherzentrale zu tun –, einen Teil von noch nicht verplanten Einnahmen – wie groß der ist, bestimmt nicht zuletzt die Verbraucherzentrale – für die verstärkte Beratung von Verbraucherinnen und Verbrauchern einzusetzen. Dass dies im Zusammenwirken von Senat und Verbraucherzentrale möglich gemacht wird, begrüßt die SPD-Fraktion sehr. Zudem soll geprüft werden – ich bin optimistisch, dass die Prüfung positiv beschieden wird –, ob und in welchem Umfang qualifiziertes Personal aus dem zentralen Stellenpool unterstützend zur Verfügung gestellt werden kann. Auch das ist eine positive Initiative.

Drittens: Banken und Sparkassen sollen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, denn gerade sie haben zu den Problemen beigetragen, indem sie falsch beraten haben. – Darauf hat schon Herr Schäfer hingewiesen. – Im Sinn des Verursacherprinzips finde ich es folgerichtig, wenn der Senat nun Verhandlungen mit den Banken und Sparkassen führt, damit auch von dort ein Teil der Finanzierung der unabhängigen Beratung kommt.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Grundsätzlich dürfen wir nicht vergessen, dass all diese Maßnahmen die Auswirkungen der Finanzkrise bestenfalls lindern.

Neben den ergriffenen Sofortmaßnahmen ist es notwendig, die Nachfrageseite – die Verbraucherinnen und Verbraucher – stärker zu schützen. Dies bedeutet, dass neben der Stärkung der unabhängigen Verbraucherberatung der Anlegerschutz verstärkt, die Aufsicht optimiert und die Haftung der Anlageberater ausgeweitet werden. Neben klaren Produktinformationen über Risiken, Kosten

und Verfügbarkeit müssen Verjährungsfristen verlängert, die Beweisführung für die Anleger verbessert und die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Fall einer Falschberatung verbessert werden. Jetzt findet zwar eine Beratung statt, aber es ist derzeit für die Anleger sehr schwierig, ihren Schaden nachzuweisen. Auf diesem Gebiet bleibt eine Menge zu tun.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Monteiro! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Hoffman das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verbraucherrechte sind Bürgerrechte. Deshalb ist der mündige und eigenverantwortliche Verbraucher in den Mittelpunkt aller Bemühungen zu rücken. Der Verbraucherschutz, bei dem die unabhängige Beratung der Bürger einen besonderen Stellenwert einnehmen muss, ist darum für die CDU unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. Dass das Zusammenwirken von Wirtschaft und Verbraucherschutz unabdingbar ist, scheint diesem Senat allerdings fremd zu sein. Dabei gilt auch in Zeiten von Krisen und Verunsicherungen: Unabhängige, sachliche und zuverlässige Informationen und Kenntnisse über Produkte, Dienstleistungen und Verbraucherrechte sind wichtige Voraussetzungen für den mündigen Bürger. Deshalb muss erfolgreiche Verbraucherpolitik in enger Zusammenarbeit mit allen Akteuren erfolgen.

Insbesondere die Unterstützung der Verbraucherzentralen ist daher staatliche Verantwortung. Diese Seite der Verbraucherschutzpolitik haben die Grünen mit ihrem Antrag auf Einrichtung einer Hotline für die durch die weltweite Finanzkrise verunsicherten Bürger aufgegriffen. Das ist gut und richtig.

[Beifall von Frank Henkel (CDU)]

Trotzdem wird sich die CDU enthalten. Grund dafür ist die vorliegende Beschlussempfehlung, bei der Sie sich Ihr eigentliches Anliegen einfach haben abschwatzen lassen. Oder glauben Sie tatsächlich, dass personelle Unterstützung aus dem Stellenpool irgendetwas bringt?

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Wie ich den Senat kenne, wird es am Ende kein Ergebnis geben – einmal davon abgesehen, dass Personalfragen in die Verantwortung der Verbraucherzentrale selbst gehören. Das eigentliche Problem, die personellen Unterbesetzungen und damit fehlende Beratungsangebote der Verbraucherzentrale, wird nicht angegangen.

Grundfrage muss doch sein, wie es mit der finanziellen Verfasstheit der Verbraucherzentrale wirklich aussieht.

Ich möchte Ihr Gedächtnis ein bisschen auffrischen: Wie sich sicher manche noch erinnern können, hat der rot-rote Senat die Verbraucherzentrale seit 2001 in den finanziellen Würgegriff genommen und die Zuwendungen um ca. 38 Prozent gekürzt. Die jetzt gedeckelte Summe von 718 000 Euro kommt faktisch einer weiteren Kürzung gleich, weil die unabweisbaren Kostensteigerungen bei Miete und Energie sowie Tariferhöhungen nicht einberechnet werden – und das bei weiteren Aufgabenzuweisungen! Wer so handelt, nimmt unabhängigen Verbraucherschutz nicht ernst.

[Beifall bei der CDU]

Sie können auch wissen – falls Sie den Brief von Prof. Keßler von der Verbraucherzentrale gelesen haben –, dass die Aufwendungen des Senats für die Verbraucherzentrale mit 18 Cent pro Einwohner noch um das 2,6fache niedriger liegt als die Fördersumme unseres Nachbarn Brandenburg für seine Einrichtung.

[Beifall bei der CDU]

Damit liegt Berlin klar am Ende der Zuwendungsskala aller Bundesländer – auch ein wahrhaftes Armutszeugnis für den Verbraucherschutz von Rot-Rot!

[Beifall bei der CDU]

Ich erwarte deshalb, dass der Senat, ausgehend von der heutigen Diskussion, erneut mit der Verbraucherzentrale in Verhandlungen für eine auskömmliche Finanzierung tritt, damit die rote Laterne im Verbraucherschutz nicht eine weitere Peinlichkeit für unsere Hauptstadt bleibt.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Matuschek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen von der CDU! Der Antrag und die Beschlussfassung, die hier zur Abstimmung vorliegen, sind praktische Lebenshilfe. Sie haben eben betont, aus Ihrer Sicht sei Verbraucherschutz praktische Lebenshilfe. Mit Ihrer Ablehnung oder Nichtzustimmung verweigern Sie den Betroffenen die praktische Lebenshilfe, die wir ihnen zur Verfügung stellen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sinn und Zweck dieser schnellen Antragsberatung und -behandlung ist die aktuelle Situation, in der viele Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichert sind und viele Fragen haben, auch bezüglich der Wertigkeit und Glaubwürdigkeit von Bankberatung – Herr Schäfer sprach davon. Das ist ein berechtigtes Anliegen. Um diese Verunsicherung aufzunehmen und im Interesse eines weiterführenden Verbraucherschutzes abzuarbeiten, muss eine

schnelle Beratung erfolgen. Deswegen ist die Idee einer Hotline hervorragend, und der schließen wir uns an.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das ist aber nicht die einzige Form der Verbraucherberatung, die es gibt. Ich finde es sehr erfreulich, dass auch Zeitungen und verschiedene Internetseiten inzwischen dazu übergegangen sind, Fragen und Antworten einzustellen, damit möglichst viele Verbraucherinnen und Verbraucher verschiedene Kanäle der Verbraucherschutzinformationen nutzen können. Aber es gehört dazu, dass die Verbraucherschutzzentrale Berlin in dieser angespannten Situation ihre eigene Beratung durch eine Hotline ausweitet. Die Anfragen haben sich aufgrund der aktuellen Situation verdoppelt, wenn deren Anzahl nicht sogar noch höher gestiegen ist. Dieser Beratungsbedarf muss abgearbeitet werden. Dazu gibt es die Idee, aus dem Stellenpool qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen.

[Mario Czaja (CDU): Was erzählen Sie da eigentlich?]

Das ist Sinn und Zweck der Beschlussfassung heute. Weiter gibt es die Idee, auch die Banken finanziell zur Verantwortung zu ziehen. Das ist ein gangbarer Weg, das hat auch Herr Schäfer betont. Diesen Weg anzugehen, ist völlig richtig, und er muss auch so beschritten werden.

Damit wird in keiner Weise die Unabhängigkeit der Verbraucherschutzberatung in Frage gestellt, denn die Banken sollen ja zur Finanzierung herangezogen werden und nicht selbst ihre falschen Beratungen in den Räumen der Verbraucherschutzzentrale machen. So ist es nicht gedacht, sondern zur Finanzierung einer unabhängigen Verbraucherschutzberatung sollen die Banken mit finanziell zur Verantwortung gezogen werden. Das ist ein richtiger Weg.

Über die praktische Lebenshilfe hinaus, die wir mit dem Antrag und der Beschlussfassung heute in die Wege leiten, gibt es weiterhin Themen im Verbraucherschutz, die auf der Tagesordnung sind. Dazu gehören die Verjährungsfrist für Falschberatung, die persönliche Verantwortung für Falschberatung und die Schadensregelungen bei eintretendem Schaden durch Falschberatung. Aber das können wir heute nicht endgültig klären, sondern es geht um die praktische Lebenshilfe in der Verbraucherschutzzentrale Berlin. Da sind wir auf dem richtigen Weg, ohne die weiterführende Diskussion damit abzuwürgen. Wir wollen die Erfahrungen aufnehmen, die in dieser Situation gemacht werden, sie für weitere gesetzliche Regelungen heranziehen und dann auch den Verbraucherschutz als Lebenshilfe und Anspruch auf Lebenshilfe ausbauen.

Insofern sage ich herzlichen Dank für die schnelle Behandlung dieses Antrags. Ich gehe davon aus, dass es auch eine schnelle und praktische Regelung der Fragen bezüglich der Verbraucherschutzzentrale gibt und wir dann an die Ausweitung des Verbraucherschutzes gehen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gersch das Wort. – Bitte sehr!

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen läuft unter dem Titel „Boss, ich brauch’ mehr Geld!“ – Mehr habe ich da nicht herausgelesen. Als Begründung wird die aktuelle Finanzkrise herangezogen. Im vorliegenden Antrag wird neben der Mitteleinwerbung bei Banken und Versicherungen für die Verbraucherzentrale auch eine eigene Hotline des Senats gefordert. In der Begründung – das ist der Knaller gewesen – wird darüber hinaus eine Haushaltsumschichtung verlangt. Liebe Kollegen von den Grünen! Sie wollen mal wieder alles, und zwar sofort und das auch noch doppelt und dreifach. Dem können wir nicht zustimmen.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Frau Pop! Solide Verbraucher- und Finanzpolitik sieht deutlich anders aus als das, was Sie sich hier vorstellen. Die Zuwendung für die Verbraucherzentrale wurde seinerzeit nicht ohne Grund gedeckelt. Die vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Auflagen wollte die Verbraucherzentrale nicht erfüllen, und dieses Haus hat darauf reagiert. Wir werden uns sicher beim nächsten Haushalt über eine Anpassung der Zuwendung für die Verbraucherzentrale unterhalten müssen, aber im Moment aufgrund der Finanzkrise zusätzliche Geldmittel lockerzumachen – sorry, das können und wollen wir nicht mittragen!

Entschuldigung, Herr Abgeordneter Gersch! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?

Ja, gerne!

Herr Kollege Gersch! Wie wollen Sie denn jetzt den Menschen helfen, die diese schadhaften Wertanlagen gekauft haben und jetzt vor einem Scherbenhaufen stehen und dringend eine Rechtsberatung brauchen?

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Herr Kollege Schäfer! Was Sie hier tun, ist höchst fahrlässig. Sie wollen den Menschen vorgaukeln, dass sie eine Hotline anrufen und dort eine hundertprozentige Beratung

bekommen. Das sollten wir lieber den Anwälten überlassen. Aber das, findet der Kollege Keßler, sind ja alles Aasgeier.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]