Protocol of the Session on September 25, 2008

Förderung und damit verbundene bessere Startchancen der Kinder. Das haben wir vorhin schon gesagt. Aber bei uns, Frau Kollegin Herrmann, geht es nicht um finanzielle Leistungen. Wir Liberale sagen: Gebt den Kindern Sachleistungen wie Gutscheine für Musikschulen, für Nachhilfe oder für Sportvereine, denn diese Leistungen kommen auch bei den Kindern an!

[Beifall bei der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!]

Kinderarmut bringt aber auch gesundheitliche Probleme mit sich. Kinder, die in Armut leben, haben häufiger psychische und physische Probleme. Damit möchte ich auf unseren Antrag zu sprechen kommen: Es gibt bereits einen Spezialbericht zur gesundheitlichen und sozialen Lage von Kindern in Berlin. Wir wollen diesen Bericht weiterentwickeln. Wir wollen, dass dieser Bericht eine gute Informationsgrundlage für pädagogisches und medizinisches Personal wird, aber auch für interessierte Eltern, denn gerade zu Hause spielt die Gesundheitserziehung der Kinder eine immer wichtigere Rolle. Die an der Gesundheitserziehung Beteiligten müssen sich vielen Fragen stellen. Durch die Forderung nach Aufnahme von praktischen Handlungsanweisungen, die auch in der Alltagssituation helfen, geben wir den Eltern ein weiteres Instrument an die Hand, damit sie sich Hilfe holen können.

Wir fordern in dem Antrag konkret die Aufnahme praktischer Handlungsempfehlungen zu einzelnen Schwerpunktthemen für die an der Gesundheitserziehung der Kinder Beteiligten, zweitens die Aufnahme der Bereiche „Psychische Gesundheit“ sowie „Chronische Krankheiten“, denn auch die betreffen das Thema Kinderarmut. Dadurch, dass arme Kinder seltener zum Arzt gehen oder Krankheitsbilder nicht so stark verfolgt werden, bilden sich leider vor allem bei diesen Kindern chronische Krankheiten. Drittens wollen wir, dass Eltern in diesem Bericht Hilfs- und Beratungsangebote in Gesundheits- und Erziehungsfragen finden.

Daher kann ich nur an Sie appellieren. Durch diesen Bericht wird in dieser neuen und weiterentwickelten Form eine Möglichkeit geschaffen, Handlungsempfehlungen und Informationen für Eltern zu geben, damit sie die gesundheitliche Lage ihrer Kinder in Berlin verbessern. Stimmen Sie unserem Antrag zu, und helfen Sie damit den Kindern dieser Stadt! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Entschuldigung! Sie möchten eine Kurzintervention? – Dann hat Frau Dr. Barth das Wort. – Bitte sehr!

Herr Dragowski! Vielleicht war das missverständlich. Wir lehnen alle anderen Anträge ab, haben aber zum Antrag der Fraktion der Grünen – Drucksache 16/0555 – einen

Änderungsantrag eingebracht. Dem stimmen wir selbstverständlich zu. Das wollte ich noch einmal richtigstellen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Herr Dragowski möchte dazu nichts sagen. – Dann hat Frau Demirbüken-Wegner für die CDU-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, alle parlamentarischen Initiativen in dieser Legislaturperiode zum Thema Kinderfreundlichkeit und Kindeswohl sowie Familie durchzuschauen, wird über die Zahl der Anträge angenehm überrascht sein. Er wird aber auch enttäuscht sein über die Anzahl der ablehnenden Voten, die die Mehrheit in diesem Hause produziert. So, wie es heute den Grünen mit ihren Anträgen zu Kinderfreundlichkeit und Kinderarmut gehen wird, so ist es der CDU-Fraktion mit den Anträgen zu Familienpolitik oder dem Kinderschutz und der FDP zu Sicherheit der Kindertagespflege gegangen. Rot-Rot und vor allem Frau Dr. Barth kennen immer die bessere Lösung, es ist bereits „alles auf dem besten Weg“, oder die Vorlage oder der Bericht „wird in Kürze erscheinen“.

Im Fachausschuss klingt das dann so: Auf die Frage, welches Konzept der Senat für die Familienkompetenzzentren hat oder ob im Demografiekonzept die Linien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt berücksichtigt sind, kommt die Antwort: Im Jahr 2008 wird die Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft Vorschläge für die Familienkompetenzzentren vorlegen. Heute – das war der 3. Juli dieses Jahres – sehe man sich noch nicht in der Lage, über die einzelnen Schritte zu erichten. b Oder die Frage im März 2008 nach der Evaluation des Kindertagesbetreuungsreformgesetzes vom 1. August 2005, wo nach zwei Jahren ein Evaluationsbericht vorgelegt werden sollte. Die Antwort vom März suggerierte eine zeitnahe Vorlage, da „nur noch die Stellungnahmen der Jugendämter und der Ligaverbände ausgewertet werden“ müssten. Die müssen es aber in sich gehabt haben, oder warum ist das in fünf Monaten nicht möglich gewesen, Herr Senator?

Die Frage, was wir den Kindern unserer Stadt schuldig sind, stellt sich bei diesem Verhalten der rot-roten Regierungsmehrheit anscheinend gar nicht. Es gibt keine bedarfsgerechte oder zeitnahe Evaluation von Maßnahmen. Nichts geschieht, damit wenigstens die Voraussetzungen geschaffen werden, die Familien und ihren Kindern einen besseren Stand in der Stadt geben. Nicht die Frage, wo Hilfe und Unterstützung notwendig ist, scheint im Vordergrund zu stehen, sondern die Arbeitskapazität einer Verwaltung oder vielleicht auch nur die ideologischen Träumereien von einigen rot-roten Spitzenfunktionären.

Dabei ist klar: Kinder benötigen verlässliche Rahmenbedingungen. Kinder benötigen Fürsorge und Schutz. Kinder müssen die Gelegenheit bekommen, Selbstvertrauen zu entwickeln. Kinder wollen Regeln für ihr eigenes Leben und Verhalten. Man kann diese Regeln als Normen, Werte oder Tugenden bezeichnen, das ist mir gleichgültig. Doch man darf derlei nicht als Missachtung ihrer Individualität und Freiheit infrage stellen und auf die lange Bank schieben. Kinder verdienen alle Bildungschancen, die unsere Gesellschaft zu bieten hat.

[Beifall bei der CDU]

Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit in einer Gesellschaft, sondern auch unerlässlich für wirtschaftliche Entwicklung und Entstehung von Arbeitsplätzen. Dabei müssen Kinder zwar nicht im Reichtum aufwachsen, aber auf keinen Fall, wie unter Rot-Rot zu sehen ist, sollen immer mehr Kinder in Armut aufwachsen müssen. Deshalb geht es nicht nur um das Haushaltsgeld der Eltern, sondern auch um gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit. Aber weil die rotrote Mehrheit im Ausschuss solche Themen und Anträge der Opposition nur ablehnt und nicht positiv begleitet, steht Berlin auf der Hitliste bei Armut ganz oben und dem Beschäftigungsangebot ganz unten.

[Beifall bei der CDU]

Wir unterstützen deshalb die Anträge der Grünen, die mit ihrer Aufforderung zur Berichtspflicht über die Wirksamkeit der Politik der rot-roten Koalition deutlich machen, dass es in der Regierungspolitik an einem wirkungsvollen Gesamtkonzept mangelt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können einzeln abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über a, Antrag der Grünen Drucksache 16/0554 – Stichwort: Kinder- und Jugendbeteiligung in Berlin stärken. Der Antrag wurde im Ausschuss mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu b, Antrag der Grünen Drucksache 16/0555 – Stichwort Kinderfreundlichkeitsprüfung. Im Ausschuss mehrheitlich gegen Grüne und FDP bei Enthaltung CDU in neuer Fassung angenommen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalition und die Grünen. Die Gegenprobe! – Das ist die FDP-Fraktion. Enthaltungen? – Das ist die CDU-Fraktion. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Wir kommen zu c, Antrag der Grünen Drucksache 16/0797 – Stichwort Kinderarmut I. Das ist einstimmig für erledigt erklärt worden. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies so beschlossen.

Wir kommen zu d, Antrag der Grünen Drucksache 16/0798 – Stichwort Kinderarmut II. Von den Ausschüssen jeweils mehrheitlich gegen CDU und Grüne bei der Enthaltung der FDP abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu g, Antrag der FDP Drucksache 16/1376 – Stichwort Spezialbericht. Im Ausschuss mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion und die Fraktion der Grünen und die CDU-Fraktion, wenn auch nicht in Gänze. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Das waren die Abstimmungen. Die Beschlussempfehlungen unter den Tagesordnungspunkten 15 e und 15 f stehen auf der Konsensliste.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 4 d:

Gesundheitsfonds und staatliche Beitragssatzfestsetzung in der gesetzlichen Krankenversicherung verhindern

Antrag der FDP Drs 16/1755

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. – Herr Gersch, bitte!

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz bietet wenig Perspektiven, die Defizite unseres Gesundheitssystems zu verringern oder gar zu beseitigen. Der Titel Wettbewerbsstärkung kann inzwischen auch niemanden mehr davon überzeugen, dass diese wirklich entstehen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Es wurde die Möglichkeit vertan, einen echten, preisgesteuerten Wettbewerb herzustellen. Somit wird es auch zu keiner besseren Kostenkontrolle kommen.

Eines der größten Probleme dabei ist die Einführung des Gesundheitsfonds. Dieser soll ab dem Jahr 2009 mit einem einheitlichen, staatlich festgesetzten Beitragssatz und weiterhin paritätischer Finanzierung eingeführt werden. In

diesem Zusammenhang wird der Risikostrukturausgleich neu organisiert, damit Morbiditätsunterschiede künftig besser berücksichtigt werden können. Sie sehen: Vom ursprünglichen Ziel, die Beitragserhöhungen vom Lohn zu entkoppeln, ist fast nichts geblieben, und der Risikostrukturausgleich birgt viel mehr Gefahren, für teure, intransparente Umverteilungsmechanismen missbraucht zu werden.

[Beifall bei der FDP]

Neben dem regulären Beitrag droht den Versicherten ab 2009 ein Zusatzbeitrag, wenn ihre Krankenkasse mit den finanziellen Zuweisungen aus dem Fonds nicht zurechtkommt. Welche Probleme allein diese Regelung in der Praxis verursachen wird, zeigt die Überforderungsklausel. Sie besagt, dass der Zusatzbeitrag nur in bestimmten Einkommensgrenzen erhoben werden darf. Selbst der Vater der Gesundheitsfonds, Prof. Dr. Richter, kritisiert, dass diese nichts mehr mit dem eigentlichen Fondskonzept zu tun hätten. Damit sind Ungerechtigkeiten im Wettbewerb der Kassen vorprogrammiert,

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

denn die einprozentige Überforderungsklausel führt zu einem kasseninternen statt kassenübergreifenden Finanzausgleich. Eine mögliche Folge ist, dass Kassen mit schlechter Risikostruktur trotz guter Wirtschaftsführung verdrängt werden.

Aber nicht nur, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, die Versicherten werden dadurch zu einem Krankenkassen-Hopping animiert. Denn sobald die Kasse den Zusatzbeitrag erhebt, hat der Versicherte ein Sonderkündigungsrecht.

Durch die Insolvenzfähigkeit der Kassen wird bereits im nächsten Jahr mit ersten Insolvenzfällen gerechnet. Somit dient der Gesundheitsfonds als Instrument der Geldumverteilung. Das, was eigentlich nötig wäre – nämlich die Ausgabenseite zu steuern –, ist nun nicht möglich.

Das sind nur ein paar Beispiele, um aufzuzeigen, wie unsinnig der Fonds ist. Es ist aber auch nicht verwunderlich, dass er so viele Probleme verursacht. Denn er ist letztlich eine Kompromisslösung der beiden konkurrierenden GKV-Finanzierungsmodelle von SPD – genannt Bürgerversicherung – und von CDU – genannt Kopfpauschale.

Was sich hieraus entwickelt, wird sich nach der nächsten Bundestagswahl zeigen. Der Fonds lässt beide Richtungen zu, sodass seine eigentlich bezweckte Wirkung gar nicht erst erreicht wird. Das, was den Versicherten – und die sollte man bei der Reform nicht vergessen – die größten Sorgen bereitet, ist die Festlegung eines einheitlichen Beitragssatzes. Die Kassen besitzen jetzt nur noch Produkt-, aber keine Finanzkompetenz. Den Versicherten wird also die Möglichkeit genommen, sich über den Beitragssatz zu orientieren. Wenig verbraucherfreundlich müssen sie nun Leistungskataloge vergleichen und werden sich mehr als jetzt zu einem aufwendigen Wechsel gezwungen sehen. Im Wahljahr bleibt abzuwarten, ob ein

realistischer oder ein wahlkampffreundlicher Beitragssatz festgelegt wird, dem das böse Erwachen auf dem Fuß folgt.

Sie sehen: Der Gesundheitsfonds birgt mehr Nach- als Vorteile. Deshalb bitte ich Sie, die Initiative zu unterstützen und sich im Sinne der Versicherten gegen dies teure Instrument zu engagieren. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gersch! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Winde das Wort. – Bitte sehr!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ganz ehrlich: Ich denke, wir führen hier eine Diskussion, die nicht in einem Landesparlament geführt werden sollte, sondern die – wenn überhaupt – im Bundestag geführt werden sollte. Denn, wie Sie wissen, lieber Herr Gersch, ist der Einfluss des Senats und des Abgeordnetenhauses in dieser Angelegenheit äußerst gering.

Aber schauen wir uns einmal die Situation etwas näher an! Ab 1. Januar 2009 gilt für mehr als 200 gesetzliche Krankenkassen und ihre 70 Millionen Versicherte bundesweit ein einheitlicher Beitragssatz. Gleichzeitig wird ein neuer Finanzausgleich zwischen den Kassen eingeführt. Für jeden Versicherten erhalten die Kassen Pauschalen, die nach Alter und Geschlecht, aber auch nach einer Liste von 80 chronischen Krankheiten berechnet werden. Der Wettbewerb der Kassen soll damit auf eine faire Basis gestellt werden, und die Leistungen der Krankenkassen sollen transparenter werden. Das verspricht der Gesundheitsfonds – so weit die Theorie.