Als letzten beispielhaften Punkt möchte ich die chaotischen Zustände in der Beihilfestelle nennen. Tagelang hat sich die Öffentlichkeit mit dramatischen Bearbeitungsrückständen in der Beihilfestelle beschäftigen müssen, die der Senat gegenüber Kleinen Anfragen von Abgeordneten mehrfach einräumen musste. Beamte zahlen manchmal inzwischen mehrere Tausend Euro aus eigener Tasche und warten dann monatelang auf die Erstattung. Teilweise gab es Fälle, in denen Beamte Kredite zur Zwischenfinanzierung aufnehmen mussten. Der Senat richtet immerhin eine Arbeitsgruppe ein und teilt kraftvoll mit, an der Beseitigung der Ursachen werde gearbeitet. Dann sagt aber die Innenverwaltung, es entspreche nicht der Philosophie der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, bei auftretenden Unzulänglichkeiten im Verwaltungsablauf umgehend die Schuldigen zu suchen. Herr Senator Körting! Wenn es um die Übernahme der Verantwortung geht, schreiben Sie den Beschäftigten zwar schöne Rundschreiben, dann können aber nicht über das Durcheinander in der Beihilfestelle hinwegtäuschen, über die Rechtsunsicherheit und die ungeordneten Verhältnisse. Wer ist denn verantwortlich für zwölf Prozent Krankenstand? Wer ist verantwortlich für diese Bearbeitungsrückstände, Herr Innensenator?
Das sind bei weitem nicht alle Punkte, die ich zur Begründung der Aktualität beitragen kann. Die fehlende Rechtstreue des Senats und die Anzahl der Verfahren, die Sie verlieren, ist inzwischen so groß, dass sich die Kette beliebig fortsetzen ließe. Insgesamt zeichnen die Beispiele die Konturen einer verfehlten Personalpolitik. Wir sollten uns an dieser Stelle vornehmen, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes nicht nur bloße Kostenfaktoren, sondern Dienstleister für die Bürger sind und wir an einer effizienten Verwaltung arbeiten müssen. Stattdessen erzeugen Sie mit Ihrer Personalpolitik Leistungsverweigerung und Streiks. Wir wollen deshalb, dass das Thema der Fürsorgepflicht im öffentlichen Dienst, das Sie seit Jahren sträflich vernachlässigen und das in den letzten Tagen durch die Gerichtsurteile aktuell geworden ist, Thema in der Aktuellen Stunde wird, weil es längst auf die Tagesordnung gehört. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Herr Kollege Graf! – Für die Grünen hat jetzt Herr Ratzmann das Wort. – Bitte schön, Herr Ratzmann, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will am Anfang zunächst einmal klarstellen, dass ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spreche. Nach der Rede von Frau Tesch, die hier anscheinend für die Initiative „Pro Ethik“ gesprochen hat, scheint mir das dringend notwendig zu sein.
Frau Tesch! Sie haben den Kulturkampf in dieser Frage in das Abgeordnetenhaus getragen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie verschärfen damit den Konflikt, und das kann diese Stadt nicht gebrauchen.
Herr Kollege Ratzmann! Würden Sie sich auf die Begründung der Aktualität Ihres Vorschlags zur Aktuellen Stunde beschränken?
Selbstverständlich, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir am vergangenen Montag im Innenausschuss das Sonderzahlungsgesetz, das wir nachher noch auf der Tagesordnung haben werden, debattiert haben – Sie wissen, diese Ablasszahlung des Senats für verweigerte Tarifverhandlungen an die Beschäftigten – und als wir aus der Opposition heraus die Personalpolitik des Landes Berlin und dieses Senats kritisiert haben – im Übrigen mit sehr kleinlauten Verteidigungsversuchen
der Linkspartei –, da hat mir der Innensenator entgegengehalten: Was wollen Sie denn? Wir haben doch in der Vergangenheit die richtigen Weichenstellungen getroffen!
Da stimme ich Ihnen auch zu. Sie haben in der Vergangenheit Weichenstellungen vorgenommen mit dem Anwendungstarifvertrag und sicherlich auch mit dem Versuch, überzählige Kräfte aus der Verwaltung zu vermitteln. Aber ich sage Ihnen, Herr Dr. Körting: Es geht nicht nur darum, sich auf der Vergangenheit auszuruhen, sondern es geht auch darum, in der Zukunft weitere richtige Handlungen zu vollziehen! Und ich sage es Ihnen noch einmal, Herr Dr. Körting, und zwar mit Trappatoni: Personalwirtschaftlich hat dieser Senat fertig.
Wenn Sie meinen, dass Sie personalwirtschaftlich alles getan haben, was dieses Land braucht, dann irren Sie. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Landesarbeitsgerichts zeigen nur, wie schlecht Sie, auch handwerklich, in der Vergangenheit gearbeitet haben. Ich sage Ihnen: Was die Personalwirtschaft dieses Landes betrifft, so sind wir noch nicht aus der Bredouille heraus. Die Finanzkrise, über die alle Welt redet und über die heute auch der Bundestag redet, wird uns treffen und auch die Personalwirtschaft dieses Landes herausfordern. Wir werden, wenn wir Konsolidierungshilfen vom Bund haben wollen, Verpflichtungen eingehen müssen. Wir werden weiter den ausgeglichenen Haushalt halten müssen. Das heißt, wir müssen auch über die Personalkosten der Zukunft sprechen, und ich sage Ihnen: Dieser Senat zeigt ganz deutlich, dass er nicht in der Lage ist, über das Ende des Anwendungstarifvertrags, über 2009 hinaus zu denken. Weil Sie das nicht können, werden wir das aus der Opposition heraus machen müssen.
Ihre Verweigerungshaltung oder eher, der Gerechtigkeit halber, die Verweigerungshaltung des Regierenden Bürgermeisters – Sie Herr Körting, wollten ja einen anderen Weg gehen – zwingt uns dazu, dass wir unter Ihren finanzpolitischen Prämissen, unter denen dieses Land steht, weiter über Stellenabbau reden müssen. Wer sich jetzt weigert, darüber zu reden, wie es mit dem Anwendungstarifvertrag weitergeht, und sich weigert, über eine vernünftige Personalplanung zu reden, der nimmt billigend in Kauf, dass wir in dieser Stadt Personal in Ausmaßen abbauen müssen, die wir uns von der Leistungserbringung her überhaupt nicht leisten können. Das hat dieser rot-rote Senat zu verantworten und niemand anders.
Wir werden uns noch aus einer anderen Perspektive dem Personalproblem zuwenden müssen. Das Bundesministerium des Inneren sagt, dass wir in den nächsten 15 Jahren eine Pensionierungswelle haben werden, die bundesweit 1,2 Millionen Beschäftigte freisetzen wird. Das wird auch nicht spurlos am Land Berlin vorbeigehen. Wer jetzt weiß, dass wir mit diesem Personalproblem umgehen müssen, und wer sich die Personalsituation auf dem Ar
beitsmarkt anguckt, der weiß, dass wir in heftiger Konkurrenz auch zu den privaten Unternehmen stehen werden, die das Personal, das gut ausgebildet ist, wegfischen. Wir müssen jetzt anfangen, darüber zu reden, wie wir den Nachwuchs in die öffentliche Verwaltung des Landes bekommen, weil wir sonst nicht mehr in der Lage sein werden, das, was wir an Aufgaben zu schultern haben, und das, was wir zu erbringen haben, auch tatsächlich zu meistern. Dazu brauchen wir juristisch saubere Lösungen. Sie haben gezeigt – gerade mit diesen beiden Urteilen –, dass Ihre Lösungen nicht sauber waren.
Wir müssen jetzt auch eine klare Zuständigkeit im Senat haben: Innen – nicht Finanzen. Wir haben einen Staatssekretär, der das so nebenbei unter anderem für das Personal zuständig ist, wobei wir im Übrigen einen Staatssekretär allein für den Sportbereich haben. Bei 131 000 Beschäftigten brauchen wir einen politisch Verantwortlichen mit professioneller Ausstattung für die Personalplanung. Es geht nicht nur, liebe CDU – wie Sie es mit Ihrer Aktuellen Stunde angemeldet haben – um die Fürsorge für die Beschäftigten in diesem Land. Das ist wichtig. Ja, wir haben eine Fürsorgepflicht. Aber wir haben auch eine Verpflichtung für die Zukunft, damit wir den zukünftigen Generationen noch die Leistungen der öffentlichen Hand bieten können, die sie brauchen, um in dieser Stadt vernünftig zu leben. Deswegen ist das eines der aktuellsten Themen, die wir haben. Wir müssen endlich darüber reden, wie es mit dem Personal in diesem Land weitergeht. – Vielen Dank!
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion: Für welche Fraktion war das?]
Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die FDPFraktion hat nunmehr der Kollege Gersch. – Bitte schön, Herr Gersch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen Satz vorher! Sie haben alle heute diese Lunchboxen verteilt bekommen.
Herr Kollege! Ich würde auch Sie bitten, zum Thema zu kommen und die Aktualität Ihres Themas für die Aktuelle Stunde zu begründen. Hier wird nur begründet und sonst gar nichts! – Bitte!
Trotzdem möchte ich Sie bitten, die Lunchboxen an die Berliner Tafel abzugeben. Unsere Berliner Abgeordnetenhausfraktion wird das tun. Ich bitte Sie, sich dem anzuschließen.
Zum aktuellen Thema, das wir heute besprechen wollen, „Nicht noch mehr Belastung für die Bürger – Gesundheitsfonds im Bundesrat stoppen!“, gibt es zwei aussagefähige Zitate. Das eine ist „Missgeburt“, das andere „Sinnvoll wie eine Autobahnbrücke ohne Autobahn“. Das erste kommt von Bernd Rürup, dem Vorsitzenden des Sachverständigenrats, und das zweite von Karl Lauterbach. Ihr SPD-Gesundheitsexperte wird immer wieder gern gehört. Was mit „Missgeburt“ bezeichnet wurde, ist der Gesundheitsfonds.
Es ist allen klar, die diesen Gesundheitsfonds eingeführt haben, dass dadurch alles teurer wird. Die Krankenkassenbeiträge werden steigen. Ein einheitlicher Beitragssatz von ungefähr 15 bis 16 Prozent zur Einführung wird uns drohen. Ein Bürokratiemonster entsteht, damit der Staat Ausgaben der Krankenkassen vollständig abdeckt, ohne diesen Zweck jemals erfüllen zu können. Ein Stück real existierender Sozialismus ersteht wieder in Deutschland,
Es gibt zumindest zwei prominente Personen, die sich über die Einführung freuen. Die eine ist die Fleisch gewordene rheinische Frohnatur Ulla Schmidt, die eigentlich alles toll findet, was ihren Namen trägt. Auch die Kanzlerin findet es ganz toll. – Jetzt zur CDU!
Ja, vielleicht sollten gerade Sie vom Landesverband Berlin auf Ihre Kanzlerin einwirken. Sie haben bei ihr ohnehin keinen guten Stand mehr. Vielleicht tun Sie der Gesellschaft einmal etwas Gutes.
Praxisgebühren, Arzneimittelzuzahlung, Krankenhaustagegeld, die Kosten für Zahnersatz und Beitragserhöhungen – die Kostenrallye geht ohne Tempolimit weiter. Der sogenannte einheitliche Beitragssatz ist eine Mogelpackung, denn bereits 2010 können Zusatzprämien erhoben werden, und sie werden erhoben werden. Es gilt das Motto: Wenn schon keine Steigerung des Wettbewerbs, dann doch wenigstens eine der Beiträge. Noch absurder ist, dass sich die Verteilerorgie nach dem Morbiditätsprinzip richtet. Zu Deutsch: Je kranker die Versicherten sind, umso mehr bekommen die Krankenkassen. Prävention ist damit Geschichte. Konsequenzen könnten z. B. die verbindliche Pflicht zum Rauchen und Alkoholkonsum in vorgeschriebenen Mengen sein – alles, um die Gesundheit der Bürger möglichst zu schädigen, damit es dem Ge
sundheitssystem gut geht. Absurd, teuer und unnötig! Zeit, darüber zu reden, und Zeit zu handeln! – Danke!
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über das Thema der Fraktion der CDU, da sich in den Vorgesprächen hierfür eine Mehrheit abgezeichnet hat. Wer diesem Thema der CDU seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU, die SPD und die Linke. Die Gegenprobe! – Das ist die FDP. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen bei Enthaltung von Bündnis 90. Die anderen beantragten Themen haben damit ihre Erledigung gefunden.
Ich möchte Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Für die heutige Sitzung lag dem Ältestenrat die folgende Entschuldigung von Senatsmitgliedern vor: Frau Senatorin Junge-Reyer ist ganztägig abwesend, um bei der Bauministerkonferenz in Gelsenkirchen dabei zu sein.
Bevor ich die erste Frage aufrufe, habe ich einen Vorschlag zu unterbreiten: Die Fragen der Abgeordneten Pauzenberger von der SPD und Statzkowski von der CDU zum „Neubau eines Fußballstadions“ sollten zusammen aufgerufen und gemeinsam beantwortet werden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Dann verfahren wir so. Das Verfahren ist Ihnen im Übrigen bekannt.
Dann habe ich Ihnen noch mitzuteilen, dass die Frage Nr. 10 des Abgeordneten Florian Graf von der CDU über den „Neubau der Kfz-Zulassungsstelle Mitte“ zurückgezogen worden ist.
Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Arndt von der Fraktion der SPD zum Thema