Protocol of the Session on September 25, 2008

Vertreterinnen und Vertreter der Vereinigung Berliner Handelsrichter, die auf der Zuhörertribüne Platz genommen haben. – Herzlich willkommen in unserem Haus!

[Allgemeiner Beifall]

Jetzt hat der Herr Abgeordnete Zackenfels genau fünf Minuten Zeit.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Abgeordneter Schruoffeneger! Ich will es auf den Punkt bringen: So billig kommen Sie uns nicht davon! – Dass Sie gestern gegen dieses Projekt gestimmt haben, ist schon eine Kerbe in Ihrem Anspruch, irgendwann einmal Regierungsfraktion sein und dieses Land voranbringen zu wollen. Da haben Sie mit Ihrem Verhalten versagt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich greife jetzt Ihre Argumentation zu dem wichtigsten Milliardenprojekt des Landes Berlin der letzten zehn und der nächsten wahrscheinlich fünf bis zehn Jahre auf und werde versuchen, sie einzeln nachzuvollziehen und zu widerlegen.

Sie beginnen damit, alles sei plötzlich ganz anders, als es vor einem oder anderthalb Jahren dargestellt worden sei. Da frage ich Sie, Kollege Schruoffeneger: Kriegen Sie eigentlich mit, was in der Welt passiert?

[Zuruf von den Grünen: Nein!]

Haben Sie mitbekommen, dass es so etwas wie eine Krise im Finanzwesen gibt? Ist Ihnen geläufig, dass Banken plötzlich Schwierigkeiten haben, sich gegenzufinanzieren?

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Wo leben Sie, dass dieser Sachverhalt, der natürlich auch Auswirkungen auf das Land Berlin und ein solches Projekt hat, an Ihnen völlig vorbeigeschlittert ist und Sie sich allen Ernstes hier hinstellen und sagen, welch ein Skandal, es ist alles ganz anders als vor anderthalb Jahren angekündigt? – Oliver, das geht so nicht!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die Finanzsysteme brechen zusammen. Natürlich ist es das Selbstverständlichste der Welt, dass sich in einem solchen schwierigen Umfeld ein Projekt wie BBI, das auf internationale Finanzmärkte zugreifen muss, immer wieder die Frage stellen muss, inwieweit es bereit ist, einen bestimmten Zuschlag dafür zu zahlen, dass die Banken schwieriger an Geld kommen als noch vor anderthalb oder vor zwei Jahren. Das, lieber Kollege Schruoffeneger, ist die Kernantwort, die diese Koalition zu geben bereit ist. Das sind wir bereit, durch eine Bürgschaft und durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft aufzufangen, weil wir fest an dieses Projekt glauben, weil wir der festen Auffassung sind, dass wir dafür bereit sind, haften zu wollen

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

und dafür auch den Vorteil in Kauf nehmen, weniger Zinsen zahlen zu müssen, als wir zahlen müssten, wenn wir das nicht so täten.

[Volker Ratzmann (Grüne): Wie ihr den Banken geglaubt habt! – Zurufe von Ramona Pop (Grüne) und Joachim Esser (Grüne)]

Jetzt komme ich zu Ihrem zweiten Vorwurf, Kollege Schruoffeneger – ich habe leider nur noch zwei Minuten Redezeit. Sie sagen, wir sollten vertagen, weil die Diskussion nicht seriös genug geführt worden sei. Ich habe mir hier zusammenstellen lassen, wie oft wir über dieses Projekt in den letzten anderthalb Jahren gesprochen haben: Beginnen wir mit dem 9. Mai 2007, Thema Baukosten BBI, mit der Neuausschreibung dieser Baukosten für das Terminal auf entsprechende Anfrage im Hauptausschuss am 26. September 2007. Fahren wir fort mit der Dezembersitzung des Unterausschusses Beteiligungen, in der damals detailliert dargestellt wurde, wie sich das Projekt entwickeln wird, wie sich die Kosten entwickeln werden, wie sich die Ausschreibung verändert.

Sagen Sie hier nicht, dass Sie in diesem Prozess des natürlich stückweisen Verabschiedens eines ursprünglichen Plans, weil man einsehen musste, dass sich die Bedingungen geändert haben, nicht mitgenommen worden wären! Fahren wir fort mit dem 23. April 2008, der Umwandlung des Gesellschafterdarlehens. Wir gehen zum 3. Juli 2008, wo im Unterausschuss Beteiligungen gefragt wurde, welche betriebswirtschaftlichen und unternehmenspolitischen Entscheidungen uns bewogen haben, Globe Ground zu veräußern. Auch das war eine kleine Baustelle. Und wir enden mit dem 3. September 2008 im Unterausschuss Beteiligung und Management, wo Ihnen der Regierende Bürgermeister, der Aufsichtsratsvoristzende BBI, detailliert dargestellt hat, warum und wieso bestimmte Entscheidungen so gefällt worden sind, wie sie gefällt worden sind.

[Joachim Esser (Grüne): Eben nicht!]

Doch! Natürlich, Esser!

[Heiterkeit bei der SPD]

Kollege Esser, Verzeihung! – Das Ganze endet heute und hier, und das ist auch gut so, in der Verabschiedung dieses Gesetzes, über dessen Form gestern die CDU in einer, wie ich finde, sehr ausgeglichenen und seriösen abwägenden Diskussion festgestellt hat, dass sie offenbar anderer Meinung ist, was diesen Weg betrifft, aber dass sie hier als eine der wichtigsten Oppositionsparteien auch bereit ist, grünes Licht für dieses Projekt zu geben, das ist Verantwortung für Berlin. Diese haben Sie heute nicht zutage treten lassen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt der Herr Abgeordneter Schruoffeneger!

Herr Kollege Zackenfels! Nun kommen Sie doch wieder runter! Niemand sagt, dass dieses Projekt insgesamt eine Katastrophe ist.

[Christian Gaebler (SPD): Ihr habt aber versucht, den Eindruck zu erwecken!]

Es hat auch niemand eine Katastrophe an die Wand gemalt. – Die Fleißarbeit, die Sie gemacht haben, ist ehrenwert, aber auch im Juni stand immer noch überall „Ausfallbürgschaft“. Noch mit dem Haushaltsgesetz im letzten Jahr haben Sie eine „Ausfallbürgschaft“ verabschiedet. Das muss jetzt anders sein. Es kann ja sein, dass man nach einer längeren Diskussion und seriöser Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass die internationale Finanzkrise wirklich so dramatisch ist, dass keine Bank mehr bereit ist, einen solchen Kredit auf der normalen Basis einer Ausfallbürgschaft – auch mit 100 Prozent – zu vergeben. Oder man kommt zu dem Ergebnis, ein solcher Kredit wäre vielleicht eine halbe Milliarde Euro teuerer als eine selbstschuldnerische Bürgschaft.

[Stefan Zackenfels (SPD): Genau!]

Kann ja sein! Dann müssen wir aber diskutieren, ob uns der langfristige Verzicht auf eine Privatisierungsmöglichkeit des Betriebs des Flughafens diese halbe Milliarde Euro wert ist oder nicht. Diese Diskussion haben wir nicht geführt. Das ist das Problem.

Es ist nicht so, dass wir unter Zeitdruck stehen. Der Bund ist mitten im Diskussionsprozess, und zwar genau an dieser Frage.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Der Bund wird das nicht vor Mitte November mit dem Bundeshaushalt verabschieden. Solange der Bund keinen Beschluss gefasst hat, kann sowieso nicht gehandelt werden, weil das der dritte Gesellschafter ist. Wir sind nicht im Zeitdruck, das heute hier beschließen zu müssen. Wir können uns ganz seriös die Frage stellen und beantworten: Ist es uns diese halbe Milliarde Euro mehr wert, in fünf, sechs Jahren, die Privatisierung des Betriebs vorantreiben zu können und Privatisierungserlöse zu haben? Was rechnet sich denn eher: höhere Baukosten jetzt oder Einnahme dann? – Das sind doch die Fragen. Die haben Sie weder gestellt noch beantwortet. Da müssen Sie hier nicht so einen ideologisches Tohuwabohu machen, darum geht es überhaupt nicht. Da haben Sie schlichtweg das Thema verfehlt.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schruoffeneger! – Herr Zackenfels möchte antworten und hat jetzt die Gelegenheit dazu. – Bitte sehr!

Ganz kurz, ich will die Diskussion nicht verlängern. – Erstens: Ich weiß nicht, woher Sie die Information haben, dass sich der Bund in irgendeiner Form inhaltlich oder technisch von der Vorgehensweise verabschiedet, die wir heute zur Abstimmung stellen. Das ist, Kollege Schruoffeneger, so nicht richtig. Die politische Spitze hat in allen dafür verantwortlichen Gremien – –

[Joachim Esser (Grüne): Hat sie nicht!]

Das haben Sie gestern gehört, Kollege Esser! Ich wette mit Ihnen um eine wunderbare Flasche Wein, dass Sie mir Mitte November diese Flasche überreichen müssen, weil der Bund genau diesen Weg gehen wird. Ich bin bereit, das hier öffentlich einzusetzen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie irren sich, wenn Sie glauben, dass der Bund diesen Weg nicht beschreiten wird – erster Punkt.

Zweiter Punkt: Warum wollen Sie denn verzögern? Warum glauben Sie, dass es irgendetwas bringt, bis Mitte November zu warten, nachdem wir klar haben, dass der Bund den Weg mitgehen wird? Was wollen Sie damit? Wollen Sie das Projekt verzögern? Warum gehen Sie nicht den Weg, wie es sich – wie ich finde – für einen Berliner gehören würde, zu sagen: Je früher, desto besser für dieses Projekt. Es wird schon schwierig genug. Insofern ist jeder Monat und jeder anderthalb Monat – es gab gestern den Vorschlag im Hauptausschuss, sogar noch länger zu warten –, jede kostbare Zeit, die vergeudet wird, nicht verständlich.

[Joachim Esser (Grüne): Sie wissen nicht mal, ob das EU-konform ist!]

Sie müssen irgendwann mal sagen, ob Sie zu dem Projekt stehen, ja oder nein.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ein letzter Hinweis meinerseits, technisch betrachtet: Kollege Schruoffeneger! Es ist doch überhaupt nicht richtig. Woher koppeln Sie denn und mit welchem Recht mit Ausnahme des Rechts der Verzweiflung einer Opposition, die ansonsten nichts findet, die selbstschuldnerische Bürgschaft an die Haltedauer unserer Anteile, geschweige denn an den Willen oder Nichtwillen zur Privatisierung? Das ist doch absurd. Wir haben gestern im Hauptausschuss gemeinsam festgestellt, der Regierende hat es Ihnen gesagt, dass das von einem Parlament zu entscheiden sein wird, aber dann im Lichte der Situation zwei Jahre nach Beginn der Inbetriebnahme. Warum glauben Sie, hier ein Auseinanderklaffen zwischen Bürgschaft und Halten der Anteile konstruieren zu müssen? Das stimmt schlichtweg nicht. Und es zeigt nur noch einmal, wie verzweifelt Sie das Haar in der Suppe suchen, um nicht zu

stimmen zu müssen. Das ist richtig – würde ich mal sagen – mindestens unsolidarisch gegenüber der Stadt, wenn nicht noch mehr. – Herzlichen Dank!

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Goetze das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! BBI ist eines der wichtigsten Investitionsprojekte für den Standort Berlin, für den Standort Brandenburg. Es ist ein Projekt der großen Koalition. Es war immer wieder in den letzten Jahren, beinahe Jahrzehnten, Gegenstand von Erörterungen im Plenum. Wir hoffen, dass der Senat dieses Projekt im Interesse der gesamten Stadt noch stemmen kann. Wir unterstützen es, und deswegen werden wir per saldo heute diesem Gesetz zustimmen.

Wir sind allerdings auch der Auffassung, dass neben handwerklichen Fehlern die Gesamtfinanzierung, die dieses Projekt sicherstellen soll, noch nicht in trockenen Tüchern zu sein scheint. In der Tat ist es richtig, dass wir uns bereits zum Ende des letzten Jahres im Beteiligungsausschuss in Anwesenheit des Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafengesellschaft, Herrn Wowereit, mit dieser Finanzierung auseinandergesetzt haben, allerdings – das sage ich mit großem Bedauern – nicht etwa auf der Grundlage von nachvollziehbaren Vorlagen, sondern im Rahmen einer mündlichen Erörterung. Damals wurde uns gesagt, im März, April ist alles in trockenen Tüchern. Dann haben wir nachgefragt, ein paar Monate später, im Juni, sollte dann alles in trockenen Tüchern sein. Dann haben wir uns im Hauptausschuss über dieses Thema unterhalten, und man hat uns gesagt: Ja, der Senat wird jetzt mal ein Schreiben – das gab es bis dahin immer noch nicht – vorlegen, um uns das Ganze zu erläutern. Das wollten wir gestern im Hauptausschuss diskutieren; natürlich gab es keine schriftliche Vorlage, sondern nur die Kopie eines Folienvortrags, 10 Seiten, nicht besonders aussagekräftig, und wir haben mündlich erörtert.

Angesichts der Tatsache, dass es hier um 2,4 Milliarden Euro geht, sind der Umgang, die Vorbereitung und der Stil, wie das Parlament in dieses doch große Risiko einer Bürgschaftsübernahme eingebunden wird, absolut unmöglich,

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

und das wirft ein schlechtes Licht auf die Art, wie der Senat dieses Projekt befördern möchte. So kann man imagebildend mit BBI nicht umgehen. Man hat es sich seitens der rot-roten Koalition dann selbst zuzuschreiben, dass immer wieder Zweifel daran laut werden, ob man dieses Projekt wirklich mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und mit dem gebotenen Zeitmanagement zu realisieren versucht – sei es neue Ausschreibung, sei es diese Finanzierung, die wir heute behandeln müssen.