Mich hat die Debatte im Kultur- und im Wirtschaftsausschuss erschüttert, weil ich selten eine so große Diskrepanz zwischen der Realität da draußen und unserer Debatte hier drinnen erlebt habe. Das grenzte wirklich an Realitätsverweigerung.
Ich werde unsere Anträge nicht noch einmal vorstellen, sondern ich werde Schlaglichter auf die Debatte und auf die Ist-Situation werfen.
Wir brauchen Ihre Anträge nicht, weil wir bereits über ein lückenloses Förderangebot für die Kreativwirtschaft verfügen.
Das tat sie allen Ernstes in der gleichen Sitzung, in der Mikrofinanzexperte Norbert Kunz darauf hinwies, dass wir 160 000 Beschäftigte in der Kreativwirtschaft haben, 50 000 Unternehmen in Berlin, 6 000 Gründungen pro Jahr – dafür stehen ganze 100 Kredite pro Jahr zur Verfügung. Das ist Marktversagen, da muss man Abhilfe
Einer der drei Anträge zum Thema Raum für Kreative unterbreitet einen Vorschlag für das drängende Thema vieler Kreativer, nämlich Räume zu finden. Wir schlagen eine Neuordnung kreativ genutzter Räume vor, die sich im Eigentum des landeseigenen Liegenschaftsfonds befinden. Wir schlagen vor, dass bei Verkäufen von jetzt schon kreativ genutzten Liegenschaften des Fonds Zweckbindungen für eine kreative Nutzung vertraglich verankert werden. Die Koalition lehnt diesen Antrag ohne Kommentar ab, obwohl in der Sitzung Wirtschaftsstaatssekretärin Nehring-Venus in der Aussprache imm
Ich denke allerdings, dass es möglich sein muss, dass jene Räume, die auch von Kreativen genutzt werden, in Eigentumsformen überführt werden, die sowohl eine kollektive als auch eine andere Nutzung von solchen Liegenschaften und Immobilien möglich machen. Solche sollten für Kreative gesichert werden.
Richtig! Das ist derzeit im Land Berlin nicht möglich, deswegen unser Antrag. Sie haben ihn abgelehnt, einen eigenen Vorschlag gibt es nicht, und das ist ein Trauerspiel.
Obwohl die Entwicklung der Berliner Kreativwirtschaft in den letzten Jahren immer wieder die Erwartungen übertroffen hat, obwohl dieser heterogene und sehr dynamische Wirtschaftsbereich für Berlin prägend ist und damit seine weitere erfolgreiche Entwicklung entscheidend ist für ein positives Image der Stadt, fehlt für das Cluster Kultur/Medien – anders als für das ebenfalls heterogene aber große Cluster Gesundheit – in Berlin nach wie vor der politische Urknall in diesem Senat. Die hohen Wachstumsraten täuschen noch darüber hinweg, aber ich sage Ihnen voraus, es wird sich bitter rächen, dass Sie nach wie vor nicht in der Lage sind, ressortübergreifend das Kultur- und Mediencluster zu entwickeln. Die Null-Kommunikation zwischen Kultur-, Finanz-, Wirtschafts- und Stadtentwicklungsressort, die wir in den Beratungen erleben mussten, sprach wirklich Bände – es war erschreckend.
Ich nenne ein weiteres Beispiel: Es gibt ein Papier der Stadtentwicklungsverwaltung „Kreativräume in der Stadt“. Wir wollten es mit dem Thema Liegenschaftsfonds und BIM zusammenbringen, doch die politische Leitung der Finanzverwaltung hat die Debatte komplett boykottiert und die gesamte Beratung im Parlament verweigert, sodass wir noch nicht einmal in Ansätzen darüber sprechen konnten – fatal!
Während der Senat die Chancen verschläft, machen andere in der Stadt vor, wie es gehen kann – z. B. Nicolas Berggruen. Der hat in Berlin inzwischen zahlreiche Immobilien erworben, um dort Kreativzentren zu entwi
ckeln, z. B. in der Oranienstraße 25 oder in der Kohlfurter Straße. Das ist gut für die Kreativen, für die Stadtentwicklung, und es rechnet sich offenbar. Das einzige, was dem Senat dazu einfällt, ist nicht etwa davon zu lernen, sondern dem Regierenden Bürgermeister ist offenbar nur eingefallen, wie er selbst noch davon profitieren kann. Deshalb wohl der Wunsch, Herrn Berggruen dazu zu gewinnen, ein Denkmal für den Regierenden Bürgermeister in Form einer Kunsthalle oder einer vermeintlichen Kunsthalle an dem Standort zu kriegen. Damit helfen Sie vielleicht dem Regierenden Bürgermeister, aber definitiv nicht den Kreativen in dieser Stadt. Hören Sie damit auf!
Sie hätten unsere Anträge nutzen können, Sie hätten von NRW lernen können, es weiterentwickeln können, Sie haben diese Chance vertan. Für das nächste Jahr haben Sie eine Evaluation dessen, was Sie zur Zeit tun, angekündigt. Wir freuen uns schon auf die Auseinandersetzung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte schon öfter das Vergnügen, zu einer Priorität von Bündnis 90/Die Grünen zu reden. Nicht immer hatte ich dabei den Eindruck, dass die Anträge von allzu viel Ahnung geprägt waren oder etwa Sinn ergaben. Bei den heute vorliegenden Anträgen zur Kreativwirtschaft I bis V ist immerhin einzuräumen, dass sie gut gemeint sind.
Zweifellos kommt dem Bereich der Kreativwirtschaft in Berlin eine immense Bedeutung zu – Frau Paus hat soeben einige beeindruckende Zahlen genannt. Auch die TTT-Studie, die jüngst veröffentlicht wurde, zeigt, was das kreative Potenzial für eine Stadt wie Berlin bedeutet und dass dies ein Pfund ist, mit dem wir wuchern können. Wir müssen nur mal genauer hinschauen, was wir unter Kreativwirtschaft verstehen. Die Abgrenzung dieses Bereichs ist nicht so einfach und insbesondere zu den verschiedenen Formen der Bildenden Künste fließend. Der Kulturwirtschaftsbericht des Senats hat dort eine Eingruppierung versucht und Bereiche wie Design, Mode, Fotografie, Medien, Softwareentwicklung, Werbung usw. als typische Branchen der Kreativwirtschaft ausgemacht, also im Grunde Bereiche, die bestimmte Stufen der Produktion, auch der industriellen Produktion, darstellen. In diesem Sinne sind sie natürlich von den Künstlern zu unterscheiden, die ohne direkte ökonomische Zielbestimmung, ohne Marktgängigkeit der Produkte „suchen dürfen“ – das ist ja gerade ihre Aufgabe. Insofern sind die Kreativen davon zu trennen.
Wir hatten vor einigen Wochen eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss – Frau Paus fand diese Anhörung erschütternd, ich fand sie eigentlich sehr aufschlussreich, weil man dort einiges über den Bereich der Kreativen hörte. Die ca. 160 000 Arbeitsplätze, die es im Kreativbereich gibt, sind zu einem großen Teil sogenannte SoloSelbstständige. Viele von ihnen haben kein Jahreseinkommen von 10 000 €. Ich habe im Ausschuss deutlich gemacht – und stieß da auf einigen Widerspruch, aber man muss sich die Zahlen wirklich vor Augen halten –, dass dies in einer bestimmten Phase des Lebens der kreativen Selbstausbeutung eine Grundlage sein mag, dass man da arbeiten kann. Ich weiß sehr wohl, dass Viele nicht nur zwischen 20 und 30, sondern zwischen 50 und 60 Jahren immer noch darauf angewiesen sind, auf die Art zu arbeiten, dass dies aber in der Tat Arbeitsplätze sind, die deutlich schlechter bezahlt sind als z. B. im industriellen Bereich. Deshalb würde ich das nicht gegeneinander stellen wollen, wie Bündnis90/Die Grünen es pausenlos tun – hier die 160 000 kreativen Arbeitsplätze, dort die knapp Hunderttausend, die wir in der Industrie – „noch“ – haben, im Gegenteil, dies sind Bereiche, die sich ergänzen müssen.
Wie ich deutlich machte, sind Werbung, Design, Fotografie alles Bereiche, die der Produktion zuarbeiten. Unser Bestreben muss es eher sein, auch hier Bereiche hinzubekommen, in denen man tariflich gebundene Arbeitsverhältnisse hat und von dem Geld leben kann, das in der Kreativwirtschaft zu verdienen ist.
Die Anträge der Grünen leben davon, die Kreativwirtschaft gegen die anderen Wirtschaftsbereiche auszuspielen.
Es handelt sich um zwei Anträge mit dem Thema Finanzierung, einen Bereich für spezielle Branchen der Kreativwirtschaft – Sie haben den Kreativfonds bereits erwähnt, man könnte auch die Förderung von Film- und TV-Produktionen erwähnen, hier gibt es bereits einzelne Branchenförderung –, aber ich halte es nicht für sinnvoll, einen speziellen Mikrokreditfonds z. B. für Kreative zu haben. Wichtig ist hierbei eher, dass Kreative nicht länger diskriminiert werden, sondern dass es um einen Kreativfonds ohne Branchenausschlüsse geht. Der ist nun endlich ins Rollen gekommen. Insofern ist dies erledigt, und in viel besserer Weise erledigt, als Sie es hier fordern.
Drei weitere Anträge haben Sie zur Flächenproblematik unter dem Motto: „Raum für Kreative sichern“ gestellt. Sie haben das eben hier erwähnt. Auch hier ist festzustellen, dass der Ansatz der Grünen zu kleinteilig ist, Branchen gegeneinander ausspielt und letztlich nicht zu dem führt, was eigentlich nottut: die Flächenpolitik des Landes Berlin insgesamt auf eine neue Grundlage zu stellen. Hierbei ist dann in der Tat eine strategische Ausrichtung vorzunehmen, auch auf bestimmte Branchen, auf be
stimmte Sektoren auszudehnen. Aber es ist nicht ein spezieller Kreativbereich dort zu erwähnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit! Wir werden die Anträge ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte auch ich festhalten: Berlin kann stolz auf seine Kreativwirtschaft sein. Wir haben in Berlin ca. 24 600 Unternehmen, fast 190 000 Beschäftigte mit einem Jahresumsatz von ca. 20,7 Milliarden €. Das sind ungefähr 16 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Berliner Wirtschaft. Ich finde, das sind beachtliche Zahlen. Ich will damit auch deutlich machen, dass dies eine Branche ist, die nicht nur aus ein paar Randfiguren besteht, sondern tatsächlich für die Berliner Wirtschaft ein ganz wesentlicher Faktor ist. Sie ist vor allen Dingen eine der größten Wachstumsbranchen dieser Stadt, im Bereich des Kunstmarkts, Buch- und Pressemarkts, Software, Multimedia, Telekommunikation, Film- und TV-Wirtschaft.
Dies hat Gründe, übrigens alles Gründe, die mit Rot-Rot gar nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Dass wir hier so viele Kreative in dieser Stadt haben, hat vor allen Dingen etwas mit der Attraktivität der Stadt zu tun, häufig mit billigen Mieten in der Stadt, sowohl im Wohn- als auch im Gewerbebereich, wenn man das mit anderen Metropolen der Welt vergleicht. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir eine große Kreativszene haben und viele aus der Welt in diese Stadt kommen, weil sie den Austausch mit anderen Kreativen suchen. Das ist der Vorteil dieser Stadt. Das führt insgesamt zu einem inspirierenden Gedankenaustausch, überhaupt zu einem Austausch der Künstler.
Die Frage ist nun – und diese Frage haben die Grünen aufgeworfen –: Können, müssen wir helfen? – Ich meine ja, allerdings nicht so, wie die Grünen meinen. Grüne – – Künstler sind zunächst
Künstler, das will ich deutlich machen. Das heißt im Umkehrschluss, sie sind im Regelfall unerfahren in der wirtschaftlichen Bearbeitung ihrer Kunst. Deswegen, glaube ich, wäre die erste richtige und notwendige Maßnahme, Künstler gewissermaßen zu coachen, wie ein Unternehmen, wie ein Betrieb geführt wird, wie man in der Lage ist, sich richtig und wirtschaftlich zu vermarkten.
Da können wir tatsächlich helfen. Das Angebot, das vorliegt, ist zu gering. Wir können helfen bei der Vernetzung, bei Schaffung von Interessengruppen. Früher sagte man
Nun ist die Frage, ob wir auch finanziell helfen müssen, ob wir Förderprogramme auflegen können. Das, glaube ich, ist nicht der richtige Weg, weil Kriterien zugrundegelegt werden müssen – schließlich geht es dann um öffentliche Gelder –, die mit denen anderer Branchen vergleichbar sein müssen. Andererseits helfen diese ganzen Fördermittel nichts, wenn Künstler nicht in der Lage sind, wirtschaftlich zu arbeiten. Dann sind diese Kleinstkredite, die Sie vorschlagen, nicht hilfreich. Das wäre ein Herumdoktern an Symptomen. Wir können diesen Anträgen deshalb insgesamt nicht zustimmen. Wir meinen allerdings, es muss ihnen vernünftig geholfen werden.
Ein letzter Vorschlag: In Frankfurt – um ein konkretes Beispiel zu bringen – hat die Stadt Künstlern – Lichtilluminatoren – leere Häuser zur Verfügung gestellt, wie wir sie in dieser Stadt auch zuhauf haben. Die Künstler konnten dort ihre Lichtspiele machen, zum großen Gewinn der Stadt. Wenn der Senat bei so etwas vermittelnd tätig werden würde, über die städtische Wohnungsbaugesellschaften und anderes, dann wären das größere Hilfen als das, was hier vorgeschlagen wird. Immer nur mit Geld zu helfen, ist nicht kreativ, deswegen lehnen wir es ab. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nirgendwo anders entwickelt sich die Attraktivität für Kreative schneller als in Berlin.
Wir haben schon eine Menge Zahlen gehört. Ich will nicht noch eine vierte Interpretation hinzufügen. Aber zu dieser positiven Entwicklung tragen auch die positiven Rahmenbedingungen bei, die Rot-Rot geschaffen hat und weiter schafft.