Protocol of the Session on May 29, 2008

Herr Gutzeit hat beschrieben, dass es ein Problem ist, Weiterbildung zu organisieren. Die Bereitschaft und sicherlich das Zeitreservoir der Lehrer sind zu begrenzt. Es passiert nicht genug. Man muss mehr tun. DDRGeschichte muss in vielen Fächern vorkommen. Es muss nicht nur in politischer Weltkunde sein, es kann in Literatur, Geografie oder Geschichte sein. All diese Fächer eignen sich dazu. Es muss einfach mehr getan werden.

Darf ich darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit beendet ist?

Zeitzeugenarbeit findet zu wenig statt. Stellen Sie sich vor, Leute, die den 17. Juni erlebt haben, auf der Straße

waren, davon gibt es nicht mehr allzu viele. Man muss sie sofort in die Schulen einladen und mit ihnen reden. Das ist eine Tagesaufgabe. Damit darf man sich nicht mehr lange Zeit lassen.

2009 ist ein Jubiläum, 20 Jahre friedliche Revolution. Solche Jubiläen eignen sich immer sehr gut, um über Dinge zu informieren und sich mit Dingen zu beschäftigen. Es wird in Funk und Fernsehen, in allen Medien thematisiert werden. Das ist eine Chance für uns, es ist eine Chance für den Senat und für diese Stadt, sich mit der Diktatur auseinanderzusetzen und das Interesse bei jungen Menschen zu wecken. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Otto! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Abgeordnete Jotzo das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gutzeit! Ich darf mit einem Zitat aus Ihrem Bericht beginnen:

Nahezu 20 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur ist der Stand ihrer Aufarbeitung widersprüchlich. Einerseits bleibt das Interesse an Geschichte und Folgen der SED-Diktatur unvermindert hoch, andererseits mehren sich die Zeichen, dass gerade die heranwachsende Generation immer weniger darüber weiß. Zudem treten frühere Funktionäre des Regimes entschlossen an die Öffentlichkeit, lassen jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen und versuchen so, den diktatorischen Charakter der DDR zu relativieren. Dem muss entschieden entgegengetreten werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aus dieser Einleitung des Jahresberichts des Landesbeauftragten lässt sich deutlich entnehmen, dass der Senat im Bereich der Aufarbeitung der SED-Diktatur zu wenig unternimmt. Dass die Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigt sich darin, dass auch im Jahr 2007 mehr als 100 000 Anträge gestellt wurden, vor allem aber darin, dass führende Funktionsträger der hiesigen Regierungspartei Die Linke an anderer Stelle und auch hier mit der Stasi in Verbindung gebracht werden.

Der größte Nachholbedarf, bevor man dazu kommt, besteht zweifellos – wir haben es schon gehört – bei der Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte. Diese verfügen meist nur über mangelnde Kenntnisse, sodass es auch nicht überrascht, dass Schüler erhebliche Defizite aufweisen. Besonders nachdenklich muss es machen, dass der Landesbeauftragte ausführt, dass gerade die Berliner Schüler betroffen sind. So heißt es: „Die Trennlinien zwischen Demokratie und Diktatur sind vielen Schülern nicht bekannt.“ Die Schulverwaltung hat auf diesen Vorwurf bereits reagiert und immerhin Anfang April 2008 eine

Arbeitsgruppe eingesetzt. Das ist gut. Erschreckend ist aber, dass es erst jetzt geschieht. Wenn es um die Geschichtsaufarbeitung der DDR geht, sollte der Berliner Senat gerade aufgrund der Besonderheiten unseres Landes Vorreiter sein.

[Beifall bei der FDP]

Der Senat hat diesen Bereich aber jahrelang vernachlässigt. Noch im Kulturausschuss am 3. März 2008 führte der Senat aus, „die Bemühungen in diesem Bereich reichen bereits völlig aus“. Heute kann auch der Senat die Augen nicht mehr davor verschließen, dass sowohl neueste Forschungserkenntnisse der FU Berlin von Prof. Klaus Schroeder als auch der jetzige Bericht aufzeigen, dass in Teilen unserer Stadt über 50 Prozent der Schüler keine oder ein stark geschöntes Bild von der DDR-Geschichte haben. Zwischen Anspruch und Realität der zeitgeschichtlichen Bildung in Berlin liegen Welten. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Gedenkstättenbesuche wie ein Wandertagsprogramm absolviert werden und die notwendige Vor- und Nachbereitung mangels Kenntnis der Lehrer unterbleibt. Das mag zwar im Interesse einer Regierung sein, an der die mehrfach umetikettierte Nachfolgepartei der SED beteiligt ist, aber es ist nicht im Sinne und nicht im Interesse einer sachgerechten Geschichtsaufarbeitung.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das Traurige ist, dass die SPD Teile dieses Regimes heute noch hoffähig macht. Das zeigt die Koalition mit der Linken, die nach dem Verfassungsschutzbericht des Bundes auch nach der Fusion mit der WASG und diversen Umbenennungen noch immer zu 75 Prozent aus Mitgliedern besteht, die bereits Mitglieder der SED gewesen sind. Die Partei Die Linke behauptet, sie habe sich mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt und ihre Lehren daraus gezogen. Das sind aber, wenn man es sich einmal genau anschaut, Lippenbekenntnisse. Anderenfalls würde sich die Linke von ihrer kommunistischen Plattform, dem marxistischen Forum oder anderen Splittergruppen distanzieren und ihnen auf dem Internetauftritt der Linken keine eigene Plattform bieten, auf der diese extremistischen Gruppierungen regelmäßig verkünden, dass sie für einen Systemwechsel eintreten und die bestehende Gesellschaftsform überwunden werden muss.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Frühere Funktionsträger und Anhänger der SED-Diktatur verstärken merklich ihre Bemühungen, die letzte Diktatur in Deutschland zu verharmlosen und den demokratischen Grundprinzipien entgegenzutreten. Gerade heute stellt die „Berliner Morgenpost“ fest, dass jeder zehnte Parlamentarier der Linken in den ostdeutschen Parlamenten und im Deutschen Bundestag stasibelastet ist. Auch unter uns haben wir entsprechende Abgeordnete. Die FDP-Fraktion bekämpft jede Form von Extremismus, egal, ob sie von rechts oder von links kommt. – Sie wissen genau, von wem ich rede! – Dass die Partei Die Linke den Linksextremismus nicht wirksam bekämpfen will, ist zumindest nachvollziehbar. Sie müsste sonst weite Teile der eigenen Partei bekämpfen. Dass die SPD aber so eingenebelt wird

und den Linksextremismus sogar fördert, ist bedauerlich. Es zeigt, in welche Richtung es mit der SPD heute geht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das geht sogar so weit, dass – wie in der letzten Woche erlebt – die SPD gegen ihre innere Überzeugung nationalistische Positionen der Linken aufgreift und zwischenstaatlichen Übereinkommen die Zustimmung verwehrt. Man ist versucht zu sagen: Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR seine Daseinsberechtigung auch knapp 20 Jahre nach dem Fall der Mauer alles andere als verloren hat. Im Gegenteil, die hohe Anzahl der Anträge, aber auch der Umstand, dass noch immer zahlreiche IM enttarnt werden, die zum Teil heute in höchsten Positionen tätig sind, zeigen deutlich, dass der Landesbeauftragte auch in Zukunft noch viel zu tun hat.

Herr Jotzo! Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen!

Hierbei hat er den Dank und die Unterstützung der FDPFraktion sicher. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Jotzo! – Der Jahresbericht 2007 als Vierzehnter Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ist damit vorgelegt und besprochen. – Für den Bericht und die ansonsten geleistete Arbeit bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Gutzeit, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern recht herzlich. Alle hier im Haus wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

[Beifall]

Wir kommen zur

lfd. Nr. 14:

Jahresbericht 2008 des Rechnungshofs von Berlin gemäß Artikel 95 VvB und § 97 LHO

Bericht Drs 16/1467

Ich begrüße zunächst den Präsidenten des Landesrechnungshofs, Herrn Dr. Harms.

[Beifall]

Ich bedanke mich auch bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich für Ihre geleistete Arbeit.

[Beifall]

Jetzt kommen wir zu dem Bericht. Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt Herr Goetze von der Fraktion der CDU. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Dr. Harms! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshofbericht ist ein guter Anlass, sich damit zu beschäftigen, wie bei uns die Beratung der Haushalts- und Vermögensrechnung und der Jahresabschlüsse stattfindet. Wir müssen feststellen, dass die Regierungsfraktionen kaum noch ernsthaft zu einer parlamentarischen Kontrolle bereit sind. Selbst schwerwiegende Verstöße, die der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht dokumentiert, werden im Haushaltskontrollausschuss „weichgespült“ und münden allenfalls in folgenlose Auflagen und Missbilligung.

Dasselbe haben wir leider auch bei den Beratungen im Hauptausschuss festzustellen. Teilweise werden gar keine Auskünfte erteilt. Die Beantragung von roten Nummern wird verweigert. Staatssekretär und Senator teilen uns einfach mit: „Ich möchte jetzt nichts mehr zu diesem Thema sagen.“ Und die mehreren Dutzend Auflagenbeschlüsse, die die Fraktion der CDU zum letzten Haushaltsplanentwurf 2008/2009 vorgelegt hat, wurden allesamt abgelehnt, weil man keinerlei stringente Kontrolle und Haushaltspolitik wollte. Wir können nur hoffen, dass der Rechnungshof mit seiner unabhängigen Arbeit weiter dazu beiträgt, dass diesem Senat wenigstens stichprobenweise heimgeleuchtet wird, was eine stringente und vernünftige Haushaltsführung und Haushaltsplanung angeht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Insofern danken wir dem Präsidenten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie immer wieder den Versuch unternehmen, das Land Berlin mit den Inhalten ihrer Berichte wenigstens ein ganz kleines Stückchen voranzubringen, wenn selbst die Opposition hier schon kaum entsprechende Möglichkeiten hat.

Dieser Jahresbericht verdeutlicht wieder einmal, dass wir ein erhebliches Problem im System von Planung und Kontrolle des öffentlichen Haushalts von Berlin haben. Wir haben allerdings nur noch wenig Hoffnung, dass die Linke und die SPD dieses für das parlamentarische System bedeutsame Problem wirklich ernst nehmen. In der letzten Legislaturperiode haben wir etliche Vorschläge zur Lösung gemacht, die aber bedauerlicherweise ohne weitergehende Würdigung abgelehnt wurden. Wenn wir uns aber den Bericht des Rechnungshofs anschauen, dann wird deutlich, welche Einzelprobleme dieses hohe Haus eigentlich beschäftigen sollten:

Mängel bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht gegenüber einer Stiftung,

wirkungslose Maßnahmen zur Ausgabensteuerung bei der Eingliederungshilfe,

vermeidbare Unterrichtsausfälle durch Mangel in der Schulorganisation – ein starkes Stück, das inzwischen Gegenstand der Berechnung des Rechnungshofs sein muss –,

unzulässige Mischfinanzierung,

Organisationsdefizit in einem Landesamt,

unzutreffende Kostenermittlung bei der Standortverlagerung einer Schule,

erhebliche Mängel bei einem Bibliotheksneubau.

Diese Liste lässt sich fortsetzen. Sie wirft ein bezeichnendes Bild auf die fehlenden Führungsqualitäten in diesem rot-roten Senat.

[Beifall bei der CDU]