Es kann nicht sein, dass Besserverdienende und Unternehmen durch die Senkung des Spitzensteuersatzes entlastet werden. – Ich muss aufhören. Wir haben in dem entsprechenden Ausschuss noch Gelegenheit, über die Große Anfrage und Ihren Antrag dazu zu reden. Ich beende jetzt meinen Redebeitrag und bedanke mich für das Zuhören.
Bevor ich Frau Kroll das Wort gebe, bittet der Kollege Dr. Lindner um eine Kurzintervention. – Bitte sehr, Herr Dr. Lindner!
Frau Grosse, bei aller Freundschaft, aber das war Quatsch! Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Eine Partei, die auf Bundesebene 19 Steuererhöhungen mit der CDU eingeführt hat, sollte sich hier mäßigen. Sie haben doch dafür gesorgt, dass den Menschen am Ende nichts übrig bleibt. Was nutzt denn den Menschen in Deutschland dieser Mindestlohn, wenn denen von Ihnen in der Regierung, sowohl hier im Senat als auch in der Bundesregierung, alles wieder aus der Tasche gezogen wird? – Dafür sind Sie doch verantwortlich.
Die Steuersenkungen, die Sie hier gerade vollmundig kritisiert haben, haben Sie mit den Grünen eingeführt. Das ist doch alles unter Ihrer Verantwortung geschehen. Jetzt stellen Sie sich hin und erzählen uns irgendetwas von Marktversagen. Sie haben versagt, weil Sie es nicht geschafft haben, ein System zu installieren, was den Menschen von ihrem Verdienst auch etwas übrig lässt, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Das erleben wir doch auf breitester Ebene. Wir haben es auf Bundesebene mit den gerade hier zitierten Steuererhöhungen, die Sie durchgeführt haben, der Pendlerpauschale zu tun. Das sind alles Dinge, die Sie abgeschafft haben. Das geht weiter über im Wesentlichen vom Staat beeinflusste Kosten für die Energieträger. Das bekommen wir wieder beim Wasser in Berlin zu spüren. Das gilt auch für die Entnahmeentgelte, die Sie abkassieren, die Abschöpfungen, die Sie bei diesem Unternehmen vornehmen, die ganzen Anforderungen unter irgendwelchen umweltpolitischen, denkmalpolitischen oder sonstigen politischen Erwägungen. Das macht die Sache teuer. Deshalb kann ein normaler Mensch mit einem normalen Einkommen, einem durchschnittlichen Einkommen, sein Leben nicht mehr anständig bestreiten. Dafür ist Ihre Politik verantwortlich und nicht die Politik und die Einkommensverhältnisse, die durch die Unternehmer geschaffen wurden.
Ferner gehen auch die gesamten England-Geschichten an der Realität vorbei. Wir sind hier nicht auf einer Insel wie Großbritannien. 60 km von hier entfernt ist die polnische Grenze. Sie werden erleben, was passiert! Das werden alles Einzelunternehmer, Herr Wolf, die hier unter der Dienstleistungsfreiheit der EU ankommen werden und als Pseudoselbständige völlig legal ihre Leistung anbieten können. Das ist der eine Teil. Der zweite Teil sind illegal Beschäftigte, Schwarzarbeiter. Die werden Sie mit Ihrem Mindestlohn nicht erreichen. Sie werden wohl kaum vor das Arbeitsgericht gehen und den Mindestlohn einklagen. Dort, wo er im Wesentlichen heute stattfindet, wird er auch nach einem gesetzlichen Mindestlohn fortgezahlt werden können. Es ist ein untaugliches Mittel. Da ist unser Modell eines Mindesteinkommens, Kombilohnmodelle, Bürgergeld die wesentlich marktgerechtere, vernünftigere Antwort.
Herr Dr. Lindner, Sie haben alles in einen Topf gepackt, umgedreht, und am Schluss kommt rote oder grüne Suppe bei Ihnen heraus.
Es geht überhaupt gar nicht um den Normalverdiener, was für Steuern für den eingeführt sind. Es geht hier um den Geringverdiener. Dafür ist ein Mindestlohn erforderlich.
Der Mindestlohn kann nicht alles heilen, das ist richtig. Dafür wird es auch ein Umdenken im Steuersystem geben müssen, sicherlich aber in eine andere Richtung, als Sie es wollen. Wir wollen, dass die Reichensteuer und dazu die Vermögensteuer eingeführt werden und nicht die Arbeitnehmer die ganze Last tragen. Wir sind überhaupt nicht Ihrer Meinung. Sie sehen auch, dass Sie mit Ihrer Meinung nicht an die Regierung kommen. Das ist auch gut so!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war sehr aufregend. Ich hoffe, Frau Grosse, Sie sind jetzt wieder ein bisschen ruhiger. Ich werde ganz sachlich und ruhig reden. – Ich bedanke mich beim Senat für die umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage der FDP zum Thema Mindestlohn. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass die Antwort vor dem Hintergrund der bundesweiten Diskussion zur Flexibilisierung und nachhaltigen Stärkung des Arbeitsmarktes mehr Differenziertheit und Nachdenklichkeit gezeigt hätte. Doch mehr als die beharrliche Verteidigung der eigenen Position, nämlich die Position für einen flächendeckenden Mindestlohn als Allheilmittel für alle Probleme, insbesondere gegen das Armutsrisiko, war aus diesen 15 Seiten – und auch jetzt aus Ihrer Rede, Frau Grosse! – nicht herauszulesen.
Die Argumente für diese Position überzeugen allerdings nicht. Entweder relativieren Sie die angegebenen Daten – Stichwort: Armutsrisiko bei Niedriglohnverdienern – oder die eigenen Aussagen, oder die notwendige Zahlenbasis war für Berlin nicht vorhanden, bzw. der Senat fühlte sich nicht berufen, sich mit unbequemen Fragestellungen auseinanderzusetzen.
Das nenne ich Wirklichkeitsverweigerung, denn Wirtschaftsforscher warnen nach wie vor vor einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, weil dieser insgesamt den Faktor Arbeit teurer macht und in die Tarifautonomie eingreift. Zudem geht die Flexibilität am Arbeitsmarkt verloren.
Das zeigen auch sämtliche Untersuchungen. Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze und erhöhen damit das Armutsrisiko. Und von einem Mindestlohn, den man gar nicht ausbezahlt bekommt, kann man auch nicht leben. Ein Blick auf die europäischen Nachbarländer, die einen gesetzlichen Mindestlohn haben, zeigt das deutlich. In den meisten Ländern liegt das Armutsrisiko über dem in Deutschland. Aus diesen Gründen führen staatlich verordnete Mindestlöhne weder zu einer Stabilisierung des
deutschen Arbeitsmarktes, wie der Senat fälschlicherweise behauptet, noch zu einer größeren sozialen Gerechtigkeit. Das muss über andere Mittel und Wege erreicht werden.
Die CDU will deshalb auch keinen flächendeckenden Flickenteppich von Branchenmindestlöhnen, denn die Tarifautonomie funktioniert gut, und die staatlichen Lohndiktate sind weder sachgerecht noch erforderlich. Sozial ist, was Arbeit schafft,
das sollten wir uns alle immer wieder vor Augen führen, auch bei der Bewertung des in der vergangenen Woche von Arbeitsminister Scholz vorgelegten Dritten Armuts- und Reichtumsberichts. Seine Zahlenbasis war bereits beim Erscheinen überaltert, denn der Untersuchungszeitraum reichte nur bis zum Jahre 2005. Damit ist dieser Bericht eigentlich die Schlussbilanz der rot-grünen Bundesregierung und kein Beleg für wachsende Armut in Deutschland. Er ist die Bescheinigung für die schädlichen Konsequenzen einer beschäftigungsfeindlichen Politik unter Rot-Grün.
Im deutlichen Gegensatz dazu steht die Entwicklung ab 2005. Unter der unionsgeführten Bundesregierung wurde bis heute knapp eine Million sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu geschaffen. Damit zeigt sich, dass die beste Gewähr gegen Armut mehr Arbeitsplätze und mehr Vermittlung in Arbeit sind.
Zudem zeigen die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass die Zahl der Aufstocker zurückgeht und das Problem Niedriglohn infolge des Wirtschaftsaufschwungs an Dringlichkeit verliert und in der Tendenz hoffentlich auch weiter verlieren wird. Wichtig ist vor allem, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die den Übergang in reguläre Beschäftigungen erschweren, das heißt in erster Linie eine Änderung der Hinzuverdienstmöglichkeiten bei Minijobs, die Senkung der Arbeitslosenversicherung und die weitere Verringerung der Lohnzusatzkosten.
Eine Schlüsselrolle für die Beschäftigung und für existenzsichernde Löhne kommt besonders der Bildung zu. Statt den bisherigen Status durch Transferzahlungen weiter zuzuzementieren, muss durch gezielte Investitionen die frühkindliche Bildung bereits in den Kitas begonnen und in den Schulen mit berufsbildenden und qualifizierenden Maßnahmen fortgeführt werden.
Denn – wie auf der Jugendkonferenz der Bundesagentur für Arbeit am 14. Mai festgestellt wurde – durch verbesserte Bildungsangebote sollten die Chancen für einen Einstieg in einen Ausbildungsberuf, verbunden mit einem
Ich bin gleich fertig. – Wenn hier gezielt und früh gefördert wird, können spätere Folgen, wie zum Beispiel der Bezug von Niedriglöhnen und ein Aufstocken von Transfermitteln, vermieden werden. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lehmann! Ich habe den Bericht vom DIW mitgebracht. Wir hatten ihn heute alle in den Postfächern. Bloß: Was Sie da herausgelesen haben, lässt sich nicht herauslesen. Nur die Überschrift stimmt, alles andere steht nicht so darin, wie Sie es gesagt haben. Das DIW kommt zu dem Ergebnis, dass eine Umverteilung stattfände, wenn man flächendeckend einen Mindestlohn von 7,50 € einführte. Das DIW kommt aber auch zu dem Ergebnis, dass der Mindestlohn kein Allheilmittel gegen Armut ist. – Das hat auch niemand behauptet, Frau Kroll!
Von guten Löhnen profitieren immer nur diejenigen, die Arbeit haben, alle anderen können davon gar nicht profitieren.
Die Beantwortung der Großen Anfrage hat deutlich gemacht, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen und dass er schon längst überfällig ist. Denn viele Menschen können nicht von ihrer Arbeit leben, obwohl sie einen Vollzeitarbeitsplatz haben. Das allein reicht eigentlich schon aus, um zu sagen, ein Mindestlohn sei erforderlich.
Ich verstehe nicht, warum CDU und FDP immer sagen, da müsse man mit dem Geld auskommen. Das stimmt nicht! Fast 5 Millionen Menschen in Deutschland verdienen unter 7,50 €, und über 1,5 Millionen Beschäftigte arbeiten für weniger als 5 € brutto. Übrigens sind 70 Prozent derjenigen, die Armutslöhne erhalten, Frauen und darunter überdurchschnittlich viele Migrantinnen. Der Mindestlohn ist auch ein Frauenthema.
Sie von der FDP fordern in ihrem Antrag statt eines gesetzlichen Mindestlohns branchenspezifische Lösungen durch Tarifverträge.
Wie, richtig? Da versuchen Sie, alle für dumm zu verkaufen! Sie wissen genauso wie alle hier im Raum, dass die Tarifbindung nachlässt. Nur noch 68 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 53 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland erhalten tarifgebundene Löhne.