Protocol of the Session on May 8, 2008

Ich möchte etwas zu den einzelnen Anträgen sagen,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Endlich!]

oder zuerst noch etwas zu Heidering. Sie haben vollkommen recht, Heidering ist beschlossen worden. Dafür haben Sie aber sechs Jahre Regierungszeit gebraucht, um etwas, was seit Jahren dringend notwendig und für jeden erkennbar notwendig war, zu beschließen, sechs Jahre, um Ihre internen Streitigkeiten beizulegen. Herzlichen Glückwunsch dazu, wenn Ihr Regierungshandeln diese Zeitdauer erfordert, um sachlich nötige Beschlüsse zu vollziehen!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Sie wollten doch etwas zu den Anträgen sagen!]

Die FDP greift das Problem der chronischen Überbelegung im Strafvollzug in zwei Anträge auf, die bereits angesprochen wurden. Das Motto des Senats bei dieser Mehrfachbelegung ist offensichtlich, wie die Zwischenfrage von Herrn Kohlmeier es gerade deutlich machte, der

Verweis auf den Neubau Heidering. Wir als Union haben uns immer dafür eingesetzt, dass wir diese neue Vollzugsanstalt in Großbeeren-Heidering brauchen. Ich habe das bereits ausgeführt. Aber im Jahr 2008 bei der Problematisierung der Frage der Überbelegung im Strafvollzug darauf zu verweisen, dass wir im Jahr 2011, 2012 oder bei der Unfähigkeit dieses Senats wahrscheinlich deutlich später eine zusätzliche Haftanstalt haben wollen, ist eine Kapitulation Ihrerseits, weil Sie damit bereit sind, die Überbelegung für die nächsten vier, fünf oder sechs Jahre, wie lange es immer dauern wird, bis Sie die Haftanstalt umgesetzt haben werden, zu konservieren. Das ist inakzeptabel. Das werden wir nicht mitmachen.

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Endlich wacht Ihre Fraktion auf!]

Die FDP zeigt zwei denkbare Wege, zum einen die Schaffung von Vollzugsgemeinschaften mit anderen Bundesländern und die Möglichkeit der Haftverbüßung im Heimatland. Man muss sagen, dass es dank des permanenten Thematisierens des Problems durch die Opposition gelungen ist, dass das Instrument der Vollzugsgemeinschaften stärker zur Anwendung kommt. Aber auch da gibt es ganz sicher weiteren Nachholbedarf.

Die Haftverbüßung im Heimatland ist etwas, das sich schon anders darstellt. Da besteht immer noch ganz erheblicher Nachholbedarf. Wir haben einen Ausländeranteil von etwa 40 Prozent – –

Herr Abgeordneter Rissmann! Ihre Redezeit ist bereits beendet.

Meine Redezeit ist beendet. – Letzter Satz:

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wir haben es geschafft!]

Wir haben etwa 40 Prozent Ausländeranteil bei den Berliner Strafgefangenen; im letzten Jahr wurden meines Wissens drei zur Strafverbüßung in ihr Heimatland überstellt. Da drängt sich der Verdacht auf, dass von diesem Instrument nicht mit dem nötigen Nachdruck Gebrauch gemacht wird. – Ich belasse es dabei, bedanke mich für Ihre geteilte Aufmerksamkeit. Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rissmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Lederer das Wort. – Bitte sehr!

[Mieke Senftleben (FDP): Nicht wieder so polemisch, Herr Lederer! – Uwe Doering (Linksfraktion): Wir wollen doch nicht dazwischenreden!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Rissmann! Es ist nicht ganz richtig, wie Sie meine Position beschrieben haben. Über den Vollzug reden wir außerordentlich gerne und intensiv. Der Rechtsausschuss hat sich in der Tat im vergangenen Jahr intensiv damit befasst. Das ist auch in Ordnung! Aber eines stimmt: Es erzeugt Überdruss, wenn man sich solche „pfiffigen“ und „gestylten“ Argumente anhören muss wie das, die Menge der vorliegenden Anträge sei Indiz für irgendetwas in diesem Haus,

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Allerdings!]

oder wenn man Ihre Bemühung verfolgt, wie Sie versuchen, sich vier, fünf Minuten über die Redezeit zu hangeln, ohne zu einem substanziellen Punkt in diesen Anträgen etwas Konkretes zu sagen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Deshalb mache ich an der Stelle Schluss mit dieser Einleitung und versuche es selbst anders. Die Anträge haben ja etwas Patina angesetzt.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Zum Teil ist die Zeit darüber hinweggegangen. Ja, diese Anträge muss man ablehnen, und zwar alle vier, allerdings jeweils aus unterschiedlichen Gründen. Was die Motivation der Anträge angeht, stellt sich das auch wirklich differenzierter dar.

Ich fange mit dem Antrag „Sofortprogramm“ an. Die Personalausstattung in den Justizvollzugsanstalten ist deutlich besser geworden. Wir werden jede frei werdende Stelle neu besetzen. Wir werden in nicht unerheblichem Maß ausbilden. Es gibt sogar Neueinstellungen in der Jugendstrafanstalt und in der Justizvollzugsanstalt für Frauen. Es gibt letztlich auch bauliche und strukturelle Maßnahmen, die dazu führen, dass wir mit dem vorhandenen Personal effektiver umgehen können.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Dadurch hat sich die Situation deutlich entspannt und entlastet. In Berlin fließt zwar immer noch kein Honig, aber wir haben im Vollzug eine gute Personalausstattung und über die Vollzugsgemeinschaften tatsächlich erhebliche Entlastungen geschaffen.

Da ist ferner die Tatsache, dass wir die Vollzugsgemeinschaften machen – nicht auf den Druck von Herrn Rissmann, der ist auf die Idee nicht gekommen, sondern wir sind rechtzeitig vor den Haushaltsberatungen selbst in der Koalition auf die Idee gekommen; das war schon Bestandteil des Haushaltsplans, den der Senat dem Rechtsausschuss und danach diesem Haus zur Beratung vorgelegt hat. Damit ist der erste Antrag der FDP schlicht und ergreifend hinfällig. Man hätte ihn auch zurückziehen können. Oder Sie hätten dafür sorgen müssen, dass er früher behandelt wird. Da waren Sie aber noch schwer dabei, uns durch öffentlichen Druck dazu zu veranlassen, massi

ve Sicherungsmaßnahmen durchzusetzen, die ich auch nicht begrüße und über die Grünen sich heute wieder empören. Das ist auch nicht so ganz konsequent, erst Radau zu machen, und wenn dann Sicherungsmaßnahmen auch durch öffentlichen Druck erhöht werden, Krokodilstränen zu vergießen. Das ist nicht redlich.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Die JVA in Großbeeren wird gebaut, und zwar so schnell wie möglich. Die CDU konnte uns bei der Antragsbehandlung nicht glaubhaft machen, wie das noch schneller laufen soll. Der Zeitplan ist knapp und kurz, er ist nicht weiter komprimierbar. Wir werden bauen, so schnell es geht.

In Bezug auf die Sicherheitsfrage spielt Ihr Antrag – das ist mehrfach gesagt worden – mit der Unterstellung, dass in den Haftanstalten eine permanente Meuterei und Aufstandsgefahr existiere. Das ist Unfug. Es gibt ein professionelles Sicherheitsmanagement, das höchsten Ansprüchen genügt. Damit ist das in Ordnung. Wir haben uns in Tegel mit Herrn Adam zu dieser Frage verständigt und da sehr professionell und fundiert Auskunft bekommen. Damit bricht die These, die der CDU-Antrag implizit enthält, in sich selbst zusammen. Darüber muss man nicht weiter diskutieren. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Natürlich ist der Senat gefordert, wann immer es irgendwo Punkte gibt, an denen Mängel auftauchen, diese abzustellen und das Sicherheitsmanagement zu qualifizieren. Aber auch dazu braucht man keine Anträge.

Über unnatürliche, aber auch über natürliche Todesfälle wird regelmäßig im Rechtsausschuss berichtet. Da geht der Antrag komplett ins Leere. Da herrscht ein Höchstmaß an Transparenz, und dabei wird es bleiben, sodass der Antrag, was das anbetrifft, schlicht gegenstandslos ist.

Wir werden Gelegenheit haben, über die konzeptionelle Weiterentwicklung der Sicherungsverwahrung zu diskutieren. Das hat schon im Ausschuss begonnen. Da müssen wir einfach gucken. Mittelfristig werden sicherlich zusätzliche Kapazitäten für den Vollzug der Sicherungsverwahrung benötigt, das ist so. Da muss man sich auch einmal darüber unterhalten, inwieweit die Trennung vom Langstrafvollzug zeitgemäß ist und inwieweit andere Konzepte im Interesse einer guten Betreuung vielleicht denkbar sind. Aber das steht uns noch ins Haus.

Zur Teilprivatisierungsideologie in dem CDU-Antrag hat mein Kollege Kohlmeier alles gesagt. Herr Koch hat sich in Hessen feiern lassen wegen eines vermeintlich zukunftsweisenden und finanzsparenden Modellfalls, und jetzt stellen sie fest, das kostet alles mehr Geld. Wir in Berlin setzen auf gute Kooperation mit freigemeinnützigen Trägern, auch mit privaten Anbietern bei den Arbeitsbetrieben und auf hoheitliche Kontrolle der Vollzugsabläufe. Das ist der richtige Weg, und dann gibt es auch einen rechtsstaatlich einwandfreien Vollzug.

Die Finanzen, da sind wir spitze im Bundesmaßstab. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Die KLR ist ein guter

Maßstab, ein gutes Abbild für die Kostenentwicklung im Vollzug. Da müssen wir nicht noch irgendwelche Firmen mit Gutachten beauftragen, das kostet nur wieder zusätzliches Geld, das im Vollzug verloren geht. Dieses Geld kann man in den Vollzug stecken.

Die Ausweitung der – wie die CDU es nennt – unternehmerischen Tätigkeiten zur Nutzung der wirtschaftlichen Ressource Gefangenenarbeit geht völlig fehl. Wirtschaftliche Tätigkeit gibt es da nicht, sondern es gibt Arbeit und Qualifizierung für die Gefangenen. Das ist eine aufwendige Sache, das ist ein Zuschussgeschäft. Man muss sehen, wie man die Zuschüsse gering hält, aber das tun wir. Lange Rede, kurzer Sinn: Der Antrag taugt nichts.

Mindestraumgröße Haft: Ich habe viel Sympathie für den Grünen-Antrag. Ich glaube aber, wir müssen nicht die rechtliche, sondern die faktische Situation ändern. Daran arbeiten wir jetzt. Mit Großbeeren werden wir die Möglichkeit haben, auch in Haus 1 in Tegel all die Zellen umzubauen, die diesen Maßstäben nicht genügen. Mir ist es wichtiger, dass wir die faktische Situation ändern. Was die Rechtsfragen angeht: Wenn das dann so ist, können wir gerne nachziehen. Sonst schaffen wir nur Ansprüche, die wir nicht erfüllen können. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit! Die Anträge werden wir ablehnen. Die Masse von Anträgen ist – wie gesagt – noch kein Indiz für irgendetwas.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Kluckert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Dr. Lederer! Vielen Dank, dass Sie uns bestätigt haben, dass die Sicherungsmaßnahmen in Justizvollzugsanstalten auf unseren Druck erfolgt sind und nicht auf Ihren Druck gegenüber der Justizsenatorin, sondern weil wir den Druck aufgebaut haben. Die Berlinerinnen und Berliner wissen, bei wem sie sich dafür zu bedanken haben, dass sie Sicherheit in dieser Stadt in einem Mindestmaß garantiert bekommen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wir haben nur fünf Minuten, vier Anträge. Ich werde mich zunächst mit den zwei zustimmungsfähigen Anträgen befassen, die zufälligerweise von der FDP-Fraktion gestellt worden sind.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Wir haben den Antrag „Vollzugsgemeinschaften zum Abbau der Überbelegung im Strafvollzug“ schon in der letzten Legislaturperiode gestellt, und wir haben ihn in dieser Legislaturperiode am 13. Juni 2007 eingebracht. Drei Wochen danach hat die Justizsenatorin angekündigt, dass Sie nun endlich Vollzugsgemeinschaften bilden wol

len. Auch da hat offensichtlich der Druck, von dem Sie gerade gesprochen haben, Herr Dr. Lederer, gefruchtet.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wovon träumen Sie denn nachts?]

Die Maßnahmen, die ergriffen worden sind, sind aber nicht ausreichend. Sie gehen nur auf den Jugendstrafvollzug mit den Vollzugsgemeinschaften, Sie bleiben hinter dem notwendigen zurück. Was ist denn mit dem geschlossenen Männervollzug? Wann gehen Sie da endlich ran und bauen die Überbelegung ab?

Warum sind wir als Freie Demokraten für Vollzugsgemeinschaften? – Wir haben in diesem Bundesland die rechts- und verfassungswidrige Unterbringung von Strafgefangenen zu verzeichnen. Das ist ein Zustand, der für einen Rechtsstaat unwürdig ist.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]