Protocol of the Session on April 24, 2008

Wenn es wirklich nur ein Signal ist, wie Herr Wowereit behauptet, dann nehmen Sie doch das Signal der Berlinerinnen und Berliner auf – wenn es so kommt, da gebe ich Ihnen recht, Herr Müller, das müssen wir abwarten – und machen etwas Verantwortliches daraus, nämlich Verkehrsflughafen bis 2012/2013, und dann sehen wir gemeinsam weiter! Noch einmal: Niemand will BBI schließen. Alles andere ist eine böswillige Unterstellung.

Ich sage Ihnen ganz klar – lesen Sie es nach in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts! –: Der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich auf Landesrecht. Das Landesrecht kann geändert werden. Wir können den Landesentwicklungsplan ändern. Wir können alle Voraussetzungen, die zu diesen Gerichtsurteilen geführt haben, hier verändern. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es keine Gesetze gibt, die man nicht zurücknehmen kann!

Herr Müller, zu dem, was Sie dann wieder so persönlich gesagt haben: Da ist einer gekommen, der hat sich überlegt: Wie kriege ich jetzt mal ein schönes Thema? –, und dann ist er losgegangen und hat das Thema Tempelhof erfunden. Und Helmut Schmidt und Steinbrück und die IHK und 75 führende Manager und die Angela Merkel und alle möglichen Leute auf dieser Welt, die Handwerkskammer, alle haben dann gesagt: Jawohl, wir wollen jetzt diesem parteipolitischen Aufruf folgen. – Das ist doch Unsinn! Hier hat es eine überparteiliche Bürgerinitiative gegeben. Die gibt es übrigens seit den Achtzigerjahren. Diese Bürgerinitiative hat sich gebildet, Kraft gewonnen – wir haben sie von Anfang an unterstützt – und ist zu einer Volksbewegung in Berlin geworfen. Nun versuchen Sie nicht, das parteizupolitisieren! Es ist keine

parteipolitische Frage, sondern eine Frage, wo Sie als Minderheit gegen die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner stehen und es Ihnen nicht einmal gelungen ist, Herr Müller, Ihre eigene Partei hinter sich zu bringen. Sie sagen seit Wochen, es sei eine Überlebensfrage für mich. Passen Sie auf, dass das Ganze nicht eine Überlebensfrage für Sie wird!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Pflüger! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gaebler das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Pflüger! Diese Stadt hat schon ganz andere Sachen überlebt, sie wird auch Sie überleben. Davon bin ich überzeugt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Mario Czaja (CDU): Mäßiger Applaus!]

Am Sonntag wird in Berlin abgestimmt. Wir begrüßen es, dass die Bürgerinnen und Bürger regen Gebrauch von den Instrumenten der direkten Demokratie machen. Gleichzeitig muss aber allen klar sein, dass diese eine Ergänzung und kein Ersatz für die parlamentarische Demokratie und für die über einzelne Abstimmungen hinausgehende notwendige Abwägung und Kompromissfindung ist. Im Jahr 2006 haben alle Fraktionen dieses Hauses, auch CDU und FDP – die CDU nach ziemlichem Zögern, um das hier einmal anzumerken –, Erleichterungen für Volksbegehren und Volksentscheide beschlossen und die Möglichkeiten der Themenwahl erweitert. Dabei wurde auch die Möglichkeit rein appellativer Initiativen ohne bindende Wirkung eingeführt, nachzulesen in Artikel 62 der Verfassung von Berlin. Dies wurde von den Berlinerinnen und Berlinern, dem Volk, per Volksabstimmung so bestätigt. – Das war übrigens die erste Volksabstimmung, Herr Dr. Pflüger! Wir haben am Sonntag die zweite – nur zur Korrektur.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Und mit dieser Volksabstimmung hat das Volk dieses, was wir hier beschlossen haben, für rechtens erklärt. Angesichts der laufenden Kampagne zum Volkswillen muss einmal klargestellt werden: Der Volkswille ist es, dass es auch unverbindliche, appellative Volksbegehren und Volksentscheide gibt. Das ist keine Erfindung dieses Senats und einzelner Fraktionen, sondern eine Erfindung dieses Hauses, abgesegnet von den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, und die müssen sich dann auch selbst ernstnehmen, wenn an dieser Stelle nicht alles so umsetzbar ist, wie es vielleicht in Wunschträumen – auch einzelner Oppositionsführer – möglich ist.

Bei einer Volksabstimmung kann nur mit „Ja“ oder „Nein“ gestimmt werden. Es gibt kein „Vielleicht“. Am

Sonntag wird über den dauerhaften Betrieb eines Verkehrsflughafens in Tempelhof abgestimmt, Herr Pflüger! Es wird ausdrücklich gesagt: Der Verkehrsflughafen soll den Flughafen BBI – den es noch gar nicht gibt – ergänzen. – Insofern ist Ihre Aussage, es sei nicht ganz klar, wie lange das gehe, völlig falsch. Sie belügen auch hier die Bevölkerung. Es geht um den dauerhaften Betrieb eines Verkehrsflughafens.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu sind klar. Ein Volksentscheid im Land Berlin kann weder Planfeststellungen noch Landesplanungsrecht in Berlin und Brandenburg ändern, er kann schon gar nicht Gerichtsentscheidungen außer Kraft setzen oder überstimmen. Deswegen zitiere ich noch einmal aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das von den Flughafenbefürwortern gern ignoriert wird. Dieses Urteil stammt nicht aus dem Jahre 1996, auch nicht aus dem Jahr 2006, sondern es stammt vom 29. November 2007. Es scheint, als haben es die Richter für die damals schon in Gang kommende Debatte zum weiteren Flugbetrieb in Tempelhof geschrieben. Ich zitiere aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgericht, Az. BVerwG IV B 22.07, Seite 10, Ziffer 17, Satz 2 und 3 – falls Sie es noch mal nachlesen wollen, Herr Pflüger.

[Frank Henkel (CDU): Wie lautet der Mittelteil noch mal? – Heiterkeit bei der CDU]

Danach sind mit Inbetriebnahme der Kapazitätserweiterung am Standort Schönefeld die Flugplätze Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof zu schließen und ihre Flächen einer anderen Nutzung zuzuführen. Diese Regelung schließt unmissverständlich auch die Fortführung als Landeplatz aus und ist für die Behörden des Landes Berlin bindend.

Werter Kollege Pflüger! Das ist eindeutig, da können Sie noch so sehr alle Juristen – ob Giemulla, Scholz oder Würfel – zusammenholen. Es geht nicht um eine juristische Einschätzung, sondern um ein rechtskräftiges Urteil, ohne Netz, ohne doppelten Boden und ohne Revisionsmöglichkeit. Es geht eben nicht, nur juristische Meinungen zu zitieren, rechtsverbindliche Urteile aber zu ignorieren. Sie missachten eines der höchsten deutschen Gerichte!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Jawohl! von der SPD]

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt damit seine Aussagen, die es bereits im Juni 2007 bei der Ablehnung der Feststellungsklage der deutschen Bahn zur Weiternutzung des Flughafens Berlin-Tempelhof gemacht hat. Dabei stellte es ausdrücklich fest, dass die Änderung der Landesentwicklungsplanung, die Berlin und Brandenburg gemeinsam vornehmen müssten,

[Martina Michels (Linksfraktion): Eben!]

völlig ungewisse Auswirkungen auf die Planfeststellung haben könnten, ein Risiko für die Planfeststellung BBI also ausdrücklich nicht ausgeschlossen ist.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Vor dieser Entscheidung, Herr Goetze, wurde im Plenum am 26. April 2007 von einem Redner ausgeführt, ich zitiere:

Man könnte eine Feststellungsklage machen. Dann würde das Bundesverwaltungsgericht die Frage klären, ob ein für Geschäftsflieger offener Flughafen Tempelhof den Großflughafen in irgendeiner Weise gefährdet. Warum lassen Sie sich nicht darauf ein?

Das war damals an Herrn Wowereit gerichtet. –

Dann gibt es einige Leute, die sagen, lassen Sie es uns doch gemeinsam versuchen. Wenn das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis käme, dass ein Risiko bestünde, dass BBI gefährdet würde, dann, sage ich Ihnen, wird es niemanden – auch in meiner Fraktion nicht – geben, der dann noch für die Offenhaltung von Tempelhof wäre.

Von wem stammt wohl dieses Zitat?

[Pflüger! von der Linksfraktion]

Dieses Zitat stammt von Dr. Friedbert Pflüger, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Sie haben gesagt, wenn es auch nur den Ansatz eines Risikos gäbe, wenn das Bundesverwaltungsgericht zu diesem Ergebnis kommt, dann würden Sie und Ihre ganze Fraktion nicht mehr für die Offenhaltung von Tempelhof sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat das eindeutig gesagt, Sie haben Ihre Schildchen aufgestellt, Sie machen nicht nur sich selbst und Ihrer Fraktion etwas vor, sondern auch dem Parlament und der gesamten Berliner Bevölkerung. Das ist schäbig, es schadet der Glaubwürdigkeit von Politik, und es schadet der Stadt und den Berlinerinnen und Berlinern!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, Herr Mayrhuber, der sicher ein Interesse an einem funktionsfähigen BBI hat, hat zur Rechtslage Folgendes ausgeführt:

Ich habe hohen Respekt vor dem Bundesverwaltungsgericht – hohen Respekt, im Gegensatz zu Herrn Pflüger offensichtlich –, das gesagt hat, nur das eine – BBI – oder das andere – Offenhaltung Tempelhofs – geht.

Herr Mayrhuber sagt zudem mit Blick auf angeblich drohende Engpässe am BBI, solche Probleme ließen sich nicht durch die Offenhaltung von Tempelhof lösen. Wie kommen Sie also, Herr Pflüger, auf Ihre abwegige Behauptung, BBI wäre ohne Tempelhof nicht lebensfähig? – Das Gegenteil ist der Fall, Herr Mayrhuber, Vorstandsvorsitzender der größten deutschen Luftverkehrslinie, be- stätigt das. Hören Sie auf, den Menschen Märchen zu erzählen!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Ihre unglaubliche Arroganz, mit der Sie alle Bedenken und Fakten vom Tisch wischen, zeigt sich auch in der Dreistigkeit, mit der Sie den Berlinerinnen und Berlinern über die Abendschau verkünden, Sie sollten am Sonntag erst einmal abstimmen – das haben Sie heute ja auch wieder gesagt –, und dann würden Sie, Friedbert Pflüger, schon sehen, was Sie daraus machen können. Das ist unerträglich! Sie missbrauchen das Volk und die Volksabstimmung für Ihre Selbstdarstellung! Sie sind die personifizierte Arroganz!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Herr Pflüger, was wollen Sie eigentlich? Herr Müller hat es auch schon gefragt: Wollen Sie den Verkehrsflughafen mit mehreren Millionen Fluggästen im Jahr zur Abstimmung stellen? Alle fünf Minuten ein Flugzeug, und das von 6 Uhr bis 22 Uhr? Waren Sie mal in der AlbrechtDürer-Schule in der Emser Straße? Das ist in Neukölln, falls Sie das nicht wissen. Dahin sollten Sie mal gehen: Wenn die Flugzeuge über die Schule donnern, muss der Unterricht unterbrochen werden, weil man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Das wollen Sie den Schülerinnen und Schülern künftig alle fünf Minuten zumuten? – Gehen Sie zu den Kindertagesstätten in Neukölln-Nord und auf die Spielplätze in Friedenau, schauen Sie sich den Kerosinfilm in den Sandkästen und auf den Spielgeräten an. Ist es das wirklich wert, Herr Pflüger, ist es das wert?

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Der Flughafen Tempelhof hat eine wichtige Rolle in der Geschichte der Luftfahrt und auch in der Geschichte Berlins gespielt. Das Gebäude bleibt in jedem Falle erhalten, die Fläche wird auch nicht zugebaut, denn uns ist die Erinnerung sehr wichtig. Bisher steht allein das Luftbrückendenkmal für die Geschichte dieses Ortes. Wir wollen eine Luftfahrtschau, ein Museum mit Luftbrückengedenken und eine Darstellung der wechselhaften Geschichte des Tempelhofer Feldes für alle zugänglich in der Haupthalle des Flughafens ansiedeln. Sie hingegen wollen die Haupthalle an Herrn Lauder verscherbeln, der dann ein völlig überflüssiges neues Kongresszentrum für Regierungskonferenzen dort ansiedeln will, also eine Sperrzone, für die Öffentlichkeit tabu. Die Menschen, die Ihnen von CDU und FDP folgen, werden nie wieder einen Fuß in diese Haupthalle setzen können. Herr Lauder hat übrigens schon einmal mit einem 500-Millionen-€-Projekt in Berlin für Aufsehen gesorgt. Leider wurde aus den hochfliegenden Träumen nichts. Er fand keine Investoren für sein Projekt, die Folgen sehen Sie heute in den Brachflächen am Checkpoint Charlie. Das gleiche Schicksal droht auch hier wieder.

Zum Gesundheitszentrum hat der Kollege Albers schon viel gesagt. Herr Pflüger! Sie müssten dazu mindestens ein Krankenhaus – das Krankenhaus Neukölln, das St.-Joseph-Krankenhaus, suchen Sie sich eins aus – an

diesen Standort verlagern, um überhaupt die Kassenzulassung für die Behandlungen dort zu erhalten, ganz abgesehen von den vielen Ärzten.

Wir haben gute Gründe für die Schließung des Flughafens und die Öffnung des Flughafengebäudes und des Flugfeldes für die ganze Bevölkerung. Ein innerstädtischer Flughafen ist gefährlich, Flugzeuge gehören nicht in die Innenstadt. Der Flugbetrieb in Tempelhof ist eine Zumutung für die Anwohner, Lärm und Kerosin machen krank.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Er ist unwirtschaftlich, er kostet die Steuerzahler jährlich Millionen €, die anderswo besser investiert sind. Der Flugbetrieb in Tempelhof gefährdet zudem den neuen Flughafen in Schönefeld und damit Zehntausende von Arbeitsplätzen.

Noch einmal zu dem Thema Geld, das der Bund gibt: Warum investieren Bund und Bahn die rund 60 Millionen €, die jetzt für Tempelhof versprochen werden, nicht in die Dresdner Bahn, um die Menschen dort vor dem Bahnlärm zu schützen, Herr Pflüger?

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Jawohl! von der SPD]

Das müssen Sie sich doch einmal fragen! Sie wollen Geld für einen überflüssigen Geschäftsflughafen zum Fenster rausschmeißen, das an anderer Stelle in dieser Stadt fehlt – bei der Dresdner Bahn, bei heruntergekommenen Bahnhöfen der Stadt. Sie können jedes Jahr 70 Sportplätze damit sanieren, 100 Schulen renovieren, 250 Erzieherstellen für Kitas finanzieren. Nein, Sie wollen es für 20 Geschäftsflieger in Tempelhof investieren, und das halten wir für das falsche Konzept.

Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit zu Ende ist?

Wir rufen deshalb alle Berlinerinnen und Berliner auf, auch bei heißem Herzen kühlen Kopf zu bewahren. Gehen Sie zur Abstimmung, schauen Sie auf den Stimmzettel, und stimmen Sie im Interesse der Zukunft Berlins mit Nein!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]