Protocol of the Session on April 10, 2008

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Zweitens: Ich weiß nicht, ob es Ihnen entgangen ist, aber auch das Europaparlament und die europäische Ebene setzen zurzeit auf Dialog als einzigen Weg. Ich finde es sehr richtig, dass der Entschließungsantrag im Europäischen Parlament davon ausgeht zu fordern, einen Dialog in Gang zu setzen, weil nur der Dialog auch wirklich den Menschen vor Ort hilft. Sie setzen auf reine Symbolik. Ich glaube, den Dalai-Lama richtig verstanden zu haben, als er sagte – und das gestern –, dass ein Boykott für ihn der falsche Weg sei. Der richtige Weg ist, die internationale Aufmerksamkeit dahin zu richten, dass endlich miteinander geredet wird.

[Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Diesen Auftrag möchte ich unseren Senatsvertreterinnen und -vertretern gerne mit auf den Weg geben. Im Gegensatz zu Ihnen vertraue ich darauf, dass – wer auch immer von Senatsseite nach China fahren sollte – dieser Auftrag richtig erfüllt wird.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön! – Jetzt hat der Kollege Dr. Pflüger das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!

[Joachim Esser (Grüne): Ist das jetzt falsch, dass die Bundeskanzlerin nicht hinfährt?]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Michels hat soeben gesagt, wir hätten einen gemeinsamen Antrag formulieren können.

[Martina Michels (Linksfraktion): Ja!]

Mit Verlaub: Nach den Diskussionen im Präsidium und nach der klaren Festlegung von Herrn Momper, er wolle in jedem Fall reisen, haben wir für einen solchen gemeinsamen Antrag von Anfang an keine Grundlage gesehen. Das ist der Grund, warum die Opposition hier vorangegangen ist.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Jetzt tun Sie doch bitte nicht so, als ob die Regierungsfraktionen einer Meinung seien.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Natürlich!]

Sie haben sich doch selbst gestritten. Der PDS-Vertreter, der Linken-Vertreter, hat sich doch im Präsidium enthalten.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Vertreterin!]

Sie haben doch selbst Herrn Momper kritisiert, dass er, ohne eine Einladung zu haben, hinfährt. Jetzt tun Sie doch nicht so, als ob Sie alle einig wären. Es ist Ihnen doch selbst peinlich, und in Ihrem Antrag sind Sie doch jetzt von dem Vorhaben, mit einer Parlamentsdelegation nach China zu fahren, abgegangen. Das zeigt, dass die Opposition in diesem Haus Erfolg hat. Wenn sie gemeinsam arbeitet, schafft sie es auch, Rot-Rot in die Knie zu zwingen, vor allem wenn Sie so unsinnige Vorhaben planen, wie Sie das an dieser Stelle getan haben.

[Unruhe – Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Frau Kollegin Michels! In manchen Fragen sind wir gar nichts so weit auseinander. Natürlich ist China ein großes Land und ein wichtiges Land. Wir brauchen China in vielfältiger Weise als internationalen Partner, und zwar unabhängig von dem politischen System. Es ist wichtig, dass man China in internationale Abkommen zu Fragen der internationalen Abrüstung, der Dritten Welt einbindet. Keiner von uns ist der Ansicht, wir sollten in Zukunft keinen politischen Dialog mehr mit China führen. Ich werde auch in Zukunft – wie viele andere Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses – den Dialog mit China fortführen. Hier geht es jedoch um etwas anderes.

Die Volksrepublik China hat die Olympischen Spiele übernommen und dabei ein Versprechen gegeben, nämlich im Vorfeld dieser Spiele für Menschenrechte zu sorgen, nicht die Minderheiten zu unterdrücken. Sie hat ge

wusst, was sie sich damit auflädt. Jetzt messen wir sie an ihrem Versprechen. Vor diesem Hintergrund sollte man nicht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt fahren, wo die Volksrepublik China Veranstaltungen nicht zum Dialog nutzt, sondern als Aushängeschild zur Aufwertung eines politischen Regimes. Es geht um den Zeitpunkt. Während der Spiele aus Berlin dorthin zu fahren, ist ein falsches Signal angesichts der Knebelung des tibetanischen Volkes.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Das Argument, es ginge darum, dass Berlin Austragungsort der Leichtathletik-WM sei und deswegen Herr Wowereit dorthin fahren müsse: Entschuldigen Sie bitte, aber dieses Argument ist wirklich nicht schlüssig. Berlin ist nicht Ausrichter der Olympischen Spiele, und in Peking finden nicht die Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Veranstaltungen. Deshalb gibt es keinen sachlichen Grund, in dieser Phase nach China zu fahren.

[Unruhe – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie zu Tibet irgendein Wort gesagt?]

Die Opposition hält es gemeinsam für einen Fehler, jetzt in dieser Weise in China vorstellig zu werden.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege? Sie haben die Redezeit schon überschritten. Im Übrigen gibt es bei Kurzinterventionen auch keine Zwischenfragen.

Mein letzter Satz: Unabhängig von der Reisediplomatie haben wir in dem Antrag auch etwas anderes gesagt: Warum nicht eine Tibetflagge hissen? Warum nicht das tun, was das Warschauer Stadtparlament gemacht hat, nämlich zum Beispiel den Dalai-Lama einladen? Wir könnten doch ein Zeichen setzen, indem wir diesen wirklich großartigen Mann zu uns nach Berlin einladen. Berlin sollte in dieser wichtigen, weltweit beachteten Menschenrechtsfrage nicht hintanstehen, sondern sollte mitten zwischen den anderen Ländern für die Freiheit von Tibet und für die Menschenrechte in China kämpfen.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie das in China gemacht?]

Danke schön, Herr Kollege Pflüger! – Frau Michels hat das Wort zum Replizieren.

Lieber Herr Pflüger! Manches ist kurios. Wie genau Sie sich über die Vorgänge, die Sie aus dem Präsidium ge

schildert haben, informieren, zeigt sich darin, dass es kein Vertreter, sondern eine Vertreterin war – nämlich meine Person. Außerdem ist es nicht einfach damit getan zu sagen, wir hätten uns enthalten. Ich habe für meine Fraktion unmissverständlich, und zwar schon vor der Präsidiumssitzung, gesagt, dass wir nicht daran teilnehmen werden. Das ist eine eindeutige Haltung.

[Unruhe]

Ich will aber gar nicht darüber reden, und ich glaube auch nicht – da unterscheiden wir uns –, dass es hier einzig und allein darum geht, sich mit dem Präsidium auseinanderzusetzen. Das ist überhaupt nicht mein Problem. Lesen Sie unseren Antrag! Dazu finden Sie einen ganz konkreten Satz, und damit ist die Sache erledigt. Ich messe wen auch immer – ob es der Präsident, ein Präsidiumsmitglied oder ein „normaler“ Abgeordneter ist – stets daran, was am Ende herauskommt. Da gibt es mitunter sehr wohl unterschiedliche Auffassungen, aber interessant ist, was am Ende dabei herauskommt. Und dies ist unser Antrag, den Sie, lieber Herr Pflüger, offensichtlich noch nicht gelesen haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

In diesem Antrag steht dazu etwas – unmissverständlich und in aller Deutlichkeit.

Das Zweite: Ich kann verstehen, dass Sie einen Fehler im Nachhinein eingesehen haben, aber dann müssen Sie ihn auch deutlich zugeben und nicht noch verschlimmbessern. Sie haben keinen Antrag eingebracht, bei dem man sagen kann, dass das Ziel von Anfang an darin bestand, in der Frage der Wahrung der Menschenrechte einen gemeinsamen Antrag zu stellen. Dann wäre nämlich parlamentarischer Brauch, dass man vor der Formulierung alle Fraktionen anspricht.

[Volker Ratzmann (Grüne): Warum sind Sie eigentlich nicht gekommen?]

Sie haben einen Antrag auf den Tisch gelegt. Sie hat gar nicht interessiert, wie wir die Formulierung gern hätten, welche Meinung wir dort noch hineinschreiben wollten. Sie haben Ihren Antrag auf den Tisch gelegt und waren der Meinung – haben dies auch zeitgleich den Medien gesagt –, Sie seien damit die Einzigen, die initiativ werden. Das ist weit gefehlt.

Letzte Bemerkung, Ihre Intervention: Flagge hissen, ja oder nein. Auch hier sage ich: Lesen Sie sich unseren Antrag durch! Er hat einen letzten Satz, der besagt, dass wir am Beispiel von Paris – Paris ist bekanntlich die Stadt gewesen, die vor dem Rathaus ein Transparent „Menschenrechte sind unteilbar“ hängen hatte – nach geeigneten Maßnahmen suchen wollen, um diesen Protest in der Stadt deutlich zu machen. Sie haben selbst gesagt, dass es mehrere Möglichkeiten gebe, und zwar nicht nur die Flagge, sondern vielleicht auch andere Möglichkeiten.

[Mirco Dragowski (FDP): Werden Sie doch mal konkret!]

Herr Pflüger hat zum Beispiel eine genannt. Ich habe das Beispiel Paris genannt, mit dem Transparent am Rathaus.

Dies könnte ich mir vorstellen, aber ich glaube, da gibt es viele weitere Möglichkeiten. Sogar Herr Lindner hat Vorschläge gemacht. Darüber lassen Sie uns einen Diskurs machen, woran Sie sich aber auch beteiligen müssen.

Schöne Worte, Herr Pflüger! Ich hoffe, dass Sie diese hehren Ziele bei Ihrem Besuch in Peking auch deutlich den Partnerinnen und Partnern, die Ihnen gegenüber saßen, gesagt haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Michels! – Jetzt hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Lindner, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Manchmal, Frau Kollegin Michels, lohnt es sich auch als Linker, in die Bibel zu schauen. Zum Thema Enthaltungen steht dort: Ja, ja, nein, nein, sprach der Herr. Alles andere ist von Übel. Man muss sich in manchen Fragen klar positionieren. In Menschenrechtsfragen, Frau Michels, muss man sich klar positionieren, da kann man sich nicht enthalten.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Opposition – da liegt der Unterschied – positioniert sich in dieser Frage.

Seit dem Volksaufstand der Tibeter von 1959 wurden ihre Proteste für religiöse und kulturelle Autonomierechte immer wieder im Keim erstickt. Trotz der Verankerung dieser Autonomierechte in der chinesischen Verfassung wird die tibetische Bevölkerung in der Ausübung ihrer kulturellen und religiösen Bräuche behindert, ihre Rechte werden verletzt. Insbesondere wenn wir uns die Bildungschancen der tibetischen Bevölkerung und die Ansiedlungspolitik der Chinesen mit sogenannten Hanchinesen in tibetischen Gebieten anschauen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass dort massiv Menschenrechte verletzt werden. Deswegen halten wir Gespräche von Repräsentanten der staatlichen Organe Deutschlands mit dem DalaiLama, der das Prinzip der Gewaltfreiheit zu einem seiner Leitgedanken gemacht hat, für richtig. Deswegen war es auch richtig, dass sich die Bundeskanzlerin 2007 mit dem Dalai-Lama getroffen hat.

Kollege Lehmann-Brauns sagte, das sei verhältnismäßig neu gewesen. Ich erlaube mir den Hinweis, dass der liberale Außenminister Klaus Kinkel bereits 1995 als erstes Mitglied einer Bundesregierung das geistliche Oberhaupt der Tibeter zu einem Gespräch empfangen hat. Deswegen empfinden es meine Partei und Fraktion als besonders widerlich und ekelerregend, wenn die Linke diesen beeindruckenden Mann mit Khomeini vergleicht. Das war unter aller Kanone.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Die Olympischen Spiele sind ein Sportereignis. Deswegen lehnen wir es ab, dass dieses Sportereignis boykottiert wird. Niemand will einen Boykott der Olympischen Spiele. Setzen Sie nicht solche Chimären in die Welt! Die Sportler bereiten sich international auf diese Spiele vor, und sie sollen auch hinfahren.