Protocol of the Session on April 10, 2008

Nun zum heutigen Thema: Rot-Rot frohlockt, das haben wir eben auch deutlich gehört, denn mit der heutigen Debatte wird für die Koalition ein entscheidender Aspekt erfüllt. I have a dream – und dieser Traum geht jetzt endlich in Erfüllung: Der Weg hin zu einer flächendeckenden Einführung der sogenannten Gemeinschaftsschule. Übergang ist die Pilotphase ab Schuljahr 2008/2009.

Wir hatten hierzu zwei Anhörungen im Ausschuss, und auf Grund dieser Anhörung hätten die Koalitionäre eigentlich etwas schlauer werden müssen. Dort haben nämlich Wissenschaftler – keine Politiker, sondern Leute, die etwas davon verstehen – vor den Risiken gewarnt. Erstens: Mit der Einführung des eingliedrigen Schulsystems ist das Gymnasium verschwunden. Ich sage klar: Das ist mit uns nicht zu machen. Das halten wir für echten bildungspolitischen Schwachsinn.

Zweitens: Wenn das gemeinsame Lernen zu einer Qualitätsverbesserung des Unterrichts – das hat uns PISA auch hinter die Ohren geschrieben – und zu mehr individueller Förderung führen soll, dann muss es auch eine Fachleis

tungsdifferenzierung geben können. Die äußere Differenzierung muss möglich sein.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das muss dann aber auch die Schule selbst entscheiden und nicht ein Gesetz von vornherein generell ausschließen. Da sind wir wieder beim Thema Eigenverantwortung.

Drittens: Hauptursache für die Berliner Bildungsmisere ist die fehlende Qualität des Unterrichts. Dieses Manko wird nicht durch eine Strukturreform gelöst. Da braucht es ein paar mehr Impulse.

Viertens – das ist für mich ein wichtiger Punkt: Seriöse Aussagen, ob die sogenannte Gemeinschaftsschule erfolgreich ist, können erst nach einem Durchlauf – sprich nach zwölf Jahren – getroffen werden. Genau das wird hier gekippt. Obwohl das Schulgesetz eigentlich vorsieht, dass Modellversuche begleitet, evaluiert, wissenschaftlich ausgewertet und dann irgendwann einmal in die Regelschule überführt werden – was eine vernünftige Regelung ist –, wird beim Pilot der sogenannten Gemeinschaftsschule anders verfahren. Hier will man nicht lange warten. Hier werden bewusst die wissenschaftlichen Ergebnisse ignoriert. Wer einmal dabei ist, bleibt immer dabei. Hier werden heute Fakten geschaffen. Ich sagen Ihnen: Nicht mit uns!

[Beifall bei der FDP]

Bei der zweiten Anhörung haben wir etwas zum Hamburger zweistufigen Modell erfahren – auf der einen Seite die Stadtteilschule, auf der anderen Seite das Gymnasium. Das ist in der Tat ein Modell, über das es sich lohnt, etwas länger als anderthalb Stunden nachzudenken. Bei der Diskussion wurde eines deutlich – das wurde vorhin auch wieder erwähnt –: Das Gymnasium soll weg, hat offensichtlich keine Daseinsberechtigung mehr – so der Vertreter, der von der Koalition zu der Anhörung eingeladen wurde, im Übrigen ein ehemaliger Schulleiter. Dieser sagte wörtlich:

Das Gymnasium ist eine Schule für Kinder aus gutem Hause.

Dann lieferte er Zahlen aus Bayern, obwohl wir in Berlin sind. Das ist ein starkes Stück, und vor allem zeigte dieser Herr – und die Mitglieder des Ausschusses auch –, dass er nicht mehr so ganz auf dem Laufenden ist. Ich hielt dem entgegen, dass 50 Prozent auf das Gymnasium gehen, was bestritten wurde. Ich habe nun die neuesten Zahlen: Der Anteil der Schüler, die nach der vierten bzw. sechsten Jahrgangsstufe in ein Gymnasium übergehen, beträgt beim Übergang vom Schuljahr 2006/2007 zum Schuljahr 2007/2008 – Frau Dr. Tesch, Sie werden staunen – 49,8 Prozent.

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Abitur!]

Nein! Ich verspreche Ihnen, die Zahlen bei der nächsten Geschichte zu liefern.

Frau Senftleben! Ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Redezeit beendet ist.

Herr Zillich hat eben auch noch viele nette zusätzliche Worte gesagt. Ich komme aber gleich zum Schluss. – Noch ein kleiner Kommentar zur Übergangsregelung: Damit will Rot-Rot die Schulen locken, an der Pilotphase teilzunehmen. Kooperierende Schulen können bis auf Weiteres über die doppelte Ausstattung an Funktionsstellen verfügen. Bei Rütli heißt das konkret: Grundschule, Hauptschule, Realschule. Das macht drei Schulen und damit sechs Funktionsstellen. Wissen Sie, wie viele Schüler dem gegenüberstehen? – Das habe ich auch recherchiert: 816.

Frau Senftleben! Das waren jetzt auch einige wenige Sätze nach Ablauf der Zeit. Bitte kommen Sie zum Schluss!

Die Übergangsregelung verspricht sechs Funktionsstellen. Das ist eine prima Methode, um sich Freunde einzukaufen. Die Einheitsschule ist keine Antwort auf die Ursachen der Bildungsmisere unserer Stadt. Sie machen es sich zu einfach. Da machen wir nicht mit. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfiehlt mehrheitlich – gegen CDU und FDP und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – die Annahme des Antrags Drucksache 16/1142. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind CDU und FDP. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist das Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes angenommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich rufe als Priorität der Fraktion der CDU auf

lfd. Nr. 4 d:

Schluss mit dem Rückzug aus der Fläche – keine weiteren Schließungen von Polizeiabschnitten in Berlin!

Antrag der CDU Drs 16/1326

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat der Abgeordnete Henkel. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst vor wenigen Tagen konnten wir in einer aktuellen Studie, die das Unternehmen Veolia veröffentlichte, lesen, dass sich die Menschen in Berlin unsicherer fühlen als in New York. Dass die Menschen Grund zur Angst haben, machte uns vor Kurzem erst die Diskussion um die Polizeiliche Kriminalstatistik deutlich. Als genüge der permanente Abbau im Polizeivollzug, den Rot-Rot seit dem Jahr 2002 zu verantworten hat, nicht, will man jetzt – on top – noch die Zahl der Polizeiabschnitte Stück für Stück reduzieren.

Damit Sie alle wissen, wovon wir reden, einige Zahlen: Berlin hatte im Jahr 2002 noch 48 Polizeiabschnitte. Derzeit sind es noch 42, und künftig werden wir nur noch 36 Abschnitte haben. Meine Fraktion findet diese Pläne des Innensenators unverantwortlich und fordert deshalb den Senat auf, unverzüglich von den Plänen zur Schließung weiterer Abschnitte der Berliner Polizei Abstand zu nehmen und damit den schleichenden Rückzug von Polizeikräften aus der Fläche zu beenden.

[Beifall bei der CDU]

Als wir aus Sorge um die Sicherheit Berlins bereits Anfang des Jahres einen Besprechungspunkt zum Thema Schließung von Polizeiabschnitten in den örtlichen Direktionen beantragten, sagten Sie in der Diskussion, Herr Senator, dass das Zusammenstreichen von Abschnitten – ich zitiere – „einer vernünftigen, auf die Stadt ausgerichteten Politik“ entspreche. Ich frage Sie heute: Ist es wirklich vernünftig, wegen einer vermeintlichen Vergleichbarkeit rechnerisch sechs Direktionen mit sechs Abschnitten zu versehen, ohne auf problembelastete Direktionen gesondert einzugehen? Ist es angesichts der Probleme im Bereich Jugendkriminalität und Jugendgewalt vernünftig, Polizei abzubauen und Abschnitte zu schließen? Ist es vernünftig, dass sich die Polizei durch Ihre Pläne immer mehr aus der Fläche zurückzieht? Ist es vernünftig, längere Anfahrtswege und Anfahrtszeiten bei Einsätzen durch die Schließungen in Kauf zu nehmen? Ist es vernünftig, den polizeilichen Fuhrpark bei immer längeren Anfahrtswegen und Anfahrtszeiten immer mehr zusammenzustreichen? Ist es vernünftig, längere Wartezeiten, z. B. bei Einbrüchen und Verkehrsunfällen, für die Bürgerinnen und Bürger – politisch gewollt – zu organisieren? Ist es vernünftig, mit weniger Abschnitten weniger Anlaufpunkte für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen? Ist es vernünftig, durch die Zusammenlegung von Abschnitten, weniger Mitarbeiter zu haben? Ist es vernünftig, die Arbeitsbelastung der Beamten weiter zu erhöhen?

[Beifall bei der CDU]

Herr Senator! Das, was Sie an Abschnittsschließungen planen, ist weder vernünftig oder effizient noch optimal und schon gar nicht bürgernah. Es ist genau das Gegenteil dessen, was Sie uns vorgaukeln.

Wie unausgegoren Ihre Pläne sind, zeigen exemplarisch zwei Schließungsvorhaben: die Schließung des Ab

schnitts 25 am Kurfürstendamm und die Schließung der Wache 3 der Wasserschutzpolizei auf Schwanenwerder. Mir scheint, Sie wissen selbst nicht, wie Sie mit den von Ihnen produzierten Problemen fertigwerden sollen. Kurzum: Für meine Partei bleibt es dabei, dass wir diese Form von Abschnittsschließungen nicht hinnehmen werden. Dieses Modell wird nicht funktionieren. Die Bürger werden am Ende die Zeche für Ihre völlig verfehlte Sicherheitspolitik zahlen.

[Beifall bei der CDU]

Kriminelle richten sich nicht nach den Organisations- und Dienstplänen der Herren Körting und Glietsch. Wer wie Sie die innere Sicherheit lediglich vom Reißbrett betreibt und gleichzeitig den Menschen Sicherheit vorgaukelt, der streut ihnen Sand in die Augen. Das trübt zwar kurzzeitig den Blick, aber ich bin sicher, dass Ihnen die Menschen mittel- und langfristig nicht auf den Leim gehen. Das, was Sie im Bereich innere Sicherheit tun, ist unverantwortlich und muss gestoppt werden. Deshalb sagen wir: Keine weiteren Schließungen von Polizeiabschnitten, und bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henkel! – Für die SPDFraktion hat jetzt die Abgeordnete Hertel das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bislang dachte ich, dass wir den 1. Mai nach dem Motto „Same procedure as every year, James!“ behandeln. Aber man kann natürlich verstehen, dass die CDU langsam ein Problem bekommt, da der 1. Mai in den letzten Jahren immer ruhiger verlaufen ist als früher. Nicht einmal mehr der 1. Mai bietet der CDU noch den sehr gewünschten Anlass, auf die rot-rote Regierung und ihre Sicherheitspolitik einzuschlagen. Er liefert kein Fleisch mehr.

Wir dürfen uns seit sechs Jahren – die erste mir bekannte Große Anfrage stammt vom November 2002 – mit der Strukturreform, der Abschnittszusammenlegung und der großen Gefahr, die die CDU bei dem Rückzug aus der Fläche befürchtet, beschäftigen. Schon damals hat die CDU offensichtlich nicht verstanden, um was es geht. Es folgten Anträge, schriftliche, Mündliche, Kleine und Große Anfragen. Alle Versuche, der CDU klarzumachen, dass die Gefahr, die sie sieht, und die Schwarzmalerei, die sie betreibt, nicht zutreffen, scheiterten. Entweder verstehen Sie es immer noch nicht, oder Sie finden nichts anderes. Wer sechseinhalb Jahre den Untergang des Abendlandes ankündigt, weil Rot-Rot die Innen- und Sicherheitspolitik betreibt, der hat ein Problem. Deshalb finden wir in Ihrem Antrag Folgendes:

Die Schließungen von Polizeistandorten sind in höchstem Maß verantwortungslos.

Nein! Verantwortungslos ist etwas ganz anderes, und zwar Ihr Verhalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Verantwortungslos ist Ihr populistisches Verhalten, Angst zu schüren, Sorgen zu verbreiten und jedes Mal ein sicherheitspolitisches Desaster heraufzubeschwören, weil ein Abschnitt geschlossen wird und zwei Kilometer weiter mit einem anderen fusioniert. Das sicherheitspolitische Desaster tritt auch prompt nicht ein. Da hat man dann ein Problem.

Damit komme ich zu einem weiteren Zitat aus Ihrem Antrag:

Die Schließungen von Polizeistandorten werden nicht ohne Auswirkung bleiben.

Aber hallo! Wir wollen doch stark hoffen, dass die nicht ohne Auswirkungen bleiben, sonst hätten wir das nicht machen brauchen. Was sind die Auswirkungen? – Ich werde noch einmal versuchen, es Ihnen mit klaren, einfachen Worten zu erklären: Zwei Abschnitte bedeuten einen doppelter Verwaltungs- und Führungsstab. Nur noch ein Abschnitt – das bedeutet: Alles zusammenführen und nur noch einen Verwaltungsstab, nur noch einen Führungsstab und freigesetzte Polizeibeamte, die dann etwas machen können!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Peter Trapp (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Polizeibeamte, die auf der Straße sind! Polizeibeamte, die in den Funkwagen sitzen!

Entschuldigung, Frau Hertel! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Trapp?