Es gibt einen Zielkonflikt bei der BVG, Herr Ratzmann. Dem wollten Sie entgehen, indem Sie neue Wege, neue Modelle vorgeschlagen haben. Das war Ausschreibung und Konkurrenz um Strecken, also Lohndumping und damit Sozialabbau, nichts anderes. Das haben Sie hier aber nicht gesagt. Sie haben noch nicht einmal konkret gesagt, was Sie sich eigentlich als Ergebnis einer solchen Tarifverhandlung vorstellen können.
Zwischen den Zeilen war es mal zu hören: Absenkung und Sozialabbau! Herr Ratzmann, gehen Sie in sich! Denken Sie über sich nach! Was will Grün? Grün will Sozialabbau! Ich kenne Freunde in einer Kanzlei, in der waren Sie auch mal. Da hat man grundsätzlich gesagt, man vertritt keine Arbeitgeber. Als Sie da noch waren, hatten Sie wahrscheinlich tatsächlich noch so etwas wie Ideale, so etwas wie Vorstellungen, an denen Sie sich messen lassen. Inzwischen sind Sie nichts weiter als jemand, der hier denunziert und Sozialabbau betreibt; nichts anderes als Sozialabbau, Herr Ratzmann!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf ein bestimmtes Niveau will ich mich einfach nicht begeben, Herr Lederer.
Aber irgendwie muss es wehgetan haben, wenn der Oskar so von oben haut, denn anders sind Ihre Tiraden hier nicht zu erklären, die Sie losgelassen haben. – Ich habe auch Verständnis für die Beschäftigten der BVG. Ich kann mir auch gut vorstellen, wie es in den Familien aussieht, gerade bei denjenigen, die sehr wenig Geld verdienen. Die gibt es auch im Land, und das sind die Beschäftigten einer Regierung, die Sie mit repräsentieren. Während Sie uns vorwerfen, wir würden von Sozialabbau reden, lieber Herr Lederer, betreiben Sie ihn seit 2001 in dieser Stadt.
Seit 2001 betreiben Sie permanent den Sozialabbau. Sie machen das alles mit in dieser Stadt. Sie halten wohlfeile Reden, aber wenn es darauf ankommt, kippen Sie einfach immer um. Sie tragen die Erhöhung für das Sozialticket
mit, Sie haben die Kosten für die Lehrmittel mitgetragen. Sie schließen Tarifverträge, kurz bevor das Vergabegesetz in Kraft tritt, die noch weiter unterhalb des von Ihnen propagierten Lohns sind. Sie brauchen mir gar nichts zu erzählen von Ihrer Standfestigkeit und davon, wie Sie für die Entrechteten und Geknechteten kämpfen. Wer sich auf Sie verlässt, ist in dieser Frage einfach verloren. Das ist schon mal Fakt.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr wenig Phantasie im Bereich des Abschlusses von Tarifverträgen haben. Wir können uns gern mal darüber unterhalten, ich kann Ihnen ein paar Modelle zeigen, wenn Sie sie denn verstehen. Aber ich glaube, Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Anpassung und das Anheben auf das Bundesniveau nicht unbedingt immer sofort mit Absenkung verbunden ist. Natürlich gibt es die Möglichkeit, Anrechnungsklauseln und Aufwuchsklauseln in den Tarifvertrag hineinzunehmen. Das Neue an so einem Tarifvertrag wäre, dass beide Seiten Verantwortung für das gemeinsame Unternehmen der Daseinsvorsorge übernehmen. Darum geht es in dieser Auseinandersetzung.
Wir sind nicht in einem privatwirtschaftlich organisierten Bereich. Wir gehen mit öffentlichen Institutionen der Daseinsvorsorge um. Wer hier auf der einen Seite eine Forderung erhebt oder sie bezahlen will, der muss auf der anderen Seite gucken, wo das Geld herkommt. Jeder Euro, den wir auf der einen Seite aus dem Staatssäckel in die Taschen der Anderen stecken, heißt einfach, wir haben weniger Geld für Kitas, Schulen, Unis – da brauchen wir es am ehesten. Deswegen muss man sich sehr genau überlegen, mit welchen Modellen und Verantwortungen man in solche Auseinandersetzungen geht. Diese Verantwortung haben Sie nicht, sondern Sie betreiben einseitig Klientelpolitik. Anders ist Ihr Ausfall auf der Grundlage von Westberliner Versorgungsmentalität wirklich nicht zu verstehen, Herr Lederer.
Sie halten hier die große Heuchelrede, und auf der anderen Seite in der Presse, wenn es gerade opportun ist, beschimpfen Sie diejenigen, die bei der BVG streiken, als Westberliner Versorgungsmentalisten. Das ist eine Doppelzüngigkeit, die nicht mehr zu überbieten ist. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Für die FDP-Fraktion hat Dr. Lindner das Wort. – Bitte sehr!
Es spielt auch nicht so eine wahnsinnige Rolle, Herr Kollege Lederer! Aber ich glaube, der Kollege Ratzmann hatte durchgängig recht,
wenn er darauf verwiesen hat, dass die Ursache für diesen Tarifkonflikt von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, im Wahljahr 2005 gelegt wurde. In der Tat sind Sie hierher gekommen und haben uns – ich zitiere aus dem Plenarprotokoll vom 16. Juni 2005 – mitgeteilt:
Dieser abgewogene Kompromiss gibt den Beschäftigten Sicherheit für ihren Arbeitsplatz. Wir wollen keinem kündigen. Wir wollen aber, dass ein Solidarbeitrag geleistet wird, wenn die Personalkosten so hoch sind, und das ist auch ermöglicht. Wir wollen die weitere Sanierung dieses Unternehmens.
Insofern gehe ich davon aus, dass diese Einigung über die Eckdaten eines Tarifvertrags in Berlin für das Unternehmen BVG einerseits den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel abverlangt, (...)
Wie immer bedankt sich die Republik herzlich für dieses wunderbare Vorgehen, Herr Regierender Bürgermeister! Die können es gar nicht fassen, wie schön es hier wieder einmal läuft. Sie haben uns damals hinters Licht geführt. Ich hatte Ihnen in meiner Erwiderung gesagt:
Ohne jetzt den großen Propheten zu reklamieren, es ist genauso gekommen, weil Sie es damals versäumt hatten, eine klare Vereinbarung über die Tarife zu treffen.
Sie wollten die Bundestagswahl gewinnen und sonst gar nichts. Sie haben wieder einmal im Interesse der SPD gehandelt und nicht im Interesse dieser Stadt.
Das Monopol wurde gesichert, die Fremdvergabequote wurde gesenkt, alles im Interesse von Verdi und Herrn Bsirske und der SPD, aber die Bürgerinnen und Bürger, die so etwas bezahlen müssen, sind über die Klinge gesprungen.
Das zweite große Versäumnis war jetzt bei der Aushandlung des Verkehrsvertrags festzustellen. Da wäre eine zweite Möglichkeit gewesen, als Gegenstück zur Mono
polsicherung der BVG und der BVG-Beschäftigten Mäßigung bei den Tarifen zu verlangen und klar zu vereinbaren. Aber wieder haben Sie versagt. So war es selbstverständlich, dass wir in diese Situation kommen, und das haben wir Ihnen zu verdanken, Herr Wowereit!
Ihr parteiliches Handeln – parteilich nicht für die Bürger, sondern parteilich für sich und die Gewerkschaften – fällt jetzt den Leuten auf die Füße. Ganz klar!
In der Sache selbst stehe ich durchaus an Ihrer Seite, wie Sie in diesen Konflikt hineingehen, den Sie verursacht haben. Ich halte das Angebot des Kommunalen Arbeitgeberverbands für vollkommen vernünftig, auf der einen Seite den Neubeschäftigten Lohnzuwächse zu geben – 6 Prozent sind angeboten –, auf der anderen Seite bei den Altbeschäftigten Mäßigung zu haben. Denn wir müssen uns einmal anschauen: Es gibt keine Spaltung der Stadt, sondern eine Spaltung der Einkommen bei der BVG – ein Busfahrer, Altbeschäftigter: 2 797 €, und ein Busfahrer, Neubeschäftigter: 1 936 €. Das ist nicht gerecht, vor allem auch, wenn man sich anschaut, was sonst in dieser Stadt verdient wird: Ein Arzt oder eine Ärztin im Landeskrankenhaus mit drei Staatsexamen verdient 3 091 €, also wenige Euro mehr als ein Busfahrer bei der BVG. Betriebsprüfer, Erzieher, Büchereiangestellte, Arzthelfer – alle verdienen deutlich weniger. Und die müssen mit ihren Steuern, die sie aufbringen, die Zuschüsse, die die BVG erhält, bestreiten und bezahlen. Deswegen ist es geboten, hier in den Verhandlungen hart zu bleiben. Da fordere ich Sie und Herrn Wolf auf: Sie sind hart in den Verhandlungen, bleiben Sie es weiter!
Das ist eine vernünftige Vorgehensweise. Das schulden Sie den Leuten. Es hat niemand etwas dagegen, wenn Sie Ihre Koalitionäre herumheulen lassen. Das ist gar kein Problem. Das wissen die Beschäftigten auch einzuordnen. Die Verantwortlichen der PDS sitzen im Senat und sind daher mitgefangen und mitgehangen. Da weiß man genau, wie das ganze Gerede von Herrn Lederer und von Frau Kollegin Matuschek – es ist mir eine Freude, dass wir heute wieder aufeinanderstoßen – einzuordnen ist. Das ist nichts wert. Das können Sie so machen, aber die Leute wissen schon genau, wo Sie hier stehen. Sie stehen auf der Arbeitgeberseite, und diese Rolle haben Sie gefälligst auch wahrzunehmen.
Die Streikfolgen sind das, worüber wir heute zu diskutieren haben. Es ist richtig: Das Chaos ist ausgeblieben. Das sollte auch den Leuten von Verdi zu denken geben. Ich lade sie ein: Machen Sie ruhig so weiter! Dann werden wir uns nach diesem Streik in der Tat einmal in Ruhe über das Leistungsangebot der BVG unterhalten müssen. – In der Tat leiden aber Menschen unter diesen Streikfolgen, und die haben Sie auch mit verursacht. Sie müssen in der BVG dafür sorgen, dass es einen angemessenen Notfahr
plan gibt. Da müssen alle eingesetzt werden, die nicht bei Verdi organisiert sind. Das können wir und die Menschen erwarten.
Es kann nicht angehen, dass die BVG bei ihren Auskünften – wenn man eine Verbindung von Köpenick zum Flughafen Tegel erfragt – lapidar mitteilt: Zum Schluss – von der Station Beusselstraße bis zum Flughafen Tegel – sei ein 30-minütiger Fußweg zurückzulegen.