Protocol of the Session on March 13, 2008

In dem Zug waren viele Menschen mürrisch, Montagmorgen, nass, mit müden Gesichtern.

[Oh! von CDU – Mario Czaja (CDU) hält ein Taschentuch in die Luft.]

Dann passierte Folgendes – ich will nur diese Begebenheit erzählen –: Bei der Einfahrt in den Bahnhof Alexanderplatz sagte der BVG-U-Bahnfahrer: „Liebe Fahrgäste! Bitte nehmen Sie ihre Regenschirme mit, Sie brauchen sie heute noch. Ich wünsche Ihnen einen schönen Montag!“ – Und plötzlich

[Nicolas Zimmer (CDU): Lagen sich alle in den Armen!]

passierte etwas, was man in der U-Bahn selten erlebt: Die Leute lächelten, sie fingen an, miteinander zu sprechen.

[Gelächter bei der CDU und der FDP]

Das ist dieses einzigartige BVG-Gefühl, diese einzigartige Leistung, die BVGer eben auch erbringen können, dass sie durch ihre Arbeit Gemeinschaftsgefühl für Berlin erzeugen können.

[Zuruf von Frank Henkel (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU]

Deshalb müssen wir auch weiterhin zur BVG stehen. Der Verkehrsvertrag hat seine Berechtigung. Wir stehen zum Vertrag.

Entschuldigung! Jetzt hat Frau Matuschek das Wort und nur Frau Matuschek. – Bitte!

Wir stehen zur Vertragstreue. Wir stellen uns auch vor

[Mario Czaja (CDU): Wir stellen uns auch vor die Züge!]

die Beschäftigten der BVG, die tätlich angegriffen werden, weil sie zu Berlin gehören wie wir auch. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek!

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) überreicht Jutta Matuschek (Linksfraktion) ein Taschentuch. – Heiterkeit und Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Ratzmann das Wort.

[Zurufe von der CDU]

Jetzt muss ich mir auch erst die Tränen aus den Augen wischen. – Frau Matuschek! Was war das denn?

[Beifall und Heiterkeit bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es fehlten nur noch die sozialistischen Ministranten, die hier ein bisschen roten Weihrauch verteilen.

[Beifall und Heiterkeit bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Titel der Aktuellen Stunde war schon mit viel Bedacht gewählt: „Sprachlosigkeit im Tarifkonflikt bei der BVG überwinden“.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Frau Matuschek! Wenn es noch eines Beispiels für Sprachlosigkeit bedurft hätte, war das jetzt Ihre Rede, die wir gerade gehört haben.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Die Sprachlosigkeit trifft nicht nur auf Sie zu, Frau Matuschek, auch wenn der Herr Albers jetzt meint, er müsste mit lautstarker Stimme dazwischenplappern.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ich habe nur eine Frage gestellt!]

Aber es stimmt, die Stadt wird von einem der heftigsten Streiks erschüttert, und nicht nur Frau Matuschek ist sprachlos, nein, auch noch unsere Regierung ist sprachlos,

[Christian Gaebler (SPD): Sie wollten doch gar nichts hören! – Martina Michels (Linksfraktion): Sie wollten nicht darüber reden!]

noch viel schlimmer, sie ist sogar ideenlos. „Be Berlin“ hat der Regierende Bürgermeister seine Kampagne genannt. Wir fragen uns die ganze Zeit nicht „Be Berlin“ sondern: „Wo ist Wowereit in dieser Auseinandersetzung?“

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP– Klaus Wowereit (SPD): Hier!]

In der letzten Reihe, wie beim Tarifkonflikt! – Wir sind am Montag ganz knapp an einer kollektiven Geiselhaft für die gewerkschaftlichen Forderungen im ganzen ÖPNV vorbeigeschrappt, und unsere Regierung ist völlig sprachlos.

[Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Und wenn es noch eines Beweises der Orientierungslosigkeit bedurfte, dann ist es das, was wir von Ihnen, Herr Gaebler, in dieser Aktuellen Stunde gehört haben. Wohin wollen Sie eigentlich? Sagen Sie das einmal! Wo ist Ihre Linie in diesem Tarifkonflikt?

[Martina Michels (Linksfraktion): Da hätte man zuhören müssen!]

Sich hinzustellen und so zu tun, als wäre der Kommunale Arbeitgeberverband die maßgebliche Instanz, die das bestimmt, und dann stellt sich Herr Wowereit wieder hin und macht mit einem Federstreich den Tarifvertrag, der uns mit dem Rücken an die Wand stellt, das ist doch die Wahrheit. Tun Sie doch nicht so, als hätten Sie als Senat mit dieser Auseinandersetzung nichts zu tun! Sie sind der Repräsentant des Eigentümers dieses Unternehmens. Sie sind letztlich auch diejenigen, die den Takt in dieser Auseinandersetzung vorgeben müssen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wir können vor Glück sagen, dass die GdL ihren Streik abgeblasen hat, denn sonst wäre diese Stadt wirklich im Chaos versunken.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Dieser Senat hätte taten- und sprachlos einfach zugesehen.

Es ist richtig, dass der Fahrgastverband IGEB jetzt gefordert hat, dass der Senat dafür Sorge tragen muss, dass auch in Notsituationen zumindest ein Minimum am öffentlichen Personennahverkehr aufrechterhalten bleibt. Ich sage hier ganz klar: Von unserer Seite will niemand das Streikrecht in irgendeiner Art und Weise antasten.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Nö! – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Nein!]

Entschuldigung! Aber die Beschimpfungen kamen von der Partei des dauernden Sozialabbaus, kamen aus Ihren Reihen, nicht aus unseren.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall von der CDU und der FDP]

Ich kann Ihnen nur sagen, das, was wir im Moment erleben, diese schleichende Gewöhnung an das Auto, das kann nicht in unserem Sinn sein, übrigens auch nicht im Sinn von Verdi. Es gibt jetzt schon so langsam ein schleichendes Gefühl von: „Es funktioniert doch irgendwie in dieser Stadt, sollen die doch streiken, bis sie schwarz werden.“

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Deshalb wollten Sie auch über das Spreedreieck diskutieren!]

Das ist weder im Sinn von Verdi noch in unserem Sinn, das schadet dem öffentlichen Personennahverkehr in dieser Stadt.

[Beifall bei den Grünen]

Ich finde es – und das ist zu begrüßen – eine richtige Geste, dass die BVG jetzt dazu übergegangen ist, denjenigen, die mit ihren Dauerkarten das Dienstleistungsangebot nicht in Anspruch nehmen können, Geld zurückzuerstatten für das, was die BVG nicht leisten kann, schließlich spart sie auch die Gehälter während des Streiks ein.