Protocol of the Session on March 13, 2008

Den Ursprungsantrag, darum geht es immer noch. – Wer möchte dem Ursprungsantrag zustimmen? – Das sind die Fraktion der FDP, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist das abgelehnt.

Die lfd. Nrn. 11 und 12 stehen auf unserer Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 13:

a) Beschlussempfehlung

Menschenhandel bekämpfen (I) – Opferschutz verbessern

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/1223 Antrag der Grünen Drs 16/0269

b) Beschlussempfehlung

Menschenhandel bekämpfen (II) – Opferrechte ausbauen

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/1224 Antrag der Grünen Drs 16/0270

Mir ist signalisiert worden, dass die Reden zu Protokoll gegeben werden. Bitte sehr, das kann jetzt geschehen.

Wie Sie und wie wir alle wissen handelt es sich bei dem Delikt „Menschenhandel“ – zumindest in Europa – im wesentlichen um „Frauenhandel in die Zwangsprostitution“. Ein besonders widerwärtiges Detail ist darüber hinaus noch, das die Opfer dieses Frauenhandels häufig minderjährige Mädchen sind. Das sind die Fakten.

Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Deshalb hat die EU bereits 2004 eine Richtlinie erlassen, um den Opfern des Menschenhandels adäquat Hilfe leisten zu können. Wir haben im letzten Jahr zwei Anträge vorgelegt, die diese Richtlinie aufnahmen und den Senat unter anderem aufforderten, sich im Bundesrat für die Nachbesserung der Umsetzung der EU-Richtlinie einzusetzen. Die Antwort der zuständigen Sprecherin der SPD im Ausschuss war wirklich bemerkenswert: Die Rechte für Opfer von Menschenhandel auszubauen, sei zwar wünschenswert, aber sie sehe keine Notwendigkeit etwas zu ändern, weil die Mehrheiten fehlen. Das ist ja wohl an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Und die Linke sagte zu Thema gar nichts.

Unser Antrag „Menschenhandel bekämpfen – Opferschutz ausbauen “ war notwendig geworden, weil die EURichtlinie im Juni 2007 von der Bundesregierung unzureichend umgesetzt wurde. Das hatte die große Koalition zu verantworten, an der bekanntermaßen auch die SPD beteiligt ist. Auf welche Mehrheiten warten sie noch? Heißt das im Klartext: Menschenrechtsverletzungen werden nur bei absoluter Mehrheit der SPD oder der Linken geahndet?

Leider haben wir nun die Situation, dass dieses Gesetz den europäischen Vorgaben nicht vollständig gerecht wird und auf Regelungen verzichtet, die im Sinne eines humanen Umgangs mit Opfern des Menschenhandels und einer effektiven strafrechtlichen Verfolgung der Täter angezeigt wären. Das haben die Sachverständigenanhörungen im Bundestag und die Stellungnahmen von Experten und Expertinnen deutlich gezeigt. Gegen den Gesetzentwurf stimmten daher neben Grünen, Linksfraktion und FDP auch etliche SPD-Abgeordnete. Die unzureichende Umsetzung der Opferschutzrichtlinie wird in mehreren persönlichen Erklärungen als Kritikpunkt aufgeführt. In der Erklärung der SPD-Abgeordneten Lale Akgün, Hilde Mattheis und Lothar Mark heißt es z. B.: „Wirklich effektive Maßnahmen zum Schutz der Opfer von Zwangsheirat und Menschenhandel sind in dem Gesetz nicht enthalten.“

Wenn sich die frauenpolitische Sprecherin der SPD nun auf fehlende politische Mehrheiten im Bundesrat beruft,

lenkt sie damit nur davon ab, dass es der SPD im Bund nicht gelungen ist, gegenüber der CDU eine EU-konforme Umsetzung der Opferschutzrichtlinie durchzusetzen. Mehr noch, die rot-rote Koalition legt auch das Thema ad acta!

Um zum Kern zu kommen: Was hatten wir gefordert, was so unannehmbar schien? – In Abstimmung mit der EU wollten wir, dass die Opfer von Menschenhandel mindestens drei Monate Bedenkzeit bekommen, um sich dem Einfluss der Täter zu entziehen und mit den Behörden zusammenzuarbeiten – die PDS hatte vor zwei Jahren auch schon sechs Monate gefordert –, eine befristete Aufenthaltserlaubnis von sechs Monaten nach Ablauf der Bedenkzeit, Zugang zu den „sonstigen Leistungen“ nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz, die besondere Berücksichtigung minderjähriger Opfer und eine grüne Forderung, die Ausweitung des § 53 StPO für die Mitarbeiterinnen von anerkannten Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen.

Bei aller Diskussionsfreude über den einen oder anderen Absatz, aber sich schlichtweg allem zu verweigern, ist an Hartleibigkeit nicht mehr zu überbieten.

Ich komme zum Antrag 16/0269, der von ihnen als Ersetzungsantrag teilweise übernommen wurde. Wir wollten die Kooperation zwischen Polizei, Ausländerbehörde und Beratungsstellen durch eine genderspezifische Herangehensweise verbessern, die beschlagnahmten Erträge aus Menschenhandel zumindest teilweise für Beratungsstellen und Prävention zugänglich machen und die internationale Zusammenarbeit bei der Täterverfolgung unterstützen. Sie haben daraus ein lapidares „Weiterentwickeln, Sensibilisieren und Prüfen“ gemacht. Das ist traurig, halbgar und zahnlos. Sie haben unseren guten Aufschlag leider nicht genutzt, um sich mutig und kompromisslos an die Seite der Opfer von Menschenhandel zu stellen. Das ist nicht nur politisch, das ist auch menschlich bedauerlich. Schade!

Im Fußballweltmeisterschaftsjahr 2006 haben wir in Berlin mit der Aktion „Abpfiff“ auf die Probleme der Frauen aufmerksam gemacht, die wie Ware verkauft und gegen ihren Willen zum Sex gezwungen werden. Dabei handelt es sich um schwere Straftaten, die mit aller Härte des Gesetzes bestraft gehören. Hierzu ist es erforderlich, dass die Täter überführt werden können. Dies ist in der Vergangenheit daran gescheitert, dass die Zeuginnen aufgrund der fehlenden Aufenthaltserlaubnis nicht vor Gericht gegen die Täter aussagen konnten. Dieses wurde von allen als falsch erkannt.

Bereits vor einem Jahr haben wir uns mit den vorliegenden Anträgen befasst. Dabei habe ich zugesagt, dass wir Sozialdemokraten an der Seite der Opfer von Menschenhandel stehen. Das haben wir getan, und dazu stehen wir auch. Im Sommer letzten Jahres wurde auf Bundesebene eine Gesetzänderung vorgenommen, mit der die EU

Opferschutzrichtlinie zum Schutz vor Menschenhandel umgesetzt wurde. Danach soll nach Maßgabe des § 25 Absatz 4a in Verbindung mit § 26 des Aufenthaltsgesetzes Opfern von Menschenhandel eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Wir Sozialdemokraten haben dafür auch Kompromisse schließen müssen, die uns sehr schwergefallen sind. Für minderjährige Opfer von Menschenhandel gilt das Gesetz ebenfalls, da es keine Differenzierung bezüglich des Alters vornimmt.

Mir ist insbesondere die Situation von Frauen, die hauptsächlich von Menschenhandel betroffen sind, wichtig. Daher denke ich, dass wir uns im Herbst anschauen sollten, wie sich die Gesetzänderung in Berlin ausgewirkt hat. Sollte sich dabei herausstellen, dass das Gesetz zu kurz greift, müssen wir nach einer genauen Analyse Vorschläge für die Verbesserung erarbeiten.

Leider werden in Ihren Anträgen auch Forderungen aufgestellt, die rechtlich nicht zulässig sind. Daher kann es Sie auch nicht wundern, dass wir diese ablehnen mussten. Dafür bitte ich um Verständnis, und ich halte es auch für fragwürdig, den Anschein zu erwecken, dass bestimmte Maßnahmen rechtlich unbedenklich seien, von denen Ihnen bei näherer Prüfung klar sein müsste, dass es einfach nicht geht. Bezüglich der von Ihnen genannten Forderung, die Opferhilfe finanziell zu unterstützen, ist festzustellen, dass es durch die Änderung der Richtlinien für Strafverfahren und Bußgeldverfahren gelungen ist, die gesetzliche Grundlage für das Anliegen zu schaffen.

Das Thema ist zu ernst und zu wichtig, um es für politische Tricks zu nutzen. Wir alle sind gefragt, Wege und Lösungen zu finden, die nur ein Ziel haben: die Opfer zu schützen!

Menschhandel bekämpfen und Opferschutz verbessern – wer wolle bestreiten, dass dies nicht eine außerordentlich wichtige politische Aufgabe ist. Und weil diese Themen so wichtig sind – ich denke, dass das Konsens ist unter uns –, sollte man an dieser Stelle nicht in einen Überbietungswettbewerb eintreten – nach dem Motto: Wessen Schilderung des Missstandes ist die Dramatischste oder gar die Drastischste?

Klar ist: Die Lage ist – insbesondere für die Betroffenen – furchtbar. Menschenhandel ist ein großes Problem, auch und gerade in Berlin. Jährlich werden Tausende von Menschen, insbesondere Mädchen und Frauen, aus Europa, aber auch aus Asien und Afrika nach Deutschland verschleppt. Häufig wird hier ihre Arbeitskraft ausgebeutet, oder sie werden zur Prostitution gezwungen. 70 Prozent der Opfer sind weiblich. Deshalb muss das politische Ziel sein, den Menschenhandel zu bekämpfen, die Täter hart zu bestrafen und den Opfern zu helfen.

Die beiden Anträge der Grünen verfolgen unterschiedliche Anliegen: Im ersten geht es vorwiegend um die Effektivierung der strafrechtlichen Verfolgung und eine

fektivierung der strafrechtlichen Verfolgung und eine Verbesserung von Beratungs- und Kooperationseinrichtungen. So sollen etwa Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel in Berlin auf eine solidere Finanzierungsgrundlage gestellt werden. Die Kooperation zwischen Beratungsstellen, Polizei und Justiz und Ausländerbehörde soll verbessert werden. Erträge aus Maßnahmen der staatlichen Gewinnabschöpfung sollen zur Unterstützung der Opfer und zur Finanzierung von Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen verwandt werden. Schließlich soll die internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden verbessert werden.

Gegen all diese Maßnahmen ist aus Sicht der Union nichts einzuwenden. Im Gegenteil, die Bekämpfung des Menschenhandel muss mit allen möglichen Mittel vorangetrieben werden. Dennoch hat sich der Innenausschuss einstimmig bei Enthaltung der Grünen darauf verständigt, dass dem Parlament erst einmal berichtet werden soll, wie die Arbeit in diesem Themenfeld aktuell abläuft. Insbesondere soll berichtet werden über die Weiterentwicklung der bestehenden Kooperationen zwischen Beratungsstellen, Polizei, Justiz und Ausländerbehörde, über die Sensibilisierung für die besondere Situation der Opfer von Menschenhandel und Vermittlung von prozessualen Opferschutzmöglichkeiten innerhalb von Fortbildungsveranstaltungen sowie über den Stand der gegenwärtige Prüfung der Richtlinie für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in Bezug auf Geldzahlungen, um eine verstärkte Zuwendung an Einrichtungen der Opferhilfe zu ermöglichen. Eine entsprechende Beschlussempfehlung liegt dem Parlament heute zur Entscheidung vor.

Der zweite Antrag befasst sich primär mit der persönlichen Situation der Opfer von Menschenhandel. Hier kann die Union nicht jedem Punkt zustimmen. Warum? – Das deutsche Ausländerrecht gestattet die Einreise bzw. den Aufenthalt in die Bundesrepublik nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wer diese nicht erfüllt, kann dauerhaft nicht in Deutschland leben. Bei Opfern von Menschenhandel gilt dieser Grundsatz auch. Allein die Tatsache, Menschenhändlern in die Fänge geraten zu sein, kann nicht dazu führen, dass die Opfer dauerhaft in Deutschland leben können. Und weil das so ist, gibt es auch kein Integrationsinteresse der deutschen Gesellschaft. Daher hat auch prinzipiell alles zu unterbleiben, was zu einer Verfestigung des Aufenthalts führt.

Unter dieser Maßgabe sind die einzelnen Forderungen der Grünen zu betrachten. Die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen, nämlich dann, wenn dies für den Ermittlungserfolg zwingend erforderlich ist. Ebenso finden wir nicht einsichtig, dass es eine materielle Privilegierung der Opfer gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern geben soll. Die Gewährung reduzierter Sozialleistungen sind aus unserer Sicht gerechtfertigt. Auch ein gleichrangiger Zugang zum Arbeitsmarkt ist aus den genannten Gründen abzulehnen. Wie gesagt, es besteht kein Integrationsinteresse. Deshalb ist der Antrag der Grünen im Ergebnis so

für uns nicht zustimmungsfähig. Der Ausschuss hat sich – Gott sei Dank! – auch auf eine geänderte Fassung geeinigt, die dann auch meine Fraktion mittragen kann:

Jetzt soll den Betroffenen von Menschenhandel eine Bedenkzeit eingeräumt werden, in der sie sich für oder gegen eine Kooperation mit den Behörden entscheiden können. Anschließend kann unter bestimmten Voraussetzungen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, um eine Zusammenarbeit mit den Behörden zu ermöglichen. In eng umrissenen Härtefällen soll es dann in Zukunft möglich sein, auch ein längerfristiges Aufenthaltsrecht zu gewähren. Und schließlich soll es ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiter von anerkannten Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen für Opfer von Menschenhandel geben.

Dies alles kann ein sinnvoller Beitrag zur Verbesserung der Situation der Opfer sein, aber auch eine Verbesserung für die Ermittlungsbehörden, deren Erfolg von entscheidender Bedeutung bei der Bekämpfung von Menschenhandel ist.

Auf Berliner Ebene setzen wir alles daran, Opfern von Menschenhandel zu helfen und sie dabei zu unterstützen, sich aus ihrer abhängigen Lage und aus Gewaltbeziehungen zu befreien. Als Frauenpolitikerin geht es mir vor allem um die Opfer, die zu 98,5 Prozent – so der aktuelle Lagebericht – Frauen sind. Die Beschlussempfehlung, die wir heute hier zur Abstimmung stellen, gibt dem Senat auf, grundsätzlich jeden Entscheidungsspielraum gesetzlicher Regelungen zugunsten der Opfer zu nutzen, um ihnen die Angst vor den Straftätern, aber auch vor dem Staat zu nehmen. Sie brauchen dazu unsere Unterstützung und Beratungsangebote, die sie verstehen und annehmen können. Natürlich wollen wir auch effektive Strafvereitelung, aber vor allem wollen wir den Kreislauf von Gewalt durchbrechen. Für uns sind die Opfer von Menschenhandel nicht allein wegen der Zeugenaussagen wichtig. Wir wollen, dass sie von Beginn an umfassend über ihre Rechte aufgeklärt werden. Sie haben Anspruch auf eine gewaltfreie und selbstbestimmte Lebensperspektive.

Der Schlüssel dafür liegt im Aufenthaltsrecht. Für meine Partei kann ich sagen, dass wir für das eigenständige Aufenthaltsrecht eintreten. So sind die Anträge der Linksfraktion im Bundestag, und das werden wir auch weiter verfolgen. Dort haben wir übrigens eine aufenthaltsrechtliche „Bedenk- und Stabilisierungsfrist“ von sechs Monaten für von Zwangsprostitution und Menschenhandel betroffene Frauen gefordert. Unabhängig vom Zeuginnenstatus sollte es aufgrund der erlittenen Menschenrechtsverletzung einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen sowie das Recht auf Familienzusammenführung geben. Weiterhin forderte unser Antrag für diese Frauen kostenlosen Zugang zu medizinischer Behandlung und psychologischer Betreuung sowie Leistungen analog dem Zweiten bzw. Zwölften Sozialgesetzbuch, SGB II bzw. SGB XII, strukturelle Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere

durch bessere Ausstattung der Fachberatungsstellen, ein flächendeckendes Schutz- und Betreuungsprogramm für die Opfer bzw. Zeuginnen sowie Fortbildungsprogramme und Sensibilisierungsmaßnahmen für die mit dem Thema Menschenhandel befassten Berufsgruppen.

Und, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Grünenfraktion, wissen sie, was mich irritiert? – Ihre Fraktion hat diesen, unsrigen Antrag abgelehnt. Der Antrag Ihrer Fraktion wollte Frauen nur die Möglichkeit einräumen, dann zu bleiben, wenn sie aussagen. Sie werden also auch nur nach rein strafprozessualen Nützlichkeitskriterien „verwertet“. Zugegebenermaßen – das will ich hier nicht verschweigen – gab es bei der SPD auch keinerlei Bewegung hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Schutzregelungen für die Opfer.

Was Berlin betrifft, darf ich aber daran erinnern, dass das Land Berlin diesbezüglich sehr aktiv war und mit eigenen Anträgen in die Debatte zum Gesetz über die Umsetzung der aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der EU eingegriffen hat. Berlin hat sich damit im Bundesrat nicht durchsetzen können, und gegenwärtig würde eine neue Initiative ins Leere laufen. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, dass Berlin hier noch einmal initiativ wird. Allerdings ist mir genau so klar wie Ihnen von den Grünen, dass eine solche Initiative keine Chance auf eine Mehrheit im Bundesrat hat – schon gar nicht, nachdem die Novellierung des Zuwanderungsrechts gerade erst durch zahlreiche Verschärfungen durchgezogen wurde. Insofern werden wir uns in erster Linie auf das konzentrieren, was in unserer Möglichkeit liegt. Das ist schwer genug. Wir brauchen weitere Verbesserungen für die Opfer hier in Berlin. Dabei können wir an die bereits entwickelten Netzwerke anknüpfen.

Die seit 1995 bestehende Berliner Fachkommission hat in den vergangenen Jahren schon viel dazu beigetragen, dass bei der Bekämpfung von Menschenhandel die besonders schwierige Lage der Opfer berücksichtigt wird. Mit der Kooperationsvereinbarung von 2003 ist es gelungen, dass Polizei und Beratungsstellen gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um die Frauen aus den Fängen ihrer Ausbeuter zu befreien. Diese Arbeit ist fortzusetzen und auszuweiten. Das gilt insbesondere für die Zusammenarbeit von Beratungsstellen, Polizei, Justiz und Ausländerbehörde, umfasst aber auch Sozialämter und die psychosoziale und gesundheitliche Betreuung. Gezielte Fortbildungsveranstaltungen sind auch weiterhin unerlässlich, um alle Beteiligten entsprechend zu sensibilisieren und auf die Erfordernisse und Möglichkeiten aus anderen Bereichen aufmerksam zu machen.

Wir wollen, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, die im Rahmen der Richtlinie für Strafverfahren und das Bußgeldverfahren zulässig sind, um Einrichtungen der Opferhilfe finanziell besser ausstatten zu können, und wir erwarten, dass die Opfer umfassend über ihre Rechte informiert werden, auch über Ansprüche, die sie nach dem Opferentschädigungsgesetz haben. Hier gibt es inzwi

schen Handlungsempfehlungen von der Bund-LänderArbeitsgruppe Frauenhandel, an denen sich Behörden und Beratungsstellen orientieren können und sollen. In der letzten Ausschussberatung wurde darüber hinaus von Senator Körting zugesagt, dass genau geprüft wird, wie sich die neuen gesetzlichen Bedingungen auswirken, die im Übrigen eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Aufenthaltsdauer zulassen. Außerdem denke ich, dass wir ihn beim Wort nehmen können, wenn es darum geht, die gesetzliche geforderte „besondere Härte“ anzuerkennen, wenn es um Opfer von Menschenhandel geht.

Die Kritik, Frauen nach ihrer Aussage einfach abzuschieben, wodurch sie sich auch wieder nur ausgenutzt und missbraucht vorkommen, ist in meinen Augen völlig berechtigt. Aber auch hier haben wir Möglichkeiten, die wir in jedem Fall ausnutzen sollten, so zum Bespiel beim Abschiebungsverbot wegen erheblicher Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Herkunftsland, wo eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Verbunden damit, dass sie Zugang zum Arbeitsmarkt haben, lassen sich wirkliche Verbesserungen im Sinne des pferschutzes erzielen. O Zum Schluss möchte ich zu bedenken geben, dass es wohl stimmen mag, dass wir es in Berlin nach Lage der Dinge mit ca. 20 bis 30 betroffenen Opferzeugen zu tun haben. Ich bin auch zuversichtlich, dass für diesen Personenkreis im Interesse der Frauen Lösungen gefunden werden. Allerdings sagt diese Zahl der Zeuginnen nur wenig über das tatsächliche Ausmaß von Menschenhandel aus.

Rainer-Michael Lehmann (FDP) [zu Protokoll gege- ben]:

Wir beraten heute zwei Anträge von den Grünen, die ein wichtiges Thema betreffen. Es steht außer Frage, dass die Opfer von Menschenhandel besonderen Schutz benötigen. Wenn wir von Menschenhandel sprechen, reden wir meist von Frauenhandel. Der Handel mit Frauen zum Zweck der Ausbeutung – hier ist insbesondere an die Prostitution zu denken – ist ein besonders menschenverachtendes Verbrechen und wird zu recht schwer bestraft. Ich halte es daher für wichtig, dass wir über dieses Thema debattieren. Der Umstand, dass die beiden Anträge gleich in drei Ausschüssen besprochen wurden, zeigt, dass wir das Thema ernst nehmen.

Deshalb wäre es auch sinnvoll gewesen, wenn sich die Fraktion der Grünen vor Einreichung des Antrages Gedanken gemacht hätte, was in Berlin von ihren Forderungen bereits umgesetzt wird. Auch die Forderung nach Umsetzung der EU-Richtlinie ist obsolet, weil diese bereits umgesetzt wurde. Sicherlich kann man darüber streiten, ob diese gut umgesetzt wurde, dies ist jedoch nicht Inhalt des Antrages der Grünen. Die Übernahme von Anträgen von den Fraktionen aus anderen Landtagen ist eben nicht immer 1:1 möglich. Der eigene Änderungsantrag versucht das zwar noch ein wenig zu korrigieren, gelungen ist es jedoch nicht.

Auffällig ist, dass im Antrag unter Ziffer 3 gefordert wird, den Opfern von Menschenhandel soziale Leistungen nach SGB II und XII zu gewähren, um die Einordnung unter das Asylbewerberleistungsgesetz zu vermeiden, und letzteres in der geänderten Fassung dann doch ausdrücklich gefordert wird. Widersprüchlicher können zwei Anträge nicht sein. Aus einer „ausreichenden“ Bedenkzeit der Opfer über die Frage der Zusammenarbeit mit Behörden wurden im Änderungsantrag „mindestens drei Monate“. Derzeit werden 30 Tage gewährt. In der Antragsbegründung heißt es, die Frist sei zu kurz. Eine Begründung, warum eine längere Frist notwendig ist, ist weder der Antragsbegründung noch den Ausführungen im Ausschuss zu entnehmen. Große Bedenken hat meine Fraktion bei der Frage eines Zeugnisverweigerungsrechtes für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von anerkannten Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen für Opfer von Menschenhandel. Im Ergebnis wird die FDP- Fraktion den Antrag ablehnen.

Kommen wir zum ersten Antrag: „Opferschutz verbessern“. Die Grünen fordern, dass in den Verfahren wegen Menschenhandels die Bußgelder ausschließlich entsprechenden Schutz- und Opferverbänden zugute kommen. Diese Frage wurde im Rechtsausschuss erörtert und als rechtlich schwierig eingeordnet. Mit Bußgeldern sind offensichtlich Geldstrafen gemeint. Ich hoffe nicht, dass wir in Deutschland den Menschenhandel im Bereich von Ordnungswidrigkeiten behandeln. Die Verteilung von Geldstrafen obliegt der Unabhängigkeit der Gerichte. Eine verpflichtende Regelung ist daher nicht möglich. In Betracht kommt lediglich eine Empfehlung an die Richter, künftig bei der Wahl der Zuwendungsempfänger verstärkt Einrichtungen der Opferhilfe zu berücksichtigen. In diese Richtung geht auch der Änderungsantrag der Koalition. Diesem haben wir bereits in den Ausschüssen zugestimmt und werden es auch heute tun.

Wir kommen zum Ursprungsantrag der Grünen mit der Drucksachennummer 16/0269. Dazu empfiehlt der Innenausschuss einstimmig bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Annahme mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer so gemäß Drucksache 16/1223 befinden möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FDP und der CDU. Die Gegenprobe!