Protocol of the Session on March 13, 2008

Die Notwendigkeit, spezielle Kompetenzen zu erwerben – das ist ein Themenbereich, der in der Pflegeausbildung im Vordergrund steht. Die interkulturelle Öffnung der Altenpflege beginnt mit der Ausbildung, und die Chancen und Perspektiven für Menschen mit Migrationshintergrund sind gerade in unserer Stadt in diesem Zusammenhang zu sehen. Der Senat – das hat er deutlich gezeigt – unterstützt die Anstrengungen, die dort insbesondere, was die Ausbildungsmöglichkeiten anbelangt, unternommen werden. Das, was Sie kritisiert haben, empfinde ich eher als positiven Ansatz, nämlich dass sich der Senat an diesem Modell beteiligt. Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass das Ausbildungsgesetz von Rot-Grün und nicht vom rot-roten Senat geschrieben worden ist.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Die gesellschaftliche Anerkennung und die leistungsgerechte Bezahlung – das ist der dritte Punkt, der in diesem Kontext wichtig ist. Er ist der Grund dafür, dass wir darüber auch gesellschaftliche Debatten führen müssen. – Ich komme auch gleich zum Schluss. – Die neuen Anforderungen an die Ausbildung in den Pflegeberufen stehen in einem engen Zusammenhang mit der gesellschaftlichen

Anerkennung. Das ist – neben der demografischen Herausforderung – die größte Herausforderung, der wir uns stellen müssen, nämlich die gesellschaftliche Anerkennung der Pflegeberufe so auszustatten – nicht nur finanziell, sondern auch hinsichtlich der Anerkennung innerhalb und außerhalb der Pflegeberufe –, dass wir genügend Fachleute bekommen, die diesen Beruf auch ausüben wollen. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Lehmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage macht eine zielführende Debatte über dieses wichtige Thema kaum möglich. Während Frau Junge-Reyer ein Demografiekonzept entwickelt, das sich auch mit dem Thema „Langes Leben in der Stadt“ beschäftigt und das sicher auch Rückschlüsse zulässt, welcher Personalbedarf für Pflege und Betreuung älterer Menschen nötig sein wird, weicht Frau KnakeWerner der Frage mit der Feststellung aus, dass der Fachkräftebedarf aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren nicht prognostiziert werden kann. Hier machen Sie es sich in meinen Augen zu einfach, was angesichts des demographischen Wandels und der damit verbundenen Chancen und Probleme verantwortungslos ist.

Es geht nicht darum, bis auf die Stellen nach dem Komma den künftigen Fachkräftebedarf zu ermitteln. Mit Blick auf Einflussfaktoren wie die Entwicklung alternativer Wohnformen im Alter, die Definition von Fachkraft, die Feststellung der Fachkraftquote und den großen Komplex der Heimgesetzgebung sehe ich den Senat geradezu in der Pflicht, sich konkrete Gedanken über den künftigen Fachkräftebedarf in der Altenpflege zu machen.

[Beifall bei der FDP]

Denn all das sind Einflussfaktoren, die ganz oder teilweise in der Zuständigkeit der Länder liegen.

Wenig überraschend kommen die Forderungen nach einem Mindestlohn in der Pflege und die Einsicht, dass sich an den Rahmenbedingungen etwas ändern muss, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen. So soll beispielsweise das Image der Pflegeberufe verbessert werden. Dass es gerade in der Altenarbeit so viele bürgerschaftlich Engagierte gibt, zeigt bereits, dass diese Arbeit für sehr wichtig und sinnvoll erachtet wird. Langfristig wird dieses Engagement eine noch größere Rolle spielen.

[Beifall bei der FDP]

Es braucht aber viel mehr an offener und breiter Anerkennung für die Leistung der Pflegenden. Insofern habe ich meine Zweifel daran, dass ein Mindestlohn wesentlich

dazu beiträgt, die Anreize für eine Tätigkeit in diesem Bereich zu erhöhen.

[Beifall bei der FDP]

Jeder weiß, dass eine angemessene Bezahlung allein nicht zu einer guten Arbeitsatmosphäre beiträgt. Außerdem sollte gerade im sozialen Bereich nicht nur die Bezahlung, sondern auch die persönliche Eignung für diese Arbeit eine Rolle spielen – ein Grundsatz, von dem sich dieser Senat mehr und mehr zu verabschieden scheint.

[Beifall bei der FDP]

Um den Fachkräftebedarf in der Altenpflege langfristig zu sichern, bedarf es aus liberaler Sicht etwas mehr als der platten Forderung nach einem Mindestlohn und einer Imagekampagne für Pflegeberufe. Solange sich an den Rahmenbedingungen des Arbeitsalltags in den Einrichtungen oder der ambulanten Pflege nichts verbessert, werden die Personalfluktuation und die Frustration der Pflegenden zunehmen. So muss dringend über die Entschlackung gesetzlicher Vorgaben für die Pflege nachgedacht werden und durch Abbau von Bürokratie den Pflegenden mehr Zeit für Pflege und Betreuung gegeben werden, denn das kommt derzeit viel zu kurz.

[Beifall bei der FDP]

Der Senat muss weitergehende Maßnahmen als eine Umfrage ergreifen, um die Transparenz hinsichtlich der Qualität der Pflegeleistungen zu erhöhen. Die Pflegeeinrichtungen und ihr Personal müssen viel mehr als heute die Möglichkeit haben, sich als weiße Schafe – also als Dienstleister, die eine hohe Pflegequalität erbringen – darstellen zu können.

Der vieldiskutierte Pflegenotstand hat seine Ursachen auch darin, dass viel mehr über Negatives als über Positives berichtet wird. Deshalb sollte ein Benchmarking zwischen den Einrichtungen nach bundeseinheitlichen Qualitätskriterien eingeführt werden, die sich am Ergebnis des Pflegeprozesses orientieren müssen. Gute Resultate sind dann die offizielle Bestätigung, dass gute Arbeit geleistet wird und dementsprechend auch die Motivation für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorhanden ist.

Weiter müssen Maßnahmen zur stärkeren Professionalisierung der Pflege – also auch der Pflegenden – eingeleitet werden. Dass Sie beispielsweise im Rahmen des ÖBS reihenweise Menschen für soziale Tätigkeiten verpflichten wollen, trägt auch nicht zur Aufwertung dieser Berufsbilder bei. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit beantwortet und besprochen.

Die lfd. Nr. 8 steht auf unserer Konsensliste, und ich rufe nun auf

lfd. Nr. 9:

Beschlussempfehlung

Denkmal für den Hitler-Attentäter Johann Georg Elser

Beschlussempfehlung Kult Drs 16/1197 Antrag der CDU Drs 16/1115

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU vor, Drucksache 16/1197-1.

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. – Herr Dr. Lehmann-Brauns hat das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie einen kurzen Rückblick in ein Stück der blutigen deutschen Geschichte und einen Rückblick auf jemand, der dem widerstehen wollte! Ich spreche von Georg Elser, und Georg Elser war bis vor kurzem für die breite deutsche Öffentlichkeit ein unbekannter Mensch. Er gehörte zu den sogenannten kleinen Leuten, war Schreinergeselle, Gelegenheitsarbeiter, Mitglied eines Zitherklubs in irgendeinem Nest. Aber dieser kleine Mann hatte ein großes Ziel. Er hatte begriffen, dass Hitler den Weltkrieg wollte, und das war sein Attentatsmotiv. Er sagte: „Ich habe den Krieg verhindern wollen.“

Dieses Attentat am 8. November 1939 misslang, weil Hitler sieben Minuten früher den Bürgerbräukeller in München verließ. Elser wurde gefasst, monatelang verhört – übrigens auch hier in der Nähe in der Prinz-AlbrechtStraße – und 1945 ermordet. Es hat wenig Sinn, mit Spekulationen zu kommen, wenn man eines feststellt: Ein gelungenes Attentat hätte vermutlich den Weltkrieg verhindert, denn Hitler war der Teufel in der NS-Bewegung. Seine hochdekorierten Lakaien waren ohne seine dämonische, suggestive Energie schwach.

Welche Konsequenzen hat nun aber diese Biographie und ihr tragisches Ende für uns? – Berlin hat wie keine andere Stadt der Opfer der braunen Diktatur gedacht, und wir werden da auch keinen Schlussstrich ziehen. In Kürze werden Gedenkorte zugunsten der verfolgten Sinti und Roma und der Homosexuellen entstehen. Aber Berlin hat auch das Recht und die Pflicht der Menschen zu gedenken, die der Diktatur widerstanden haben.

[Allgemeiner Beifall]

Dies gilt vor allem für die Männer des 20. Juli hier in der Stauffenbergstraße. Aber auch insoweit darf es keinen Schlussstrich geben gegenüber so tapferen Menschen wie etwa Elser, die ihr Leben eingesetzt haben. Deshalb hat die CDU-Fraktion den Antrag gestellt, Elser durch ein Denkmal zu ehren, kein Denkzeichen, sondern ein Denkmal. Wir wollen dem Widerstand ein Gesicht geben.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Die Koalitionsfraktionen haben das im Kulturausschuss leider abgelehnt und durch einen einfachen Prüfantrag ersetzt. Herr Flierl hat gegenüber Rolf Hochhuth – es versteht sich, unter vier Augen – die Begründung dafür geliefert: Einem Antrag, wenn er von der CDU käme, könne man nicht zustimmen. – Das ist ein überzeugendes Beispiel für ein kleines, ideologisches Parteikaro, Herr Kultursenator a. D. Übrigens hat sich auch das rechtsradikale Lager gemeldet, wie ich annehme. Elser wird dort als Bombenleger, das Attentat als erbrecherisch bezeichnet. v Umso dankbarer bin ich dem Staatssekretär Schmitz, der den CDU-Antrag befürwortet hat, wie ich hoffe, nicht ohne Rückkoppelung mit dem Regierenden Bürgermeister. Deshalb appelliere ich an die sozialdemokratische Fraktion: Stimmen auch Sie heute zu! Georg Elser hätte diese Ehrung verdient. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lehmann-Brauns! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Lange das Wort. – Ich bitte Sie, Platz zu nehmen oder Ihre Gespräche draußen fortzusetzen. – Bitte, Frau Lange!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Kulturausschuss vor einigen Wochen habe ich einige Beschimpfungsanrufe erhalten, die eindeutig einer bestimmten Szene zuzuordnen waren, mit dem Inhalt, wie ich diesen Mörder und Lumpen Elser für denkmalwürdig halten könnte. Allein schon deswegen muss man sich für eine Ehrung dieses mutigen Mannes aussprechen,

[Alice Ströver (Grüne): Und dann auch konsequent handeln!]

der durch seine Taten noch größeres Blutvergießen verhindern wollte. Elser hat allein ein Attentat auf Hitler geplant und im Bürgerbräukeller in München eine Bombe installiert. Hätte Hitler nicht drei, vier Minuten zu früh am 8. November 1939 den Bürgerbräukeller verlassen, hätte die Weltgeschichte wahrscheinlich anders ausgesehen, und 50 Millionen Menschen wären wohl nicht umgekommen.

Elser war ein Mensch mit großem Mut, mutiger als viele andere. Er begriff sehr frühzeitig, wohin die Pläne der Nazis uns führen würden. Elsers Tat noch vor Beginn des Krieges war mutig. Er ist ein deutscher Held. Es wird Zeit, dass er geehrt wird.

Bis hierher haben wir keinen Dissens, Herr Dr. LehmannBrauns. Es geht auch nicht darum, dass es sich um einen CDU-Antrag handelt, sondern um den Inhalt. Da sind wir uns einig.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Alice Ströver (Grüne): Warum haben Sie dann nicht zugestimmt?]

Hören Sie doch einfach einmal zu, Frau Ströver! – Es geht aber nicht, dass Schriftsteller und Politiker, auch wenn sie prominent und berühmt sind, über Kunst im öffentlich Raum entscheiden. Kunst im öffentlichen Raum bedeutet, dass es sich nicht um private Räume handelt. Das Planen und Errichten von Denkzeichen und Denkmälern muss immer demokratisch und transparent erfolgen und über einen künstlerischen Wettbewerb entschieden werden. Zu diesem Zweck haben wir mit der Anweisung Bau den Beratungsausschuss Kunst ins Leben gerufen. Wir haben damit ein Gremium, das kompetent in künstlerischen Belangen berät und demokratisch entscheidet. Wir wollen dieses Gremium und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Die Frist für eine Entscheidung, die wir gesetzt haben, ist relativ kurz – bis zum 30. Juni 2008.

Ich verstehe deswegen überhaupt nicht, worin Ihre Aufregung besteht. Ihren neuerlichen, alten Antrag, den wir im Kulturausschuss schon einmal geändert angenommen haben, lehnen wir aus den genannten Gründen noch einmal ab.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lange! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Ströver das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Lange! Niemand im Kulturausschuss und auch nicht die CDUFraktion als antragstellende Fraktion hat in irgendeiner Weise die konkrete Formensprache eines Denkmals für Johann Georg Elser gefordert oder gar vorgegeben.