Protocol of the Session on February 28, 2008

17,6 Prozent am allgemeinen Aufkommen! – Und wenn Sie, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, München ansprechen: Da hat man im Moment nur einen Anteil von 6,1 Prozent allgemeine Luftfahrt am Flughafen München. Und das reicht denen schon aus, um stadtnah Plätze zu suchen, um die Geschäftsfliegerei wegzukriegen vom Flughafen München. Man sucht dort in Oberpfaffenhofen und Fürstenfeldbruck stadtnahe Flughäfen für die Geschäftsfliegerei.

[Joachim Esser (Grüne): Aber nicht in der Stadt!]

Und wir wollen gleichzeitig einen bestehenden Geschäftsflughafen aufgeben! Das ist Unsinn und pure Ideologie!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und wirtschaftspolitisch ist es genauso unsinnig, wenn man mal von Ihrem defätistischen Gerede gerade kleinteiliger Wirtschaft absieht. Wir haben doch andere Visionen von dieser Stadt. Wir können uns natürlich vorstellen, dass wir à la longue Konzernzentralen herkriegen. Aber dafür müssen wir etwas tun. Dann können wir diesen Flughafen nicht schließen. Und dann lesen Sie mal bitte heute diese Pressemitteilung der BBAA dazu, die Sie ja missbrauchen bei Ihrer populistischen Initiative! Lesen Sie mal, was die Ihnen ins Stammbuch geschrieben haben. Sie missbrauchen die für Ihre Hetzkampagne, aber die sagen ganz klar: Sie lassen sich nicht missbrauchen für Ihre Thesen und weisen auf die extrem wichtige Bedeutung der Geschäftsfliegerei für die Region BerlinBrandenburg hin.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und das Dritte ist die haushaltspolitische Frage. Es hat doch Ausschreibungen gegeben. Jeder seriöse Bewerber, jeder seriöse Investor, der auch Geld mitbringt, sagte in diesen Interessenbekundungsverfahren, die Aufrechterhaltung eines Flugbetriebs, sei er auch auf Sparflamme, sei unverzichtbar. – Und jetzt schauen Sie sich einmal an, was Sie haben: Nichts haben Sie! – Da gibt es Langhammer, Lauder und die Deutsche Bahn – seriöse Unternehmen mit Geld. Sie wollen den Flughafen, seit bereits sieben Jahren sind Sie im Amt, schließen und haben keine Alternative.

[Beifall bei der FDP]

Das ist ja ganz lustig, wenn eine Oppositionskollegin uns irgendetwas vom Tempelhofer Flugfestival erzählt. Aber von einer Regierung kann ich erwarten: Nennen Sie uns heute Ihre Alternativen und nicht Phantasialand! Nennen Sie uns Ihren Sanierungsplan, Ihren Investitionsplan, Ihre Investoren, welches Geld investiert werden soll! Nennen Sie mal Ihre Alternativen, und dann können wir seriös darüber reden, was die Zukunft dem Flughafen Tempelhof bringt!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Kollege! Herr Gaebler möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein, nein, keine mehr! Das hat keinen Sinn, weil die das nicht registrieren. – Und jetzt kommen Sie daher, Kollege Müller – ich habe mich ja gestern im Radio amüsiert, da sagten Sie, Sie möchten den Flugbetrieb schließen, um ihn für die Berliner erlebbar zu machen, für alle Berliner. Wissen Sie, was die davon halten? Erlebbar machen? – Die wissen doch ganz genau, wenn Sie den schließen, entsteht dort eine der größten vergammelten Brachen dieser Stadt – mit Drogendealern, Graffiti-Schmiereien, mit Strolchen, mit Kriminalität.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die verzichten auf Ihre Schließung! Juristisch würde man sagen, das ist eine aufgedrängte Bereicherung. Das bringt es mit sich, dass gerade die Anwohner besonders dafür eintreten, dass der Flughafen offen bleibt. Die verzichten auf Ihre Fürsorge von Rot-Rot-Grün! Die haben mehr im Kopf zwischen den beiden Ohren als Sie alle zusammen, die Anwohner, die da sind.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Sie behindern dieses Volksbegehren, wo immer Sie es können. Sie haben unsere Entwürfe für die Ausführungsbestimmungen zu Volksentscheiden, Volksbegehren verzögert. Sie lehnen es ab, dass diese Initiativen auch nur geringfügig entschädigt werden. Die Plakatierung haben Sie behindert. Und jetzt zum Schluss wollten Sie auch noch die Wahllokale reduzieren. Sie sind mir schöne Demokraten! Wenn es ums Theoretische geht bei Volksbegehren und Basisdemokratie, da sind Sie groß dabei. Wenn es mal praktisch wird, sind Sie sehr selektiv und defekt in Ihrem Demokratieverständnis,

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Kollege Pflüger! – äh, Kollege Müller!

[Gelächter und Beifall bei den Grünen]

Lassen Sie ihnen den Spaß, so kann man denen auch mal eine Freude machen. –

[Zuruf von der SPD: Sie sind ja selber...!]

Nur, was wenig Freude macht, ist zum Schluss jetzt auch noch Ihre primitive Initiative, die Sie da gegründet haben. Dass eine PDS Sozialneid als Lebenselixier und Rechtfertigungsgrundlage braucht, das mag noch angehen. Und dass die Grünen als fünftes Rad bei Ihrer Initiative nichts zu melden haben, sehe ich denen auch noch nach. Aber dass die SPD so tief abrutscht und bei einer so primitiven, volksverhetzenden und linkspopulistischen Initiative mitmacht wie Sie, das ist schäbig. Sie diffamieren mit Ihren Sprüchen – Alliierte schicken 1,4 Millionen Tonnen Kohle, wie viel Kohle schicken anonyme Spender für VIPFlughafen?; Keine Direktflüge nach Liechtenstein! – die ICAT. Sie diffamieren die Leute, die dort redlich und fleißig mithelfen. Da ist Ihre Großmutter dabei, Sie sollten sich schämen, Herr Müller! Schämen sollten Sie sich!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Diffamieren tun Sie!]

Und das Ganze nur, weil Sie keine Alternativen haben. Deshalb müssen Sie auf so eine primitive Volksverhetzung zurückgreifen. Die SPD in Berlin setzt damit das fort, was auf Bundesebene begonnen wird, mit Beck. Wortbrüchig und feige empfiehlt er nun in Hessen, sich zur Linkspopulisten-DKP hinzuwenden. Wowereit empfiehlt heute auch eine Koalition in Hessen mit den Linkspopulisten. Und Sie setzen es mit dieser primitiven Kampagne fort. Diese Reise der SPD in den Linkspopulismus wird Sie ins politische Abseits führen. Das sage ich Ihnen ganz klar.

Unsere Forderungen sind ganz klar: Verkehrsfliegerei bis zur Eröffnung von BBI in Tempelhof, danach als Geschäftsflughafen für die allgemeine Luftfahrt offen. Ich appelliere an den Bürger: Lassen Sie sich nicht von diesen Hetzern hier auf die Leimspur führen! Kämpfen Sie weiter mit uns für den Volksentscheid! Tempelhof bleibt offen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Kollege Dr. Lindner! Das Wort „Hetzer“ und das Wort „Volksverhetzung“ habe ich nicht auf einen der Kollegen bezogen und deshalb auch nicht gerügt.

[Unruhe links]

Das Wort in der Aussprache hat jetzt der Regierende Bürgermeister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Zukunft des Flughafens Tempelhof“ hat dieses Haus schon sehr oft beschäftigt. Es ist zurzeit eines der zentralen Themen der Berliner Politik. Und alle, die davon gesprochen haben, es gehe um die Zukunfts- und Lebensfähigkeit, um die Entwicklung und um die materiellen Grundlagen dieser Stadt, haben recht. Ja, Tempelhof und die Flughafenpolitik sind eines der zentralen Zukunftsthemen dieser Stadt, und diese Zukunftsthemen

werden von uns eindeutig beantwortet. Der Senat und die überwiegende Mehrheit dieses Hauses haben eine eindeutige Antwort zur Flughafenpolitik gegeben:

[Zuruf von der CDU: Welche denn?]

Eine Entscheidung für den Flughafen Berlin-Brandenburg International in Schönefeld als Singlestandort und die Schließung von Tempelhof und Tegel – das ist die zukunftsorientierte Flughafenpolitik für das Land Berlin und für die Region Berlin-Brandenburg.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Dies war einmal Konsens bei allen Parteien in diesem Haus. Die CDU hat diesen Konsens einseitig verlassen, Herr Pflüger, und dem müssen Sie sich stellen. Wir sind glücklicherweise in der Situation, dass der Flughafen Berlin-Brandenburg International, dieses große Investitionsvolumen von über 3 Milliarden €, dieses große Entwicklungspotenzial mit der Chance zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Größenordnung von 40 000 und mehr, endlich auf den Weg gebracht ist, sowohl juristisch als auch finanziell als auch bautechnisch. Wir bauen diesen Flughafen. Wir sind stolz darauf, dass wir zurzeit im Zeitplan sind. Wir sind stolz darauf, dass wir im Kostenplan sind. Wir werden nichts tun, was diesen Erfolg gefährdet, und das Offenhalten von Tempelhof gefährdet diesen Erfolg. Deshalb kann man Tempelhof nicht offen lassen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Dies ist nicht nur eine einseitige juristische Interpretation oder Diskussion. Ich möchte mich nicht dahinter verstecken, was Ihre sonst so geliebte Bundesregierung offiziell im Deutschen Bundestag mitgeteilt hat, aber nach ihrer juristischen Auffassung kann das Land Berlin die Schließungsentscheidung gar nicht mehr zurücknehmen, ohne ein neues Planfeststellungsverfahren zum Flughafen Tempelhof durchzuführen. Das ist die Sichtweise Ihrer Bundesregierung, die angeblich an Ihrer Seite steht.

Ich will mich aber nicht nur auf juristische Fragen beschränken. Grundlage für die juristischen Fragen, nämlich für die Planungsentscheidung, war eine politische Entscheidung. Die politische Entscheidung, in die Zukunft zu investieren, eine Standortentscheidung zu treffen, sich für Schönefeld zu entscheiden. Hauptsächlich Ihre Partei war es, die sich für einen stadtnahen Standort – auch unter Beeinträchtigung von vielen Bevölkerungskreisen – im Südosten von Berlin entschieden hat. Man hat sich für Schönefeld und nicht für Sperenberg entschieden. Mit dieser Entscheidung für einen stadtnahen Standort war verbunden, dass Tempelhof geschlossen wird. Das war von Ihnen selbst so initiiert und nicht von anderen irgendwo erfunden. Auch andere haben sich zu Recht dafür entschieden, weil die Aufrechterhaltung von innerstädtischen Flughäfen heute ein Anachronismus ist, sowohl ökonomisch als auch ökologisch, aber auch unter Aspekten der Sicherheit und der Lebensqualität für die Menschen,

die davon betroffen sind. Das war eine bewusste politische Entscheidung. Dazu haben aus unterschiedlichen Gründen fast alle Fraktionen in diesem Haus gestanden, und die meisten stehen heute auch noch dazu. Deshalb unterstützen wir die Flughafenpolitik, wie sie 1996 von einer CDU-geführten Bundesregierung, von Herrn Wissmann, CDU, Bundesverkehrsminister, Herrn Diepgen, CDU, Regierender Bürgermeister von Berlin, und Herrn Stolpe, SPD, Ministerpräsident von Brandenburg, im Konsensbeschluss mit Unterstützung aller drei Parlamente, aller drei Regierungen verabschiedet wurde. Und der Konsensbeschluss war eindeutig: Schließung von Tempelhof nach Rechtskraft des Planfeststellungsverfahrens für Schönefeld. – Und dazu stehen wir auch heute noch.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Das war damals auch nicht ein Irrtum von Herrn Diepgen und von Herrn Wissmann, weil sie die Entwicklung nicht einschätzen konnten.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Doch!]

Damals ist die Senatspolitik kritisiert worden, weil man Fluggastzahlen von 40 oder 45 Millionen zur Grundlage gemacht hatte. Das war damals die Einschätzung. Heute sind wir bei 20 Millionen, und wir haben gute Perspektiven, in den nächsten zehn bis 15 Jahren auf 30 Millionen zu kommen. Das war also keine Fehleinschätzung, weil man dachte, man hat nicht genügend Platz, sondern damals hatte man eher unrealistische Einschätzungen und sich trotzdem dafür entschieden, Tempelhof zuzumachen. Dies war eine richtige Entscheidung.

Der Konsensbeschluss war auch nicht unverbindlich. Herr Pflüger, das ist es gerade, was Sie so unseriös macht! Man muss nicht Jurist sein, man muss auch nicht in allen Feinheiten Verwaltungsjurist sein, aber hier zu tun, als ob das ein belangloser Beschluss von drei Regierungen war, den man jederzeit umstoßen kann; damit gefährden Sie diesen komplizierten Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen in Schönefeld. Wir sind glücklich und zufrieden, dass es heute noch möglich ist, solche großen Infrastrukturprojekte auch vor den Verwaltungsgerichten und vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzubekommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer eindeutigen Form, wo selbst Juristen nichts mehr interpretieren können, deutlich gemacht: Die Schließung von Tempelhof gehört zum Planfeststellungsbeschluss BBI. – Ohne diese Schließung ist der Planfeststellungsbeschluss infrage gestellt. Wer den infrage stellt, riskiert die Maßnahme BBI. Das sollten Sie endlich einsehen und begreifen und hier nicht immer wider besseres Wissen anderes behaupten.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Alle Ihre juristischen Feinheiten, alle Ihre juristischen Reden könnte ich zitieren, alles, was Sie suggeriert haben: Man könne einmal abstrakt beim Bundesverwaltungsgericht nachfragen, ob man Tempelhof nicht doch aufrechterhalten könne.

[Heiterkeit bei der SPD]

All das ist gescheitert. Und hier Herrn Scholz, einen Bundestagsabgeordneten Ihrer Partei, als Kronzeugen heranzuziehen, der für Sie einseitig Gutachten entwirft und in die Luft setzt, das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Alle höchstrichterlichen Rechtsprechungen haben uns recht gegeben. Deshalb gibt es juristisch keine Alternative, aber auch politisch keine Alternative. Da unterscheidet sich die CDU vom Rest dieses Hauses, auch von der FDP. Wir sagen, es ist ökonomisch und ökologisch Unsinn, diesen Flughafen in Berlin aufrechtzuerhalten.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wir haben ein Volksbegehren. Dieses Haus hat die Verfassung geändert, damit das möglich ist. Selbstverständlich kann man davon ausgehen, dass sich ein Volksbegehren – wozu ist es sonst da? – immer gegen die Regierungspolitik richtet. Das ist naturgegeben, sonst brauche ich keines. Wer mit allem einverstanden ist, kann auch eine Grußadresse abgeben. Normalerweise richtet sich ein Volksbegehren gegen die Politik der Regierung. Das ist systemimmanent. Dass einem das nicht immer so passt, ist eine andere Frage. Aber der Verfassungsgeber – dieses Haus – hat absichtlich keine Bindungswirkung in die Verfassung geschrieben. Es ist in dem Fall eine Empfehlung. Deshalb bitte ich aus Anstandsgründen darum, nicht so zu tun, als ob es Willkür ist, wenn eine Regierung – auch ein Parlament – ein Volksbegehren auf der einen Seite ernst nimmt, auf der anderen Seite aber die eigene Prüfungskompetenz und -notwendigkeit damit nicht beiseite schiebt. Die hat sowohl das Parlament – das wird heute ausgeübt – als auch der Senat von Berlin. Wir werden das am nächsten Dienstag ausüben. Wir haben heute einen Zwischenstand. Das Volksbegehren ist erfolgreich. Über 200 000 Menschen in Berlin haben das Petitum unterschrieben, den Flughafen Tempelhof als Verkehrsflughafen offenzuhalten. Ich bin mir nicht sicher, ob jeder den Unterschied zwischen einem GAT und einem Verkehrsflughafen kennt.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]