Das widerspricht übrigens dem, was Sie gerade eben gesagt haben, wo Sie von stufenweisen Konzepten zur Anhebung gesprochen haben. Da muss ich sagen: Ihre Kreativität bei den Grünen geht dahin, dass niemand mehr weiß, was Sie eigentlich wollen.
Das Dritte: Sie haben uns vorgeworfen, in dem Tarifvertrag 2005 seien Sicherheiten gegeben worden, die niemand hätte einlösen können. Das weise ich entschieden zurück. Ich habe vorhin versucht, das darzustellen. Es ist damals ein abgesenkter Tarifvertrag vereinbart worden für die Sicherheit, dass das Unternehmen bestehen bleibt. Diese Sicherheit halten wir ein. Dazu stehen wir, und zwar bis 2020. Die zweite Sicherheit war gegeben wor
Auch das ist ein harter Kampf, das ist der Kampf um Sicherheit von Arbeitsplätzen und nicht der Kampf um Lohndumping. Wenn Sie jetzt etwas anderes wollen, dann sagen Sie es! Sagen Sie den Leuten, dass Sie sie am liebsten auf die Straße schmeißen wollen!
Dann käme da ein Konzept heraus, das man auch konsequent nachvollziehen könnte, aber so reden Sie immer nur das Gute vom Himmel, und das Schlechte sollen wir alles wegtragen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Herr Gaebler hat seinen Beitrag zurückgezogen. Nun hat sich Herr Thiel gemeldet. Wollten Sie auch – – Nein! Dann löschen wir Ihre Meldung und fahren in der Tagesordnung fort. Jetzt hat der Abgeordnete von Lüdeke für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Knapp vier Monate ist es her, da erklärte uns der SPD-Abgeordnete Gaebler:
Wieder einmal müssen wir uns mit den halbjährlich wiederkehrenden Glaubensbekenntnissen der FDP-Fraktion zu Privatisierung und Wettbewerb im Nahverkehr beschäftigen.
Heute ist es die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die das Thema BVG und Wettbewerb so schnell wieder auf die Tagesordnung setzt, und das sicher aus gutem Grund.
Dem Senat fliegen nämlich gerade seine Verträge zur Absicherung des staatlichen Monopols BVG um die Ohren, kaum dass die Tinte unter dem Verkehrsvertrag trocken ist.
Doch zur Vorgeschichte: Kurz vor der Bundestagswahl 2005 drohten die Mitarbeiter der BVG mit Streikmaßnahmen, und so kam es in der Folge – wen wundert es? – zu recht großzügigen Zugeständnissen des Landes Berlin
bei den Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag, den sogenannten TV-N. Da hat Herr Bsirske wirklich gut verhandelt. Da kann man Herrn Esser nur recht geben.
Wieder einmal eines dieser Rundum-sorglos-Pakete, die irgendwann den Berliner Steuerzahlern unangenehm auf die Füße fallen werden! Diesmal garantierte das Land Berlin den Fortbestand der BVG als voll im Eigentum des Landes stehendes Unternehmen bis zum Jahr 2020. Auch die sogenannte Anwendungsvereinbarung gilt bis zu diesem Zeitpunkt. Betriebsbedingte Kündigungen wurden für alle bis 1995 bei der BVG Beschäftigten gänzlich ausgeschlossen. Alle später Eingestellten erhielten Kündigungsschutz bis 2020. Nachdem die BVG nun aber alle bisherigen Sanierungsziele verfehlt hatte und die Altbeschäftigten laut Aussage des früheren Vorstandsvorsitzenden Einkünfte von 30 Prozent über Marktniveau realisierten, sollten auch die Mitarbeiter Opfer bringen. Urlaubsgeld, Arbeitszeitreduzierung bei gleichzeitiger Lohnabsenkung – daraus errechneten sich Minderbezüge von ca. sechs Prozent, erkauft mit einem Kündigungsschutz bis zum Rentenalter. Gibt es Derartiges in der Privatwirtschaft?
Nix schade! – Übrigens hatte der Finanzsenator 60 Millionen € Einsparvolumen gefordert, realisiert wurde etwas über die Hälfte. Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Martin Lindner fragte den Finanzsenator in der Plenarsitzung am 28. April 2005:
Treffen Meldungen des heutigen „Tagesspiegels“ zu, dass Sie beklagt haben, dass ein Busfahrer bei der BVG etwa gleich viel verdiene wie ein Klinikarzt bei Vivantes oder an der Charité?
Die historischen Abschlüsse bei der BVG, die ein politisch sehr verwöhntes Unternehmen war, waren bereits bei ihrem Abschluss hinsichtlich ihrer Rahmenbedingungen deutlich vom Markt entfernt und haben sich seitdem noch mehr entfernt.
Ganz nebenbei wurde im TV-N die sogenannte Fremdvergabequote nicht etwa erhöht – bloß keinen Wettbewerb zulassen –, nein, sie wurde abgesenkt. Andere Anbieter dürfen danach als Subunternehmer nur noch maximal acht Prozent der Gesamtleistungen erbringen. Einigen dieser Subunternehmer hat die BVG Anfang 2008 – das wurde vorhin schon erwähnt – die Verträge gekündigt.
Ein sehr wichtiger Bestandteil des TV-N ist die sogenannte Entgelttabelle. Die konnte frühestens zum 31. Dezember 2007 gekündigt werden. Und – wen wundert es? – die Arbeitnehmerseite kündigte diese dann auch, und zwar
bereits im September 2007. Seit diesem Zeitpunkt weiß nun der rot-rote Senat, was auf die Stadt, die Berlinerinnen und Berliner zukommen wird. Statt jedoch eine frühzeitige Klärung der verfahrenen Situation herbeizuführen, haben Sie auch noch leichtfertig das letzte Instrument aus der Hand gegeben, das es ermöglicht hätte, Korrekturen an Ihrem verkorksten Tarifvertrag vorzunehmen. 2007 wurde zwischen Senat und BVG der neue Verkehrsvertrag ausgehandelt. Weit und breit keine Bundestagswahl, keine Abgeordnetenhauswahl! Der Senat hätte nachbessern können. Stattdessen ließ er sich nun auch noch den Verkehrsvertrag einschließlich Nahverkehrsplan von der BVG diktieren.
Das erklärt wohl auch die Geheimhaltung der Inhalte dieses Vertragswerks. Insgesamt ignorierte der Senat weiterhin alle Bedenken der Opposition, speziell von FDP und auch von Bündnis 90/Die Grünen. Der Senat lief geradezu blind in die sich abzeichnende Problemlage hinein.
Die derzeitigen Forderungen von Verdi und das Angebot des Kommunalen Arbeitgeberverbands liegen so weit auseinander, dass eine Einigung mehr als unwahrscheinlich sein dürfte. Der Verzicht des Senats auf jede Form von Wettbewerb hat Berlin in eine Situation manövriert, die der Finanzsenator in einem Radiointerview treffend so geschildert hat:
Die Warnstreiks bzw. auch ein möglicher unbefristeter Streik richten sich ausschließlich gegen die Bürgerinnen und Bürger. Senat und BVG dagegen sparen. Sie sparen nämlich Personal- und Energiekosten, und der Senat spart die Zuschüsse für die nicht erbrachten Leistungen der BVG.
Was lernen wir daraus? – Streik ist prima, alle sparen. Nur die arbeitenden Bürgerinnen und Bürger haben ein Problem, sie brauchen länger, um an ihre nicht abgesicherten Arbeitsplätze zu kommen. Streitpunkt bei den Tarifverhandlungen: Der Finanzsenator interpretiert den Tarifvertrag in einer anderen Weise als der Personalrat. Laut Finanzsenator hätten nur die Neubeschäftigten der BVG Anspruch auf Lohnerhöhungen, die sogenannten Altbeschäftigten – das sind ca. 11 000 Beschäftigte, die bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags beschäftigt waren – erhielten keine Lohnerhöhung, denn sie erhielten auf den 2005 ausgehandelten neuen Tarif einen Sicherungsbetrag in Höhe der Differenz zu ihrem vorherigen deutlich überhöhten Einkommen. Dieser Sicherungsbetrag macht in der verlustreichen Bilanz der BVG allein 100 Millionen € aus. Immerhin folgt die Darstellung des Finanzsenators der Logik, dass sich die Einkommen der Neu- und der Altbeschäftigten irgendwann annähern sollten, schon aus dem einfachen Grund, dass nicht dauerhaft eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der BVG bestehen sollte. Ob sich die Logik des Finanzsenators aber auch in den geschlossen Verträgen durchgesetzt hat, das erscheint zumindest zweifelhaft. Die Mindestforderung von Verdi beläuft sich auf 250 € pro Mitarbeiter und Monat und addiert sich ohne Sozialabgaben auf über 37 Millionen € pro
Jahr. Der Betrag liegt übrigens weit über dem 2005 ausgehandelten Einsparvolumen – dies nur am Rande. Sollte dazu noch eine Arbeitszeiterhöhung auf das alte Niveau von 39 Stunden erfolgen, kämen leicht weitere 20 Millionen € zusammen.
Da erhebt sich nun die Frage: Wer zahlt einen neuen Tarifabschluss bei der ohnehin defizitären BVG? Auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion über die Entwicklung der von der BVG zu zahlenden Schuldendienste antwortete der Senat, der zu leistende Zinsaufwand hätte 2006 32,7 Millionen € betragen und könne über die Laufzeit des Verkehrsvertrages auf 70 Millionen € ansteigen, bei einem zu erwartenden Anstieg der Schulden auf 1,2 Milliarden € bis 2020. Allerdings gelte dies nur unter gewissen Voraussetzungen. Dazu gehören unter anderem „moderate Entgeltanstiege für die Mitarbeiter“. Seriöse Wirtschaftsexperten rechnen nun bereits mit einer Verschuldung in Höhe von 2 Milliarden € bis 2020, und von moderaten Entgeltanstiegen kann wahrscheinlich schon in Kürze nicht mehr die Rede sein. Ihre Prognosen auf Basis der geschlossenen Verträge sind dann bereits reine Makulatur.
Die Umlage zusätzlicher Lohnkosten auf die Fahrpreise ist auszuschließen, denn die Erfahrungen zeigen, dass Fahrpreiserhöhungen regelmäßig zu Mindereinnahmen bei der BVG führen. Als einzige Möglichkeit, den Lohnforderungen der wetteifernden Gewerkschaften Verdi und GdL nachzugeben, bliebe neben der unverantwortlichen Schuldenerhöhung die unverantwortliche Erhöhung der auf 250 Millionen € heruntergefahrenen jährlichen Zuschüsse für die BVG, denn dafür haben Sie im Haushalt 2008 und 2009 keine Vorsorge getroffen, auch nicht für das Seniorenticket, das die Stadtentwicklungssenatorin neuerdings anspricht. Welche Programme wollen Sie dann antasten? Die schulischen Betreuungsangebote? Das Quartiersmanagement oder vielleicht das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm? Spätestens jetzt müssen Sie begreifen, dass es mit der BVG so nicht weitergehen kann, weil es nicht mehr bezahlbar ist und weil es der Berliner Bevölkerung nicht mehr zuzumuten ist.
Meine Fraktion wollte am vergangenen Montag von der Stadtentwicklungssenatorin erfahren, welche Maßnahmen für den Fall eines unbefristeten Streiks vorbereitet werden, um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger zu minimieren. Wir haben gefragt, wie der Senat sicherstellen wolle, dass die arbeitende Bevölkerung, Schüler, Studenten und alle, die Termine wahrzunehmen haben, pünktlich am Zielort eintreffen. Die S-Bahn hat ihre Leistungsfähigkeit schon häufiger unter Beweis gestellt. Meine Fraktion dachte aber auch an die Einbeziehung privater Busunternehmen und des Berliner Taxigewerbes. Schließlich hatte der Finanzsenator öffentlich erklärt, dass mit jedem Streiktag Einsparungen des Landes verbunden seien. Die Antwort des Senats war überraschend entlarvend: praktisch nichts. Die S-Bahn würde mehr Züge einsetzen, die Flughafenbusse seien gesichert. Das war alles – keine Gespräche mit Busunternehmen, mit dem Taxigewerbe,
keine Ideen, wie im Falle eines unbefristeten Streiks das bürgerschaftliche Engagement in Form von Mitfahrgelegenheiten aktiviert werden könnte! Vielmehr wurde eifrig betont, das Streikrecht sei ein Grundrecht, und der Eindruck blieb, Rot-Rot wolle beim bevorstehenden Streik kein Spielverderber sein.
Ich bin gleich am Ende! Sie sind Arbeitgeber der BVG, und Sie stehen gleichzeitig in der Verantwortung für alle Berliner. Sie haben immer betont, der ÖPNV sei Teil der Daseinsvorsorge. Dann sorgen Sie auch dafür, dass die arbeitende Bevölkerung rechtzeitig zur Arbeit kommt und nicht für Ihre verkorksten Vertragswerke in Geiselhaft genommen wird! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!