Protocol of the Session on November 22, 2007

Sie begnügen sich hauptsächlich mit Symbolpolitik. Der Energiebeirat wird zum Klimaschutzrat, die Koalition stellt einige Schaufensteranträge im Parlament,

[Daniel Buchholz (SPD): Na, na!]

und Sie, Frau Lompscher, fahren jetzt ein Hybridauto. Aber selbst in der symbolischen Klimaschutzpolitik bleiben Sie relativ erfolglos. Jüngst mussten Sie einräumen, dass Ihre Ankündigung bezüglich der Beschaffung von treibstoffarmen Fahrzeugen von Senatskollegen schlicht ignoriert wird. Konkrete Berliner Maßnahmen, die die von Berlin verursachten CO2-Emissionen in relevanten Größenordnungen verringern, gibt es nicht. Das zeigt auch Ihr Haushaltsplan. Da gibt es kein Geld für Klimaschutz.

[Beifall bei den Grünen]

Es geht hier um Politik und nicht nur um Strukturen, die in Berlin anerkanntermaßen recht gut sind.

Drei Punkte greife ich heraus. Der eine ist die Führung. Konsequente Klimaschutzpolitik funktioniert immer da, wo die Führung gut ist. – Und das, Herr Wowereit, ist das Hauptproblem in Berlin: Sie führen in diesem Thema keinen Schritt weit. Ich vergleiche: Londons Bürgermeister Ken Livingston ersetzt in London alte Großkraftwerke durch dezentrale klimafreundliche Lösungen. Sie, Herr Wowereit, haben sich bis heute nicht klar gegen dieses Steinkohlekraftwerk Klingenberg ausgesprochen.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Richtig!]

„Richtig!“ – Hören Sie, Herr Buchholz? Er hat sich bis heute nicht dagegen ausgesprochen!

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Weil Sie noch keine Alternative genannt haben!]

Ich bitte Sie, Zwischenrufe von der Senatsbank zu unterlassen, Herr Regierender Bürgermeister!

[Heiterkeit]

Bitte, fahren Sie fort, Herr Kollege!

Herr Präsident, ich freue mich doch, wenn er etwas zum Klimaschutz sagt. Das passiert so selten.

[Beifall bei den Grünen]

Punkt 2: Ken Livingston möchte den Flugverkehr reduzieren. Herr Wowereit hat uns heute erklärt: Toll, wir subventionieren die Billigflieger, damit Schönefeld schön ausgelastet ist. – Sie haben überhaupt nicht kapiert, was Klimaschutz heute bedeutet, Herr Wowereit!

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

In London hat Livingston es geschafft, die verkehrsbedingte CO2-Emission in der Innenstadt um 16 Prozent zu reduzieren.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Sie haben überhaupt noch nicht verstanden, was in London passiert ist! Der Flugverkehr wird in London gar nicht berechnet!]

Herr Regierender Bürgermeister! Sie können sich gern zu Wort melden.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Ja, das würde mich freuen. – Gegen den roten Ken sieht der rote-rote Klaus bei der Führung jedenfalls mickrig aus.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Steinkohlekraftwerk: Seit acht Monaten blockiert Rot-Rot einen Grünen-Antrag, der sich klar gegen das Steinkohlekraftwerk bekennt. Seit acht Monaten wird er nicht im Parlament behandelt, in den Ausschüssen immer wieder herausgezogen. Sie trauen sich nicht, klar dagegen Stellung zu beziehen. Herr Wowereit hat gerade gesagt, warum: Er weiß immer noch nicht, ob er dafür oder dagegen ist. Das ist Ihre Klimaschutzpolitik. Ganz praktisch sieht es so aus, dass Sie nichts tun, um Vattenfall unter Druck zu setzen, um dieses Kohlekraftwerk nicht zu bauen. Sie haben den Stromwechsel des Landes Berlin als Stromkunde nicht vorbereitet. Sie haben in unserer letzten Plenarsitzung das Gegenteil getan.

[Beifall bei den Grünen]

Sie wollen den Konzessionsvertrag nicht kündigen, der uns die Möglichkeit gäbe, Wettbewerb auch in der Fernwärme herzustellen, sodass die großartige Planung von Vattenfall in sich zusammenbräche, wenn sie im Fernwärmnetz einen Wettbewerber hätten. Das wollen Sie nicht. Sie trauen es sich nicht. Es ist Ihnen vielleicht auch einfach egal.

Bei der energetischen Sanierung, Frau Senatorin, muss ich mich etwas wundern. Wenn Sie sie in der Umsetzung der Energieeinsparverordnung so gern kontrollieren würden, könnten Sie das. Sie müssen nicht Herrn Gabriel bit

ten, dass er es Ihnen ermöglicht. Sie könnten es ganz allein tun.

[Beifall bei den Grünen]

Der Energiebeirat – Sie haben ihn jetzt umbenannt und anders besetzt – hat 2003 konkrete Vorschläge gemacht, wie man die Umsetzung der Energieeinsparverordnung besser darstellen kann, als es in Berlin derzeit läuft. Sie wurden einfach ignoriert. Sie könnten es machen, wenn Sie wollten. Am einfachsten ist es bei den landeseigenen Gebäuden. Wir haben mehrere Hundert landeseigene Gebäude. Sie haben ein paar aufgezählt, die umfassend wärmegedämmt werden sollen. Das ist eine Hand voll von vielen Hundert, mehr sind es nicht. Das reicht doch nicht.

Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf für energetische Sanierung mit einem Volumen von über einer halben Milliarde € vorgeschlagen. Er ist solide im Haushalt finanziert. Nach Berechnung der Handwerkskammer – nicht nach unseren Berechnungen – bringt er über 2 000 Arbeitsplätze und bis zu 17 Millionen Tonnen CO2Einsparung innerhalb von 20 Jahren. Diesen Gesetzentwurf wischen Sie einfach mit einer Handbewegung vom Tisch, ohne dass Sie eigene Alternativen haben, ohne dass Sie uns sagen, wie Sie diese energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude in einem großen Umfang umsetzen wollen. Es geht nicht mehr um Modellprojekte. Die Zeit der Modellprojekte ist beim Klimaschutz vorbei.

[Beifall bei den Grünen]

Wir müssen bis zum Jahr 2015 die Trendwende schaffen. Im Moment steigt der weltweite CO2-Ausstoß jedes Jahr noch stärker an als im Vorjahr. Seit 1990 ist er um ein Drittel gestiegen. – Herr Müller, Sie lachen, es interessiert Sie nicht besonders, aber das ist letztlich eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen der internationalen Politik, denn darunter leiden werden die Menschen, die am wenigsten dafür verantwortlich sind. Dass Sie auch das nicht interessiert, ist für uns alarmierend.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie wirklich gegen dieses Kohlekraftwerk sind, setzen Sie das endlich in aktive Politik um und kündigen Sie heute mit uns zusammen diesen Konzessionsvertrag!

[Daniel Buchholz (SPD): Was Sie hier machen, ist Volksverdummung!]

Das ist das Gegenteil von Volksverdummung, das ist Aufklärung, die dringend nötig ist, Herr Buchholz!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Man muss zumindest zur Kenntnis nehmen, dass die EUKommission seit Monaten argumentiert, warum wir Netzbetrieb und Versorgung voneinander trennen müssen. Das ignorieren Sie.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Jawohl! So ist es!]

Das ist die einzige Möglichkeit, das Stromkartell in Deutschland zu knacken. Aber Sie wollen diese Möglich

keit nicht wahrnehmen, obwohl Sie landespolitische Instrumente dafür in der Hand haben. Sie trauen sich nicht heran. Das Interessante ist das Fernwärmenetz. Da könnten Sie auch Wettbewerb ermöglichen. Indem Sie den Konzessionsvertrag kündigen, könnten Sie auch einem anderen Anbieter als Vattenfall ermöglichen, ein KWKKraftwerk zu bauen. Da ginge es vielleicht viel einfacher mit der Umstellung auf Gas-Kraft-Wärme-Kopplung.

Aber das Entscheidende ist die Führung. Und die Führung in der Klimaschutzpolitik in Berlin fehlt.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Schäfer! – Zu einer Kurzintervention hat sich nunmehr der Abgeordnete Klaus Wowereit gemeldet.

[Heiterkeit – Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Bitte schön, Herr Abgeordneter Wowereit! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schäfer! Mit Ihren Aussagen sind Sie eine Belastung für den Klimaschutz!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich sage Ihnen eines: Sie mögen ein guter Experte sein. Aber Experte wird man nicht dadurch, dass man sich auf Meriten ausruht, die die Grünen vielleicht vor 25 Jahren hatten, sondern dadurch, dass man sich sachkundig macht, bevor man heute Städte vergleicht und Berlin schlecht dastehen lässt, obwohl wir an der Spitze der Bewegung stehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]