Die Umweltzone ist nämlich nicht nur wirkungslos, sie ist überbürokratisch, wirtschaftsfeindlich und auch noch miserabel umgesetzt. Wenn das der Schritt zur ökologischen Metropole ist und Ihnen nichts anderes einfällt als das, ist das ziemlich arm, Herr Buchholz.
Was haben Sie sonst noch so für die ökologische Metropole? – Als wir über das ökologische Leitbild gesprochen haben, kam von der Koalition der Willy-Brandt-Flughafen Tempelhof, der nur verlagert werden soll, das spart keine Schadstoffe, die sind dann nur in Brandenburg. Der allerwichtigste Schritt, der jetzt in der Diskussion von Frau Lompscher ist, ist das Verbot der Heizpilze, das auch die Grünen so schrecklich gut finden. Mit diesen Maßnahmen schaffen Sie also überraschenderweise die ökologische und gesunde Metropole.
Was diese Ideen gemeinsam haben, ist immer dasselbe: Sie sind undurchdacht, wirkungslos, und sie richten sich immer gegen die Wirtschaft. Was Sie auch immer machen: Sie greifen immer zum Verbieten, irgendwelche kleinteiligen Eingriffe, hier ein bisschen schrauben, da ein bisschen; wie die Pfadfinder jeden Tag eine gute Tat vollbringen, erfindet der Senat jeden Tag ein kleines, nettes Verbot. Ich empfehle Ihnen übrigens die Aufkleber der FDP-Fraktion zur Nichtraucherkampagne, die Sie abziehen und auf alles kleben können, was Sie verbieten wollen. Da fällt Ihnen sicher noch genügend ein.
Die wirklich wichtigen Fragen ökologischer Politik, wenn Sie tatsächlich die ökologische Metropole wollen, gehen Sie nicht an. Auf der einen Seite sind Sie gegen die Heizpilze, auf der anderen Seite wollen Sie die Gaslaternen weiterbrennen lassen. Das haben wir heute auch in der Debatte. Da reden wir über ein Vielfaches der Umweltbelastung. Von dem Steinkohlekraftwerk brauchen wir gar nicht zu reden. Bis jetzt hat sich der Senat nicht eindeutig dagegen positioniert, anders als z. B. die FDP-Fraktion. Es ist vielleicht leichter, die kleinen Kneipen zu ärgern als den großen Energieversorger.
Sie wollen die Energieeinsparverordnung verschärfen, während gleichzeitig in Berlin – weil deren Einhaltung nicht kontrolliert wird – massenweise Heizanlagen laufen, die schon längst illegal sind, die Sie aber nicht abschalten. Frau Lompscher hat versucht, Klimaanlagen in Autos zu verbieten, und ist erst einmal sofort an der eigenen Verwaltung gescheitert. Gleichzeitig entdecken der Senat und Herr Wowereit urplötzlich die Industriepolitik. Es ist ganz gut, dass wir die Deindustrialisierung in Berlin endlich beenden –
besser spät verstanden als nie! –, aber die Industrie braucht auch Wasser, Abwasser und Energie, und die schönste Solarzellenproduktion braucht auch eine ganze Menge Energie und belastet auch die Umwelt. Da besteht ein Konflikt zwischen Industrie- und Umweltpolitik.
Was den Verkehr betrifft: Die Umweltzone ist – wie Sie es in Ihrem Titel der Aktuellen Stunde gesagt haben – wirklich nur der erste Schritt. Frau Lompscher hat sich klar dazu bekannt, dass ihre Vision die komplett autofreie Innenstadt ist. Herr Gaebler! Das haben nicht nur die Grünen gesagt, die darauf so stolz sind, sondern das hat auch die Senatorin schon so gesagt.
Der Senat tut auch eine Menge dafür, die komplett autofreie Innenstadt herbeizuführen: Parkraumbewirtschaftung 24 Stunden am Tag mit Luxuspreisen, Tempo 30 auf der Leipziger Straße! Alles, was Ihnen an Verboten und Vermiesung einfällt, wird knallhart eingesetzt. Die Bürger werden dabei bis aufs Blut gereizt und können sich glücklicherweise hin und wieder in Volksabstimmungen zur Wehr setzen. Ich bin froh, dass das in CharlottenburgWilmersdorf bei der Abstimmung zur Parkraumbewirtschaftung so gut geklappt hat.
Wenn es darum geht, wirklich etwas anzubieten und z. B. einen ordentlichen Ausbau von Park-and-Ride zu machen, damit am Innenstadtring auch Autos abgestellt werden können – das hat die FDP beantragt –, haben Sie es bisher abgelehnt. Die Verknüpfung des Fahrradverkehrs mit dem Nahverkehr, also die Schaffung von mehr Abstellplätzen an den Bahnhöfen, haben Sie abgelehnt, weil der Vorschlag von der FDP kam. Sie kommen hingegen stets mit Dingen, die undurchdacht, bürokratisch und wirkungslos sind. Sie machen die Berliner zu Versuchskaninchen einer gedanken- und ideenlosen Verwaltung. Sie setzen auf Medieneffekte und Bauchgefühl, und die eigentliche Umweltpolitik überlassen Sie sich selbst.
Wenn man die tollen Visionen und großen Marketingsprüche zusammennimmt, dann widersprechen sie sich auch gegenseitig. Nehmen wir wieder die Umweltzone, die Sie selbst als Beispiel gewählt haben: Wie sieht die ökologische, gesunde und soziale „Service-Stadt“ und Industriemetropole Berlin aus? – Wenn größere Lastwagen nicht mehr in die Innenstadt dürfen, dann klappt es nicht mit der Industrieansiedlung. Wenn die Hartz-IVEmpfänger, die teilweise ältere Autos haben, aus der Innenstadt heraus bleiben müssen, ist das nicht so richtig sozial. Wo bleibt da die soziale Stadt? – Wenn die Umweltzonenplaketten – auch das war heute schon Thema – nicht über das Internet bestellt werden können, was ist dann dieses ganze Gerede von „Service-Stadt“ und E-Government noch wert? – Das ist doch dann für die Katz. Wenn gerade die kleinen Gewerbetreibenden in ihrer Existenz bedroht werden, wo bleibt dann Ihr sozialer Anspruch?
Die Umweltzone zeigt deshalb exemplarisch die Widersprüche Ihrer gesamten Politik auf. Deshalb haben wir heute die Große Anfrage gestellt. Ich werde später noch detailliert etwas zur Umweltzone sagen, weil ich gespannt bin, was die Senatorin auf unsere sehr ausführliche Große Anfrage antworten wird. Ich vermute trotzdem, dass wieder herauskommen wird, dass die Umweltzone undurchdacht, wirkungslos, bürokratisch und wirtschaftsfeindlich ist. Wenn Sie wirklich etwas bewegen wollen, machen Sie doch etwas Beherzteres als die Umweltzone! Es gab von den Grünen sehr schöne Vorschläge zur Gebäudesanierung.
Es gibt Vorschläge zum Nahverkehr. Die FDP hat Ihnen etwas zur dezentralen Wärmeversorgung vorgeschlagen. Das Wichtigste ist: Sorgen Sie doch dafür, dass die Bürger nicht durch Verbote entmutigt werden, sondern versuchen Sie, die Bürger zu motivieren, in ihrer Umgebung etwas zu tun! Mit Motivation können Sie mehr erreichen als mit Verboten, und so könnte man Berlin wirklich zu einer ökologischen Metropole machen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass die Berlinerinnen und Berliner motiviert sind für eine ökologische Stadt, sieht man allein daran, dass über die Hälfte der Berliner gar kein Auto hat
und von dem Problem offensichtlich nicht betroffen sein wird. Ich freue mich, dass ich heute nochmals Gelegenheit habe, so ausführlich zum Thema Umweltzone zu reden. Angesichts der vielen – es sind genau 28 – Fragen der FDP-Fraktion muss ich Sie alle um ein bisschen Geduld bitten und dem Präsidium schon ankündigen, dass ich eine etwas längere Redezeit brauchen werde. Aber dies ist im Dienst einer guten Sache, denn mit der Umweltzone wird Berlin seine Vorreiterrolle auf dem Gebiet des Umweltschutzes erneut bestätigen, und wir werden einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Gesundheitsgefahren leisten.
Ich bedanke mich ausdrücklich nochmals für die Gelegenheit, hier an die Berlinerinnen und Berliner zu appellieren, die bekanntlich immer viele andere Dinge im Kopf haben: Sieben Wochen sind noch Zeit. So lange sollte man nicht warten, sondern sich die Plakette oder die Ausnahmegenehmigung so schnell wie möglich besorgen.
Im Übrigen bemerke ich schon jetzt mindestens drei positive Effekte dieser Debatte: Wir stellen – das finde ich als Gesundheits- und Umweltsenatorin besonders gut – eine große Sensibilisierung für den Zusammenhang von Gesundheits- und Umweltschutz fest.
Das Zweite, was ich bemerke, ist durchaus politisch interessant: Es gibt eine Bewegung auf dem Nachrüstungsmarkt. Das heißt, durch die ordnungspolitisch klare Botschaft, die wir verkünden – Berlin hat sich entschieden, und wir führen die Umweltzone zum 1. Januar ein –, ent
steht Bewegung auf der Wirtschaftsseite. Ich frage mich, warum sie nicht bereits entstanden ist, als es diese klare Botschaft von uns nicht gab – wo Sie doch immer so viel über Selbstverpflichtungen reden.
Der dritte positive Effekt: Natürlich hat die Diskussion, die wir seit Jahresanfang und schon davor sehr ausführlich geführt haben, auch Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten. Menschen entscheiden mit umfangreichen Kenntnissen über diesen Zusammenhang anders, wenn sie überlegen: Wie bin ich mobil in der Stadt? Was für ein Auto kaufe ich mir, wenn ich mir noch eines kaufen muss?
Die FDP und auch ihr Vorsitzender, Herr Dr. Lindner, haben in den letzten Tagen schon reichlich merkwürdige Herleitungen ihres eigenen Raucherschutzgesetzes vorgenommen. Doch die Große Anfrage, die Sie zur Umweltzone gestellt haben, kann mühelos mithalten. Sie übertrifft fast die Kleine Anfrage, die aus den Reihen der CDU-Fraktion kam und in der allen Ernstes nach der Beurteilung der Umweltzone durch den EU-Kommissar für Fischereiwesen gefragt wird. – So viel zur umfassenden Auseinandersetzung mit dem, was wir hier machen, und zu Ihrem Kenntnisstand.
Mit allem Respekt vor dem Parlament möchte ich insbesondere die Abgeordneten der FDP-Fraktion – und insbesondere diejenigen, die schon länger Abgeordnete sind – darum bitten, Vorlagen – zur Kenntnisnahme – des Senats zur Kenntnis zu nehmen. Die von Ihnen gewünschte grundsätzliche Aufklärung über das Feinstaubproblem hat vor fast zwei Jahren stattgefunden.
Mitte August 2005 hat der Senat den Luftreinhalte- und Aktionsplan beschlossen, der auf 150 Seiten den Großteil Ihrer Fragen längst beantwortet hat. Damals hat allerdings noch Frau Junge-Reyer die Fragen beantwortet. Insofern gibt es für die aufmerksamen Abgeordneten unter Ihnen zumindest ein wenig Abwechslung, weil ich jetzt die Fragen noch einmal beantworte.
Um also zu Ihrer grundsätzlichen Aufklärung beizutragen, möchte ich Ihnen kurz den Kern dieses Plans noch einmal ins Gedächtnis rufen. Er beschreibt in aller Ausführlichkeit das Problem der Luftverschmutzung, das Konzept der Umweltzone und weitere Maßnahmen zur Luftverbesserung.
Lassen Sie mich gleich auf die Frage nach den Aktivitäten anderer europäischer Städte und den für Berlin nützlichen Erfahrungen eingehen: Was die Situation in Deutschland angeht, können wir von anderen hier kaum Honig saugen, denn wir sind Vorreiter. Wir haben die europäische Feinstaubrichtlinie als Aufforderung für verstärkte Anstrengungen zum Schutz der Gesundheit ernst genommen, und während Stuttgart, München und andere Kommunen
von Gerichten zum Handeln gezwungen werden mussten, hat Berlin rechtzeitig einen Luftreinhalteplan vorgelegt, der diesen Namen auch verdient. Nicht zuletzt deshalb sind alle anhängigen Klageverfahren vor Berliner Gerichten zugunsten Berlins entschieden worden.
Insofern kann ich auch das kürzlich ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – das heute schon eine Rolle gespielt hat –, nach dem Bürgerinnen und Bürger einen Rechtsanspruch auf Maßnahmen zur Reduzierung der Luftverschmutzung haben, nur als Bestätigung der Politik des Berliner Senats betrachten, weil wir mit rechtzeitig angekündigten, wirksamen und ausgewogenen Maßnahmen der gesundheitsschädlichen Luftverschmutzung den Kampf ansagen. Damit diese Politik im Interesse der Menschen Erfolg hat, wünsche ich mir breitere Unterstützung auch hier im Abgeordnetenhaus.
Inzwischen sind mehr als 20 deutsche Städte dabei, dem Berliner Beispiel zu folgen, angestoßen durch eine Machbarkeitsstudie, die bestätigt hat: Die Umweltzone ist im Hinblick auf die Wirksamkeit für den Gesundheitsschutz und die Verhältnismäßigkeit unter den zur Verfügung stehenden Maßnahmen erste Wahl.
Wir können es uns nicht leisten, auf eines der effizientesten Werkzeuge – und das ist die Umweltzone – zu verzichten.
Ebenso wenig Sinn haben pauschale Ausnahmen oder Moratorien, wie sie heute wieder von Herrn Pflüger vorgeschlagen wurden.
Ich wiederhole es noch einmal: Es geht um Gesundheitsschutz. Feinstaub ist krebserregend. Gesundheitsschäden sind nach Studien der Weltgesundheitsorganisation schon bei Konzentrationen unterhalb der jetzt gültigen Grenzwerte zu erwarten. Die brutale Wahrheit ist einfach: Wer in Gebieten mit hohen Luftbelastungen in Straßennähe wohnt, lebt kürzer.
An den Hauptverkehrsstraßen wohnen insbesondere Menschen mit niedrigeren Einkommen. Die Einführung der Umweltzone ist also auch eine soziale Frage. Allein durch die Umweltzone wird die Zahl der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Anwohner bis 2010 um ein Viertel zurückgehen. Ein Rückgang um ein weiteres Viertel kann bei Umsetzung der Maßnahmen des Stadtentwicklungsplans Verkehr erreicht werden. Damit reduziert die Umweltzone das Risiko, an Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen zu erkranken, ganz erheblich. Dieser Gesundheitsschutz erfordert allerdings die entsprechenden Anstrengungen beim wichtigsten Verursacher der Luftbelastung, dem motorisierten Verkehr – ob privat oder in der Wirtschaft. Das sollte uns der Gesundheitsschutz allemal wert sein.
Noch einmal zur FDP: Vielleicht erkundigen Sie sich einmal bei dem Europaabgeordneten Krahmer, warum er in seiner Rolle als Berichterstatter für die Revision der Luftqualitätsrichtlinien ausgerechnet einen Vertreter der Berliner Umweltverwaltung zu einem Hearing eingeladen hat. Um nicht die falsche Partei zu loben: Mit Herrn Krahmer meine ich nicht den grünen Europaabgeordneten Michael Cramer, den wir alle sehr schätzen, sondern Holger Krahmer, den Europaabgeordneten der FDP.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion) und Martina Michels (Linksfraktion): Ach was!]