Herr Pflüger! Davon kann auch ein Einzelner betroffen sein. Sie haben genauso wie wir immer wieder betont, dass wir Ausnahmen für kleinere und mittelständische Unternehmen brauchen. Das haben wir aber im Unterschied zu anderen Städten getan, die diesbezüglich sehr überhastet vorgehen. Von Anfang an haben wir einen vernünftigen und ausgewogenen Ausnahmekatalog vorgelegt. Dieser liest sich zwar etwas umständlich und ist etwas länger, der Vorteil ist aber, dass schon viele Punkte von vornherein bedacht wurden, bei denen andere Städte jetzt erst anfangen müssen, darüber nachzudenken, auch wenn sie einen CDU-Bürgermeister haben.
Apropos CDU-Bürgermeister: Interessant ist es doch zu wissen, dass Berlin keineswegs allein mit der Einrichtung einer Umweltzone ist. Auch in Städten wie Köln, München, Stuttgart, aber auch in kleineren Städten, Mittelstädten, Hannover bis zu Schwäbisch-Gmünd und Tübingen wird es Umweltzonen geben. Solch ein Teufelszeug kann das per se schon einmal nicht sein. Auch CDU-geführte Stadtoberhäupter sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es richtig ist. Herr Pflüger! Im Gegensatz zu dem, was Sie sagen, wird sie dort auch vollzogen.
Jetzt komme ich zu den Forderungen Ihrer Fraktion, die eine Quadratur des Kreises darstellen und weder gesundheitspolitisch noch umweltpolitisch verantwortbar sind. Sie sagen, dass die Umweltzone richtig ist und sofort eingeführt werden soll. Sie soll aber erst in vier Jahren wirksam werden; vorher wird nichts kontrolliert. Das ist Unsinn. Wem wollen Sie das erklären? Sie führen eine Umweltzone ein, die CDU sagt aber, dass sie erst in vier Jahren wirken soll. Solch einen Quatsch kann niemand ernsthaft vorschlagen, der Verantwortung für Berlin tragen will. Das ist peinlich.
Das sagen Sie sogar wiederholt in Interviews. Jedes Mal denke ich, nicht richtig zu lesen. Das ist traurig, aber wahr und an der Stelle inkonsequent bis zum Gehtnichtmehr. Vielleicht nehmen Sie gleich die Chance wahr, das ein wenig zu erklären.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass es einen vernünftig abgewogenen Ausnahmekatalog geben wird. Ich erinnere an den Luftreinhalte- und Aktionsplan, den Berlin schon 2004 diskutiert und im März 2005 beschlossen hat – vor mehr als zweieinhalb Jahren. Es gibt Ausnahmegenehmigungen für einzelne Gewerbetreibende, die 18 Monate lang eine Ausnahmegenehmigung bekommen können – gerade die Gewerbebetriebe, meine Herren von der FDP hier vorn –, wenn es technisch oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Sie bekommen für 18 Monate eine Sondergenehmigung. Das ist seit Verkündung des Umweltplanes ziemlich genau fünf Jahre her. Sie sagen nun, dass das als Übergangszeitraum nicht angemessen ist. Die CDU fordert sogar noch weitere vier Jahre. Das ist Unsinn, weil Sie sich leider wie auch die IHK und der
ADAC jahrelang damit begnügt haben, grundsätzlich gegen die Einrichtung einer Umweltzone zu sprechen, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein.
Was wäre – damit möchte ich meinen Beitrag beenden – die Alternative, die offensichtlich CDU und FDP hier vertreten? – Die Alternative wäre, durch richterliche Entscheidungen komplette Hauptverkehrsstraßen in Berlin schließen zu müssen. Es würde die Straßen betreffen, in denen die höchsten Schadstoffbelastungen gemessen würden. Das wäre die Alternative. Man könnte auch auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 einführen, Herr Gersch. Das ist eine Realität, die Sie vielleicht ausblenden können, die aber trotzdem vorhanden ist. Das ist wie mit den Feinstaubteilchen. Sie sind so klein, dass man sie einzeln nicht sehen kann; sie sind aber trotzdem vorhanden und belasten den Menschen. Das, was Sie den Menschen hier an Gesundheitsgefährdung und an der Wegnahme von Lebensqualität in der Innenstadt zumuten wollen, ist eine Zumutung. Das werden wir nicht mitmachen. Deshalb sind wir mit der Einrichtung einer Umweltzone auf dem richtigen Weg.
Ich hoffe, dass Sie anerkennen, dass wir einem von Ihnen eingebrachten Antrag auf zusätzliche Begrünung an Straßenland zugestimmt haben. Das ist ein richtiger Antrag. Dem stimmen wir zu, Herr Gersch. Wir haben im Umweltausschuss einstimmig zugestimmt. In dieser Koalition gibt es keine dogmatische Verweigerung. Alles, was vernünftig ist, wird von uns auch getan. Das war bisher so und wird so bleiben. Darum wird es eine vernünftige Einführung der Umweltzone in Berlin geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Buchholz! Es ist in meiner Fraktion unbestritten, dass Feinstaub gefährlich ist. Wir nehmen ernst, was große Kapazitäten wie Prof. Christian Witt von der Charité zu diesem Thema öffentlich und intern geäußert haben und was Experten wie Prof. Endlicher vom Institut für Stadtökologie der Humboldt-Universität sagen. Dass wir eine Umweltzone einrichten, ist richtig und notwendig. Es trägt zur Lebensqualität in Berlin bei. Meine Fraktion ist für die Errichtung einer solchen Umweltzone in Berlin.
Wenn man aber Umweltpolitik betreiben will, muss man es richtig machen und die Bürger mitnehmen. Das, was Sie mit Ihrer Art von Umweltzone hier produzieren, ist Chaos und ist, wie die „Berliner Zeitung“ geschrieben hat,
ein Ausnahmezustand. Das ist einfach schlecht gemacht. Damit schafft man nichts für die Gesundheit und die Umwelt, sondern schädigt die Bürger in dieser Stadt.
[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wieso schädigen Sie, wenn die Autos dort hineindürfen? Wo ist da die Logik?]
Noch schlimmer ist: Wir wissen das nicht von irgendwelchen CDU-Erhebungen, sondern von den Erhebungen der Industrie- und Handelskammer und des Handwerks, dass mit dieser Art von Umweltzone, wie Sie sie betreiben, viele Pleiten von kleinen und mittleren Unternehmen in Berlin drohen, weil sie die zusätzlichen Lasten nicht tragen können. 10 000 Arbeitsplätze sind in unserer Stadt bedroht. Allein die Fachgemeinschaft Bau redet von 3 500 gefährdeten Arbeitsplätzen in ihrem Bereich. Das sollten Sie ernst nehmen. Wir sind nicht so reich an Arbeitsplätzen in Berlin, dass wir solche Fakten und Informationen mit der Hand wegwischen können. Wir in der CDU zumindest nehmen solche Informationen sehr ernst.
Jetzt haben wir nur noch sechs Wochen Zeit bis zur Einführung. So erklärte der der SPD angehörende Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing: „Wir sind entsetzt über das abwartende Verhalten der Berliner.“ Sie haben alle noch keine Plaketten und Ausnahmeregelungen beantragt. Die Berliner scheinen noch gar nicht richtig informiert zu sein.
In sechs Wochen soll das Ganze passieren. Sie haben es offenbar nicht geschafft, die Berliner auf dem Weg mitzunehmen. Im Gegenteil: Was sich andeutet ist eine Welle von zivilem Ungehorsam, weil die Leute die Art und Weise, wie Sie das voranbetreiben, als absolute Zumutung empfinden. Es ist eine Zumutung, was Sie hier den Berlinern antun.
Es ist die Rede von einem drohenden Antragsstau. Polizei und Umweltbehörde wissen bis heute nicht, wie sie ab 1. Januar 2008 verfahren sollen. Die Polizei erklärte Ende Oktober: „Wir werden von Anfang an schwerpunktmäßig kontrollieren, ob die Autos ihre Plakette haben.“ Ein paar Tag später erklärte der Polizeipräsident: „Wir werden nicht kleinlich sein. Es gibt auch eine Gnadenfrist.“ Man solle doch ein wenig Kulanz walten lassen. Frau Lompscher erklärte genau das gleiche; es solle eine kulante Regelung geben.
Wenn wir ein Gesetz haben, zu dem Sie stehen, muss man es auch anwenden. Man kann nicht anfangen, die eigenen Fehler bei der Gesetzgebung durch kulante Regelungen zu relativieren. Das zeigt doch, dass Ihnen selbst gar nicht wohl ist mit dem, was Sie hier den Berlinern anbieten.
Der Kollege Birk hat es soeben in der Fragestunde angesprochen, das Thema Touristen. Wir rühmen uns doch immer, eine touristenfreundliche Stadt zu sein. Nun stellen Sie sich vor, es käme jemand aus Kiel mit seiner Familie nach Berlin und erhielte postwendend ein Strafmandat. Frau Lompscher erklärte dazu, er hätte eine Ausnahmeregelung vorher aus Kiel beantragen können. Woher soll er aber wissen, dass wir eine Umweltzone haben und welches Ausmaß diese hat? Weiter führt Frau Lompscher aus, er hätte einen Verrechnungsscheck für eine Ausnahme nach Berlin schicken können. Hand aufs Herz: Wer von uns hat noch einen Verrechnungsscheck?
Wo leben Sie eigentlich, wenn Sie den Bürgern solche Vorschläge unterbreiten? Die Leute kommen nicht mehr mit Kutschen nach Berlin, sondern mit Autos.
Solche prähistorischen Vorschläge gehören der Vergangenheit an. Deswegen bin ich froh darüber, dass Sie jetzt, sechs Wochen vor Einführung, auf Anfrage des Kollegen Birk erklären, wir bemühten uns darum, das Verfahren online abzuwickeln; es sei aber sehr schwer. – Die Kölner haben das schon getan. Wir in Berlin als Weltstadt und Metropole bemühen uns nur darum.
Kleinkarierter Provinzialismus in der Umsetzung – das ist das Zeugnis, das wir Ihnen heute ausstellen müssen.
Damit Sie sehen, wie hier umgesetzt wird, Herr Kollege Gaebler: Am 10. März 2007 erklärt Herr Gaebler: „Ich fordere klare und einfach zu kontrollierende Regelungen bei der Umweltzone.“
Dann sagt Frau Lompscher in der Zeitschrift „Handwerk“ 11/07 – und das ist wirklich ganz abenteuerlich –, natürlich gebe es ein paar Probleme. Erst in der Praxis könnten Mängel schließlich sichtbar werden.
Sind die Berlinerinnen und Berliner denn Versuchskaninchen? Sollen wir erst einmal etwas machen und dann im Trial-and-Error-Verfahren gucken, wie das Ganze sich auswirkt? Entweder haben wir die Sache durchdacht, oder sie ist mit heißer Nadel gestrickt. Noch einmal: Wir sind für die Umweltzone, aber die Art und Weise, wie Sie das betreiben, macht die ganze gute Idee kaputt. Das ist das, was wir heute beklagen.
Das Ganze wird dadurch besonders spannend, dass der Senat – Herr Körting – erklärt: Für die eigenen Autos – Feuerwehr, Polizei – ist uns das zu teuer. Sie bekommen alle von vornherein eine Ausnahmegenehmigung.
Ich finde es sehr gut, dass Sie Ausnahmeregelungen schaffen und dass Sie auf die Finanzlage hinweisen, aber warum beschließt der Senat ein Gesetz und schreibt kleinen Handwerkerbetrieben vor, was sie machen müssen?
Denen kann man das offenbar zumuten, den eigenen Leuten im Senat nicht. Das ist ein Programm zur Förderung von Politikverdrossenheit, aber keine verantwortliche Umweltpolitik.
Neulich haben Sie, Herr Müller, über Herrn Wolf, der immerhin der amtierende Wirtschaftsminister ist – heute ist er nicht da –, in einem Interview gesagt: „Ich warte dringend, dass Herr Wolf tätig wird. Herr Wolf tut so, als habe er damit nichts zu tun.“ Das war am 27. September 2007. Inzwischen ist über ein Monat vergangen. Mich interessiert, was Herr Wolf inzwischen auf Ihre dringliche Anfrage getan hat, Herr Müller! Was ist seit dem 27. September besser geworden,
was hat Herr Wolf getan? Die Antwort auf diese Fragen sind Sie für Ihre Fraktion schuldig geblieben, Herr Buchholz!