Protocol of the Session on November 8, 2007

Wir haben die Möglichkeit, heute zu beweisen, dass das Abgeordnetenhaus gegen dieses Kohlekraftwerk steht, und zwar nicht nur im Reden, sondern im Handeln.

Unser Änderungsantrag, aus der KWK-Quote eine Erdgas-KWK-Quote zu machen, wäre ein echter wirtschaftlicher Anreiz für den Konzern, dieses Kohlekraftwerk nicht zu bauen, sondern stattdessen ein Gaskraftwerk zu bauen.

[Beifall bei den Grünen]

Entschuldigung, Herr Schäfer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jotzo?

Ja, sehr gern!

Bitte, Herr Jotzo!

Herr Kollege Schäfer, vielen Dank! Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es ein Armutszeugnis für diesen Senat ist, dass die Umweltsenatorin bei dieser wichtigen Debatte nicht anwesend ist?

[Anja Kofbinger (Grüne): Alte Petze!]

Ja! Ich bin auch dieser Meinung.

Vergaberechtlich wäre eine Erdgas-KWK-Quote genauso einfach umsetzbar wie eine normale KWK-Quote. Das haben zahlreiche Experten bestätigt. Sie machen es trotzdem nicht. Sie wollen diesen Anreiz nicht setzen. Sie wollen wohl dieses Steinkohlekraftwerk nur mit Worten bekämpfen, nicht aber mit Taten.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Quatsch!]

Na, dann beweisen Sie es! Sie könnten ja handeln, wenn Sie wollen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ich muss doch nicht beweisen, dass ich dagegen bin! Das ist doch Blödsinn!]

Sie können politischen und wirtschaftlichen Druck auf Vattenfall ausüben.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das mache ich die ganze Zeit!]

Das machen Sie nicht. Sie reden die ganze Zeit nur. Hier haben Sie die Instrumente, konkret wirtschaftlichen Druck auf den Konzern auszuüben. Darauf verzichten Sie, und das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik – groß reden, nichts tun!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schäfer! – Für die SPDFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Buchholz das Wort. – Bitte!

[Zuruf: Wollen Sie Ihre Senatorin dabeihaben? – Unruhe]

Die Senatorin betritt soeben den Saal. – Herr Buchholz, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu diesen beiden Anträgen ist alles gesagt worden. Wir haben im Fachausschuss auch die rechtlichen Aspekte ausgiebig besprochen. – Herr Schäfer! Das Abstimmungsergebnis war absolut eindeutig: Ihrem Antrag hat nur Ihre Fraktion zugestimmt. Alle vier anderen haben dagegen gestimmt. – Bei unserem Antrag war es genau andersherum: Wir haben nur Zustimmung bekommen und maximal Enthaltungen. Die Abstimmungslage ist eindeutig.

Es ist nach 20 Uhr. Andere Tagesordnungspunkte wurden zu Protokoll gegeben. Das hätten Sie auch lieber tun sollen. Wir könnten eigentlich abstimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Joachim Esser (Grüne): Wie faul seid ihr eigentlich? Habt ihr ein Recht auf Feierabend?]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Buchholz! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Wilke das Wort. – Bitte!

[Unruhe – Zuruf: Wir wollen nach Hause! – Zurufe von Joachim Esser (Grüne)]

Meine Damen und Herren! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass jetzt Herr Wilke das Wort hat und nur Herr Wilke. – Herr Esser! Wenn Sie bitte zur Ruhe kommen könnten!

[Unruhe]

Einen Moment bitte, Herr Wilke!

[Anhaltende Unruhe – Joachim Esser (Grüne): Arbeitszeitverkürzung ohne Diätenausgleich!]

Herr Wilke! Wir machen erst weiter, wenn hier etwas Ruhe eingekehrt ist. – Herr Esser! Darf ich Sie bitte noch einmal darauf hinweisen, dass wir jetzt alle Herrn Wilke lauschen wollen.

[Christian Gaebler (SPD): Das macht Herrn Esser doch nichts!]

Er hat jetzt das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich freue mich auch, dass Frau Lompscher inzwischen anwesend ist.

Die Überschrift des Grünen-Antrags „Atomausstieg selber machen“ mutet seltsam an. Man könnte meinen, Sie forderten, den Reaktor am Hahn-Meitner-Institut abzuschalten, dann hätten Sie den Atomausstieg für das Land Berlin vollends vollzogen. Aber nun zum Ernst der Situation: Im vorliegenden Fall handelt es sich – und das schreiben Sie auch in Ihrem Antrag – um Brunsbüttel. Brunsbüttel ist ein Kraftwerk, das 1976 an das Netz gegangen ist und zumindest Störauffälligkeiten aufweist und zudem in diesem Jahr für Schlagzeilen sorgte, da sich der Betreiber genauso verhielt wie die damalige sowjetische Atombehörde bei dem Störfall in Tschernobyl: Man verschwieg, man dementierte, und man gab erst längst Bekanntes zu.

Seit geraumer Zeit befindet sich die Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co. oHG zu zwei Dritteln im Eigentum des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall. Dieser Umstand muss in diesem Haus auch nachdenklich machen. Denn Vattenfall hat in Angelegenheiten der Kernenergie vollkommen zu recht weltweit an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Gehen wir einmal ein Stück weg von Brunsbüttel und von den Pannen, die dort passiert sind, und in den Juli des Jahres 2006. Da gab es schon einmal einen schweren Störfall in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark – viele werden sich daran erinnern, damals hatte ein Kurzschluss Teile des Sicherheitssystems am Reaktor 1 außer Betrieb gesetzt, und zwei Notstromaggregate waren nicht wie vorgesehen angesprungen. Ob es wirklich so war, wie von einigen behauptet, dass dieser Reaktor 1 weniger als 30 Minuten vor einer Kernschmelze wie bei Tschernobyl stand, das mag Gott sei Dank dahingestellt sein. Aber genauere Untersuchungen sprachen dann von einem längeren Verfall der Sicherheitskultur, und aufgrund dessen wird auch staatsanwaltschaftlich ermittelt, eben gegen den Betreiber, gegen Vattenfall. Anfang diese Jahres räumte Vattenfall zum ersten Mal ein, dass wegen starker Belastung durch hohe Produktion und Modernisierungsarbeiten

nicht immer alle Sicherheitsfragen so behandelt wurden, wie es hätte sein sollen.

Das ist eben der Punkt, der Sorge bereitet, wenn wir an Brunsbüttel denken.

Da steht noch ein älteres, störanfälligeres Kernkraftwerk, das vom gleichen Akteur wie das in Forsmark betrieben wird, und dieser hat auch in Brunsbüttel nur ein Jahr später eine ebenso abenteuerliche Unternehmenskommunikation hingelegt. Insoweit betrachten wir das konkrete Vorhaben von Vattenfall, die Laufzeitverlängerung eines so alten Meilers, mit großer Sorge und Skepsis – nicht aber den Umstand als solchen, dass generell die Laufzeiten eines Kernkraftwerks auch verlängert werden könnten.

Dazu haben wir als Union eine in allen Landtagsfraktionen abgestimmte Position. So ist der Anteil der Kernenergie vor dem Hintergrund der Reduzierung des CO2Ausstoßes in Deutschland und ständig steigender Energiepreise zu überdenken. Dabei ist auch ein möglicher Ersatz der Kernenergie durch andere Energieträger klar zu benennen. Bei einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken, die die CDU für möglich und denkbar hält, soll daher ein Teil der Erlöse für die Forschung an erneuerbarer Energie verwendet werden. Das macht deutlich, welchen Stellenwert wir der Kernenergie beimessen. Es ist für uns eine Brückentechnologie – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Michael Schäfer (Grüne)]

Das Einsparen von Energie, die Erhöhung von Energieeffizienz, eine mögliche Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke und die Nutzung erneuerbarer Energien sind dabei für uns die tragenden Säulen der Klimaschutzpolitik. Insofern sollten selbstverständlich auch mit Unternehmen Stromlieferverträge abgeschlossen werden, die Atomstrom produzieren, zumal es die eindeutige gesetzliche Grundlage der Bundesrepublik Deutschland ist, dass Atomstrom hergestellt werden darf. Dann darf man ihn auch konsumieren, auch als Land Berlin.

Zu dem Antrag der Koalition haben wir hier schon gesprochen – wie auch in den Ausschüssen. Es hier ein weiteres Mal zu tun, erhöht nicht die Qualität dessen, was dort drinsteht. Mit Ihren 20 Prozent erneuerbare Energien sind Sie weit von echten Herausforderungen für Berlin entfernt, Herr Buchholz. Die neuen, uns vorliegenden Änderungen der Grünen hingegen sind zustimmungsfähig. Den Gesamtantrag jedoch lehnen wir mit oder ohne Änderungen ab.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wilke! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Platta das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte nicht mehr zu den Koalitionsanträgen sprechen, weil wir im Ausschuss ausführlich dazu gesprochen ha

ben. Klar ist, dass die Energiepolitik des vorigen Jahrhunderts in diesem Jahrhundert zu überwinden ist, und dazu wollen wir auf der Berliner Ebene unseren Beitrag leisten.

Neue Technologien sind auf dem Vormarsch, und Berlin spielt auch bei der Photovoltaik eine entscheidende Rolle. Bei der Forschung, Entwicklung und Produktion von Dünnschichtelementen sind wir praktisch zu Hause. Hier geht es um Verringerung des Materialeinsatzes bei gleichzeitiger Wirkungsgraderhöhung und weniger Energieeinsatz bei der Produktion der Photovoltaikelemente. Es gibt auch bei der Umsetzung der Solardachbörse – zwischenzeitlich gab es eine Flaute – wieder mehr Engagement. Wir haben neue Projektentwickler, die mit dem Land zusammenarbeiten, und kommen dort Stück für Stück voran.

Eine Flaute gab es auch bei der Windenergie in Berlin. Es ist nicht ganz so schlimm, weil wir demnächst ein einziges Windkraftwerk auf dem Territorium des Landes begrüßen dürfen. Es befindet sich in der Genehmigungsphase. Soweit ich informiert bin, soll in diesem Monat die Genehmigung erfolgen.

Erneuerbare Energie gibt es nicht nur in Berlin. Das wollen wir auch in Verträgen wiederfinden. Viele Berliner Bürger sind schon von Vattenfall zu Lichtblick oder anderen Anbietern von erneuerbarer Energie gewechselt. Das ist positiv, das begrüßen wir. Auch ich bin in dieser Beziehung längst nicht mehr bei Vattenfall.