Aber nicht einmal diesen Vergleich bestehen Sie! Denn wenn Sie wenigstens die Arbeitslosenzahlen von Duisburg und Dortmund hätten, wäre ich ja zufrieden.
Wir haben in Berlin 16,5 % Arbeitslose. Die von Stahl und Kohle und vielen Strukturproblemen gebeutelten Großstädte Duisburg und Dortmund haben eben keine 16,5 % Arbeitslosigkeit, sondern Duisburg 15,7 % und Dortmund 15,9 %. Ich wäre schon dankbar, wenn Sie es wenigstens schaffen würden, in den wesentlichen Kennziffern auf das Niveau von Duisburg und Dortmund zu kommen. Aber selbst das schafft Ihre Politik zurzeit nicht.
Es gibt übrigens noch ein Zitat von Sarrazin, das beschreibt das Problem der SPD-Faktion, Frau Grosse, sehr deutlich. Sarrazin sagt:
In Berlin leben rund 4 % der deutschen Bevölkerung, aber allein 10 % der deutschen Hartz-IVEmpfänger.
Da hat er zweifelsfrei recht. Aber wie Sie dann zu dieser Überschrift kommen, die da hinten hängt: „Positive Entwicklung am Berliner Arbeitsmarkt“, ist mir völlig schleierhaft. Wie kann man eine solche Verblödung von Menschen, die dieser Debatte zuhören, im Parlament zwischen den Wahlen veranstalten?
Übrigens, eins haben Sie getan in Ihrer Koalitionsvereinbarung: Sie haben die Ressorts Wirtschaft und Arbeit getrennt. Was bedeutet das? – Sie docken das Arbeitsressort am Sozialressort an. Sie machen also Arbeit zu einer Betreuungsfrage, zu einer Frage von Verteilungsgerechtigkeit, aber nicht zu der Frage: Wie verbinden wir Wirtschaftswachstum mit der Schaffung von Arbeitsplätzen?
Und das beides noch in PDS-Hand liegt, zeigt, wo die Bedeutung der Sozialdemokratie für den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Berlin liegt.
Herr Präsident, ich habe gesehen, dass 10 Minuten immer noch 10 Minuten sind. Insofern mache ich es sehr kurz und sage Ihnen, dass Sie auch in den wesentlichen Standortfaktoren große Fehler machen. Einheitsschule schreckt ab, Universitäten werden geschliffen, weil Studiengebühren nicht dazu führen, dass Lehre und Forschung mehr Geld erhalten, Sie haben Gleichmacherei, Erhöhung der Grund- und Grunderwerbssteuer statt Senkung der Steuern und vieles andere beschlossen. Ich bin mir sehr sicher, mit Ihrer Politik werden wir in 5 Jahren weitere Rekorde feiern, werden noch mehr Arbeitslose haben, noch mehr Sozialhilfeempfänger, weniger Unternehmen, weniger Existenzgründer. Im Ergebnis wird dieser Senat es schaffen, Mecklenburg-Vorpommern vom letzten Platz aller Statistiken abzulösen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Steffel! – Als nächste hat Frau Dr. Klotz von der Fraktion der Grünen das Wort!
Verzeihen Sie, zunächst ist die Linksfraktion an der Reihe. Frau Breitenbach, Sie haben das Wort. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die positive Entwicklung auf dem Berliner Arbeitsmarkt ist von Frau Grosse bereits dargestellt worden. Ich teile diese Darstellung.
[Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): Bravo! Bravo! Bravo! – Mario Czaja (CDU): Champagner!]
Nichtsdestotrotz – das hat bisher niemand bestritten – gibt es in Berlin immer noch 277 000 Menschen, die Arbeit suchen. Gleichzeitig reicht das Arbeitsplatzangebot auf
dem ersten Arbeitsmarkt nicht aus. Das heißt: Politik ist weiterhin gefordert, nicht nur die Landes-, sondern auch die Bundespolitik. Wenn man mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse schaffen will, dann brauchen wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn, den die Bundesregierung einführen sollte.
[Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Genau! – Dr. Sibyll-Anka Klotz (Grüne): Es ist immer dasselbe!]
Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen. Darüber hinaus wollen wir, dass die arbeitsmarktpolitische Palette, die das SGB bietet, endlich genutzt wird. Wir kritisieren die Konzentration der Regionaldirektionen und der Jobcenter auf die Ein-Euro-Jobs schon lange. Wir haben aber nicht die Möglichkeit, etwas anzuweisen oder einfach zu verändern. Wir müssen weiterhin versuchen, Lösungen mit den Beteiligten zu finden. Auch das wollen wir weiter versuchen.
Wir können auf viele Erfahrungen in Berlin hinweisen bei der Förderung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Hervorheben möchte ich hier das Landesprogramm „Stelle statt Stütze“, bei dem es einen Lohnkostenzuschuss für kleine und mittlere Betriebe gibt, die einen Langzeitarbeitslosen unbefristet einstellen.
Ja, Frau Klotz, seit zehn Jahren. Man muss jetzt aber nicht so tun, als habe es keine Hartz-Gesetze gegeben, die zunächst einmal ganz viel verändert haben.
Im Übrigen sind Sie gleich an der Reihe. – Im Landesprogramm „Stelle statt Stütze“ konnten im vergangenen Jahr 500 Erwerbslose auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, davon waren über die Hälfte Frauen. Dieses Jahr gab es 600 Förderfälle. Dieses erfolgreiche Programm wollen wir künftig weiter ausbauen.
Wir wollen darüber hinaus einen Einstieg in einen öffentlichen Beschäftigungssektor. Wir wollen endlich Arbeit und nicht Perspektivlosigkeit finanzieren. Ein solcher Beschäftigungssektor könnte geschaffen werden, wenn man die Mittel bündeln könnte, die jetzt zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit verwendet werden. Das jedoch ist durch das Hartz-IV-Gesetz nicht mehr möglich. Gebündelt werden sollen die Regelleistungen plus Sozialversicherungsbeiträge, die Kosten für die Unterkunft und das Entgelt der Arbeitsgelegenheiten, also der so genannten EinEuro-Jobs. Nötig sind dafür allerdings bundesgesetzliche Änderungen. Das wurde und wird bislang von der alten, aber auch der jetzigen Bundesregierung abgelehnt. Deshalb werden wir uns weiterhin für diese notwendigen Änderungen einsetzen, gegebenenfalls auch mit einer Bundesratsinitiative.
Solange die Bundesebene einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor blockiert, wollen wir in Berlin ein Modellprojekt schaffen. Wir wollen zeigen, dass durch einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor sinnvolle und existenzsichernde Arbeit geschaffen werden kann. Umsetzen wollen wir dieses Pilotprojekt, indem wir die Gelder der jetzt möglichen Entgeltvariante mit den landeseigenen Mitteln für die Kosten der Unterkunft bündeln. Damit wollen wir in einem Pilotprojekt 2 500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen.
Diese sollen dann auch entsprechend der Qualifikation und in Anlehnung an Tarifverträge vergütet werden. Die Arbeitsplätze sollen auch nicht, wie jetzt bei den EinEuro-Jobs, einfach zugewiesen werden, sondern
wir möchten ein ordentliches Bewerbungsverfahren, in dem sie vergeben werden. Ein Teil der Arbeitsverhältnisse soll auf dem ersten Arbeitsmarkt im Non-ProfitBereich angesiedelt werden, ein anderer Teil im Bereich der gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Was könnten das für Projekte sein? – Beispielsweise könnten Nachbarschaftsläden in Großsiedlungen geschaffen, es könnten Betreuungsangebote rund um das Wohnen angeboten werden, auch Geschäftsstraßenmanagement ist denkbar. Erste Schritte sind bereits gemacht worden, ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Projekt Kinderbetreuung außerhalb der Kitaöffnungszeiten. Dadurch wird auch deutlich, dass es um Bereiche geht, in denen es bislang kein oder kein ausreichendes Angebot gibt. Bestehende Arbeitsplätze – auch darauf hat Frau Grosse schon verwiesen – dürfen durch einen öffentlichen Beschäftigungssektor nicht gefährdet werden.
Herr Lindner! Sie können von „Kitatanten“ sprechen, vielleicht fällt Ihnen aber auf, dass das nicht die korrekte Berufsbezeichnung ist und dass der Ausdruck ansonsten ein bisschen sexistisch ist.
[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Sibyll-Anka Klotz (Grüne): Das kennt der Onkel Martin nicht anders!]
Ideen für Projekte in einem öffentlichen Beschäftigungssektor gibt es. Es wurden auch schon eine ganze Reihe an uns herangetragen. Deshalb möchten wir gern einen Ideenwettbewerb ausschreiben und die Beschäftigungsfelder, in denen solche Projekte eingesetzt werden gemeinsam mit den Sozialpartnern abstimmen.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich hoffe, dass Sie sich an einem solchen Modellprojekt konstruktiv beteiligen, dass Sie zum Gelingen beitragen und dass Sie mit uns gemeinsam deutlich machen: Ein öffentlicher Beschäftigungssektor ist nötig. Er schafft sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Arbeit und er fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bleibe immer freundlich Frau Bluhm! Ich bin sogar so freundlich, dass ich mit einer etwas paradoxen Eröffnung anfange und mit etwas beginne, was uns alle eint. Können Sie sich noch an den Wahlkampf erinnern? Können Sie sich noch erinnern, was Vertreter und Vertreterinnen aller Parteien auf die Frage geantwortet haben, wo eigentlich neue Arbeitsplätze in Berlin entstehen? – Wir haben bei allen Unterschieden zwischen SPD und Grünen, zwischen CDU und FDP gesagt, dass es zwei Zukunftsbranchen in dieser Stadt gibt. Das eine ist der Gesundheitssektor, das andere ist die Kultur- und Medienwirtschaft. Wir alle haben das im Wahlkampf gesagt.
Wir Grünen hätten allerdings nicht gedacht, dass die erste Maßnahme, Frau Michels, des neuen Kultursenators bevor er im Amt ist zur Unterstützung der 75 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in diesem Bereich, zur Unterstützung der 20 000 Unternehmen und der vielen Selbstständigen im Bereich der Kultur die Abschaffung des Kulturressorts sein wird. Das hatten wir uns nicht vorgestellt. Das ist auch ein arbeitsmarktpolitischer Bärendienst,
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass einer der wenigen wirtschaftlichen Wachstumsbranchen, die in Berlin existieren, ein solcher Bärendienst erwiesen wird. Sie werden das noch bereuen, genau so, wie es in NordrheinWestfalen und in Schleswig-Holstein bereut wird. Für Berlin als Kulturmetropole ist diese Entscheidung ohnehin das absolut falsche Signal.
Es ist gesagt worden, dass in Berlin – wie im Bundestrend – die Entwicklung der Arbeitslosigkeit zurückgeht, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse endlich wieder zunimmt.
Ich sage für meine Fraktion – Frau Grosse, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen –: Wir freuen uns darüber. Das ist doch ganz klar, dass wir uns darüber freuen und dass wir diesen erfreulichen Umstand als einen solchen bezeichnen. – Aber zur Wahrheit gehört eben auch, Frau Grosse, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir heute die
selbe Arbeitslosenzahl und dieselbe Arbeitslosenquote wie vor fünf Jahren haben und dass es nicht reicht, nur mit dem November und Oktober des vergangenen Jahres zu vergleichen.