Herr Gaebler! Ich will Ihnen deswegen hier antworten, weil Sie besonders meinen Kollegen Lehmann zitierten. Merkwürdigerweise haben Sie Ihren eigenen Kollegen aus der Fraktion, Herrn Hillenberg, völlig außer Betracht gelassen. Das spricht schon einmal dafür, dass Sie nicht richtig verstanden haben, worum es geht.
Herr Gaebler! Als ich Referendar war, hatte ich Repetitoren aus der Finanzverwaltung, die uns sehr verständlich nahebrachten, dass es bei jedem Bürger eine Nachschau geben kann, die immer dazu führen wird, dass der Ursprungsbescheid korrigiert werden muss. Sie sagten, etwa 99,9 Prozent aller Steuerbescheiden seien materiell falsch. Wenn man überall eine Prüfung durchführte, fände man ein falsch angegebenes Buch oder eine falsch angegebene Arbeitszimmergröße. Und so hatten die Abgeordneten, alle drei, auch Ihr Herr Hillenberg, zunächst gar keine Bedenken, als sie Gegenstand von vertiefteren Prüfungen, auch von Vollstreckungsmaßnahmen gewesen waren. Sie waren arglos und gingen davon aus, es erginge ihnen wie jedem anderen Bürger.
Wenn Sie – was Sie jetzt hier versucht haben – tatsächlich Sondervorteile als Abgeordnete hätten haben wollen, hätten sie sich 2003 oder 2004 oder 2002 darüber beschwert, dass sie Gegenstand von Prüfungen geworden sind. Das haben sie aber nicht. Auch der Kollege Lehmann hat gezahlt. Das ist völlig unstreitig und geht auch entsprechend aus dem Bericht hervor.
Anderthalb Jahre später haben sie erfahren, dass es eine gewisse Häufung gab. Sie haben Mutmaßungen angestellt – übrigens auch hauptsächlich Medienmutmaßungen angestellt –, ob das in einem Zusammenhang steht. Es ging nicht um die Erlangung eines Sondervorteils in diesem Moment. Vielmehr reklamieren die Abgeordneten für sich, nicht anders sind als jeder andere Bürger auch, dass der Gegenstand und der Anlass von Prüfungen sachlich ist oder durch einen Zufallsgenerator, aber auf keinen Fall durch politischen Druck herbeigeführt werden. Um nichts anderes geht es. Die Abgeordneten wollen Gleichbehandlung.
Deswegen ist es unverschämt von Ihnen, dass Sie jetzt hier suggerieren, die Abgeordneten wollten einen Sondervorteil herausschinden. Nichts dergleichen trifft zu. Sie haben das Recht als Abgeordnete, genauso behandelt zu werden wie andere auch. Diese Vorwürfe gilt es auszuräumen, nicht mehr und nicht weniger.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lindner! – Jetzt hat der Abgeordnete Herr Gaebler die Möglichkeit zu einer Antwort. – Bitte sehr!
Lieber Kollege Lindner! Sie haben wieder fälschlicherweise behauptet, es gäbe einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Untersuchungen. Ich sage es noch einmal:
Doch, Sie haben gesagt, die zeitliche Nähe ist den Abgeordneten aufgefallen. Ich weiß nicht, was Ihnen dabei aufgefallen ist. – Die eine Aktion war im Jahr 2002, die andere war im Jahr 2003, die nächste im Jahr 2004. Nun können Sie sagen, sie hätten sich jedes Jahr einen Neuen ausgesucht. Eine zeitliche Häufung, noch dazu vor der eigentlichen Behandlung im Petitionsausschuss, ist nicht zu erkennen und völlig absurd.
Nicht ich habe behauptet, Herr Lehmann sei aus dem Urlaub zurückgeholt worden. Nicht ich habe behauptet, bei Herrn Lehmann habe es eine Steuerprüfung gegeben. Herr Lehmann hat es behauptet. Das ist öffentlich, nachlesbar oder in Aufzeichnungen anzusehen. Es geht darum, dass Herr Lehmann nicht im Nachhinein sagen kann, es sei eine Schikane gegen Abgeordnete, wenn er behandelt wird wie jeder andere Bürger. Darum geht es mir. Dabei bleibe ich auch.
Ich glaube nicht, dass es in Ihrem Interesse oder Herrn Lehmanns Interesse ist, das jetzt noch einmal zu vertiefen. Das könnten wir auch machen.
Wir haben Ihnen gesagt, dass wir eine solche Debatte zu diesem Zeitpunkt nicht für sinnvoll halten, weil Sie die Fakten nicht insgesamt bewerten können. Das haben Sie abgelehnt. Deshalb müssen Sie jetzt damit leben, dass das hier so gesagt wird.
Ich möchte anfügen, dass der Ex-Kollege Brinsa im Jahr 2006 zu Herrn Teichert, zum Staatssekretär, gegangen ist
und gesagt hat, er solle ihm bitte in Bezug auf das Finanzamt Reinickendorf helfen. Ist das der Versuch einer Sonderbehandlung von Abgeordneten oder nicht? Das müssen Sie mir jetzt auch noch einmal beantworten.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Volker Ratzmann (Grüne): Was hat das mit der Rechtslage zu tun?]
Die Aussage bezüglich des Vertrauensmissbrauchs nehme ich nicht zurück. Diese fühle ich dadurch bestätigt, dass Sie sich jetzt auch noch davor stellen. Herr Dr. Pflüger hat zumindest zugegeben, dass man durchaus Zweifel haben könnte, ob das alles so stimmt oder es davon unabhängig wäre, ob es zu zuträfe. Sie sagen, es habe alles seine Berechtigung gehabt, und deswegen sei es ein besonderer Skandal. Das ist politisch unredlich und entspricht auch nicht den Tatsachen.
Ich sage es noch einmal: In Ihrem Missbilligungsantrag steht als Hauptvorwurf an den Senator im vorletzten Satz:
Der Senator hat nicht, wie im Ältestenrat vereinbart, versucht, den Verdacht auszuräumen, dass die Finanzverwaltung die Arbeit des Petitionsausschusses beschränken und direkt auf unliebsame Abgeordnete einwirken will.
Diesen Satz musste ich zweimal lesen, weil ich nicht geglaubt habe, dass er in diesem Antrag steht. Diese Behauptung ist einfach falsch.
Der Senator hat genau das Gegenteil versucht. Er hat versucht, diese Vorwürfe auszuräumen. Ob das Mittel dazu in dieser Breite geeignet war oder nicht, darüber kann man streiten. Ihm aber vorzuwerfen, dass er es nicht getan hat, ist nun wirklich absurd. Deshalb ist Ihr Missbilligungsantrag auch absurd.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Ratzmann das Wort. – Bitte! – Ich bitte nochmals um Ruhe. Wir können die Sitzung auch unterbrechen, bis Sie alle zur Ruhe gekommen sind. Ich glaube aber nicht, dass das in Ihrem Interesse ist. Jetzt hat der Abgeordnete Ratzmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn ganz herzlich dem Datenschutzbeauftragten danken, weil ich glaube, dass er hier sehr klare Worte gesprochen hat. Ich hätte mir solche klaren Worte von meinem Präsidenten erwartet und gewünscht –
dass er die Rolle einnimmt, sich hier für die Belange der Abgeordneten und die Einhaltung des für sie maßgebli
chen Datenschutzes mit zu engagieren. Ich finde es beschämend, dass sich der Datenschutzbeauftragte erst an ihn wenden muss, bevor das umgekehrt passiert.
Man muss sich noch einmal vor Augen führen, worüber wir hier eigentlich reden und worin der Ursprung der Geschichte liegt. Das steht sehr genau in dem Schreiben, das die Senatsverwaltung für Finanzen an das Bundesfinanzministerium gesandt hat.
Der Ursprung war ein Artikel in einer Zeitung der Steuergewerkschaft. Wir reden darüber, dass in der Öffentlichkeit nach Meinung des Finanzsenators falsche Behauptungen aufgestellt worden sind. Wie wehrt man sich gegen falsche Behauptungen in Presseorganen? Herr Sarrazin, Sie hätten einmal zu Frau von der Aue gehen sollen. Sie hat das neulich getan. Man schickt eine Unterlassungserklärung. Wenn die nicht beantwortet wird, geht man zum Landgericht. Dort haben Sie ruck zuck eine einstweilige Verfügung erwirkt. Wir wissen genau, eine Zeitung, ein Medium, bekommt das, reagiert, und die Äußerungen wären aus der Welt gewesen. Das haben Sie nicht getan, sondern zur Keule gegriffen. Dahinter steckt eine andere Motivation, als nur Ihre Behörde zu schützen.
Herr Sarrazin! Wir sind einiges von Ihnen auch aus der letzten Legislaturperiode gewohnt: übelriechende Beamte, das freimütige Geständnis eines verfassungswidrigen Haushaltes, drei verlorene Verfassungsklagen, Ihr KZVergleich, als sich Eltern über die Ausstattung der Kitas beschwerten. In der letzten Plenarsitzung folgte Ihr Hinweis, dass sich Hartz-IV-Empfänger lieber um einen Job als um ihre Mitmenschen kümmern sollten: Heftiges Gegacker auf dem linken Hühnerhof! Dann stehen wieder alle da, kneifen die Backen zusammen und salutieren, wenn Herr Sarrazin den Ärmsten der Armen in dieser Stadt ins Gesicht spuckt. Das kann man nicht hinnehmen.
Das ist keine Petitesse, die er hier begangen hat. Wenn Sie sich die einschlägige Kommentierung zur Abgabenordnung ansehen, werden Sie feststellen, dass es eine einzige Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu diesem Thema gibt. Es ist nur eine einzige. Die ist im Zusammenhang mit dem Flick-Ausschuss ergangen. Die Älteren werden sich vielleicht noch daran erinnern. Da hatte sich die Bundesregierung geweigert, Akten an einen Untersuchungsausschuss herauszugeben. Das Bundesverfassungsgericht hat damals geschrieben – den Satz will ich Ihnen vorlesen:
Die Angaben, die ein Steuerpflichtiger aufgrund des geltenden Abgabenrechts zu machen hat, ermöglichen weitreichende Einblicke in die persönlichen Verhältnisse, die persönliche Lebensfüh
rung und die beruflichen und betrieblichen unternehmerischen und sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse. Über ihre zeitlich kontinuierliche Erfassung, Speicherung und ständige Abrufbarkeit ermöglicht sie demjenigen,
der über diese Daten verfügt, ein Wissen außerordentlichen Ausmaßes über die Betroffenen, das unter den gegenwärtigen Lebensverhältnissen in entsprechende Macht über den Betroffenen umschlagen kann.