Frau Knake-Werner, lassen Sie sich dieses Programm einmal von Ihrem Integrationsbeauftragten erklären!
Vor allem verfassungsrechtliche und integrationspolitische Gründe sprechen für eine Ablehnung. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Urteilen im Jahr 1990 entschieden, dass die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Ausländer gegen unser Grundgesetz verstößt. Außerdem will die rot-rote Koalition mit der Forderung nach Einführung des Ausländerwahlrechts nur von ihrem absoluten Versagen in der bisherigen Integrationspolitik ablenken. 50 Prozent der türkischen Jugendlichen verlassen die Schulen teilweise ohne Schulabschluss. Mehr als 30 bis 40 Prozent sind arbeitslos. Diese Menschen wollen von uns, von Ihnen, von dieser Regierung eine Perspektive für Ausbildung und bessere Schulbildung. Stattdessen sollen Sie diese Menschen mit der Forderung nach dem kommunalen Wahlrecht von Ihnen abgespeist werden, obwohl die Zahlen zeigen, dass z. B. EU-Ausländer, obwohl sie das kommunale Wahlrecht haben, wenig Interesse an den letzten Wahlen vor einem Jahr zeigten. Auch Menschen mit Migrationshintergrund, zwischenzeitlich Deutsche, haben – was allerdings bedauerlich ist – diese Wahlen mehr oder weniger nicht genutzt. Wenn Sie etwas für die Integration der Ausländer in dieser Stadt tun wollen, dann sorgen Sie für mehr Arbeitsplätze und für bessere Schulen.
Zu Ihrem Antrag „Programm ‚Ausbildung in Sicht’ fortsetzen“ können wir nur sagen: Dann machen Sie es doch einfach! Trotzdem stellt sich auch hier wieder die Frage, warum die Inanspruchnahme dieses Programms zu wünschen übrig lässt, warum es eine so hohe Abbrecherquote gibt und warum die Anschlussförderung noch völlig offen ist. Wenn Sie sich diesen Antrag, den Sie uns vorgelegt haben, anschauen, werden Sie feststellen, dass Sie ihn selbst infrage stellen. In den ersten Absätzen steht immer wieder, die Kooperation mit den Jobcentern müsse in allen Bezirken verbessert werden.
Wer hindert Sie, Frau Knake-Werner, Ihre Programme zu verbessern? Ich habe die Sorge, dass Sie vor den nächsten Wahlen in vier Jahren sagen werden: Die Opposition hat uns daran gehindert, unsere Programme zu verbessern. – Die Menschen draußen, die Migranten in dieser Stadt, erwarten von dieser Regierung Unterstützung, Arbeit und Perspektiven. Fangen Sie endlich an, diesen Menschen in dieser Stadt eine Chance zu geben! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wansner! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Kitschun das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wansner! Mich hat überrascht, wie gut Sie sich selbst in der Integrationspolitik in dieser Stadt aufgestellt fühlen und wie leicht Sie es sich mit Kritik machen. Ich appelliere an Sie, dass Sie – um nur ein Stichwort zu nennen – sich einmal das Aktionsprogramm und die Evaluation anschauen. Das war eine externe Evaluation. Die hat der Senat nicht selbst gemacht. Da kann man nachlesen, wie viel mit diesem Aktionsprogramm erreicht und angestoßen worden ist, was auch auf Dauer wirkt, gerade was die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen, Stadtteilzentren und Ähnlichem betrifft.
Ansonsten freue ich mich, dass ich die Gelegenheit habe, Ihnen an dieser Stelle noch einmal deutlich zu machen, dass ein ungeheurer Fortschritt vom alten Integrationskonzept zum Integrationskonzept 2007 festzustellen ist. Dieses hat eine neue Qualität. Es benennt konkrete Leitprojekte, 46 an der Zahl, und – das ist das Entscheidende – verbindliche Ziele. Dazu gehört politischer Mut, und den hat diese Koalition.
Im Klartext heißt das: Ob wir die gesteckten Ziele erreichen und wie Integration in dieser Stadt funktioniert, das können wir in den nächsten Jahren gemeinsam überprüfen, denn als erstes Bundesland führt Berlin ein Integrationsmonitoring ein. Regelmäßig wird der Senat von nun an empirisch fundierte Berichte über die Entwicklung von Integrationsprozessen in der Stadt vorlegen. Mithilfe von über 40 Indikatoren wird der Verlauf von Integration systematisch gemessen. Ziel des Monitorings ist die stärkere strategische Steuerung von Integrationsprozessen und – das hat Ihr Beitrag auch deutlich gemacht – eine Versachlichung der Debatte. Künftig werden wir nicht mehr über Stimmungen diskutieren müssen, sondern wir können über die Entwicklung von Kennzahlen reden. Das ist ein wichtiger Fortschritt.
Wie wichtig das ist, hat auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung erkannt. Wir freuen uns, dass Frau Böhmer den Berliner Weg aufgreift und auf Bundesebene ebenfalls die Einführung eines Integrationsmonitorings vorbereitet. Ein Beweis mehr, dass Berlin in Sachen Integrationspolitik gut aufgestellt ist! Doch wir geben uns damit nicht zufrieden. Unser Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten.
Dazu gehört die Teilhabe am Erwerbsleben. Wir werden uns nicht damit abfinden, dass in Handwerk, Handel und Industrie weniger als fünf Prozent der Lehrlinge Jugendliche ohne deutschen Pass sind. „Migrantinnen und Migranten sollen die gleichen Chancen beim Zugang zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit haben wie Angehörige der Mehrheitsgesellschaft.“ So steht es als verbindliches Ziel im Integrationskonzept.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Benedikt Lux (Grüne): Dann sagen Sie das mal der Ausländerbehörde!]
Mit der Informationskampagne „Berlin braucht dich“ und gezielten Vorbereitungsangeboten für Bewerberinnen und Bewerber ist es uns gelungen, den Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Ausbildung im öffentlichen Dienst deutlich zu steigern.
23,5 Prozent – gucken Sie in die Beantwortung der Kleinen Anfrage von Frau Öney – der Auszubildenden, die am 1. September ihre Ausbildung in einer Berliner Senatsverwaltung begonnen haben, sind Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Das Programm „Ausbildung in Sicht“, das wir 2006 gestartet haben, ein Förderprogramm zur Berufsorientierung für Jugendliche mit Migrationshintergrund, ist mittlerweile gut angelaufen. Insgesamt haben 1 450 Jugendliche daran teilgenommen. Über 36 Prozent dieser Jugendlichen haben im Anschluss an das Training einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden oder machen eine weiterführende Qualifizierung.
Migrantinnen und Migranten verfügen häufig über besondere soziale Kompetenzen wie z. B. eine außergewöhnliche Flexibilität, Belastbarkeit, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, die sie aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation erworben haben. Hinzu kommt sprachliche Kompetenz. Die Anerkennung und Förderung dieser Kompetenzen sind ein wichtiger Schritt für mehr Chancengleichheit auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Damit das gelingt, fördern wir im Rahmen eines Modellprojekts – auch ein Leitprojekt des Integrationskonzepts – die interkulturelle Öffnung der Berliner Jobcenter.
Zur gleichberechtigten Teilhabe von Migrantinnen und Migranten gehören demokratische Rechte. Wir wollen, dass sich alle, die dauerhaft in Berlin leben, an kommunalpolitischen Entscheidungen beteiligen können.
Deshalb ist es genau richtig, dass der Senat jetzt eine Bundesratsinitiative zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger startet. Das gehört für uns zu einem umfassenden nationalen Integrationsplan.
Zur CDU: Herr Wansner! Sie sollten sich wirklich fragen, ob dies nicht ein Indiz, wenn auch nicht das einzig wichtige, ist, an dem Sie deutlich machen können, wie ernst es Ihnen mit dem Zusammenleben auf gleicher Augenhöhe und der Integration ist.
„Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“ ist das Motto des Berliner Integrationskonzepts. Wir wollen, dass die Vielfalt in Berlin als etwas Positives erlebbar wird. Kulturelle Vielfalt ist der wahre Reichtum dieser Stadt. „Wir alle sind Berlin!“ hat Klaus Wowereit auf dem Berliner Integrationsgipfel gesagt, und in diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam für die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten arbeiten.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Kitschun! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnet Öney das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor zwei Jahren hat der Senat ein Integrationskonzept mit der Überschrift „Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“ vorgelegt – Sie erinnern sich. Nun hätte man meinen können, dass wir heute über die Bilanz des ersten Konzepts reden. Das tun wir aber nicht. Die Bilanz frage ich gerade ab.
Stattdessen reden wir über ein zweites, sehr umfangreiches und wissenschaftliches Konzept. Ich weiß gar nicht, wie viele von Ihnen das Konzept kennen. Ich fürchte, sehr wenige. Mehr noch fürchte ich, dass die Betroffenen selbst das Konzept nicht kennen, und das ist das Schlimme. Integration lässt sich nämlich nicht verordnen. Das schafft kein Konzept der Welt. Wenn Sie integrieren wollen, müssen Sie wissen wie. Dafür brauchen Sie das Konzept, aber integrieren müssen sich die Leute schon selber. Um sie dazu zu bringen, müssen Sie sie erst einmal von Ihrem Konzept überzeugen. Das schaffen Sie nicht, und da ist der Haken.
Die Handlungsstrategien in dem Konzept kritisieren wir gar nicht – Arbeit, Bildung, Ausbildung, all das halten wir für enorm wichtig. Wir fragen uns aber, warum der Senat es nicht schafft, Verbesserungen in der Lebenssituation der Migrantinnen und Migranten zu präsentieren. Das macht doch eine erfolgreiche Integrationspolitik erst aus. Da stimmt offenbar die Handlungsstrategie des Senats nicht ganz. Das kritisieren wir.
Wir haben zwar eine Integrationssenatorin, aber keine echte Integrationsverwaltung. In allen wichtigen Bereichen haben der Innensenator, der Bildungssenator, die Stadtentwicklungssenatorin und auch der Finanzsenator ein Wörtchen mitzureden. Da kann sich Frau KnakeWerner immer zurücklehnen und die Schuld den anderen geben. Das kann es aber nicht sein!
Interessant ist auch, dass Sie auf der einen Seite jammern, weil Sie kein Geld haben, aber auf der anderen Seite zur Verfügung stehende Mittel nicht einsetzen. Sie räumen nämlich ein, dass Sie im Jahr 2006 rund 14 Millionen € Ausbildungsmittel im öffentlichen Dienst und rund 8 Millionen € zur Förderung der Verbundausbildung nicht eingesetzt haben. Warum eigentlich nicht? Dabei haben wir ein massives Ausbildungsproblem, nicht unter Migrantenjugendlichen, aber gerade dort zählt jede Maßnahme. Auch da haben Sie nur 40 Prozent der Gelder in Anspruch genommen. In Anbetracht der Situation ist das grob fahrlässig, und dann wundern Sie sich, dass junge Migranten gewalttätig werden! Eigentlich können Sie froh sein, dass sich die Jugendgewalt nicht am Roten Rathaus entlädt.
Wir reden immer von der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Tatsache ist, dass wir durch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung nicht von der sozialen Ausgrenzung ablenken können, die täglich stattfindet. Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten hat zugenommen. Wie wollen Sie den Menschen vermitteln, dass kulturelle Vielfalt ein Wert an sich ist? Dazu finde ich in dem Konzept leider gar nichts.
Ich finde auch nichts zu dem Thema Umgang mit dem Islam und Islamophobie, dabei müssen wir die Ängste ernst nehmen. Ich finde es gut, dass Sie jetzt Imame weiterbilden wollen. Nur brauchen die Imame nicht uns, sondern wir brauchen die Imame, denn sie erreichen Menschen, an die wir gar nicht herankommen.
Wir haben viele positive Beispiele gelungener Integration. Diese brauchen keine zusätzliche Hilfe. Da wir ohnehin wenig Mittel haben, ist es gut, dass wir die wenigen Mittel auf Problemgruppen konzentrieren, aber besser wäre es, wenn wir nicht nachholende Integrationsarbeit machten, sondern vorausschauende, präventive Arbeit. Nachholende Maßnahmen sind nämlich nicht nur viel teurer, sondern auch viel mühsamer.
Warum denken wir nicht über ein Kitagebot für Migranten nach – nicht um die Migranten zu ärgern, aber um Sprachdefizite und kulturelle Unterschiede möglichst frühzeitig zu beseitigen. Statt zu sagen, dass Sie Ihre Kinder nicht in Kreuzberg auf die Schule schicken würden, sollten Sie sagen: Ihr lieben Migranten! Ich bin auch euer Bürgermeister, und ich habe Erwartungen an euch! – Warum tun Sie das nicht? Auch Migranten brauchen einen Bürgermeister.