Susanne Kitschun

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 75 Jahren, am 23. März 1933, beschloss einige hundert Meter von hier der Deutsche Reichstag gegen die Stimmen der Sozialdemokratie das Ermächtigungsgesetz. Die Kommunisten konnten an dieser Abstimmung schon nicht mehr teilnehmen. Ihre Parlamentssitze waren für ungültig erklärt worden. Die Sozialdemokraten stimmten damals geschlossen gegen diese Selbstentmachtung des Parlaments und bekannten sich feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit, der Freiheit, des Sozialismus und des Rechtsstaats.
Dieses mutige Eintreten für die parlamentarische Demokratie verdient unsere Anerkennung. Heute, genau 63 Jahre nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, wird die Bundesrepublik Deutschland von Politologen häufig als geglückte Republik bezeichnet, im Unterschied zur gescheiterten Weimarer Republik. Dennoch vergeht auch in Berlin immer noch kaum eine Woche ohne eine Tat mit rechtem, rassistischem oder antisemitischem Hintergrund. Erst letzte Woche – der Präsident hat es vorhin erwähnt – wurde der jüdische Friedhof in Weißensee zweimal geschändet. Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft.
Die Stärkung demokratischer zivilgesellschaftlicher Strukturen, die Förderung von Vielfalt und Respekt und der konsequente Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind deshalb zentrale Aufgaben dieser Koalition. Wir setzen dabei auf einen mehrdimensionalen Ansatz, auf eine Mischung aus Prävention und Intervention. Dieser mehrdimensionale Ansatz bildet die Grundlage der neuen Landeskonzeption für Demokratie, gegen Rechtsextremismus, die der Senat am Dienstag beschlossen hat.
Im Bereich der Prävention gibt es in Berlin eine einzigartige Dichte erfolgreicher und qualifizierter präventiver Maßnahmen und Projekte. Einige von ihnen sind als exemplarische Leitprojekte der Landeskonzeption herausgearbeitet worden, darunter u. a. Schule ohne Rassismus, das Jugendprogramm respectABel, die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, die mobilen Beratungsteams Ostkreuz und MBR, die Opferberatung ReachOut, das Fanprojekt der Sportjugend Berlin und viele andere mehr.
Im Bereich der Intervention setzen Polizei und Verfassungsschutz deutliche Grenzen gegen demokratiefeindliche Aktivitäten und gewalttätige Übergriffe gegenüber Minderheiten. Wo möglich werden die finanziellen Ressourcen des Rechtsextremismus beschnitten. Auf Initiative von Innensenator Körting plant die Bundesregierung jetzt, rechtsextreme verfassungsfeindliche Vereine nicht mehr als gemeinnützig anzuerkennen. Damit gehen alle bisherigen Steuervorteile verloren. Auch das ist ein kleiner, aber ein wichtiger Schritt.
In der Landeskonzeption für Demokratie, gegen Rechtsextremismus werden die existierenden erfolgreichen Ansätze und Projekte miteinander verzahnt und strategisch aufeinander bezogen. Das bündelt Kräfte und macht die Handlungsschwerpunkte des Senats deutlicher. Eine ganz zentrale Aufgabe der Landeskonzeption ist es, Demokratie mit Leben zu füllen, Bildung für Demokratie in allen Lebensphasen anzubieten und Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen.
Die zunehmende Demokratiedistanz, gerade in bildungsferneren Milieus, ist eine große Herausforderung und erfüllt uns mit Sorge. Demokratiedistanz findet sich ebenso bei Menschen mit Migrationshintergrund wie bei Alteingesessenen. Stärker als bisher müssen sich Maßnahmen und Projekte deshalb an Zielgruppen mit geringem Bildungsniveau richten. Ein guter Ansatz ist die Einrichtung von Jugendräten in den Gebieten der sozialen Stadt, auch ein Leitprojekt der Landeskonzeption, die neue Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche schaffen wird. Dieses Projekt richtet sich gerade an Jugendliche mit geringer Bildung, die so praktisch die Übernahme von Verantwortung und die nicht immer ganz einfachen demokratischen Aushandlungsprozesse lernen können. Ein weiterer guter Ansatz – all dies hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn die Konzeption und die Arbeit des Senats bieten eine Fülle guter Ansätze – ist der Sportjugendklub Lichtenberg, der gezielt mit rechtsorientierten gewaltbereiten Jugendlichen arbeitet und durch eine Kombination aus Sport und Bildungsaktivitäten Demokratiedistanz und Gewaltbereitschaft abbaut. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die noch zu geringe Verzahnung von Ausbildungsförderung und Demokratieförderung.
Dass es rechtsextreme Kräfte in Berlin vergleichsweise schwer haben, verdanken wir dem großen zivilgesellschaftlichen Engagement der Berlinerinnen und Berliner.
Otto Wels hat es 1933 in seiner Rede zum Ermächtigungsgesetz der Nazis auf den Punkt gebracht:
Das Rechtsbewusstsein des Volkes ist eine politische Macht.
Ich habe eine Frage an den Senator für Inneres. – Herr Senator, ich frage Sie: Wie bewerten Sie die wiederholten und sehr diffamierenden Äußerungen des Abgeordneten Stadtkewitz, dass der Islam mit unserer Verfassung nicht vereinbar sei, und der wiederholt unterstellt, dass Muslime pauschal gegen die Demokratie seien?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wansner! Mich hat überrascht, wie gut Sie sich selbst in der Integrationspolitik in dieser Stadt aufgestellt fühlen und wie leicht Sie es sich mit Kritik machen. Ich appelliere an Sie, dass Sie – um nur ein Stichwort zu nennen – sich einmal das Aktionsprogramm und die Evaluation anschauen. Das war eine externe Evaluation. Die hat der Senat nicht selbst gemacht. Da kann man nachlesen, wie viel mit diesem Aktionsprogramm erreicht und angestoßen worden ist, was auch auf Dauer wirkt, gerade was die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen, Stadtteilzentren und Ähnlichem betrifft.
Ansonsten freue ich mich, dass ich die Gelegenheit habe, Ihnen an dieser Stelle noch einmal deutlich zu machen, dass ein ungeheurer Fortschritt vom alten Integrationskonzept zum Integrationskonzept 2007 festzustellen ist. Dieses hat eine neue Qualität. Es benennt konkrete Leitprojekte, 46 an der Zahl, und – das ist das Entscheidende – verbindliche Ziele. Dazu gehört politischer Mut, und den hat diese Koalition.
Im Klartext heißt das: Ob wir die gesteckten Ziele erreichen und wie Integration in dieser Stadt funktioniert, das können wir in den nächsten Jahren gemeinsam überprüfen, denn als erstes Bundesland führt Berlin ein Integrationsmonitoring ein. Regelmäßig wird der Senat von nun an empirisch fundierte Berichte über die Entwicklung von Integrationsprozessen in der Stadt vorlegen. Mithilfe von über 40 Indikatoren wird der Verlauf von Integration systematisch gemessen. Ziel des Monitorings ist die stärkere strategische Steuerung von Integrationsprozessen und – das hat Ihr Beitrag auch deutlich gemacht – eine Versachlichung der Debatte. Künftig werden wir nicht mehr über Stimmungen diskutieren müssen, sondern wir können über die Entwicklung von Kennzahlen reden. Das ist ein wichtiger Fortschritt.
Wie wichtig das ist, hat auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung erkannt. Wir freuen uns, dass Frau Böhmer den Berliner Weg aufgreift und auf Bundesebene ebenfalls die Einführung eines Integrationsmonitorings vorbereitet. Ein Beweis mehr, dass Berlin in Sachen Integrationspolitik gut aufgestellt ist! Doch wir geben uns damit nicht zufrieden. Unser Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten.
Dazu gehört die Teilhabe am Erwerbsleben. Wir werden uns nicht damit abfinden, dass in Handwerk, Handel und Industrie weniger als fünf Prozent der Lehrlinge Jugendliche ohne deutschen Pass sind. „Migrantinnen und Migranten sollen die gleichen Chancen beim Zugang zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit haben wie Angehörige der Mehrheitsgesellschaft.“ So steht es als verbindliches Ziel im Integrationskonzept.
Mit der Informationskampagne „Berlin braucht dich“ und gezielten Vorbereitungsangeboten für Bewerberinnen und Bewerber ist es uns gelungen, den Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Ausbildung im öffentlichen Dienst deutlich zu steigern.
23,5 Prozent – gucken Sie in die Beantwortung der Kleinen Anfrage von Frau Öney – der Auszubildenden, die am 1. September ihre Ausbildung in einer Berliner Senatsverwaltung begonnen haben, sind Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Das Programm „Ausbildung in Sicht“, das wir 2006 gestartet haben, ein Förderprogramm zur Berufsorientierung für Jugendliche mit Migrationshintergrund, ist mittlerweile gut angelaufen. Insgesamt haben 1 450 Jugendliche daran teilgenommen. Über 36 Prozent dieser Jugendlichen haben im Anschluss an das Training einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden oder machen eine weiterführende Qualifizierung.
Migrantinnen und Migranten verfügen häufig über besondere soziale Kompetenzen wie z. B. eine außergewöhnliche Flexibilität, Belastbarkeit, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, die sie aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation erworben haben. Hinzu kommt sprachliche Kompetenz. Die Anerkennung und Förderung dieser Kompetenzen sind ein wichtiger Schritt für mehr Chancengleichheit auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Damit das gelingt, fördern wir im Rahmen eines Modellprojekts – auch ein Leitprojekt des Integrationskonzepts – die interkulturelle Öffnung der Berliner Jobcenter.
Zur gleichberechtigten Teilhabe von Migrantinnen und Migranten gehören demokratische Rechte. Wir wollen, dass sich alle, die dauerhaft in Berlin leben, an kommunalpolitischen Entscheidungen beteiligen können.
Deshalb ist es genau richtig, dass der Senat jetzt eine Bundesratsinitiative zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger startet. Das gehört für uns zu einem umfassenden nationalen Integrationsplan.
Zur CDU: Herr Wansner! Sie sollten sich wirklich fragen, ob dies nicht ein Indiz, wenn auch nicht das einzig wichtige, ist, an dem Sie deutlich machen können, wie ernst es Ihnen mit dem Zusammenleben auf gleicher Augenhöhe und der Integration ist.
„Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“ ist das Motto des Berliner Integrationskonzepts. Wir wollen, dass die Vielfalt in Berlin als etwas Positives erlebbar wird. Kulturelle Vielfalt ist der wahre Reichtum dieser Stadt. „Wir alle sind Berlin!“ hat Klaus Wowereit auf dem Berliner Integrationsgipfel gesagt, und in diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam für die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten arbeiten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie viele Aufenthaltserlaubnisse sind in Berlin bislang auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 erteilt worden?
2. Wie ist die Erteilungsquote in Berlin im Vergleich zu anderen großen Städten im Bundesgebiet?
Welche Gründe sieht der Senat, dass in Berlin nicht noch mehr Menschen von der Regelung profitieren konnten?